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Bibi Leben eines kleinen Mädchens: Band 6: Bibi lernt Landwirtschaft
Bibi Leben eines kleinen Mädchens: Band 6: Bibi lernt Landwirtschaft
Bibi Leben eines kleinen Mädchens: Band 6: Bibi lernt Landwirtschaft
eBook192 Seiten2 Stunden

Bibi Leben eines kleinen Mädchens: Band 6: Bibi lernt Landwirtschaft

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Über dieses E-Book

Band 6: Bibi lernt Landwirtschaft
Bibi ist nun zu einer jungen Frau herangewachsen, die vor der Frage steht, was für einen Beruf sie wählen soll. Durch die Vermittlung ihrer Großmutter ist es ihr möglich, auf einem Hof die Landwirtschaft zu erlernen. So kann Bibi weiterhin ihrer Liebe zu den Tieren treu bleiben. Und Bibi bleibt neugierig. Sie erkundet ihre neue Umgebung und die Menschen, die dort wohnen. Sie zeigt vor allem Interesse an einer Witwe und ihren Söhnen. Mit den Verschworenen bleibt sie natürlich nach wie vor im Kontakt und die Federn glühen bei dem regen Austausch an Briefen, denn es geht unter den jungen Damen vor allem um ein Thema. Und dann ist da noch diese Seuche, die alle Tiere des Hofes bedroht und die Nerven der Menschen strapaziert. Wird das alles gut ausgehen

Für Eltern:
In Skandinavien wird die Figur der Bibi als eine der Inspirationen zu Astrid Lindgrens (1907 - 2002) Pipi Langstrumpf gesehen. Während Pippi eine Welt erfindet, in der alle anderen sich zurechtfinden müssen, erleben wir Bibis Abenteuer in der realen Welt, und wie sie damit zurechtkommt, ohne dabei ihr Ziel aus den Augen zu verlieren. Trotzdem sind beide unglaublich mutige Mädchen, die die Fähigkeit haben, alles in ihrer Umgebung auf den Kopf zu stellen. Ein Wunsch von vielen, der derzeit wohl nur im Roman zu verwirklichen ist.

Karin Michaëlis (1872 – 1950) war eine der großen, weltberühmten Schriftstellerinnen ihrer Zeit. Leider ist sie in der zweiten Hälfte des 20 Jh. mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Karin Michaëlis hatte eine enge Verbindung zu Österreich und war eine Freundin der Wiener Reformpädagogin Eugenie Schwarzwald. Einige von Schwarzwalds Ideen, wie die freie Entfaltung des Kindes, die Förderung der Fantasie und gewaltfreie Konfliktlösungen finden sich in den Bibibüchern, und anderen Büchern von Karin Michaëlis wieder. Sie hielt Reden gegen Hitler und half später Flüchtlingen aus Nazi-Deutschland. Sie war eine große kosmopolitische Humanistin und Frauenrechtsaktivistin und mit vielen „Prominenten“ (Adolf Loos, Peter Altenberg, Oskar Kokoschka, Rainer Maria Rilke, Karl Kraus u. a.) ihrer Zeit befreundet. Eine Leseempfehlung auch für große Mädchen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum19. Apr. 2021
ISBN9783903037465
Bibi Leben eines kleinen Mädchens: Band 6: Bibi lernt Landwirtschaft

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    Buchvorschau

    Bibi Leben eines kleinen Mädchens - Karin Michaëlis

    Stunde)

    Inhaltsverzeichnis

    Inhaltsverzeichnis

    1. Kapitel – Paps ist wunderbar!

    2. Kapitel – Die Katastrophe

    3. Kapitel – Ein wichtiger Beschluß

    4. Kapitel – Weitere Verhandlungen

    5. Kapitel – Eine unvergeßliche Stunde

    6. Kapitel – Bibis Briefwechsel I.

    7. Kapitel – Velsigne

    8. Kapitel – Bibis Briefwechsel II.

    1. Kapitel – Paps ist wunderbar!

    Bibi war grenzenlos verzweifelt gewesen, als Paps ihr die Geschichte mit der abscheulichen russischen Lehrerin anvertraut hatte. Nun aber hatte sie mit Valborg einen so herrlichen Plan ausgeheckt, daß sie plötzlich wieder himmelstürmend glücklich war. Von der Mutter der Gracchen steht in allen Weltgeschichten, weil sie die Hand für ihre Söhne ins Feuer gesteckt hat. Als ob da auch schon was dabei wäre! Bibi wollte ihrem Paps ein Opfer bringen, das hunderttausendmal größer war. Und wenn sie auch daran zugrunde ginge. Paps mußte wieder froh werden. Ole war Manns genug, um den alten Haubenstock bis nach Dänemark zu schleifen, ob sie nun wollte oder nicht. Sie mußte einfach.

    Es waren keine hübschen Ausdrücke, mit denen Bibi an die Person dachte. Aber das war schließlich Privatangelegenheit. Das konnte niemand ihr verbieten. Nur ein Glück, daß sie sich mit Valborg aussprechen konnte. Valborg war ungeheuer gescheit und überhaupt großartig, so oft etwas schief ging. Bibi war so verwandelt, als sie wieder nach Hause kam, daß sogar ihr Paps Verdacht schöpfte: „Erzähl mir lieber gleich, was los ist. Ich seh’ es dir ja an der Nasenspitze an, daß du schon wieder einmal etwas vorhast."

    Bibi schüttelte den Kopf: „Ich habe gar nichts vor. Wirklich. Ich freue mich nur so, daß ich wieder zu Hause bin, und dann die neue Schule morgen und dann..." Sie schwatzte darauf los und erzählte noch alles mögliche, wofür sie in ihren Briefen keinen Platz mehr gehabt hatte.

    „Hör mal, Bibi, du hast doch unterwegs nicht vergessen, auch an deine Großmutter zu schreiben? „Nein, selbstverständlich nicht, das heißt, ich glaube... Sie stockte, dunkelrot und verlegen: „Ich war ganz bestimmt fest dazu entschlossen. Und ich dachte schon, ich hätte es getan... „Das ist ja furchtbar... „Aber weißt du was, ich schreibe ihr morgen sofort acht Seiten, unbedingt, ich schwör es dir."

    „Nein, Bibi, das ist nicht schön von dir. Was nützt es, daß du fest dazu entschlossen warst. Erinnere dich an das alte Wort: der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert… Großmutter hat mir inzwischen in deinen Angelegenheiten geschrieben. Sie hat deinetwegen alles verkauft, was sie nur zu Geld machen konnte. Und du vergißt, ihr auch nur ein paar Worte zu schreiben. Sie hat ihren Schmuck verkauft, ihre Spitzen, ihre wertvollsten Bilder und auch noch einen großen Teil der Einrichtung. Ja, sie hat sogar ein paar Grundstücke verkauft..."

    Bibi, die den Kopf schon hatte hängen lassen, fuhr plötzlich in die Höhe: „Ach was, das weiß ich, das hat sie mir schon längst erzählt. Das mußte sie tun, weil Großvater in seinem Testament versprochen hatte, für die Leute auf Klinteborg zu sorgen. Ich finde das riesig nett vom ihm. Du nicht auch?"

    „Du weißt nur die Hälfte, Bibi. Deine Großmutter wollte, wenn irgend möglich, vermeiden, daß Klinteborg unter staatliche Verwaltung kommt. Sie hoffte immer noch, daß du das Gut einmal übernehmen könntest..."

    „Aber Paps, das sag’ ich doch die ganze Zeit. Weißt du denn nicht, daß so ein Gut, wenn es erst einmal unter staatlicher Verwaltung ist, zwanzig oder hundert Jahre lang nicht mehr freigegeben wird, und bis dahin bin ich längst tot und gestorben. Daher kann ich sofort darauf pfeifen."

    „Möchtest du mich nicht auch einmal ausreden lassen? Deine Großmutter hat also alles verkauft, um die im Testament angegebenen Summen zu bezahlen. Damit das Gut jedoch erhalten bleibt, hat sie außerdem noch drei große Pachthöfe verkauft, und der Betrag wurde für dich angelegt, um dir ein anständiges Betriebskapital zu sichern, falls du doch einmal das Gut übernehmen solltest."

    „Großmutter ist ein Kerl. Und wenn mir auch gar nicht so besonders viel an Klinteborg liegt, so können Ole und ich es jedenfalls brauchen. Wir haben ganz was Besonderes vor, du weißt doch."

    „Ich weiß natürlich gar nichts. Du hast ja so viele Pläne, daß einer über den andern stolpert. Da ist es nicht immer leicht, dir zu folgen."

    „Nein, Paps, das ist nicht nett von dir. Du weißt doch ganz genau, daß Klinteborg ein Heim für alte Pferde werden soll, das Schloß aber brauchen wir für Waisenkinder, die wir adoptieren. Und wenn Platz genug bleibt, so könnten wir auch entlassene Sträflinge bei uns aufnehmen. Die meisten finden keine Bleibe mehr, weil kein Mensch mit ihnen zu tun haben will. Bei uns jedoch können sie die Pferde pflegen und gut aufpassen, daß sie nicht in den Regen hinauslaufen und nachts ordentlich zugedeckt bleiben und das alles. Es gibt ja auch manchesmal weibliche Sträflinge, die können uns bei den Kindern helfen. Valborg und Ole und ich, wir werden schon dafür Sorge tragen, daß alles wie am Schnürchen geht..."

    Schon gut, Bibi, so denkst du dir das heute. Wir werden ja sehen. Und es werden dir noch viele Pläne durch deinen kleinen Kopf laufen, ehe du reif genug bist, um Klinteborg zu übernehmen. Jetzt versprich mir aber, daß du morgen wirklich einen schönen Brief an deine Großmutter schreibst."

    „Mein großes Ehrenwort. Bist du nun zufrieden? Bibi gibt ihrem Vater einen Gutenachtkuß und flüstert ihm dabei rasch noch zu: „Du darfst nicht traurig sein, du verstehst schon, was im meine. Denn ich weiß etwas, was ich dir nicht verraten werde. Paß auf, eines schönen Tages wirst du noch so glücklich sein, daß du in die Luft gehst vor lauter Freude. Es hat keinen Sinn, daß du mich weiter fragst. Denn ich schweige bestimmt wie das Grab.

    Bibi ging aber nicht gleich zu Bett. Erst mußte noch der Brief an Ole abgegangen sein. Das war wichtig und das eilte.

    Lieber Ole,

    nun mußt Du aber wirklich tun, was ich sage, und zwar sofort. Du wirst sie schon finden, wenn Du Dir nur ein bißchen Mühe gibst. Sie ist ein gräßliches Frauenzimmer, und sie hat so lange um meinen Paps herum scherwenzelt, daß er jetzt stirbt, wenn er sie nicht kriegt: Du verstehst. Kann schon sein, daß sie erst sagt, sie will ihn gar nicht, aber das ist dann nur Getue, darum brauchst Du Dich gar nicht kümmern. Sie ist natürlich bis über die Ohren verschossen in ihn. Herrgott, wie ich sie hasse! Ich könnte sie in der Luft zerreißen. Und wenn es nicht wegen Paps wäre, so hätte ich ihr schon geschrieben, daß sie sich nicht unterstehen soll, den Fuß in unser Haus zu setzen. Ich habe mir auch geschworen, daß sie mich nie im Leben dazu bringen wird, Mama zu ihr zu sagen. Das mußt Du aber nicht gleich weitererzählen. Es heißt eben gute Miene zum bösen Spiel machen. Du hättest Paps nur sehen sollen! Aber ich werde schon höflich mit ihr sein und alles in mich hineinfressen. Sie soll sich nur nicht unterstehen, etwas von Mamas Sachen anzurühren, sonst kratze ich ihr die Augen aus. Und wenn sie Paps küßt, was sie wohl auch tun wird, so laufe ich aus dem Zimmer. Du mußt sie aber trotzdem nach Dänemark schleifen. Sie hat wohl blaue Brillen und ist mager wie ein Besenstiel. Ich sehe sie ordentlich vor mir, wie die Kleider an ihr schlottern. Ich wette, sie sieht aus wie die Fagerlund. Und wenn Valborg auch tausendmal sagt, daß es Quatsch ist, und daß nur Jensine mich mit solchen Ammenmärchen füttert, so bin ich doch felsenfest davon überzeugt, daß sie meinen Paps mit einem Liebeskrank verzaubert hat. Wie käme er denn sonst auf den Einfall, sich in so eine zu verlieben? Wo er doch die vielen Bilder von Mama hat. Eine spitze Nase hat sie natürlich auch. Die Leute werden lachen, wenn er mit ihr über die Straße geht. Jetzt schleiche ich mich noch rasch in Paps Zimmer, dort liegt ein Haufen Briefe in der Schreibtischlade, ich schreibe Dir dann die Adresse mit großen Buchstaben auf. Sie wohnt zwar nicht mehr dort. Aber irgend jemand wird schon wissen, wohin sie übersiedelt ist. Wenn es auch ein bißchen weit ist, Du mußt zu ihr fahren. Ich will nicht, daß mein Paps aus Kummer stirbt; denn sonst sterbe ich mit. Wenn sie sich aber nicht anständig benimmt und furchtbar lieb mit ihm ist, so schütte ich ihr Arsenik ins Essen, dann stirbt sie und kein Aas weiß, warum. Sowie Du sie aufgestöbert hast, mußt Du mir sofort telegraphieren. Ich muß Paps vorbereiten, damit er nicht an der Überraschung stirbt. Er ist nicht sehr bei Kräften, ich muß sehr auf ihn aufpassen. Valborg hat sich auf ein Haar in einen reichen Amerikaner mit Seidenhemden verliebt, sie leugnet zwar, aber Du kannst es mir glauben. Morgen übersiedelt unsere Schule in das neue Haus gegenüber der Bank, weil das alte abgebrannt ist. Das wird lustig. Du könntest wirklich jede Woche schreiben. Es ist so fein, wenn man Briefe mit ausländischen Marken bekommt. Jensine soll einen Nachtwächter heiraten, der jede Nacht den Dieben und Mördern auflauert. Sie werden sicher niemals miteinander streiten; denn er schläft bei Tag und sie bei Nacht. Ich war mit den Verschworenen auf einer tollen Radtour, denn wir bekamen ja für nichts und wieder nichts Feuersbrunstferien, weil die Schule übersiedeln mußte. Jetzt mach aber rasch, und wenn Du nicht genug Geld für die Reise hast, so leih es Dir aus, ich werde es schon zusammenkratzen. Augenblicklich hab’ ich gar keines, ich mußte sogar in Hobro für zehn Kronen mein Rad versetzen, die wird mein Paps mir aber wieder geben. Ich finde, Du solltest Tierarzt werden, das wird sehr wichtig sein für unsere alten Pferde auf Klinteborg.

    Bibi.

    Schlaftrunken öffnet Bibi die Schreibtischlade, um nach den verhaßten Briefen zu greifen. Sie zog einen Briefumschlag hervor, um die Adresse hinten abzuschreiben. Da fuhr sie zusammen, als hätte ein eisiger Schneeball sie getroffen: Sie wußte ja gar nicht, ob Ole schon in Rußland oder noch in Prag war. Und wenn er abgereist war, wie sollte sie ihn dann in Rußland suchen?

    Bibi war so enttäuscht und übermüdet, daß sie jede Vorsicht vergaß. Sie ließ den Kopf auf den Schreibtisch fallen und jammerte, daß Paps sie durch zwei Zimmer hindurch hören konnte. Er kam aus seinem Schlafzimmer, und sie merkte es erst, als er sich über sie beugte: „Was ist denn? Warum weint mein kleines Mädchen?"

    Bibi fuhr auf. Sie wollte Oles Brief an sich reißen, aber Paps hielt ihn bereits in der Hand: „Es ist wohl am besten, wenn ich das lese. So finde ich vielleicht die Erklärung..."

    Bibi hatte nicht mehr Kraft genug, sich zu wehren. Sie stöhnte nur: „Und es war doch eine so gute Idee. Und nun nützt es nichts mehr ..."

    Paps stand vor ihr in seinem Schlafrock und las den Brief sehr aufmerksam. Dann strich er sich mit der Hand über die Stirn: „Das also... wolltest du für mich tun.. dieses Opfer wolltest du bringen..."

    Bibi stieß zwischen Schluchzen hervor: „Ich werde aber nie – nie – nie – Mama zu ihr sagen... lieber sterben..."

    „Du wirst zu niemandem Mama sagen müssen. Glaubst du wirklich, Bibi, daß ich imstande wäre, meinem kleinen Mädchen so etwas anzutun? Nein, wir beide gehören zusammen. Niemand, hörst du, niemand wird zwischen uns kommen... Das ganze war ja nur ein Traum... Man erwacht und weiß, es war ein Traum... Ich bin erwacht... Steh auf, Bibi, wir wollen mal versuchen, ob ich dich noch in dein Bettfragen kann, oder ob du schon zu schwer dafür geworden bist."

    Bibi machte sich leicht wie eine Feder, sie fand es wenigstens selbst, und ihr Paps tat, als ob er es ebenfalls fände. Als der Mond durch das Fenster guckte, sah er ein großes Mädchen im Schlafe lächeln.

    2. Kapitel – Die Katastrophe

    Die neue Schule war ein bißchen eine Enttäuschung. Da hatte man sich eingebildet, daß alles ganz anders werden würde als früher, ungefähr so, wie wenn man in ein fremdes Land mit neuen Häusern und neuen Menschen gereist ist. Und nun war eigentlich alles beim alten geblieben. Sogar die Fenster waren auch hier auf Veranlassung der Fagerlund aus Milchglas, obwohl die Klasse im ersten Stock lag. Was das schon geschadet hätte, wenn man über die Felder weg bis zu den drei Dörfern mit ihren weißen Kirchtürmen gesehen hätte!

    Der Schulhof war das beste. Der lag gleich neben dem Markt, so daß man sich Samstag, wenn die Bauern ihre Buden aufgestellt hatten, auf einen kleinen Bummel hinausschleichen konnte.

    Bibi und die Verschworenen, außer Anne Charlotte, die noch mit ihrem gebrochenen Bein zu Bett lag, protzten aus Leibeskräften mit den fürchterlichen Lebensgefahren, die sie überstanden hatten. Mochten auch andere in der Klasse während der Feuersbrunstferien was erlebt haben, mit den Abenteuern der Verschworenen konnten sie sich doch nicht messen.

    Die ersten Stunden vergingen ganz gewöhnlich, in der Pause jedoch ereignete sich etwas , was die ganze Stadt auf den Kopf stellte und Bibis Leben nicht wenig beeinflussen sollte. Es begann damit, daß Lehrer Blum, der von elf bis zwölf Mathematik hatte, zum Tor hereinstürzte, als würde er mindestens von einem brüllenden Löwen verfolgt. Er raste durch den Hof auf Fräulein Fagerlund zu, die eben mit Fräulein Väde und dem Geographiesörensen zusammenstand. Daß er was Ungewöhnliches zu sagen hatte, merkte man gleich; denn Fräulein Fagerlund schlug die Hände zusammen und sah zum Himmel auf, während das nette Fräulein Väde mit den vielen Löckchen erst den Mund aufriß und dann auf die Mauer zulief, um das Gesicht zwischen den Händen zu verstecken, als schämte sie sich. Man war natürlich rasend neugierig, aber erstens schickte es sich nicht, zu lauschen, und zweitens hätte es gar nichts genützt und nur eine Rüge von Fräulein Fagerlund eingetragen. Ein Glück, daß man die nächste Stunde bei Fräulein Väde hatte, die war bedeutend zugänglicher.

    Fräulein Väde erschien mit rotverschwollenen Augen. Sie versuchte erst zu tun, als wäre nichts passiert, man wurde ordentlich verlegen, wenn man ihr ins Gesicht sah. Die Tränen tröpfelten ihr über die Wangen, bis sie plötzlich den Kopf auf das Pult legte und ganz jämmerlich zu weinen begann.

    Bibi flüsterte Valborg zu: „Ich schwöre dir, ihr Bräutigam hat sie sitzen lassen."

    Valborg nickte zustimmend. Fräulein Väde war mit Kommunenlehrer Abel verlobt. Er hatte einen Schnurrbart und Hornbrille, und sie sollten zu Weihnachten heiraten. Die ganze Klasse hatte die Pläne des kleinen Hauses bewundert, die Abel selbst gezeichnet hatte und das er bauen wollte, so wie Geld genug dafür vorhanden war. Ein süßes kleines Haus mit einem winzigen Gärtchen und einem Taubenschlag für Abels Brieftauben, die um die Wette flogen und in den Zeitungen silberne Prämien bekamen. Die Klasse hatte sich auch schon über das Hochzeitsgeschenk den Kopf zerbrochen. Einige waren für ein Kissen mit Kreuzstichmuster, an dem alle sticken sollten, andere für das schöne Schreibzeug aus Alabaster, das im Schaufenster der Buchhandlung lag. Valborg hatte allerdings vorgeschlagen, daß Fräulein Väde einen Wunschzettel schreiben sollte, damit sie auch wirklich bekommen könnte, was sie brauchte. Sie hatte nämlich gehört, daß das in der Schweiz so Sitte war. Dort war es gar keine Schande, einen Milcheimer, eine Fleischmaschine oder eine gewöhnliche Rumpel als Hochzeitsgeschenk zu geben.

    Bibi trippelte auf das Katheder zu. Sie rieb Fräulein Väde den Rücken, als ob sie sie gegen einen Hexenschuß ein wenig massieren wollte. Dann flüsterte sie ihr ins Ohr: „Sie dürfen sich das nicht so zu Herzen nehmen. Er kommt sicher zurück. Ich wette, daß er gar nicht ohne Sie leben kann."

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