Die Tat einer Verzweifelten: Sophienlust Bestseller 49 – Familienroman
Von Marisa Frank
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Über dieses E-Book
Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird.
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Sophienlust Bestseller
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Buchvorschau
Die Tat einer Verzweifelten - Marisa Frank
Sophienlust Bestseller
– 49 –
Die Tat einer Verzweifelten
Mami, ich warte doch so sehr auf dich
Marisa Frank
»Wie weit ist es denn noch?« quengelte das vierjährige Mädchen.
»Gleich, Gaby, gleich«, tröstete Elfriede Foss. Sie tat das nicht zum ersten Mal.
»Ich sehe aber noch immer kein Haus mit Kindern«, maulte Gabrielle.
»Stimmt, aber dafür siehst du die lustigen Wegweiser.« Elfrede Foss verlangsamte das Tempo.
»Was sind Wegweiser?« fragte die Kleine. Sie rutschte vom Rückstitz.
»Sitzen bleiben«, mahnte Elfriede. Im Rückspiegel sah sie, dass Gaby trotzig ihren Kopf schüttelte.
»Mag nicht mehr«, maulte sie da auch schon.
Die Frau bremste vorsichtig, dann deutete sie aus dem Fenster. »Das ist ein Wegweiser«, erklärte sie.
»Schön. Darf ich ihn anfassen?« Gaby rüttelte an der Tür.
Elfriede unterdrückte einen Seufzer. Das Kind konnte schon sehr anstrengend sein. Aber dann dachte sie daran, dass sie in der nächsten Zeit auf die Kleine würde verzichten müssen. »Gut«, entschied sie, »aber dann steigen wir ganz schnell wieder ein und fahren weiter.«
»Ich will nicht mehr fahren«, murrte Gaby.
Elfriede stieg aus. Sie öffnete der Kleinen die Autotür. »Es ist nicht mehr weit. Dieser Wegweiser zeigt uns den Weg.«
Das Mädchen war inzwischen hingelaufen und hatte ihn berührt. »Das ist ja nur ein Holzstock«, meinte sie enttäuscht.
»Ja, aber die geschnitzten Figuren sagen uns, dass wir zu dem Kinderheim kommen, wenn wir dem Wegweiser folgen.«
»Los, dann folgen wir, ich will die Kinder sehen.« Ohne von Elfriede Foss ermahnt werden zu müssen, kletterte Gaby wieder ins Auto.
Die Frau fuhr an, sofort schrie Gaby auf. »Da, Mami, da sind wieder holzige Kinder.«
Elfriede schmunzelte. »Du hast recht.« Ihr gefielen diese Wegweiser. Die geschnitzten Figuren von Kindern und Tieren sahen lustig aus.
»Wo ist der nächste?« Gabrielle rutschte auf dem Rücksitz unruhig hin und her.
»Ich glaube, wir sind da.« Sie war selbst neugierig. Ihr war Kinderheim Sophienlust von den verschiedensten Seiten aufs Wärmste empfohlen worden.
»Da sind keine Kinder.« Gaby presste ihr Näschen an die Autoscheibe.
»Sie sind sicher hinter dieser Hecke«, meinte Elfriede Foss. Sie fuhr ein kurzes Stück an der hohen Hecke entlang, bis sie zu einem großen schmiedeeisernen Tor kam.
»Sind die Kinder eingesperrt?« fragte die Vierjährige.
»Aber nein.« Elfriede parkte das Auto vor dem Tor. »Ich will nicht hinein, da kommen wir nicht mehr heraus.« Gaby rührte sich nicht. Die Frau musste sie aus dem Auto heben.
»Wir sehen mal nach.« Sie behielt die Kleine auf dem Arm. Sekundenlang blieb sie vor dem Tor stehen und blickte sich um. Sie war überrascht. In dem großen Park lag ein Herrenhaus, ein herrschaftlicher Besitz. Sie hatte in den letzten Wochen einige Kinderheime besichtigt, doch keines war so schön angelegt gewesen wie dieses. Eine Auffahrt führte zu dem Gebäude hin.
»Ich sehe keine Kinder, nur Bäume«, meinte Gaby. Ihr Interesse war erwacht. »Mami, mach’ auf!«
»Du willst also doch hinein«, meinte Elfriede zufrieden. Sie stellte die Kleine, die heftig nickte, auf den Boden. Die Seitentür des großen Tores war nicht verschlossen, also trat sie ein. Zuerst hielt sich Gabrielle noch krampfhaft an ihrer Hand fest. Doch der Druck ließ rasch nach, und nach wenigen Schritten stapfte die Kleine munter neben ihr her. Schließlich rannte sie sogar ein Stück voraus.
»Noch immer nur Bäume«, rief sie. »Dumme Bäume, mit denen kann man nicht spielen.«
»Die Kinder sind vielleicht im Haus, du musst etwas Geduld haben.« Dann kamen ihr aber Bedenken. Damit Gabrielle sich mit dem Gedanken vertraut machen konnte, für einige Zeit in einem Kinderheim zu leben, hatte sie ihr immer von Spielgefährten vorgeschwärmt. Daher schränkte sie jetzt ein: »Weißt du, du darfst nicht traurig sein, wenn die Kinder nicht sofort mit dir spielen.«
Elfriede blieb ruckartig stehen. »Wenn sie nicht mit mir spielen, dann gehe ich wieder.«
Elfriede kannte Gabrielles Trotzkopf. Sie beugte sich zu ihr hinunter und strich ihr liebevoll über den Bubikopf. »Zuerst sehen wir uns einmal alles an. Hier ist es wirklich sehr schön.«
Gaby zuckte die Achseln. »Moment«, meinte sie dann mit altkluger Miene. »Ich frage lieber gleich.« Ehe die Frau es verhindern konnte, lief das Mädchen ein Stück von ihr weg, legte die Hände als Trichter vor den Mund und brüllte: »Kinder, Kinder, wo seid ihr? Ich möchte mit euch spielen.«
Elfriede wurde ganz blass. »Aber Gaby!«
Die Kleine ließ sich jedoch nicht bremsen. Laut rufend lief sie davon. Ihr Geschrei hatte Erfolg. Einige Kinder, die sich inmitten des Parkes an dem kleinen Weiher aufgehalten hatten, kamen angelaufen. Allen voran ein zweijähriger Bernhardinerrüde, dicht gefolgt von einer jungen schwarzen Dogge, und als letzte trabte eine alte Schäferhündin.
Elfriede Foss schrie entsetzt auf. »Gaby, komm hierher«, rief sie verzweifelt.
Die Kleine jedoch klatschte begeistert in die Hände. Sie hatte keine Angst. »Liebe Hündchen, süße Hündchen«, rief sie begeistert. »Ich will sie streicheln.«
»Nicht, Gaby.« Die Frau kam mit hochrotem Gesicht herangelaufen. »Sofort kommst du zu mir!«
Inzwischen waren auch einige Kinder nähergekommen. Ein kleines Mädchen, nur wenig älter als Gaby, drängte sich zwischen die Hunde. Erstaunt sah es auf Elfriede. »Hast du Angst?« erkundigte es sich. »Das musst du nicht haben, unsere Hunde tun niemanden etwas. Sie sind sehr lieb und sehr gescheit.« Die Kleine wandte sich an den Bernhardiner. »Los, Barri, sag Guten Tag!«
Der Hund hob seinen schönen Kopf. Seine hellen Augen musterten zuerst Elfriede, dann das Kind. Er bellte kurz.
»Brav, Barri, brav«, lobte das Kind. »Und das ist Anglos.« Nun zeigte sie auf die schwarze Dogge, dann drehte sie jedoch den Kopf und rief einem schmächtigen Jungen zu: »Willst du deinen Hund nicht selbst vorstellen?«
»Na klar.« Der elfjährige Junge kam heran. Als komplexbeladener, seelisch kranker Junge war er nach Sophienlust gekommen. Davon merkte man ihm nun aber nichts mehr an.
»Anglos ist mein Hund«, sagte Fabian Schöller nicht ohne Stolz. »Er ist fast so klug wie Barri, deswegen darf er auch hier in Sophienlust leben. Sonst müssen nämlich alle Tiere ins Tierheim Waldi & Co. Es ist nicht weit von hier.«
»Stop, Fabian!« Lachend berührte ein etwas älteres Mädchen den Jungen an den Schultern. »Bevor wir der Frau alles erzählen, sollten wir sie zuerst fragen, was sie will.«
»Wir sind hier, weil ich mit Kindern spielen will«, erklärte Gabrielle, ehe Elfriede Foss etwas sagen konnte. Ohne Scheu ging sie auf die schwarze Dogge zu. »Ich mag Hunde auch sehr.«
Ehe Gaby die Dogge streicheln konnte, hatte Elfriede sie an der Hand gepackt und sie zur Seite gezogen. »Ich möchte gern mit Frau von Schoenecker sprechen. Ist das möglich? Sie ist die Verwalterin dieses Kinderheims, nicht wahr?«
»Ja«, bestätigte das dreizehnjährige Mädchen. Höflich neigte sie nun ihren Kopf. »Ich bin Angelina Dommin, ich lebe schon sehr lange hier.«
»Wir nennen sie alle nur Pünktchen«, rief das kleine Mädchen dazwischen.
»Pst, Heidi«, mahnte Pünktchen mit rotem Kopf. Sie warf der Kleinen einen tadelnden Blick zu, um sich aber sofort wieder dem Besuch zuzuwenden. »Frau von Schoenecker ist im Haus. Ich bringe Sie zu ihr.«
»Ich will aber nicht zu dieser Frau Schön«, rief Gaby. »Ich will spielen.«
»Gabrielle, bitte sei anständig.«
Das Mädchen lief einfach weg, während sie rief: »Ich will spielen. Du, spielst du mit mir?« Sie ergriff Fabians Hand.
»Klar! Wir haben hier einen großen Spielplatz. Wenn du willst, kannst du dich in eine Schaukel setzen, und ich schubse dich an.«
»Au ja. Wo ist die Schaukel? Komm schon«, drängte Gaby.
Elfriede machte Anstalten, das Kind festzuhalten.
»Will nicht zu dieser blöden Frau Schön«, rief Gaby empört. »Du hast gesagt, ich kann hier spielen.«
»Tante Isi ist nicht blöd«, meinte Heidi. Sie schüttelte energisch ihren Kopf, dass ihre Rattenschwänzchen nur so flogen. »Tante Isi ist sehr lieb.«
»Ich kenne keine Tante Isi«, sagte Gabrielle nun etwas unsicher.
»Tante Isi ist Frau von Schoenecker«, wurde sie von Heidi belehrt. »Sie ist von uns allen …« Die Kleine brach ab. Sie hatte Denise von Schoenecker aus dem Portal treten sehen. »Da kommt Tante Isi«, rief sie freudig. »Nun sag selbst, ist sie nicht lieb?« Schon lief sie der Verwalterin des Kinderheims Sophienlust entgegen.
*
»Bitte, nehmen Sie Platz.« Denise von Schoenecker wies auf einen Stuhl.
Elfriede Foss hörte sie gar nicht. Begeistert sah sie sich um. Das Zimmer war stilecht eingerichtet. Es handelte sich um ein Biedermeierzimmer, wie sie es bisher nur auf Bildern gesehen hatte. Sie ging zu dem kleinen Tischchen hin. Vorsichtig berührte sie es.
»Es ist fantastisch«, murmelte sie. »Bitte?« Denise lächelte leicht. Es wunderte sie nicht, dass sämtliche Gäste von dem Heim beeindruckt waren. Schon das ehemalige Herrenhaus mit der wuchtigen Freitreppe erregte Bewunderung. Durch das Portal kam man dann in eine große Halle, die den Mittelpunkt von Sophienlust darstellte. Und der offene Kamin, vor dem ein Bärenfell lag, erregte allgemeine Aufmerksamkeit. Die Verwalterin wußte aus Erfahrung, dass die meisten Leute sich ein Kinderheim ganz anders vorstellten.
Verlegen wandte die Besucherin sich wieder Denise von Schoenecker zu. »Sie haben es wunderschön hier. Wie ist es Ihnen nur gelungen, diesen Raumso herrlich einzurichten?«
»Es ist unser Biedermeierzimmer«, meinte Denise.
Elfriede nickte heftig. »Aber alles echt. Ich