Höhenflug und unsanfte Landung: Dr. Norden – Unveröffentlichte Romane 24 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
»Meine Eltern hatten nicht die Mittel, mich auf einer guten Schule erziehen zu lassen. Deshalb beschloss ich, wenigstens in der Nähe der Bildung zu arbeiten.« Lächelnd saß Elfriede Olthoff in ihrem Sessel und sah sinnend an ihrem Enkel Florian vorbei aus dem Fenster. Obwohl der junge Mann die Geschichte schon an die hundert Mal gehört hatte, nickte er gutmütig. »Und deshalb hast du am Luisengymnasium in München im Sekretariat geschuftet.« Er fischte eine Packung Zigaretten aus der Tasche. »Stört's dich?« Missbilligend zog Elfriede die Stirn kraus. »Du bringst dich noch um mit diesem Zeug.« »Na und? Sterben müssen wir alle mal.« Ungerührt zuckte Florian mit den Schultern und zündete sich eine Zigarette an. Er inhalierte tief. »Also, wir waren bei der Penne. Du hast also im Gymi geschuftet.« »Gearbeitet«, korrigierte Elfriede den saloppen Ton ihres Enkels seufzend. »Ganz richtig. Ich erinnere mich noch gut an die weiß gelackten Bogenfenster mit den Sprossen. Und an das Getrappel der vielen Füße auf dem hellen Linoleumboden.
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Buchvorschau
Höhenflug und unsanfte Landung - Patricia Vandenberg
Dr. Norden – Unveröffentlichte Romane
– 24 –
Höhenflug und unsanfte Landung
Unveröffentlichter Roman
Patricia Vandenberg
»Meine Eltern hatten nicht die Mittel, mich auf einer guten Schule erziehen zu lassen. Deshalb beschloss ich, wenigstens in der Nähe der Bildung zu arbeiten.«
Lächelnd saß Elfriede Olthoff in ihrem Sessel und sah sinnend an ihrem Enkel Florian vorbei aus dem Fenster.
Obwohl der junge Mann die Geschichte schon an die hundert Mal gehört hatte, nickte er gutmütig.
»Und deshalb hast du am Luisengymnasium in München im Sekretariat geschuftet.« Er fischte eine Packung Zigaretten aus der Tasche. »Stört’s dich?«
Missbilligend zog Elfriede die Stirn kraus.
»Du bringst dich noch um mit diesem Zeug.«
»Na und? Sterben müssen wir alle mal.« Ungerührt zuckte Florian mit den Schultern und zündete sich eine Zigarette an. Er inhalierte tief.
»Also, wir waren bei der Penne. Du hast also im Gymi geschuftet.«
»Gearbeitet«, korrigierte Elfriede den saloppen Ton ihres Enkels seufzend. »Ganz richtig. Ich erinnere mich noch gut an die weiß gelackten Bogenfenster mit den Sprossen. Und an das Getrappel der vielen Füße auf dem hellen Linoleumboden. Der Geruch in den Bogengängen wird mir unvergessen bleiben. Und das fleißige Gemurmel hinter den Türen erst. Ich weiß, es klingt albern. Aber man konnte all das Wissen förmlich einatmen. Es lag in der Luft.«
Florian lachte.
»Und? Was hats dir gebracht? Bist du jetzt klüger?«
»Oh, du machst dich über deine alte Großmutter lustig.« Tadelnd wedelte Elfriede mit dem Finger in der Luft herum. »Ich bedaure zutiefst, dass du die Schule nicht besser gemacht hast. War sie denn so furchtbar?« Ein sorgenvoller Schatten huschte über das verklärte Gesicht der Seniorin. »Warum warst du nie ein guter Schüler?« An dieser Stelle wartete Elfriede auf das spöttische Gelächter ihres Enkels und mied vorsichtshalber seinen Blick. Erstaunlicherweise blieb das Lachen aus.
Florian räusperte sich verlegen.
»Hey, meine Schule war nicht besser oder schlechter als irgendeine andere. Die Pauker haben mit Sicherheit ihr Bestes gegeben. Haben uns ständig belabert, dass wir bessere Chancen haben, wenn wir uns Bildung reinziehen«, erklärte er seiner Großmutter in einer Sprache, die sie erschauern ließ. Sie unterbrach ihn trotzdem nicht. »Aber wer hört schon auf Pauker? Das tun doch nur die Streber, oder? Wenn ich die Schule ernst genommen hätte, wär ich doch glatt einer von denen gewesen. Meine Kumpels hätten mich echt ausgelacht.«
Erstaunt riss Elfriede die Augen auf.
»Du meine Güte, ist das so heutzutage? Damals waren wir froh, wenn wir überhaupt in die Schule gehen durften und nicht sofort arbeiten mussten.«
»Die Zeiten ändern sich, Großmütterchen. Wenn ich zugegeben hätte, dass Schule was Nützliches ist, hätten die mich ganz schön vermöbelt. Da kannste Gift drauf nehmen.«
»Aber es muss doch etwas Sinnvolles in Eurem Leben geben? Ihr könnt Eure kostbare Zeit doch nicht so vergeuden«, rief Elfriede empört.
Florian lachte unfroh. »Hatte ich eine Wahl? Wenn ich einer von ihnen sein wollte, musste ich mich an die Spielregeln halten.«
»Und die lauteten?«
»Die richtige Mucke hören, die richtigen Klamotten tragen, mit den richtigen Leuten abhängen. Das sind die harten Fakten im Leben.« Florian nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette. Er sah aus dem Fenster und dachte nach. »Ich mein, nicht dass ich nicht manchmal drüber nachgedacht hätte, ob das alles so richtig ist. Das eine oder andere hätte mich in der Penne schon interessiert. Aber dann hab’ ich halt meinen Empi angeworfen, ein paar coole Sprüche rausgehauen und gut wars.«
»Empi?«, fragte Elfriede hilflos. Diese Sprache der Jugend klang wie Chinesisch in ihren Ohren.
Florian grinste breit und aschte in einen Blumentopf.
»MP3-Player. Diese kleinen Dinger, mit denen man Musik abspielen kann«, erklärte er gutmütig, ehe er zu seinen Gedanken zurückkehrte. »Irgendwie kann man sich immer ablenken und sich einreden, dass das Leben voll cool ist, wie es ist.«
»Höre ich da einen gewissen Zweifel in deiner Stimme?« Elfriede hatte aufmerksam gelauscht.
Florian zuckte mit den Schultern.
»Na ja, seit ich mit Silvie zusammen wohne und in der Kneipe arbeite, mach ich mir schon so meine Gedanken. Ich frag mich, ob das alles ist, was ich vom Leben will. So viel Kohle verdiene ich da nicht. Und Silvie ist mit ihrem Job als Friseuse auch nicht grad super dran. Was, wenn wir mal aus dem Loch ausziehen wollen, in dem wir jetzt hausen? Wenn wir mal ’ne eigene Wohnung haben wollen und Kinder und so? Wie soll das gehen?«
»Außerdem: Hast du schon mal darüber nachgedacht, welches Vorbild du deinen Kindern sein willst?«, nutzte Elfriede diesen Moment der Einsicht.
»Na klar. Da drüber denk ich in letzter Zeit öfter mal nach«, gestand Florian und zog an seiner Zigarette. Er sah seine Großmutter aus zusammengekniffenen Augen an. »Daran sind die Leute in der Kneipe schuld. Kannst du dir vorstellen, wie mich diese Typen langweilen? Die Dumpfbacken hocken jeden Abend vor ihrem Bier oder daddeln am Spielautomaten. Und immer dieselben Gespräche, dasselbe Gejammer. So will ich mal nicht werden.« Er machte eine Pause und drückte die Zigarette in der Erde aus. »Und jetzt muss ich mir halt überlegen, was ich vorhab’. Kauf ich mir ein paar neue Klamotten und tu so, als hätt sich was geändert? Oder ändere ich mich wirklich. Von innen raus mein ich.« Um seine Worte zu unterstreichen, klopfte er sich mit der Hand auf die Brust.
Elfriede lächelte.
»Natürlich ist es einfacher, ein paar neue Kleider zu kaufen.«
»Es ist leicht, kostet nicht die Welt und keiner regt sich drüber auf«, bestätigte Florian.
»Sind dir deine Freunde denn immer noch wichtiger als dein Leben?«, stellte Elfriede eine provokante Frage.
Florian zuckte mit den Schultern.
»Kein Plan. Schätze mal, das muss ich noch rausfinden.« Er sah hinaus in die Dämmerung. »Und jetzt muss ich los in die Arbeit. Zu meinen Dumpfbacken.« Er grinste breit und drückte seiner Großmutter einen Kuss auf die zarte Wange.
Die sah ihrem einzigen Enkel nach, wie er schlurfend, in Jeans, deren Hosenboden ihm beinahe bis zu den Knien hing, das Zimmer verließ. Ein feines Lächeln lag auf ihren schmalen Lippen. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie wieder ein gutes Gefühl. Im Gegensatz zu seinen Eltern, die den Kontakt zu ihrem missratenen Sohn schon vor einiger Zeit abgebrochen hatten, hatte sie sich offenbar doch nicht in Florian getäuscht. Der Junge hatte ein gutes Herz und würde seinen Weg gehen, für was auch immer er sich entschied. So viel war sicher.
*
Im überdachten Lichthof, der die Behnisch-Klinik mit dem neu entstandenen Trakt verband, in dem die Kinderklinik untergebracht war, hatten sich viele Menschen versammelt. Ärzte und Schwestern waren ebenso anwesend wie Patienten, Sponsoren, Freunde und Gönner der renommierten Privatklinik. Und obwohl Dr. Jenny Behnisch es gewohnt war, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, war sie sichtlich gerührt, als sie die letzten Worte ihrer Dankesrede zur Eröffnung der Pädiatrischen Abteilung