Der anonyme Liebesbrief: Dr. Norden – Unveröffentlichte Romane 39 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
»Ich kann nicht mehr!« Amelie Kaps versuchte ihre brüllende Tochter zu übertönen. Wie fast jeden Tag in letzter Zeit hing die Zweijährige aus unerfindlichen Gründen kopfüber über ihrem Arm und schrie. »Das hält doch kein Mensch aus.« Dr. Daniel Norden betrachtete das kreischende Bündel Mensch. »Kaum zu glauben, welche Kraft in so einem Knirps steckt«, wunderte er sich und kitzelte Esther am Bauch, was die mit noch lauterem Gebrüll quittierte. »Ist etwas passiert?« »Nichts, das ist es ja.« Für gewöhnlich war Amelie eine schöne, aufsehenerregende Frau. Doch in letzter Zeit hatte ihr Aussehen deutlich gelitten. Ihr sonst so gepflegtes, schimmerndes braunes Haar hing schlaff über ihre Schultern. Sie war ungeschminkt, die Haut blass. Ihre ungewöhnlich grünen Augen hatten allen Glanz verloren. »Jeden Tag ist es dasselbe. Seit Wochen schon. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund fängt Esther an zu schreien. Dummerweise meist genau zu dem Zeitpunkt, wenn ich Noel aus dem Kindergarten holen soll.« Das Mädchen hörte den Namen seines Bruders und hielt kurz inne.
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Dr. Norden
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Buchvorschau
Der anonyme Liebesbrief - Patricia Vandenberg
Dr. Norden – Unveröffentlichte Romane
– 39 –
Der anonyme Liebesbrief
Unveröffentlichter Roman
Patricia Vandenberg
»Ich kann nicht mehr!« Amelie Kaps versuchte ihre brüllende Tochter zu übertönen. Wie fast jeden Tag in letzter Zeit hing die Zweijährige aus unerfindlichen Gründen kopfüber über ihrem Arm und schrie. »Das hält doch kein Mensch aus.«
Dr. Daniel Norden betrachtete das kreischende Bündel Mensch.
»Kaum zu glauben, welche Kraft in so einem Knirps steckt«, wunderte er sich und kitzelte Esther am Bauch, was die mit noch lauterem Gebrüll quittierte. »Ist etwas passiert?«
»Nichts, das ist es ja.« Für gewöhnlich war Amelie eine schöne, aufsehenerregende Frau. Doch in letzter Zeit hatte ihr Aussehen deutlich gelitten. Ihr sonst so gepflegtes, schimmerndes braunes Haar hing schlaff über ihre Schultern. Sie war ungeschminkt, die Haut blass. Ihre ungewöhnlich grünen Augen hatten allen Glanz verloren. »Jeden Tag ist es dasselbe. Seit Wochen schon. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund fängt Esther an zu schreien. Dummerweise meist genau zu dem Zeitpunkt, wenn ich Noel aus dem Kindergarten holen soll.« Das Mädchen hörte den Namen seines Bruders und hielt kurz inne. Ihr rundes Gesicht war krebsrot und verzerrt vor Empörung. Amelie wagte kaum, aufzuatmen vor Erleichterung. In normaler Lautstärke fuhr sie fort.
»Mir bleibt also nichts anderes übrig, als Esther schreiend in den Buggy zu stecken und anzuschnallen. Sie können sich vorstellen, wie sie das findet. Der Weg zum Kindergarten ist die Hölle. Der reinste Spießrutenlauf. Die Leute, denen wir begegnen, halten mich definitiv für eine Rabenmutter. Ich kann es Ihnen nicht verdenken, so wie sich Esther aufführt. Nicht wahr, mein kleiner Schatz.«
Trotz ihrer Ratlosigkeit war ihre Stimme weich, als sie zärtlich über die nasse Kinderwange streichelte.
Wie auf Kommando zogen sich Esthers Mundwinkel augenblicklich wieder nach unten, die Augen füllten sich erneut mit Tränen. Amelie seufzte erschöpft.
»Sehen Sie, jetzt geht es schon wieder los. Die Erzieherin im Kindergarten hat mich schon angesprochen. Aber was soll ich ihr sagen? Ich kann nichts anderes tun, als Esther im Buggy wüten zu lassen, während ich Noel anziehe. Dann gehen wir zusammen ganz schnell nach Hause und legen Esther dort irgendwo auf den Boden, damit sie sich nicht wehtut. Meist dauert es noch ein paar Minuten, dann kommt das Madamchen schluchzend aus dem Zimmer und der Spuk ist vorbei.«
Resigniert betrachtete Amelie ihre Tochter. Sie hatte sich doch anders entschieden und sich endlich beruhigt. Eine Weile wurde der kleine Körper noch von Schluchzern geschüttelt. Dann hatte Esther sich so weit beruhigt, dass sie vom Schoß ihrer Mutter klettern und auf kleinen Beinchen begann, das Behandlungszimmer zu erkunden.
»Fuzleug?«, fragte sie und deutete auf eine Kinderzeichnung, die Daniel aufgehängt hatte.
»Nein, mein Schatz, das ist ein Hubschrauber«, erklärte Amelie mit letzter Kraft.
»Fuzleug!«, wiederholte Esther energisch und klatschte begeistert in die Hände.
Daniel betrachtete das niedliche Mädchen mit den blonden Löck-chen und lachte.
»Na, jedenfalls können wir eine ernsthafte Erkrankung ausschließen. So munter, wie sie plötzlich wieder ist.«
»Bei Esther schon«, konnte sich Amelie an dieser Gewissheit nicht recht freuen. »Wenn das noch lange so weitergeht, kann ich für meine eigene Gesundheit nicht mehr garantieren. Esther war schon immer ein anstrengendes Kind. Langsam aber sicher geht mir die Kraft aus.«
»War sie nicht auch ein Kolikbaby?« Daniel betrachtete den Bildschirm seines Computers, wo auf Knopfdruck sämtliche wichtigen Informationen verfügbar waren.
Amelie nickte.
»Vier Monate lang habe ich sie jede Nacht vier, fünf Stunden herumgetragen. Und kaum lag ich eine Stunde im Bett, kam Noel daher, um mit mir zu spielen«, erinnerte sich Amelie schaudernd an die erste harte Zeit mit zwei so kleinen Kindern.
»Kann Ihr Mann Sie ein wenig mit den Kindern unterstützen? Sie Ihnen hin und wieder abnehmen, damit Sie sich ausruhen können?«
»Lothar? Sie machen Witze.« Energisch schüttelte Amelie die braune Mähne. »Nachts schläft er wie ein Stein, und am Wochenende muss er dringend ausschlafen und sich ausruhen. Er hat einen anstrengenden Beruf und als Geschäftsführer eines Verlags jede Menge Verantwortung. Esther, lass die Bücher im Regal!« Das Mädchen stand vor Daniels Bücherregal und zerrte an einem dicken Band. Der bunte Rücken hatte ihre Aufmerksamkeit erregt, und sie vollbrachte Schwerstarbeit, ohne auf die Worte ihrer Mutter zu achten.
»Mama lesen«, keuchte sie angestrengt. Endlich gelang es ihr, das schwere Buch herauszuheben. Mit gerunzelter Stirn schleppte sie es zu Amelie und legte es stolz auf ihren Schoß. »Buch mitbacht.« Der Anblick war so drollig, dass die Erwachsenen dem Kind nicht böse sein konnten.
Und trotzdem:
»So geht das nicht weiter. Seit knapp einem Jahr ist nachts endlich Ruhe und beide Kinder schlafen durch. Und jetzt das!«
»Seit wann hat Esther denn diese Anfälle?«
»Erst seit ein paar Wochen. Aber es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Vor allen Dingen, weil wir keinen Grund finden. Sie haben sie untersucht, ich habe sämtliche Ratgeber gelesen, die es zu diesem Thema gibt. Langsam, aber sicher bin ich mit meinem Latein am Ende.« Genauso sah Amelie auch aus.
»Ich glaube, Esther spürt, dass Sie erschöpft sind, und nutzt diese Situation aus. Nicht bewusst oder gar bösartig. Vielmehr glaube ich, es ist eine Suche nach Sicherheit, nach Grenzen, die sie Ihr im Augenblick nicht geben können«, vermutete der Arzt.
Amelie dachte eine Weile nach und seufzte schließlich.
»Schon möglich. Es gelingt mir einfach nicht, sie schreien zu lassen. Immer versuche ich, sie abzulenken oder zu beruhigen. Vielleicht ist das der Fehler. Deshalb wollte ich Sie fragen, ob Sie ihr nicht ein leichtes Beruhigungsmittel verschreiben können. Denn sie leidet doch auch.« Auf einmal standen Tränen der Erschöpfung in Amelies glanzlosen grünen Augen. »Ich liebe meine Kinder wirklich. Aber manchmal hasse ich mein Leben«, brach es plötzlich aus ihr hervor. »Dabei hatte ich mir alles so toll vorgestellt, verheiratet zu sein, eine Familie zu gründen. Und was ist jetzt? Jetzt sitze ich den ganzen Tag mit zwei Kleinkindern zu Hause oder auf dem Spielplatz, ohne einen Ansprechpartner, ohne einen Erwachsenen, der mir mal zuhört oder ein ernsthaftes Gespräch führt. Es mag seltsam klingen, aber ich fühle mich verdammt einsam inmitten all dieser Mütter, die nur den Wettbewerb zwischen ihren Kindern im Auge haben. Und ich langweile mich. Trotz all der Arbeit.« Die Stimme versagte ihr, und sie suchte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch.
Inzwischen blätterte Esther selbstvergessen in dem Buch. Niemand hätte erwartet, dass dieser kleine Engel ein solches Teufelchen sein konnte.
»Meine Frau kann ein Lied von diesen typischen Mütterthemen singen«, gab Daniel zu erkennen, dass er Amelies Nöte verstand. »Welches Kind kann schneller laufen, als Erstes bis zehn zählen, eine Blume malen oder auf Englisch Guten Tag sagen. Es geht nur noch um Leistung und Wettbewerb.«
»Im Berufsleben kann man das ja gerade noch verstehen. Aber im Sandkasten?«, murmelte Amelie. Ihr Gefühlsausbruch war ihr mehr als peinlich.
Nach ihrer Erklärung sah Daniel aber klarer.
»Sie sind nicht glücklich mit Ihrer Situation, Frau Kaps. Ich denke, Esther spürt das und ist deshalb besonders in stressigen Momenten so unberechenbar und stur.«
»Und was sollte ich Ihrer Ansicht nach tun? Mein