Alles nur ein Spiel: Sophienlust 353 – Familienroman
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Die Nachmittagsvorstellung des Maibacher Stadttheaters war bis zum letzten Platz ausverkauft, ein Umstand, der nicht häufig eintrat. »Puh, ist mir heiß!«, stöhnte Heidi Holsten nach dem ersten Akt, als der Vorhang gefallen und der Applaus für die Darsteller verebbt war. »Zieh deine Strickjacke aus«, riet Angelina Domin, die ihrer lustigen Sommersprossen wegen von allen Pünktchen gerufen wurde. Heidi entledigte sich des überflüssigen Kleidungsstückes, quengelte jedoch weiter: »Ich habe einen Riesendurst. Wann fahren wir nach Hause? Warum bleibt ihr alle sitzen? Das Theaterstück ist doch zu Ende.« »Nein, Heidi, es ist nicht zu Ende«, belehrte Irmela Groote das kleine Mädchen. »Wir haben erst den ersten Akt gesehen. Kennst du denn nicht das Märchen vom Schneewittchen? Du musst es kennen, Schwester Regine hat es dir schon oft vorgelesen.« »Hm«, brummte Heidi und gähnte herzhaft. »Wir haben bis jetzt nur gesehen, wie sich die böse Stiefmutter ärgerte, weil Schneewittchen soviel schöner ist als sie, wie sie dem Jäger den Auftrag gibt, Schneewittchen zu töten, und wie der Jäger Schneewittchen dann laufenlässt. Praktisch hat das Stück ja erst angefangen!« »Aber warum sind die anderen Leute alle fortgegangen?«, fragte die Fünfjährige.
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Buchvorschau
Alles nur ein Spiel - Elisabeth Swoboda
Sophienlust (ab 351)
– 353 –
Alles nur ein Spiel
Kann Stefanie die Pläne ihrer intriganten Freundin verhindern?
Elisabeth Swoboda
Die Nachmittagsvorstellung des Maibacher Stadttheaters war bis zum letzten Platz ausverkauft, ein Umstand, der nicht häufig eintrat.
»Puh, ist mir heiß!«, stöhnte Heidi Holsten nach dem ersten Akt, als der Vorhang gefallen und der Applaus für die Darsteller verebbt war.
»Zieh deine Strickjacke aus«, riet Angelina Domin, die ihrer lustigen Sommersprossen wegen von allen Pünktchen gerufen wurde. Heidi entledigte sich des überflüssigen Kleidungsstückes, quengelte jedoch weiter: »Ich habe einen Riesendurst. Wann fahren wir nach Hause? Warum bleibt ihr alle sitzen? Das Theaterstück ist doch zu Ende.«
»Nein, Heidi, es ist nicht zu Ende«, belehrte Irmela Groote das kleine Mädchen. »Wir haben erst den ersten Akt gesehen. Kennst du denn nicht das Märchen vom Schneewittchen? Du musst es kennen, Schwester Regine hat es dir schon oft vorgelesen.«
»Hm«, brummte Heidi und gähnte herzhaft.
»Wir haben bis jetzt nur gesehen, wie sich die böse Stiefmutter ärgerte, weil Schneewittchen soviel schöner ist als sie, wie sie dem Jäger den Auftrag gibt, Schneewittchen zu töten, und wie der Jäger Schneewittchen dann laufenlässt. Praktisch hat das Stück ja erst angefangen!«
»Aber warum sind die anderen Leute alle fortgegangen?«, fragte die Fünfjährige.
»Ach, die sind wahrscheinlich in den Pausenraum gegangen, um zu rauchen oder etwas zu trinken«, erwiderte Irmela.
Trinken war für Heidi das Stichwort, prompt rief sie: »Ich möchte auch etwas trinken! Wo ist dieser Raum?«
»Äh – ich habe kein Geld mit«, wandte Pünktchen ein. »Tante Isi hat mir zwar beim Weggehen einen Geldschein zugesteckt, doch ich habe ihn auf den großen Tisch in der Halle gelegt und dummerweise dort vergessen.«
»Können wir das Geld nicht schnell holen?«, schlug Heidi vor.
»Heidi, du Dummerchen. Sophienlust ist in Wildmoos, und das ist ein schönes Stück von Maibach entfernt.«
»Die Fahrt mit dem Bus war aber ganz kurz«, wandte das Mädchen ein.
»Ja, weil Hermann uns mit dem Schulbus hergefahren hat«, sagte Pünktchen. »Der öffentliche Bus braucht länger, weil er an jeder Haltestelle stehenbleiben muss, damit die Leute ein- und aussteigen können. Außerdem verkehren nicht viele Busse, überhaupt jetzt, am Samstagnachmittag. Du musst dich gedulden, Heidi, und deinen Durst verdrängen bis zum Schluss der Aufführung.«
»Hoffentlich bin ich dann nicht verdurstet«, bemerkte die Kleine.
»So schnell verdurstet man nicht«, tröstete Pünktchen und strich Heidi über die hellblonden Löckchen. Für gewöhnlich wurde Heidis Haar von Regine Nielsen, der Kinderschwester, am Morgen zu einem Pferdeschwänzchen gebändigt, aber heute, zur Feier des Theaterbesuchs, trug das Mädchen ihr Haar offen.
Irmela hatte während des Disputs zwischen Pünktchen und Heidi in ihrer Umhängetasche gekramt und ihre Barschaft gezählt. Das Ergebnis befriedigte sie. Sie verkündete triumphierend: »Ich habe genug Geld mit. Es reicht aus. Wir können uns jeder eine Flasche Cola beim Büffett kaufen.«
Die Schwestern Vicky und Angelika Langenbach, die sich halblaut über das Stück und die Schauspieler unterhalten hatten, horchten auf.
»Reicht es wirklich?«, fragte Vicky. »Im Theaterbüfett ist sicher alles teurer als im Laden. Wir könnten ja zu zweit oder zu dritt eine Flasche trinken. Durstig bin ich nämlich auch, aber ein paar Schluck würden mir reichen.«
»Ich habe genug Geld«, wiederholte Irmela. »Ich lade euch alle ein. Meine Mutter hat mir erst unlängst mein Taschengeld geschickt, daher bin ich gut bei Kasse.«
»Na fein!«, rief Angelika »Dann nichts wie hin!«
Die Mädchen erhoben sich von ihren Sitzen, aber ausgerechnet in diesem Augenblick ertönte die Klingel.
»Die Pause ist um«, sagte Pünktchen und kehrte zu ihrem Platz zurück. Alle außer Heidi folgten ihrem Beispiel.
»Was ist mit meiner Cola?«, jammerte das jüngste der Kinder.
»Du bekommst es in der nächsten Pause«, vertröstete Irmela die Kleine.
»Aber ich bin jetzt durstig«, wandte Heidi ein.
»Bis zur nächsten Unterbrechung wirst du es schon aushalten«, sagte Pünktchen ein wenig unwillig.
»Komm, setz dich wieder auf deinen Platz, du stehst sonst den anderen Leuten im Weg herum.«
Heidi gehorchte, jedoch nicht ohne aufzubegehren. »Warum bist du so unfreundlich zu mir, Pünktchen?«, stellte sie das ältere Mädchen zur Rede.
»Ich bin nicht unfreundlich«, stritt sie ab.
»Doch, du bist unfreundlich«, beharrte die Kleine. »Ich habe Durst, aber du erlaubst Irmela nicht, dass sie mir etwas zum Trinken kauft.«
»Das stimmt nicht«, entgegnete Pünktchen hitzig. »Erstens habe ich Irmela keine Vorschriften gemacht, zweitens bin ich froh, dass sie Geld mithat und unsere Getränke bezahlen will. Ich bin nämlich zufälligerweise ebenfalls durstig. Aber ich mache deswegen keinen Wirbel. Ich gedulde mich bis zur nächsten Pause. Das Stück geht gleich weiter. Die anderen Zuschauer kommen alle zurück. In ein paar Sekunden wird es dunkel werden und der Vorhang wird aufgehen. Interessiert dich denn nicht, was als nächstes passiert?«
»Nein«, entgegnete Heidi unumwunden. »Ich bin durstig. Mein Mund ist innen ganz ausgetrocknet. Ich …«
Sie verstummte plötzlich und lehnte sich so weit über die Brüstung, dass die neben ihr sitzende Irmela sie erschrocken an ihrem Kleid packte und zurückzog.
Denise von Schoenecker, die für die Kinder die Theaterkarten besorgt hatte, hatte nicht geknausert. Sie hatte ausgezeichnete Sitzplätze in der Mitte der ersten Reihe gekauft. Demzufolge hatten die Kinder nicht nur freie Sicht auf die Bühne, sondern auch auf die seitlichen Logen.
»Dort drüben sitzt Filzchen«, krähte Heidi, winkte eifrig zu einer Loge hinüber und versuchte sich aus Irmelas Griff zu befreien. »Sie sieht mich nicht. – He, Filzchen! Hallo Filzchen!«
»Willst du wohl still sein, Heidi!«, zischte Irmela. »Die Leute gucken schon alle. Was sollen die von uns denken?«
Heidi achtete nicht auf Irmelas Ermahnung, sondern winkte und schrie weiter. Ihre Rufe gingen im allgemeinen Lärm unter, denn da es sich um eine Märchenvorstellung handelte, bestand das Publikum hauptsächlich aus Kindern, von denen sich die meisten nicht weniger lebhaft als Heidi gebärdeten.
Erst als die Lichter verloschen, gab Heidi ihre Bemühungen, Filzchens Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, auf. Sie setzte sich manierlich hin, vergaß ihren trockenen Gaumen und verfolgte das Geschehen auf der Bühne. Beim neuerlichen Auftritt der bösen Stiefmutter – diesmal in Verkleidung einer Apfelfrau – erhob sich im Zuschauerraum ein allgemeines Gezischel. Einige Kinder riefen dem armen Schneewittchen zu, ja nicht in den vergifteten Apfel zu beißen, natürlich umsonst. Das Spiel auf der Bühne ging weiter, Schneewittchen musste sterben und wurde in den gläsernen Sarg gelegt. Damit war der zweite Akte vorbei, der Vorhang fiel, die Deckenbeleuchtungen und die kleinen Lampen im Logenrund flammten auf.
Diesmal beklagte Heidi sich nicht über Durst, sondern schimpfte lautstark über die böse Königin, welche das arme Schneewittchen skrupellos ums Leben gebracht hatte.
»Ich bitte dich, Heidi, reg dich nicht so auf«, mahnte Pünktchen lachend. »Das Ganze ist doch bloß ein Spiel.«
»So?«, fragte das Mädchen zweifelnd. Ohne richtig Atem zu holen, fügte sie aufgebracht hinzu: »Warum hat Schneewittchen denn nicht auf die Kinder gehört? Sie haben ihm doch zugerufen, dass es nicht von dem Apfel kosten soll.«
»Aber, Heidi, begreifst du denn nicht? Schneewittchen ist nicht wirklich tot.«
»Nein, es wird wieder lebendig, wenn es den vergifteten Apfel ausspuckt«, unterbrach Heidi Pünktchens Erklärung.
»So habe ich das nicht gemeint«, sagte die Sommersprossige. »Ich wollte dir begreiflich machen, dass auf der Bühne Schauspieler agieren. Ganz normale Leute, die für ein paar Stunden in verschiedene Rollen geschlüpft sind. Was wir gesehen haben, ist nicht – ist nicht Wirklichkeit.«
»Nein? – Aber die anderen Leute leben doch! Bis auf Schneewittchen. Schneewittchen ist für eine Weile tot.«
»Heidi, bitte stell dich nicht so an«, seufzte Pünktchen. »Du hast doch schon öfters im Fernsehen Märchenspiele gesehen …«
»Im Fernsehen sind die Leute nicht wirklich. Da stecken sie in einem kleinen Kasten. Das weiß ich. Ich bin ja nicht dumm«, behauptete Heidi.
Pünktchen schüttelte verzweifelt den Kopf.
»Ich dachte, wir wollten zum Büfett«, ließ Irmela sich vernehmen.
»Ja, holen wir uns was zum Trinken«, rief Vicky und Angelika wie aus einem Mund.
Die kleine Gesellschaft trottete in den Pausenraum, wo Irmela für jedes der Kinder eine Flasche Limonade erstand. An den Strohhalmen saugend, blieben sie für eine Weile stumm, bis Heidi rief: »Ah, da ist ja Filzchen und ihre Tante Elise.«
Während des zweiten Aktes hatte Heidi nicht mehr an ihre Freundin in der Loge gedacht, doch als sie sie jetzt im Pausenraum entdeckte, eilte sie spontan auf sie zu.
Filzchen hieß eigentlich Felicitas und war das Töchterchen des in Wildmoos ansässigen Arztehepaares Dr. Frey. Sie kam oft nach Sophienlust und war mit den dort wohnenden Kindern bestens vertraut. Daher freute sie sich Heidi zu treffen und begann sogleich angeregt mit ihr zu plaudern.
Auch die anderen Mädchen begrüßten nun Elise Karsten und Filzchen und wechselten einige Worte mit ihnen. Dabei mussten sie feststellen, dass Filzchen der gleichen Ansicht wie Heidi war und die Machenschaften der bösen Königin lauthals verdammte.
»Ich freue mich schon, wenn sie zum Schluss so lange auf glühenden Kohlen tanzen muss, bis sie tot umfällt«, verkündete Filzchen rachsüchtig.
»Aber, Filzchen, wer wird denn so grausam sein«, rügte Elise Karsten ihre Großnichte.
»Ich bin nicht grausam. Die böse Königin ist grausam, und dafür muss sie bestraft werden«, erklärte das Kind.
»Eigentlich ist es eine undankbare Aufgabe, die Rolle der bösen Königin zu spielen«, meinte Pünktchen versonnen zu Irmela.
»Ach, ich weiß nicht«, entgegnete diese. »Mir würde