Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Veltliner Schädel. Kriminalroman: Hemma Thoms dritter Fall
Veltliner Schädel. Kriminalroman: Hemma Thoms dritter Fall
Veltliner Schädel. Kriminalroman: Hemma Thoms dritter Fall
eBook307 Seiten4 Stunden

Veltliner Schädel. Kriminalroman: Hemma Thoms dritter Fall

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Wo ist Gottfried? Wurde er entführt? Und warum will sein Vater, ein wohlhabender aber knausriger Winzer, kein Lösegeld mehr zahlen? Hemma Thom, Schwester und Haushälterin des Dorfpfarrers wittert ein böses Verbrechen. Aber kann sie sich auch dieses Mal auf ihre Spürnase verlassen? Vielleicht wäre es besser, sie würde sich aus der Sache raushalten. Schließlich könnte ihre Unnachgiebigkeit auch Schaden anrichten.
Ein packender und zugleich äußerst humorvoller Roman, in dem Hemma wieder auf ihren Instinkt, auf die Zuverlässigkeit des Postenkommandanten Hubert und auf den Beistand der Himmelmutter vertrauen kann.

SpracheDeutsch
HerausgeberFederfrei Verlag
Erscheinungsdatum28. Feb. 2020
ISBN9783990740972
Veltliner Schädel. Kriminalroman: Hemma Thoms dritter Fall

Mehr von Werner Baumüller lesen

Ähnlich wie Veltliner Schädel. Kriminalroman

Titel in dieser Serie (2)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Mystery für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Veltliner Schädel. Kriminalroman

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Veltliner Schädel. Kriminalroman - Werner Baumüller

    Franz!

    Eins

    Hemma war von Anfang an skeptisch, ob dies eine gute Idee war. Sie war ja mit ihrer Arbeit für die Kirche, für den Pfarrhof, vor allem mit der ganzen Arbeit für ihren Bruder, dem Pfarrer von Niederfeld, mehr als ausgelastet. Wenn man Mesnerin, Organistin und Haushälterin zugleich ist und wenn man sich sowohl um den Kirchenchor als auch um die Ministranten auch noch kümmern muss, dann hat man bestimmt keinen Mangel an Arbeit, eher einen an Freizeit, Erholung und manchmal sogar an ausreichendem Schlaf. Sollte sie sich das jetzt auch noch antun?

    Ihre ehemaligen Cowboys, wie sie nach wie vor liebevoll ihre Ministrantinnen und Ministranten nannte, hatten offenbar bei Hemma ein Leben lang einen Stein im Brett. Und darum gab es erst einmal ein erfreutes Lächeln, als eines Tages völlig unerwartet die Fenzel Petra an der Pfarrhoftür klingelte, die Hemma jahrelang als Messdienerin zur Verfügung gestanden und die es sogar als erstes Mädchen zur Oberministrantin gebracht hatte.

    »So eine Überraschung! Komm herein. Was kann ich denn für dich tun?«

    »Fräulein Hemma«, meinte die Petra, »hätten Sie ein paar Minuten Zeit für mich? Ich müsste etwas mit Ihnen bereden.«

    Da lud Hemma das Mädchen ein, ihr ins Wohnzimmer zu folgen. »Mach es dir doch bequem. Magst du einen Kaffee? Guglhupf hätte ich auch da. Du trinkst doch schon Kaffee, oder?«

    Da musste die Petra ein wenig kichern. Denn von all dem, was sie und ihre Freundinnen inzwischen sonst noch tranken, wie Ribislwein, Cappy-Wodka oder Cola-Rotwein, war Kaffee so ziemlich das Harmloseste.

    »Klar, trinkst du schon Kaffee«, meinte Hemma. »Wie blöd von mir. Du bist ja schon fast erwachsen. Also, warte ein bisserl!« Mit diesen Worten zog sich Hemma in die Küche zurück, um ein paar Minuten später mit Kaffee und Guglhupf wieder aufzutauchen.

    »Wie geht es dir denn, Petra? Was machst du denn so? Hast du einen guten Job?«

    Hemma sprach damit die Geschichte an, dass Petras Eltern vor circa einem Jahr ihren Fleischereibetrieb geschlossen hatten, weil sie in Pension gegangen waren. Bis dahin hatte sie ja im elterlichen Betrieb gearbeitet.

    »Ja, ich arbeite jetzt drüben in der Stadt im Fleischgroßhandel.«

    »Sehr gut. Und was machst du da?«

    »Ich bin im Einkauf tätig. Als Assistentin. Da muss ich nicht den ganzen Tag im Büro sitzen, sondern komm auch ein wenig herum, wenn wir zu den Bauern fahren.«

    »Na fein. Es ist ja wirklich zu schade, dass ihr zugesperrt habt. Hast du denn überhaupt keine Lust gehabt, den Betrieb weiterzuführen?«

    »Nein, Fräulein Hemma, wirklich nicht. Meine Eltern haben so geschuftet, das wollte ich mir echt nicht antun. Da hab ich mehr davon, wenn ich das Geschäftslokal vermiete. Und hinten, wo das Schlachthaus war, haben mir meine Eltern eine eigene Wohnung einbauen lassen. Da hause ich jetzt, und da lasse ich es mir gut gehen.«

    »Das hör ich gerne. Und wie geht es den Eltern?«

    »Auch nicht schlecht. Die hatten ja einiges gespart. Damit machen sie jetzt ihre Reisen. Gerade sind sie für zwei Monate in China.«

    »Sehr gut, das haben sie sich eh verdient. Aber sag, Petra, was bringt dich denn zu mir?«

    »Wissen Sie, Fräulein Hemma, die Sache ist die. Wir haben vor, in Niederfeld einen Damenfußball-Verein zu gründen.«

    »Das ist ja eine ausgezeichnete Idee«, rief Hemma, die wusste, dass die Mädchen weniger Blödsinn machen konnten, wenn sie sich in ihrer Freizeit sportlich betätigten, als dumm in einem Kaffeehaus, in einer Bar oder beim Heurigen herumzuhängen. »Eine sehr gute Idee. Und? Brauchst du was von mir?«

    »Na ja, so einen Verein muss man gründen und dann anmelden. Da ist halt ein bisserl was zu tun. Und auskennen muss man sich da auch«, antwortete die Petra.

    Schön langsam spürte Hemma, dass da etwas auf sie zukam.

    »Ihr wollt, dass ich euch dabei helfe?«

    »Eigentlich möchten wir, dass Sie unsere Präsidentin werden.«

    Da musste die Hemma ein wenig lächeln. »Präsidentin? Aber so ein Dorfverein hat doch sicher keine Präsidentin, höchstens einen Obmann oder meinetwegen eine Obfrau.«

    »Sehen Sie, Fräulein Hemma, Sie kennen sich da gleich viel besser aus. Also, würden Sie dann unsere Obfrau werden?«

    »Geh, Kinderl«, und dabei stöhnte sie ein wenig. »Was soll ich denn noch alles machen? Ich glaub, ich habe da echt keine Zeit dafür.«

    Die Petra gab aber nicht gleich auf. Sie kannte Hemma schon seit vielen Jahren und wusste daher sehr wohl, mit welchem Schmäh man sie packen konnte.

    »Wissen Sie, Fräulein Hemma, wir haben uns lange unterhalten, wer das machen könnte. Und alle waren einstimmig dafür, dass nur Sie da infrage kommen. Und außerdem«, setzte sie fort, »es geht ja auch darum, die Mädchen sinnvoll zu beschäftigen. Es ist doch besser, Fußball zu spielen als immer nur in einem Lokal zu sitzen …«

    »Das weiß ich schon, da hast du sicher recht«, meinte die Hemma. »Aber meine Zeit hat halt auch ihre Grenzen.«

    »Die meisten der Mädchen«, meinte schließlich die Petra, »kennen Sie übrigens sehr gut. Wir waren ja alle Ihre Cowboy-Mädchen.«

    Damit hatte sie die Hemma nun endgültig im Reindl.

    »Na, in Gottes Namen, dann mache ich das halt. Aber ich werde bestimmt nicht die ganze Arbeit allein erledigen, das sag ich dir gleich. Ihr müsst da schon alle mithelfen.«

    Da strahlte die Petra und streckte beide Daumen nach oben. Auch Hemma lächelte. Schließlich fand sie den Gedanken ganz anziehend, ihre Mädels wieder ein wenig um sich zu haben.

    »Gut«, meinte sie. Per Handschlag wurde der Pakt besiegelt.

    Petra stand auf, bedankte sich und ging zur Tür. Dann drehte sie sich noch einmal um und meinte: »Übrigens, Fräulein Hemma, eine Trainerin bräuchten wir auch noch.«

    »Jetzt aber raus«, befahl Hemma in einem strengeren Ton. Doch Petra wusste, dass es so nicht gemeint war. Schließlich schmunzelte sie dabei ein bisschen.

    »Trainerin! Das auch noch. Dazu habe ich nun wirklich keine Zeit. Und außerdem habe ja überhaupt keine Ahnung von Fußball. Ich habe mich ja noch nie damit beschäftigt. Da müsst ihr euch jemanden suchen, der was davon versteht.«

    Das kapierte die Petra, und sie versuchte auch gar nicht, weiter nachzuhaken. Sie wusste auch, dass es bei der Hemma ein Nein geben konnte, das dann auch tatsächlich so gemeint war.

    »Übrigens«, rief Hemma der Petra noch hinterher, »wann soll es denn eigentlich losgehen? Wir müssen ja eine Gründungsversammlung abhalten.«

    »Na, so schnell wie möglich. Wir möchten ja im Herbst schon Meisterschaft spielen.«

    »Gut, dann sag den anderen, dass wir uns am Montagabend um neunzehn Uhr im Pfarrsaal treffen.«

    »Nicht beim Dorfheurigen?«

    »Nein, im Pfarrsaal!«

    Bis dahin hatte Hemma ein wenig Zeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Mit Vereinen kannte sie sich zwar sehr gut aus, schließlich hatte sie ihren Kirchenchor auch bei der Vereinsbehörde angemeldet. Aber wie das mit dem Fußball funktionierte, davon hatte sie erst einmal überhaupt keine Ahnung.

    Noch weniger Ahnung hatte Hemma allerdings davon, was sich schon sechs Tage zuvor in einem kleinen Raum wenige Kilometer außerhalb von Niederfeld zugetragen hatte.

    Eigentlich war es noch helllichter Tag, es war in etwa fünf Uhr Nachmittag an einem sonnigen Frühsommertag. Trotzdem drang kaum Licht in den Raum, schließlich waren sowohl die Tür als auch die Fensterläden verschlossen.

    Die spärliche Ausstattung des Zimmers bestand lediglich aus einer Eckbank, einem Tisch, zwei Stühlen und einer Anrichte, alles aus ein und demselben Lärchenholz gezimmert. Auf einem der Stühle saß ein Mann, der in diesem Moment seine letzten Gedanken dachte.

    Schweiß stand ihm auf der Stirn, und die Angst saß ihm im Nacken. Seine Augen blickten in den Lauf einer Schrotflinte. Er wusste, dass seine Uhr abgelaufen war. Ob er in der nächsten Minute in einer anderen Welt sein würde, ob sein Bewusstsein noch existieren oder ob einfach der Vorhang seines geistigen Daseins für immer fallen würde … er hatte keine Ahnung. Aber gleich würde er es erfahren.

    Der Schuss traf ihn direkt ins Gesicht. Es war aber nicht nur eine einzige Kugel, die seinen Kopf durchbohrte, sondern eine Vielzahl von Schrotteilen, die seinen Kopf förmlich zum Zerbersten brachten. Die Schädeldecke zerbrach, Blut spritzte in riesigen Mengen durch den ganzen Raum, vermischt mit Fleisch und Hirnmasse. Irgendetwas von dem, was nun am Boden lag oder an den Wänden klebte, mussten einmal seine Augen gewesen sein.

    Das Leben des Mannes war im Bruchteil einer Sekunde erloschen. Ob er jetzt bei Gott oder beim Teufel sitzt oder ob überhaupt irgendwas von ihm in einer anderen Welt gelandet ist … er wird es niemandem mehr verraten.

    Aber, wie gesagt, Hemma wusste zu diesem Zeitpunkt noch nichts von diesem Unglück. Noch dachte sie, dass die banale Gründung eines Damenfußball-Vereins ihre Hauptbeschäftigung in den nächsten Tagen werden würde. Aber da hatte sich die Gute ordentlich getäuscht.

    Der Montagabend verlief noch wie geplant. Wie von Hemma angeordnet, versammelte sich eine Schar junger Mädchen im Pfarrsaal. Neben der Petra waren noch mindestens fünfzehn weitere gekommen, alle so zwischen fünfzehn und zwanzig. Und tatsächlich kannte Hemma die meisten davon vom Ministrieren, zwei der älteren hatten sich sogar schon für den Kirchenchor angemeldet.

    Hemma kam absichtlich ein paar Minuten zu spät, damit hatte sie ihren Auftritt. Es wurde auch gleich viel ruhiger im Saal, als sie diesen betrat. Einige der Mädchen erhoben sich sogar von ihren Stühlen, Hemma deutete aber an, dass alle sitzen bleiben sollten. Dann baute sie sich vor der Bühne des Pfarrsaals auf. Und sobald es ganz still wurde, begann sie zu reden.

    »Grüß euch, alle miteinander. Schön, dass ihr so zahlreich erschienen seid. Somit eröffne ich die Gründungsversammlung unseres Fußballvereins.«

    Und nachdem sie noch ein paar einleitende Floskeln von sich gegeben hatte, meinte sie schließlich: »Kommen wir doch gleich einmal zur Wahl des Vorstands. Die Petra war bei mir, um mich zu fragen, ob ich eure Obfrau sein möchte. Seid ihr alle damit einverstanden? Wer ist dafür?«

    Sofort fingen alle Anwesenden geschlossen zu johlen und zu klatschen an.

    »Ich notiere: einstimmig per Akklamation.«

    Die Mädchen verstanden kein Wort.

    »Als Nächstes wählen wir die Obfrau-Stellvertreterin, die Schriftführerin und die Kassierin. Meldet sich jemand freiwillig?«

    Diesmal blieb es verdächtig still, niemand wollte diese Verantwortung übernehmen, und erst recht wollte sich niemand Arbeit aufhalsen.

    »Gut«, sagte Hemma, »wenn das so ist, dann muss ich halt wen bestimmen.«

    Sie zeigte auf die Mädchen, die sie für diese Aufgaben geeignet fand. Die Petra sollte ihre Stellvertreterin werden.

    »Seid ihr alle einverstanden?«

    Natürlich waren sie das. Gerade jene, die verschont blieben, waren froh, keine dieser Aufgaben übernehmen zu müssen. Keine wollte sich Arbeit aufbürden. Sie wollten nur spielen.

    Plötzlich zeigte eines der Mädchen auf. Und nachdem ihr von Hemma die Sprecherlaubnis erteilt worden war, meinte diese: »Wie wollen wir denn eigentlich heißen? Wir haben ja noch überhaupt keinen Namen!«

    »Stimmt«, meinte die Hemma. »Der Name ist wichtig. Also, wie wollen wir heißen? Hat jemand eine Idee? Ich kenn mich ja da nicht aus. Aber wie heißen die Fußballvereine denn so?«

    Da begannen die Mädchen zu grübeln, einige googelten auch auf ihren Handys, bis endlich eine mit dem ersten Vorschlag herausrückte.

    »Wie wäre es denn mit Ajax? So wie die in Amsterdam!«

    Aber der Vorschlag stieß auf keine große Gegenliebe.

    »Sollen wir wirklich wie ein Putzmittel heißen?«, fragte eine andere. »Gerade als Damenmannschaft?«

    »Wir sollten uns als Frauen überhaupt nicht Mannschaft nennen«, schlug die Hemma vor. »Sprechen wir doch von Team.«

    Das fanden die Mädchen gut. Allerdings hatten sie deswegen noch immer keinen Namen. In der Folge dachten sie krampfhaft nach, wie sie denn heißen könnten. Jeder Vorschlag, der aufs Tapet kam, wurde auch gleich wieder abgeschmettert.

    Lokomotive – zu aggressiv.

    Dynamo – zu männlich.

    Niederfeld United – versteht keiner.

    Borussia, Austria, Hotspur, Roter Stern, Niederfeld City … auf nichts konnte man sich einigen.

    Da meinte eine: »Wie wäre es denn mit Benfica?«

    »Ben was?«, fragte Hemma mit leichtem Entsetzen.

    »Benfica!«

    »Sag einmal, spinnst du? Bestimmt nicht mit mir. Ben … das kann ich ja nicht einmal aussprechen. Wie kommst du auf so was?«

    »Na, Lissabon heißt so.«

    »Ehrlich?«

    »Fica schreibt man F-I-C-A, wenn Sie das meinen.«

    »Ich weiß, wie man das schreibt … ach so? Egal, aussprechen tut man es aber genauso. Also für mich kommt dieser Name bestimmt nicht infrage.«

    Und schon war auch diese Idee vom Tisch. Die Mädchen strengten sich weiterhin an. Es war wirklich nicht einfach, etwas Passendes zu finden.

    »Wie wäre es mit Lazio?« Den meisten Mädchen gefiel diese Idee. Aber Hemma hatte wieder einen Einwand.

    »Also, ich finde, das geht auch nicht. Es liegt ja auf der Hand, wie die Burschen uns nennen würden, wenn wir so heißen.«

    Da sahen sich die Mädchen gegenseitig fragend an. Einige zuckten mit den Schultern, einige rollten die Unterlippe. Keine hatte eine Idee, was die Hemma da meinte.

    »Wie denn, Fräulein Hemma?«

    »Geh, seid doch nicht so naiv. Das liegt doch auf der Hand.«

    Und wieder ging ein Raunen durch den Saal, die Mädchen wussten echt nicht, was Hemma meinte.

    »Sagen Sie es uns doch!«

    »Also …«, und da musste die Hemma nun kräftig durchatmen, »also, versteht ihr das wirklich nicht? Die würden uns … die würden uns wahrscheinlich nicht Lazio sondern Fe… nennen. Ist doch klar, oder?«

    Die Mädchen sahen sich erst recht fragend an. Es war ihnen offenbar völlig unverständlich, was die Hemma da meinte.

    »Fe… was?«

    »Das gibt es nicht, ihr seid doch keine kleinen Kinder mehr.« Und mit reichlich unterdrückter Stimme brachte sie endlich das Unwort über ihre Lippen: »Fellatio, natürlich.«

    Nachdem nun endgültig Ratlosigkeit herrschte, dauerte es ein wenig, bis endlich eine das Schweigen brach.

    »Na und? Was ist das?«, fragte sie. Alle blickten gespannt auf Hemma.

    »Wie bitte? Den Begriff kennt ihr nicht?«

    »Nein, was heißt das?«

    »Also, Mädels, vor wenigen Jahren war ich noch eure Ministrantenführerin, und jetzt soll ich euch erklären, was eine … Fellatio ist?« Und wieder senkte sie deutlich ihre Stimme, als dieses unmögliche Wort ihren Mund verließ. »Also, das könnt ihr wirklich nicht verlangen. Ihr könnte es ja googeln!«

    Schon zogen die Mädchen ihre Handys. Und nach kurzer Zeit setzte eines nach dem anderen einen Grinser auf, allmählich begannen sie immer lauter zu kichern und zu kudern. Und als eine dann auch noch »Blowjob Niederfeld, eh super« rief, begannen die Mädchen, sich förmlich zu zerkugeln.

    Natürlich musste auch die Hemma etwas schmunzeln, aber im nächsten Moment forderte sie wieder den gebotenen Ernst ein.

    In der Folge war es für die Mädchen noch viel schwieriger, sich auf einen Namen zu konzentrieren. Bis eine endlich den Vorschlag machte, den alle gut fanden und auf den man sich einigen konnte. »Fortuna Niederfeld«. Das klang doch hervorragend. Weiblich, optimistisch, göttlich. Das war’s.

    Als Hemma sich bereits verabschieden wollte, erinnerte sie die Petra daran, dass die Frage mit dem Trainer noch immer nicht geklärt sei. Irgendwer müsste ja den Mädchen nun zeigen, wie es geht.

    Die Diskussion begann wieder von vorne. Jede hatte eine andere Idee, wobei die meisten der Meinung waren, dass diesen Job eine Frau übernehmen sollte. Aber wer? Es gab in ganz Niederfeld keine einzige Frau, die wirklich genug Ahnung von Fußball hatte. Theoretisch vielleicht schon, vor dem Fernseher hatten die Frauen längst schon die Position aufgegeben, dass die Männer die Fachsimpler waren und sie immer nur das Bier holten. Aber in der Praxis sah es ganz anders aus. Keine einzige Frau in ganz Niederfeld hatte bisher selbst gespielt.

    Was die Mädchen vermeiden wollten, war, dass irgend so ein Typ sich da als Chef aufspielte und sie möglicherweise noch bis unter die Dusche verfolgte. Man hörte ja da immer wieder die wildesten Geschichten. Doch da hatte die Petra selbst eine blendende Idee:

    »Wie wäre es denn mit dem Warmen Schorsch? Der ist selber ein hervorragender Kicker. Und der geht uns bestimmt nicht an die Wäsche.«

    Diese Idee stieß auf große Begeisterung. Und warum? Weil der Waldinger Georg, wie er in Wirklichkeit hieß, fußballerisch tatsächlich was draufhatte. Und außerdem hatte er bestimmt kein Interesse, in der Mädchenkabine zu spechteln. Der Schorsch war nämlich schwul. Er war der Erste in Niederfeld, der sich öffentlich dazu bekannt hatte. Der Erste, der mit einem Freund aus der Nachbargemeinde Händchen haltend durch das Dorf ging. Der keine Scheu hatte, diesen als seinen Lebensgefährten vorzustellen, und offen gestand, dass er ihn lieben würde.

    »Gut«, sagte Hemma, »ich denke auch, dass der Waldinger Schorsch ein guter Trainer für euch sein könnte. Hat eigentlich schon jemand mit ihm darüber geredet?«

    Da blickten sich die Mädchen wieder fragend an, so lange, bis wieder ein kollektives Kopfschütteln einsetzte.

    »Verstehe«, meinte Hemma. »Er weiß also nichts von seinem Glück. Wer wird das nun mit ihm besprechen?«

    Da sich wieder niemand meldete, stand für Hemma fest, dass wieder einmal sie zum Handkuss kommen würde. Allmählich merkte sie, dass Obfrau der Fortuna Niederfeld nicht nur ein Ehrenamt sein würde, wahrscheinlich würde mehr Arbeit an ihr hängen bleiben, als ihr lieb war.

    »Na gut, ich werde den Schorsch demnächst einmal anrufen. Aber es kann nicht sein, dass immer alles nur an mir haftet, das sag ich euch gleich!«

    Die Mädchen sahen sich wieder fragend an, nicht genau wissend, wie sie drauf reagieren sollten. Schließlich meinte die Petra: »Fräulein Hemma. Wir haben schon Mitte Juni. Wenn wir im September Meisterschaft spielen möchten, dann müssen wir möglichst rasch mit dem Training beginnen.«

    Was hatte sich die Hemma hier bloß wieder eingetreten?

    »Okay. Ich rufe ihn gleich morgen an.«

    Und somit war der offizielle Teil der Gründungsversammlung beendet. Die Mädchen sprangen auf. Und bevor sie den Pfarrsaal verließen, fragte Petra die Hemma noch, ob sie denn nicht noch zum Dorfheurigen mitkommen wollte.

    »Was, ihr geht jetzt noch in den Dorfheurigen? Jetzt, um neun? Da hätten wir uns ja besser gleich dort treffen können.«

    »Das habe ich ja eh vorgeschlagen, aber Sie wollten ja nicht. Sie wissen eh, Fräulein Hemma, ein Verein braucht auch ein Vereinslokal. Und unseres ist der Dorfheurige, das haben wir vorher schon beschlossen. Jetzt kommen Sie schon mit, so quasi das Vereinslokal einweihen.«

    »Aber höchstens auf ein Glas Veltliner. Morgen muss ich wieder früh heraus.«

    Schließlich wurden es vier Gläser. Und es wurden die letzten vier, die Hemma unbekümmert auf längere Zeit im Dorfheurigen trinken würde.

    »Auf die Fortuna Niederfeld!«

    »Auf die Fortuna!«

    Zwei

    Am nächsten Morgen war ein herrlicher Sommertag angebrochen. Hemma nutzte die Zeit bis zum Mittagessen für Haushaltsarbeiten. Da ihr Bruder, der Pepperl, den ganzen Vormittag drüben in der Volksschule mit seinem Religionsunterricht beschäftigt war, konnte sie sich ungestört dem Staubsaugen, Bodenwischen und dem Fensterputzen widmen. Gegen elf begann sie dann, für sich und den Pfarrer das Mittagessen zu kochen. Wobei sie dienstags immer etwas mehr zubereitete. Denn den Dienstagabend verbrachte sie inzwischen schon seit längerer Zeit mit dem Güntschl Hubert, dem Postenkommandanten von Niederfeld, ihrem heimlichen Verehrer. Am Dienstagabend kochte sie immer für sich und den Hubert auf. Für ihren Bruder war dann Kaltes oder ein Restlessen angesagt, das dieser meist nur mit einem kräftigen Murren akzeptierte.

    Dieses Mal gab es Fleischlaibchen mit Erdapfelsalat. Ein Gericht, das der Pfarrer liebte und das sie ihm auch durchaus zweimal am Tag zumuten konnte. Und als nach dem Mittagessen das Geschirr im Spüler verstaut und ein wenig Mittagsruhe angesagt war, griff sie schnell zum Handy, um den Waldinger Georg, den Warmen Schorsch anzurufen. Die Nummer hatte sie gespeichert, sang doch auch er bei ihr im Kirchenchor.

    Dass sie nur auf die Mailbox kam, war erst einmal nichts Ungewöhnliches. Als aber nach mehr als einer Stunde kein Rückruf kam, versuchte sie es ein zweites Mal. Und wieder sagte ihr die Box, dass sie eine Nachricht hinterlassen könnte, was sie aber nicht tat, der Schorsch hätte ja sehen müssen, dass er angerufen worden war. Danach ließ Hemma wieder eine Stunde vergehen, bis sie, weil wieder kein Rückruf erfolgte, ein drittes Mal anrief.

    Da wurde es ihr zu blöd. Der Schorsch war doch absolut zuverlässig, der rief immer gleich zurück, wenn Hemma was vom ihm wollte. Komisch, dachte sie. Und weil sie es genau wissen wollte, stieg sie in ihren roten Kadett, um zu den Waldingers hinüberzufahren, deren Winzerhof etwas außerhalb von Niederfeld oberhalb der Kellergasse lag.

    Als der Waldinger Franz vor mehr als dreißig Jahren auf den Winzerhof hinzugeheiratet hatte, konnte man noch überhaupt nicht von einem Weinbetrieb sprechen, so, wie er sich heute darstellte. Eigentlich war es ein kleiner Bauernhof, wo, wie in allen anderen Höfen auch, ein wenig Weinbau so nebenher betrieben wurde. Vielleicht waren es gerade einmal zwei Hektar Weingärten, die sein Schwiegervater bewirtschaftet hatte. Und den Wein hätte man wohl auch besser zum Einreiben verwenden können, als ihn zu trinken. Aber ausgerechnet der Franz, der eigenartige Franz, der in seiner Jugend als total verrückt bezeichnet werden musste, ausgerechnet dieser seltsame Kerl hatte mit viel Fleiß und Geschick sowohl Quantität wie auch die Qualität des Weines enorm gesteigert. Inzwischen besaß die Familie gut fünfzehn Hektar Weingärten und zählte somit durchaus zu den größeren in der Region. Und was hier vergoren, gelagert und abgefüllt wurde, das konnte sich wirklich sehen, oder besser, schmecken lassen.

    Aufgrund der Größe des Betriebs hatte der Waldinger Franz erst einmal bestimmt, dass seine drei Söhne im Weingut mitarbeiten sollten. Die beiden älteren schickte er an die Weinfachschule, um sie zu Experten ausbilden zu lassen. Deren Aufgaben hatte er dann so eingeteilt, dass Gottfried, der ältere, für die Weingärten, für die Lese bis zur Presse zuständig war. Ab hier übernahm dann der Schorsch, dessen wichtigster Arbeitsplatz somit der Keller war und der als Assistent seines Vaters für Lagerung, Reife bis hin zur Abstimmung der Cuvées zuständig zeichnete.

    Den jüngeren

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1