Im Frühling des Lebens: Sophienlust Bestseller 121 – Familienroman
Von Bettina Clausen
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Über dieses E-Book
Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird.
Christian Volkmann trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Immer wieder wanderte sein Blick zu der nahen Kirchturmuhr. Wo Petra nur blieb? Ihr Unterricht endete doch zur gleichen Zeit wie sein Unterricht. Der Vierzehnjährige bückte sich, um seine Schultasche abzustellen. Als er sich wieder aufrichtete, stand Petra vor ihm. Sie war ein Jahr jünger als er und ein paar Zentimeter kleiner. »Wartest du schon lange?« »Eine Ewigkeit.« Chris hob seine Tasche wieder auf. »Wo hast du dich herumgetrieben?« »Ich habe mich nicht herumgetrieben«, wies sie ihn lächelnd zurecht. »Ich habe nur auf der Toilette mein Haar gekämmt.« Petras lange dunkelbraune Haarflut glänzte im Sonnenlicht. Chris' freie Hand strich sacht darüber. Auch er war dunkel, noch dunkler als Petra. Fast blau-schwarz war sein Haar, seine Augen tief braun. Wer die beiden nicht kannte, konnte sie für Geschwister halten. »Nur noch ein paar Tage«
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Im Frühling des Lebens - Bettina Clausen
Sophienlust Bestseller
– 121 –
Im Frühling des Lebens
Bettina Clausen
Christian Volkmann trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Immer wieder wanderte sein Blick zu der nahen Kirchturmuhr. Wo Petra nur blieb? Ihr Unterricht endete doch zur gleichen Zeit wie sein Unterricht.
Der Vierzehnjährige bückte sich, um seine Schultasche abzustellen. Als er sich wieder aufrichtete, stand Petra vor ihm. Sie war ein Jahr jünger als er und ein paar Zentimeter kleiner.
»Wartest du schon lange?«
»Eine Ewigkeit.« Chris hob seine Tasche wieder auf. »Wo hast du dich herumgetrieben?«
»Ich habe mich nicht herumgetrieben«, wies sie ihn lächelnd zurecht. »Ich habe nur auf der Toilette mein Haar gekämmt.« Petras lange dunkelbraune Haarflut glänzte im Sonnenlicht. Chris’ freie Hand strich sacht darüber. Auch er war dunkel, noch dunkler als Petra. Fast blau-schwarz war sein Haar, seine Augen tief braun. Wer die beiden nicht kannte, konnte sie für Geschwister halten.
»Nur noch ein paar Tage«, sagte Petra, »dann fangen endlich die großen Ferien an.«
»Gott sei Dank!« Chris blieb stehen. »Sag mal, hast du deine Badesachen dabei?«
»Ja.«
»Dann lass uns gleich baden gehen, nicht erst nach Hause. Damit verlieren wir nur Zeit.«
»Einverstanden«, sagte Petra.
Die beiden machten kehrt und schlugen den Weg zum Schwimmbad ein. Da es nur eine Badeanstalt in Reinheim gab, waren das Wasserbecken und die Rasenfläche natürlich überfüllt.
»Vielleicht hätten wir doch lieber zu unserem kleinen Bach gehen sollen«, sagte Chris enttäuscht, als er die vielen Menschen sah. »Dort wären wir wenigstens allein.«
»Aber schwimmen kann man in dem kleinen Rinnsal nicht.«
»Da drin auch nicht.« Chris’ ausgestreckter Arm deutete zu dem übervollen Schwimmbecken. »Vor lauter Köpfen sieht man ja kaum noch Wasser.«
Petra musste lachen. »Du hast recht. Komm, gehen wir zu unserem Bach.«
Die beiden machten kehrt. Fünfzehn Minuten später hatten sie den Ort Reinheim, der sich jetzt Stadt nannte, durchquert. Hinter den letzten Häusern begannen Felder und Wiesen. Es war wirklich nur ein Wiesenbächlein, bei dem Chris und Petra schließlich stehen blieben.
Chris drehte sich um. Etwa hundert Meter entfernt lagerten zwei Mütter mit ihren Kindern. »Hier gefällt es mir zehnmal besser als in dem überfüllten Bad.«
»Mir auch.« Petra hatte ihre Decke schon ausgebreitet. Jetzt streifte sie ihr dünnes Kleid ab. Darunter trug sie den Badeanzug.
»Du bist schon umgezogen?«, staunte Chris und grinste. »Deshalb warst du auf der Toilette. So weit bin ich noch nicht.« Er verschwand hinter den nächsten Büschen. In einer buntgemusterten Badehose kam er zurück.
Petra stand schon am Bachufer. Jetzt machte sie den ersten Schritt ins Wasser und warf Chris einen enttäuschten Blick zu. »Nur bis zu den Knien geht es.«
»Hineinsetzen musst du dich«, rief er lachend. »Dann reicht dir das Wasser bis zu den Schultern.« Er trat hinter Petra und gab ihr einen leichten Stoß. Auf allen vieren landete sie im Wasser.
»Na warte!« Sie spritzte ihm eine Ladung Wasser auf den trockenen, sonnenwarmen Körper, sodass er aufschrie. Im nächsten Moment balgten die beiden sich im Wasser.
»Aufhören«, rief Petra lachend.
»Erst musst du versprechen, so etwas nie wieder zu tun«, verlangte er.
Sie versprach es. Da gab er sie frei. Schwer atmend stiegen die beiden ans Ufer und legten sich in die Sonne.
»So müsste es den ganzen Sommer sein«, sagte Chris leise.
Petra seufzte. »Es kann sein, dass Papa seinen Urlaub mit mir und Melanie verbringen will.«
Melanie Müller war Petras Erzieherin und gleichzeitig die Haushälterin ihres Vaters. Ihre Mutter hatte Petra schon mit fünf Jahren verloren. Deshalb verstand sie sich so gut mit Chris, der auch keine Eltern mehr hatte. Nur noch eine Schwester.
»Weißt du schon, wohin dein Vater fahren will?«
Petra schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Momentan ist er auf Geschäftsreise.«
Petras Vater war Teilhaber eines sehr erfolgreichen mittelgroßen Unternehmens der Metallverarbeitung.
»Ob dein Vater überhaupt Zeit findet, Urlaub zu machen?«, fragte Chris. »Er ist doch so beschäftigt.
Petra dachte daran, dass sich ihr Vater seit drei Jahren keine Ferien gegönnt hatte. »Es ist leicht möglich, dass im letzten Moment wieder etwas dazwischenkommt. Wie sieht es bei euch aus?«
Chris begann Grashalme abzureißen und in den Mund zu stecken.
»Sag doch schon etwas«, drängte Petra.
Er zuckte mit den Schultern. »Meine Schwester will wieder nach Italien fahren. Du weißt doch, dass wir am Gardasee ein Ferienhaus haben. Dort verbringen wir jeden Sommer.«
Petra schluckte.
»Aber dieses Jahr habe ich gar keine Lust dazu«, fuhr Chris fort.
»Gefällt es dir dort nicht«
»Natürlich gefällt es mir.« Chris lachte ein bisschen. »Es ist ja auch toll dort. Man kann schwimmen, mit dem Boot fahren oder auf Wasserskiern fahren.«
»Warum hast du dann keine Lust?«
»Weil ich lieber mit dir beisammen sein möchte.« Chris wurde verlegen, als er das sagte.
»Ich möchte die Ferien auch lieber mit dir verbringen. Könnten wir beide nicht einfach hierbleiben?«
Chris überlegte. »Ich könnte das schon. Meine Schwester ist in dieser Hinsicht wahnsinnig großzügig. Ich fürchte bloß, dein Vater würde das nicht erlauben. Und schon gar nicht deine strenge Gouvernante.«
»Sie ist nicht meine Gouvernante.« Petra ärgerte sich immer, wenn er Melanie so nannte. Das klang nach einem Roman aus längst vergangenen Zeiten. »Sie ist Papas Haushälterin.«
»Ja. Und auch deine Aufpasserin, stimmt’s?«
Petra nickte. »Leider. Dabei kann ich sie nicht ausstehen.«
»Warum eigentlich nicht?«
»Weil sie sich weder für den Haushalt noch für mich interessiert.«
»Sondern?«
»Nur für Papa. Ich glaube, sie möchte ihn heiraten.« Mit einer verächtlichen Bewegung strich sich Petra die Haare aus dem Gesicht. Chris half ihr dabei und dachte wieder einmal,wie hübsch Petra doch ist.
Plötzlich richtete er sich auf. »Ich hab eine Idee!«
»Eine gute?«
»Und ob!« Er kniete sich ins Gras. »Du kommst einfach mit mir und Bettina zum Gardasee.«
»Aber das geht doch nicht.«
»Warum nicht? Ich werde meine Schwester bitten, dich einzuladen.«
»Wird sie es tun?«, fragte Petra zweifelnd.
»Klar! Bettina ist einfach Klasse. Sie tut alles, worum ich sie bitte. Natürlich nur, wenn es halbwegs vernünftig ist.«
»Wie alt genau ist deine Schwester?«
»Fünfundzwanzig«, sagte Chris.
»Dann wird es Papa bestimmt erlauben. Schließlich ist deine Schwester ja schon erwachsen.« Petra legte sich zurück, schloss die Augen und begann zu träumen. »Das wäre einfach toll«, flüsterte sie. »Erzähle mir noch mehr von eurem Haus.«
»Es liegt am Südufer des Sees«, begann Chris. »Meine Eltern haben es vor zehn Jahren bauen lassen. Deshalb will Bettina es auch behalten.«
»Deine Schwester ist richtig nett.« Petra kannte Bettina Volkmann. »Ich wünschte, ich hätte jemanden, mit dem ich mich so gut verstehe, wie du dich mit ihr verstehst.«
»Ich denke, dein Vater versteht dich?«
»Schon, aber er ist ja nie zu Hause. Deshalb hat er auch Melanie eingestellt, und die ist ein Ekel.«
Chris begann mit Petras langem Haar zu spielen. »Wenn du mit zum Gardasee kommst, bist du sie für zwei Monate los.«
»Das wäre eine Wucht.« Petra sprang auf. »Ich kann nicht länger warten. Lass uns nach Hause gehen, damit du deine Schwester gleich fragen kannst.«
Chris war einverstanden. »Ich rufe dich an, sobald ich es weiß«, versprach er, bevor er sich von Petra trennte.
Fünf Minuten später war Petra zu Hause. Der Bungalow ihres Vaters stand auf einem ausgedehnten Grundstück, eingeschlossen von hohen alten Tannen und Kiefern. Auf der Terrasse hinter dem Haus, in einem Korbstuhl, saß Melanie Müller –