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Guten Morgen, Petra
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eBook154 Seiten2 Stunden

Guten Morgen, Petra

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Über dieses E-Book

Als Erstgeborene kümmert sich Petra nach dem frühen Tod ihrer Eltern mit viel Hingabe und Geduld um ihre jüngeren Geschwister und den kompletten Haushalt. Ständig um das Wohlbefinden der anderen bemüht, hat Petra keine Zeit sich um ihre eigenen Zukunftspläne zu kümmern. Deshalb verschreiben ihr die jüngeren Geschwister eine Auszeit. Petra entschliesst sich ihren Bruder am Bodensee zu besuchen, doch auf der Reise dahin werden ihr einige Hindernisse in den Weg gestellt. Als Petra schliesslich früher als geplant aus dem Urlaub nach zurück Hause kehrt, wartet eine Überraschung auf sie, die ihr Leben verändern wird... – Eine wunderschöne, mit viel Humor und Lebensklugheit erzählte Alltagsgeschichte über das Leben einer jungen Frau.Lise Gast (geboren 1908 als Elisabeth Gast, gestorben 1988) war eine deutsche Autorin von Kinder- und Jugendbüchern. Sie absolvierte eine Ausbildung zur landwirtschaftlichen Lehrerin. 1933 heiratete sie Georg Richter. Aus der Ehe gingen 8 Kinder hervor. 1936 erschien ihr erstes Buch "Tapfere junge Susanne". Darauf folgen unzählige weitere Geschichten, die alle unter dem Pseudonym Lise Gast veröffentlicht wurden. Nach Ende des zweiten Weltkriegs floh Gast mit ihren Kindern nach Württemberg, wo sie sich vollkommen der Schriftstellerei widmete. Nachdem sie erfuhr, dass ihr Mann in der Tschechoslowakei in einem Kriegsgefangenenlager gestorben war, gründete sie 1955 einen Ponyhof und verwendete das Alltagsgeschehen auf diesem Hof als Inspiration für ihre Geschichten. Insgesamt verfasste Gast etwa 120 Bücher und war neben ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin auch als Kolumnistin aktiv.-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum5. Juni 2016
ISBN9788711509500
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    Buchvorschau

    Guten Morgen, Petra - Lise Gast

    www.egmont.com

    Es schneite, schneite. Es schneite, wie es seit Jahrzehnten nicht geschneit hatte, so jedenfalls behauptete Frieder. Aber er studierte Zeitungswissenschaften und wollte Journalist werden, und da gehört Übertreiben zum Handwerk. Petra sagte das, als sie, von ihm gezerrt und gezogen, vor die Tür trat. Immerhin – man maß sicher vierzig Zentimeter, die in den letzten Stunden dazu gekommen waren, und das war für die kleine Universitätsstadt, die doch nicht gerade exponiert lag, allerhand und bestimmt eine Seltenheit.

    „Kein Auto kommt mehr durch!" juchzte Frieder, der sich nichts so heiß wünschte wie ein Auto und alle Autobesitzer mit scheelem Neidesblick betrachtete, „alle müssen laufen! Laufen ist so gesund! Hahaha!"

    „Und du? Du lauf nur auch! sagte seine liebe „große Schwester und lachte ebenfalls schadenfroh. Frieder zeigte ihr einen Vogel.

    „Ich? Ich bleibe daheim! Man kann daheim so gut büffeln ..."

    Petra sah ihn an und seufzte. Büffeln – Frieder! Aber eines Tages würde vielleicht auch er es lernen. Jeder wurde wohl zu einer bestimmten Zeit vernünftig und sah ein, daß es ohne Arbeit nicht geht, einer früher, der andere später. Wenn sie dagegen an Pytt dachte, wie die arbeitete!

    Pytt war von jeher fleißig und ehrgeizig gewesen. Petra sah auch dies ein wenig mit Sorge. Ach ja, sie war wahrhaftig schon ganz in die Rolle der Mutter gerutscht, sie, Petra, daß sie sich um alles und jedes Sorge machte, was die jüngeren Geschwister betraf! Daß sie zu viel oder zu wenig arbeiteten, aßen, lachten oder seufzten ...

    Petra sprang mit einem plötzlichen Satz aus der Haustür, raffte Schnee zusammen und pfefferte ihn dem jüngeren Bruder ins Gesicht. Der, nicht faul, bückte sich auch, und im nächsten Augenblick war eine richtige Schneeballschlacht im Gange. Klatsch, patsch, ging es hin und her, keiner wußte, wieviel der andere abkriegte, bis sie schließlich aufatmend sich beide zugleich aufrichteten und auspusteten.

    „Schluß jetzt, ich hab’ genug", keuchte Petra und schüttelte Schnee aus dem Nacken, während sie tiefgebeugt dastand und mit den Händen die Haare ausstäubte, und Frieder grub Schnee aus den Ärmeln.

    „Du bist ganz hübsch brutal mit Treffern!" sagte er dabei, und Petra lachte.

    „Danke, gleichfalls. Hast du heute abend was vor? Ich meine nur."

    „Weggehen hat wirklich keinen Zweck, sagte Frieder, „ich müßte ja zu Fuß los. Also. Aber – du, da fällt mir ein, Marcell kommt heute abend. Er bringt Dias aus Griechenland mit.

    „Ach, neue? Wunderbar. Die würde ich auch gern sehen."

    „Kannst du doch, klar. Und alle, die noch hier sind. Hast du eine Ahnung, wer?"

    „Ach, so ziemlich die ganze Belegschaft, nehme ich an. Wer treibt sich bei diesem Wetter außerhalb des Hauses herum, wenn er nicht muß. – Soll ich einen Punsch machen?"

    „Punsch! Frieder zog ein Gesicht wie eine Katze, der man auf die Nase pustet. „Punsch ist was für kleine Kinder oder alte Tanten. Männer trinken Bier.

    „Bei der Kälte? Petra schüttelte sich. Sie hatte das nie verstehen können. Aber so waren junge Männer nun einmal. „Übrigens: geh nicht in dein Zimmer. Dort schläft Hartwig, seit heute früh. Er hat die Nacht durch gebüffelt und kam ganz taumelig an, da hab’ ich ihn dort abgestellt. Dein Zimmer ist ja am wenigsten lautempfindlich. Laß ihn bitte schlafen! Du kannst in der Küche essen. Pytt kommt später oder erst abends, da können wir zwei es uns dort gemütlich machen. Im Wohnzimmer sitzt nämlich Helmut Wörner und paukt, und du weißt ja, daß der laut lernt, sonst bekommt er nichts in den Kopf.

    „Danke. Frieder war noch immer damit beschäftigt, sich den Schnee abzuklopfen. „Also Hartwig liegt in meinem Bett. Hoffentlich träumt er was Schönes. Er trat in die Küche und schloß die Tür hinter sich. Es roch herrlich und kräftig nach Mittagessen, und Frieder betrachtete interessiert, was ihm seine Schwester soeben auf den Teller schöpfte. Ein ordentlicher Eintopf – nichts dagegen zu sagen.

    „Und im Wohnzimmer memoriert Helmut. Darf ich wenigstens die Zeitung haben?"

    „Beim Essen nicht. Politik verdirbt den Appetit, sagte Petra und überhörte gutmütig seinen spitzen Ton. „Außerdem habe ich sie Wörner gegeben, er muß sie wenigstens überflogen haben. Beim Referendar wird viel Allgemeinwissen verlangt. Er macht sich Notizen.

    „Hm. Es schmeckte wunderbar, und ein gutes warmes Essen an einem kalten Tag macht nachgiebig. Frieder König, dem Gymnasialalter erst seit kurzem entwachsen, befand sich noch ein bißchen in dem Stadium, da man sich drei große Teller nahrhafter Suppe einverleiben kann und danach interessiert fragt, was es denn als Hauptgericht und Nachtisch gäbe. So verfolgte er das Thema „eigenes Zimmer und „Zeitung" eigentlich mehr aus Lust an geschwisterlicher Plänkelei als im Ernst.

    „Jaja. Sicher wird er über die Bundesliga ausgefragt, und wehe, wenn er da nicht Bescheid weiß. Ich kann die Sportnachrichten ja auch noch nächste Woche lesen."

    „Du bekommst deine Zeitung schon noch." Petra schob dem Bruder eine gehäufte Portion Hefeklöße zu.

    „Da, nimm Vanillesoße drüber, dann sind sie nicht so heiß. Magst du doch lieber als Pflaumenmus? Abends ist er bestimmt mit der Zeitung fertig."

    „Du siehst mich in heller Vorfreude." Frieder blies über die Klöße hin und lächelte, und man wußte nicht: Fand er die Aussicht auf die Zeitung so erfreulich oder das Gebirge auf seinem Teller.

    „Behält Hartwig sein Zimmer über das Sommersemester, oder habt ihr darüber noch nicht gesprochen?"

    „Doch, natürlich bleibt er."

    „Und zahlt er auch in den Ferien?"

    „Er zahlt, ganz bestimmt, er zahlt, sobald er kann, sagte Petra und wirtschaftete am Herd, ohne sich umzudrehen. „Bisher hat er es immer gezahlt.

    „Fragt sich höchstens, wann", murmelte Frieder kauend. Petra überhörte es oder tat so. Sie hatte in den letzten Jahren viel Ähnliches überhören müssen.

    Natürlich hatte Frieder recht. Die wenigsten Studenten zahlen pünktlich, und die Mieteinnahmen waren eigentlich das, wovon man lebte. Die Eltern, vor mehr als fünf Jahren kurz hintereinander gestorben, hatten den Geschwistern nichts hinterlassen als dieses Haus am Rande der kleinen Universitätsstadt. Was lag näher, als die Zimmer an Studenten zu vermieten? ‚Buden‘ wurden gesucht und gut bezahlt – wenn sie bezahlt wurden. Petra, die derzeit älteste zu Hause, war, ohne es zu wollen oder zu merken, in die Rolle von Vater und Mutter hineingewachsen; sie sorgte für die Geschwister und die Studenten, rechnete ab oder stundete, je nachdem, und hatte bisher noch immer das Lebensschifflein der „Königskinder mit Erfolg gesteuert. Freilich, manchmal meuterten die Jüngeren, Frieder, der Student der Zeitungswissenschaft, und Pytt, die vorigen Herbst das Abitur gemacht hatte. Sie fanden, daß Petra viel zu weich und nachgiebig wäre, hätten es aber an ihrer Stelle auch nicht anders gemacht. Man fühlte mit den andern Studenten, erlebte ja die gleichen Nöte und Ängste und war stets knapp bei Kasse. „Nun brumm nicht, er hat es schwer genug, du weißt ja, wie krank er war, sagte Petra und versuchte damit zu entschuldigen und zu erklären, warum sie wieder einmal schwach geworden war und ihren Untermietern mehr erlaubt hatte, als recht und billig schien. „Ich dachte, du kämst heute auch erst zu Mittag und müßtest wieder fort. Außerdem, stell dir bitte vor, du wohntest auf einer Bude und hättest nichts mehr zu heizen. Da wärst du bestimmt auch froh, wenn dich jemand ins warme Wohnzimmer nähme."

    „Natürlich." Hefeklöße wirken beruhigend, und Frieder futterte und sagte nichts mehr. Erst als er satt war, kam er auf das Thema zurück.

    „Und du meinst wirklich, Hartwig zahlt alles nach, wenn er das Staatsexamen hat? Ich glaube kaum. Dann muß er erst mal für sich und seinen neuen Start sorgen. Das ist ja immer so. Und auf Freiersfüßen geht er auch, soviel ich beobachten konnte."

    „Ich weiß. Und ich weiß auch, daß jeder, der einen eigenen Hausstand gründen will, Geld braucht. Aber, lieber Himmel, er kann doch jetzt nicht auf Budensuche gehen, jetzt, wo sein Endspurt einsetzt! Nein, rauswerfen kann man ihn unmöglich. Außerdem ist noch gar nicht gesagt, daß er nicht zahlen wird."

    „Wer? Von wem sprecht ihr?"

    Die Küchentür flog mit einem Krach auf, und Pytt stand im Raum. Kleiner als Petra, mit kurzem, dunklem Fransenhaar, die Backen knallrot von der Schneeluft. „Nun ratet mal, ob ich durch bin oder nicht!"

    „Hast du heute – bei dem Schnee ..."

    „Jawohl! Der Fahrlehrer bestand darauf. Die Prüfer wollten eigentlich nicht, sie sagten, es wäre ein geradezu abnormes Wetter. Aber Schimmelfennig schien sehr sicher zu sein, daß wir durchkommen würden, zwei Jungen und ich. Und wir mußten fahren. Wir wollten auch, jedenfalls ich. Anfahren am Berg ist ja meine Stärke, aber einparken, wenn einem der Wagen dauernd seitlich wegrutscht ..." Pytt war zum Tisch getreten und demonstrierte voller Temperament mit dem Salzfaß, wie ihr Wagen gestanden und wie sie ihn vorschriftsmäßig aus der Parklücke herausgeholt habe.

    „Und das Theoretische?"

    „Hab’ ich schon vorgestern gemacht. Nur nichts davon verlauten lassen, strahlte Pytt. „Womöglich geht es beim Praktischen schief, dachte ich, und da will ich mal lieber schön den Mund halten – –. Gibt’s eigentlich etwas zu essen für mich?

    „Natürlich, setz dich. Nein, sowas, die große Schwester zu überflügeln! Petra lachte und stellte Pytt den Teller hin. „Ich gratuliere, also ich finde das enorm.

    Pytt hatte ein sehr gutes Abitur gemacht. Sie gehörte zu der Sorte Menschen, die alles, was sie tun, mit Elan tun. Um so mehr hatte es die Geschwister gewundert, daß sie nicht sofort mit dem Studium anfing. Deutsch und Geschichte, davon hatte sie von jeher gesprochen. Aber nein, Pytt ging ihren eigenen Weg.

    Zunächst suchte sie sich einen Job. Richtiger ausgedrückt: Sie nahm jede Gelegenheit wahr, um Geld zu verdienen. Sie gab Nachhilfestunden, hütete Babys, sie spielte in Familien mit Kindern den Nikolaus, ein sehr einträgliches Geschäft, besonders für Studentinnen, denn ängstliche Mütter waren der Meinung, auch der Nikolaus müsse einfühlsam und sanft sein, damit er die kleinen Seelen nicht verletze. Leider war diese Geldquelle zeitgebunden. Aber Examensarbeiten tippen konnte man in der kleinen Universitätsstadt immer, und das tat Pytt bis tief in die Nacht hinein.

    Von dem Erlös kleidete sie sich ein: ein paar hübsche Kleider, Stiefel, ein schickes Kostüm, Lederjacke. Und nun den Führerschein. Petra hätte das nie vermutet und war ein bißchen betroffen: Offenbar hatte sie die jüngere Schwester finanziell zu kurz gehalten. Hatte sie? Sie wagte nicht zu fragen.

    Auch Eltern machen es nicht immer genau richtig, jedenfalls nach der Meinung der jüngeren Generation. Sie sparen dort, wo die Heranwachsenden es falsch und verkehrt finden, und geben Geld für Dinge aus, an denen „kein denkender Mensch" Spaß haben kann, wie viele Kinder meinen. Aber sie sind immerhin die Eltern, eine andere Generation, während Petra nicht viel älter als Pytt war und somit einsichtiger hätte sein können.

    Nun war Pytt also eingekleidet und besaß den Führerschein, obwohl sich in der Familie noch kein Wagen befand. Petra sah sie nachdenklich an, sagte aber nichts. Sie selbst hätte sich weder das eine noch das andere geleistet, wenn sie Geld verdient hätte. Was aber dann? Sie strich die Gedanken rasch durch, als kämen sie ihr nicht zu, und erkundigte sich lieber nach

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