Es geht auch ohne Vati: Sophienlust Bestseller 32 – Familienroman
Von Ursula Hellwig
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Über dieses E-Book
Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird.
Als Sylvia Landknecht die Wohnungstür öffnete, schlug ihr dumpfer Alkoholgeruch entgegen. Sie wunderte sich nicht darüber, aber es verbitterte sie, daß ihr Mann Manfred sich seit einiger Zeit regelmäßig betrank. In den ersten Jahren ihrer Ehe war alles anders gewesen. Sylvia glaubte damals, das große Los mit ihm gezogen zu haben. Aber das Glück und die Zuversicht hatten nicht lange angehalten. Auf einem Betriebsausflug hatte Manfred Jutta Reinhold kennengelernt. Sie war fast zehn Jahre jünger als er, und es schmeichelte ihm, daß sie sich für ihn interessierte. Er machte weder in der Firma noch zu Hause einen Hehl daraus, daß er mit dieser jungen Frau ein Verhältnis hatte. Immer häufiger kam es vor, daß er nachts nicht nach Hause kam. Auch seine Arbeit vernachlässigte er, erschien oft zu spät an seinem Arbeitsplatz oder blieb sogar ganz weg. Es war daher nicht verwunderlich, daß ihm eines Tages gekündigt wurde. Manfred Landknecht störte das wenig. Er gab das Verhältnis mit Jutta Reinhold trotzdem nicht auf und begann obendrein, auch noch zu trinken. Sylvia hatte zwangsläufig eine Stelle als Bürokraft angenommen, um selbst für den Unterhalt ihrer Familie aufzukommen. Sie gab die Hoffnung nicht auf, daß ihr Mann zu ihr zurückfinden und sich eine neue Arbeitsstelle suchen würde. Ihre Hoffnungen schienen sich jedoch nicht zu erfüllen. Schon oft hatte sie ein ernstes Wort mit Manfred sprechen wollen, es aber immer wieder hinausgeschoben. Heute mußte sie allerdings endlich mit ihm reden. Sie zog ihren Mantel aus, hängte ihn an die Garderobe und betrat das Wohnzimmer. Ihr Mann saß im Sessel und sah sie aus glasigen Augen an.
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Sophienlust Bestseller
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Es geht auch ohne Vati - Ursula Hellwig
Sophienlust Bestseller
– 32 –
Es geht auch ohne Vati
... auch wenn, müsste es ein netter sein!
Ursula Hellwig
Als Sylvia Landknecht die Wohnungstür öffnete, schlug ihr dumpfer Alkoholgeruch entgegen. Sie wunderte sich nicht darüber, aber es verbitterte sie, daß ihr Mann Manfred sich seit einiger Zeit regelmäßig betrank.
In den ersten Jahren ihrer Ehe war alles anders gewesen. Sylvia glaubte damals, das große Los mit ihm gezogen zu haben. Aber das Glück und die Zuversicht hatten nicht lange angehalten.
Auf einem Betriebsausflug hatte Manfred Jutta Reinhold kennengelernt. Sie war fast zehn Jahre jünger als er, und es schmeichelte ihm, daß sie sich für ihn interessierte. Er machte weder in der Firma noch zu Hause einen Hehl daraus, daß er mit dieser jungen Frau ein Verhältnis hatte.
Immer häufiger kam es vor, daß er nachts nicht nach Hause kam. Auch seine Arbeit vernachlässigte er, erschien oft zu spät an seinem Arbeitsplatz oder blieb sogar ganz weg. Es war daher nicht verwunderlich, daß ihm eines Tages gekündigt wurde. Manfred Landknecht störte das wenig. Er gab das Verhältnis mit Jutta Reinhold trotzdem nicht auf und begann obendrein, auch noch zu trinken.
Sylvia hatte zwangsläufig eine Stelle als Bürokraft angenommen, um selbst für den Unterhalt ihrer Familie aufzukommen. Sie gab die Hoffnung nicht auf, daß ihr Mann zu ihr zurückfinden und sich eine neue Arbeitsstelle suchen würde. Ihre Hoffnungen schienen sich jedoch nicht zu erfüllen. Schon oft hatte sie ein ernstes Wort mit Manfred sprechen wollen, es aber immer wieder hinausgeschoben. Heute mußte sie allerdings endlich mit ihm reden.
Sie zog ihren Mantel aus, hängte ihn an die Garderobe und betrat das Wohnzimmer. Ihr Mann saß im Sessel und sah sie aus glasigen Augen an.
»Es wird Zeit, daß du kommst. Mach mir etwas zum Abendbrot. Ich bin schon halb verhungert. Wo hast du dich nur wieder so lange herumgetrieben?«
Sylvia machte keine Anstalten, seinen Anweisungen zu folgen. Sie setzte sich ihm gegenüber in einen gemütlichen Clubsessel und zündete sich eine Zigarette an. Zwar rauchte sie nicht viel, aber wenn sie müde und abgespannt war, griff sie hin und wieder nach einem Glimmstengel.
»Manfred, so kann es nicht weitergehen. Ich habe ja nichts dagegen, daß du ab und zu einmal ein Glas trinkst. Ich verstehe, daß du über die Kündigung verärgert bist, und ich bin auch bereit, dir deinen Seitensprung zu verzeihen. Aber du mußt doch einsehen, daß dies nicht das Leben ist, wie wir es uns früher ausgemalt haben. Du mußt mit der Trinkerei aufhören und dir eine neue Arbeitsstelle suchen.«
Manfred sah seine Frau zornig an. »So, muß ich das? Ich denke ja überhaupt nicht daran. Du verdienst doch genug Geld für uns. Glaubst du etwa, du seist zum Arbeiten zu schade? Mir gefällt mein Leben so wie es ist. Du wirst dich mit meinen Gewohnheiten und mit Jutta abfinden müssen.« Er lachte zynisch. »Oder willst du dich vielleicht von mir trennen?«
Sylvia gab insgeheim zu, daß sie das nicht wollte. Auch wenn es ihr schwerfiel, wollte sie Conny um jeden Preis den Vater erhalten. Sie selbst war ohne Vater aufgewachsen und hatte dadurch viel Unangenehmes erlebt. Das wollte sie ihrer Tochter unbedingt ersparen. Trotzdem antwortete sie: »Ja, das will ich, und das werde ich auch tun, wenn du dich nicht änderst.«
Manfred sprang auf. Obwohl er tüchtig angetrunken war und schwankte, wurde ihm die Tragweite einer Scheidung doch bewußt. Wenn seine Frau ihn verlassen würde, müßte er selbst wieder etwas für seinen Lebensunterhalt verdienen, denn von Jutta konnte er keine Hilfe erwarten. Im Gegenteil. Vermutlich würde sie sogar mit ihm Schluß machen, wenn sie nicht ab und zu einen Geldschein von ihm zugesteckt bekäme, wie es jetzt der Fall war.
Der Mann stemmte die Hände in die Hüften. »Bist du denn wahnsinnig geworden?« brüllte er. »Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Hältst du das für dankbar, nach allem, was ich für dich getan habe? Glaubst du vielleicht, außer mir wäre noch jemand so dumm gewesen, dich mitsamt deinem unehelichen Balg zu heiraten? Aber es geschieht mir ganz recht. Ich muß ein
Idiot gewesen sein, jahrelang so ein Gör mit durchzufüttern, das mich gar nichts angeht. Das hat man nun von seiner Gutmütigkeit. Aber du wirst schon sehen, was passiert, wenn du dich scheiden läßt. In der Gosse wirst du landen. Dort, wo du hergekommen bist und wo du auch hingehörst. Du und auch dein reizender Sprößling. Es war nicht leicht, all die Jahre den liebenden Vater zu spielen, obwohl mich dieses Balg einfach anwiderte.«
Sylvia saß da wie vom Donner gerührt. Was ihr Mann eben gesagt hatte, konnte doch gar nicht sein Ernst sein. Fast versagte ihr die Stimme, als sie fragte: »Du liebst Conny also gar nicht?«
Er lachte auf. »Lieben? Ich soll diese Cornelia lieben? Ich habe sie von Anfang an nicht ausstehen können. Nur um dir einen Gefallen zu tun, habe ich sie in dem Glauben gelassen, daß ich ihr Vater bin. Aber heute war ich es leid. Ich habe ihr die Wahrheit gesagt. Die volle Wahrheit. Das war schon längst fällig. Sie weiß jetzt, daß ihr Vater ein dahergelaufener Windhund ist.«
Das Zimmer begann sich vor Sylvias Augen zu drehen. »Was hast du getan?« fragte sie verstört. »Ist dir eigentlich klar, was du angerichtet hast? Wo ist Conny jetzt?«
Manfred zog die Schultern hoch. »Woher soll ich das wissen? Fortgelaufen ist sie.«
Sylvia nahm all ihre Kraft zusammen und bat: »Bitte, erzähle mir der Reihe nach ganz genau, was passiert ist.«
Er setzte sich wieder, goß sich erneut sein Glas voll und begann zu berichten. »Conny kam um ein Uhr von der Schule nach Hause. Ich habe ihr gesagt, sie solle mir eine Flasche Cognac kaufen. Was glaubst du, hat mir dieses ungeratene Gör darauf erwidert? Sie hätte jetzt keine Zeit, weil sie in den Turnverein müsse. Ich habe ihr eine Ohrfeige gegeben. Sie hat sich angestellt, als hätte ich sie halb totgeschlagen und meinte dann auch noch frech, daß andere Kinder bessere Väter hätten. Diese Unverschämtheit habe ich mir nicht bieten lassen. Ich habe ihr die schon lange fällige Tracht Prügel verpaßt und ihr über ihren Vater die Wahrheit gesagt. Dann ist sie fortgelaufen. Die Flasche Cognac mußte ich mir schließlich selber kaufen.«
Sylvia Landknecht erlebte alles wie in einem bösen Traum. Jetzt war es fast acht Uhr. Seit sieben Stunden also war ihre neunjährige Tochter fort. Wahrscheinlich irrte sie durch die Straßen. Was sollte sie, die Mutter, nun tun? Sie beschloß, um zehn Uhr die Polizei zu benachrichtigen, wenn Conny bis dahin noch nicht zurück sein sollte. Vorher rief Sylvia noch bei Connys Freundin an und erfuhr, daß sie am Nachmittag nicht im Turnverein gewesen war.
Die Frau fand keine Ruhe. Immer wieder dachte sie daran, daß ihrer kleinen Tochter etwas zugestoßen sein könnte. Was mochte in dem ohnehin schon sensiblen Kind nach der Auseinandersetzung mit Manfred jetzt vorgehen?
*
Conny lief wie gehetzt durch die Straßen. Ihr schmaler Körper schmerzte noch immer von den Schlägen ihres Stiefvaters. Noch mehr aber taten ihr die Worte weh, die er ihr ins Gesicht geschrien hatte. Sie konnte und wollte einfach nicht glauben, daß sie nicht seine Tochter war. Jedes Kind hatte doch einen Vater. Also mußte auch sie einen haben. Aber wenn es nicht Manfred Landknecht war, wer war es dann? Die lauten, häßlichen Worte hallten jetzt noch in Connys Ohren.
»Dein Vater ist ein Windhund. Ein Taugenichts, mit dem deine Mutter sich eingelassen, und der sie dann im Stich gelassen hat. Deine Mutter hat dir zwar erzählt, daß ich dein Vater sei, aber das stimmt nicht. Das war nur eine fromme Lüge. Dein richtiger Vater hat sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht.«
Conny war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Ihre sonst so liebe Mutti hatte sie belogen. Das war alles, was sie denken konnte. Sie kannte ja die wahren Zusammenhänge nicht und war auch noch zu jung, um sie zu begreifen.
Sie überlegte, wohin sie nun gehen sollte. Nach Hause wollte sie auf keinen Fall zurück, und Verwandte hatte sie nicht. Es gab da zwar Tante Helga, aber die wohnte weit weg, irgendwo in München. Das Mädchen kannte nicht einmal die Adresse.
In ihrer Verzweiflung fiel Conny ein Zeitungsartikel ein, den sie kürzlich gelesen hatte. Darin war von einem Kinderheim Sophienlust die Rede gewesen. An den Ort, in dem das Kinderheim lag, konnte sie sich nicht erinnern. Sie wußte nur, daß er in der Nähe von Maibach war. In der Kreisstadt war sie schon einmal mit ihrer Mutti gewesen, als dort ein Zirkus gastierte. Es war gar nicht so weit. In der Zeitung war auch ein Bild von Sophienlust gewesen. Es hatte fast wie ein Schloß ausgesehen, das in einem großen schönen Park lag. Auf der Wiese hatten ein paar Kinder mit einem Schäferhund gespielt. Vielleicht würde man ihr dort helfen und sie sogar behalten können.
Connys Entschluß stand fest. Sie wollte zum Kinderheim Sophienlust. Allerdings wußte sie nicht, wie sie dorthin kommen sollte.
Sie erinnerte sich an eine Autofahrt mit ihrer Mutter. Sie waren damals eine Landstraße entlanggefahren. Am