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Bibi Leben eines kleinen Mädchens: Sammelband: Bibi 1 - 6
Bibi Leben eines kleinen Mädchens: Sammelband: Bibi 1 - 6
Bibi Leben eines kleinen Mädchens: Sammelband: Bibi 1 - 6
eBook1.383 Seiten18 Stunden

Bibi Leben eines kleinen Mädchens: Sammelband: Bibi 1 - 6

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Über dieses E-Book

Herzlich willkommen in Bibis Welt. Bibi ist ein kleines Mädchen mit blauen Augen, blonden Zöpfen und langen, dünnen Beinen. Sie lebt in Dänemark bei ihrem Vater, der ein angesehener Bahnhofsvorsteher ist und den Bibi über alles liebt. Bibi folgt nicht immer, aber wenn sie nicht folgt, dann hat sie einen guten Grund dafür. Sie will alles selber lernen und nicht nur in den langweiligen Büchern lesen. "Eine ganze Stunde lang still sitzen ... da musst du weglaufen, sonst stirbst du." Gut, dass sie als Kind eines Bahnhofsvorstehers so viel und so weit mit der Eisenbahn herumfahren kann, wie sie gerne möchte. Dabei freundet sie sich mit vielen Menschen und Tieren, die sie unterwegs trifft, an. Von den Tieren nimmt sie dann auch ab und zu eines wieder mit nach Hause. Man kann sich sicher sein: Dort, wo Bibi ist, da ist was los. Wenn da nur nicht die grauen Leute wären, die sie immer dann trifft, wenn sie es am wenigsten brauchen kann. Zum Glück geht dann doch noch alles gut aus.

Für Eltern:
In Skandinavien wird die Figur der Bibi als eine der Inspirationen zu Astrid Lindgrens (1907 - 2002) Pipi Langstrumpf gesehen. Während Pippi eine Welt erfindet, in der alle anderen sich zurechtfinden müssen, erleben wir Bibis Abenteuer in der realen Welt, und wie sie damit zurechtkommt, ohne dabei ihr Ziel aus den Augen zu verlieren. Trotzdem sind beide unglaublich mutige Mädchen, die die Fähigkeit haben, alles in ihrer Umgebung auf den Kopf zu stellen. Ein Wunsch von vielen, der derzeit wohl nur im Roman zu verwirklichen ist.

Band 2:
Kritik aus dem Hamburger Fremdenblatt (ca. 1930)
„Der fast beispiellose und sehr verdiente Erfolg des ersten Ban-des wird durch die Fortsetzung, „Bibis große Reise“, vielleicht noch übertroffen. Denn diese Reise führt Bibi nach Deutschland: Berlin, Heidelberg, München, Hamburg, der Schwarzwald, Weimar und das Riesengebirge folgen einander in bunter Kette.“

Band 3:
Kritik aus der Ostpreußischen Zeitung, Königsberg (ca. 1931):
Bibi und Ole: „Was Bibi diesmal erlebt, zuerst daheim, dann in Prag, in Karlsbad und in den Schneebergen der Hohen Tatra, meist mit ihrem neuen Freund Ole zusammen, ist besonders spannend und interessant. Nie hat Karin Michaëlis Schöneres geschrieben.“

Band 4:
Kritik aus dem Berliner Tagblatt (ca. 1932):
Bibi und die Verschworenen: „Der kreuzfidele Masernklub, das Tierschutzfest, die Segelfliegerschule und schließlich die grausliche Schatzsuche im dunklen Kellerverlies – man kann das Buch nicht aus der Hand legen, bevor man es nicht von A bis Z durchflogen hat.“

Band 5:
Rascher Verlag (ca. 1935):
Bibi in Dänemark: Karin Michaëlis erzählt ihren jungen Freundinnen die Geschichte der heranwachsenden Bibi weiter. Der Brand des Schulhauses bringt Bibi und ihren Kameradinnen verlängerte Ferien. Sie packen rasch ihre Siebensachen zusammen und fahren auf ihren Rädern kreuz und quer durch Dänemark. Auf einem Boot rudern sie von Insel zu Insel. Fremde Leute zeigen ihnen seltsame Dinge und erzählen von noch seltsameren Erlebnissen.

Karin Michaëlis (1872 – 1950) war eine der großen, weltberühmten Schriftstellerinnen ihrer Zeit. Leider ist sie in der zweiten Hälfte des 20 Jh. mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Karin Michaëlis hatte eine enge Verbindung zu Österreich und war eine Freundin der Wiener Reformpädagogin Eugenie Schwarzwald. Einige von Schwarzwalds Ideen, wie die freie Entfaltung des Kindes, die Förderung der Fantasie und gewaltfreie Konfliktlösungen finden sich in den Bibibüchern, und anderen Büchern von Karin Michaëlis wieder. Sie hielt Reden gegen Hitler und half später Flüchtlingen aus Nazi-Deutschland. Sie war eine große kosmopolitische Humanistin und Frauenrechtsaktivistin und mit vielen „Prominenten“ (Adolf Loos, Peter Altenberg, Oskar Kokoschka, Rainer Maria Rilke, Karl Kraus u. a.) ihrer Zeit befreundet. Eine Leseempfehlung auch für große Mädchen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum19. Apr. 2021
ISBN9783903037472
Bibi Leben eines kleinen Mädchens: Sammelband: Bibi 1 - 6

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    Buchvorschau

    Bibi Leben eines kleinen Mädchens - Karin Michaëlis

    Bibi - Leben eines kleinen Mädchens

    Band 1: Bibi

    von Karin Michaëlis

    Illustration: Judith Reßler

    Inhaltsverzeichnis

    Bibi - Leben eines kleinen Mädchens

    Band 1: Bibi

    Inhaltsverzeichnis

    Einleitung, die durchaus mitgelesen werden muß

    1. Kapitel – Was Bibi am Fenster treibt

    2. Kapitel – Bibi oder Ulla

    3. Kapitel – Bibi geht auf Fahrt

    4. Kapitel – Bibis Kirchhof

    5. Kapitel – Das große Ehrenwort

    6. Kapitel – Die grauen Leute

    7. Kapitel – Die Sommerferien

    8. Kapitel – Ein ereignisreicher Geburtstag

    9. Kapitel – Mit der Ochsenherde

    10. Kapitel – Der Uhrmacher von Tondern

    11. Kapitel – Else Praest

    12. Kapitel – Wetterleuchten

    13. Kapitel – Bibi sieht mehr und mehr

    14. Kapitel –Bibi soll wählen

    15. Kapitel – Auf dem Weg

    16. Kapitel – Etwas, was übersprungen werden kann,

    aber besser doch mitgelesen wird

    17. Kapitel – Es ergeht Bibi sehr übel

    18. Kapitel – Eine unerwartete Wendung

    19. Kapitel – Mein Schloß!

    Bibi - Leben eines kleinen Mädchens

    Band 2: Bibis große Reise

    1. Kapitel – Der Herbst kommt

    2. Kapitel – Bibi bekommt einen schlimmen Brief

    3. Kapitel – In Lebensgefahr

    4. Kapitel – Berlin

    5. Kapitel – Das Geheimnis

    6. Kapitel – Katzenstieg

    7. Kapitel – Bibi besucht Gerhart Hauptmann

    8. Kapitel – Weihnachten

    9. Kapitel – Im Riesengebirge

    10. Kapitel – Bibi ist böse

    11. Kapitel – Nur eine Erkältung

    12. Kapitel – Waldenburg

    13. Kapitel – Bibi macht Bekanntschaft mit Goethe

    14. Kapitel  – Bibi sieht, wie man Glas macht

    15. Kapitel – Ein Mann mit einem ganz großen Kunststück

    16. Kapitel – Bibi staunt abermals

    17. Kapitel – Bibi sieht Bilder von anderen Leuten

    18. Kapitel – Auf einer deutschen Schule

    19. Kapitel – Bibi will Chinesisch lernen

    20. Kapitel – Heidelberg

    21. Kapitel – Pfingsten!

    22. Kapitel – Im Schwarzwald

    23. Kapitel – Bibis Stadt

    24. Kapitel – Singende Tage

    25. Kapitel – Salinen und Mandolinen

    26. Kapitel – Zu Edelsteinen eingeladen

    27. Kapitel – Dornburg

    28. Kapitel – Noch einmal in Berlin

    29. Kapitel – Die Begegnung

    30. Kapitel – Bibi geht auf See

    Bibi – Leben eines kleinen Mädchens

    Band 3: Bibi und Ole

    1. Kapitel – Wieder zu Hause bei Paps

    2 Kapitel – Die Klapperschlange, der Fallschirm und Nebel auf dem Meer

    3. Kapitel – Die Verschworenen

    4. Kapitel – Das Gespensterhaus

    5. Kapitel – Bibi will wieder fort

    6. Kapitel– Ein Brief, der hauptsächlich von Ole handelt

    7. Kapitel – Prag

    8. Kapitel – Die Geburtstagsgeschenke des Präsidenten

    9. Kapitel – Die Bakulekinder

    10. Kapitel – Die Karussellschuhe

    11. Kapitel – Eine neue Freundin und was Bibi mit ihr sieht

    12. Kapitel – Bibi verirrt sich

    13. Kapitel – Die Vagabunden

    14. Kapitel – Was dann weiter mit Bibi geschah

    15. Kapitel – Paps bekommt nicht alles erzählt

    16. Kapitel – Pistyan

    17. Kapitel – Das Monument

    18. Kapitel – Die Zauberhöhle

    19. Kapitel – Unverdient

    20. Kapitel – Die Hohe Tatra

    21. Kapitel – Nur nicht erschrecken!

    22. Kapitel – Bibi liest einen Brief ihrer Mama

    23. Kapitel – Karlsbad

    24. Kapitel – Es bereitet sich vor

    25. Kapitel – Bibis großer Plan

    Bibi – Leben eines kleinen Mädchens

    Band 4: Bibi und die Verschworenen

    1. Kapitel – Valborg

    2. Kapitel – Der Masernklub

    3. Kapitel – Eine schlaflose Nacht

    4. Kapitel – Was ist denn los?

    5. Kapitel – Look out for me!

    6. Kapitel – Danzig

    7. Kapitel – Die Insel

    8. Kapitel – Die blaue Erde

    9. Kapitel – Noch ein Wiedersehen

    10. Kapitel – Die Segelflieger

    11. Kapitel – Die Vogelwarte

    12. Kapitel – Warum Bibi schnell nach Klinteborg mußte

    13. Kapitel – Wenn Eltern aus dem Häuschen geraten...

    14. Kapitel – Großvater

    15. Kapitel – Fünf Briefe von einem Schloß

    16. Kapitel – Der alte Graf erzählt

    17. Kapitel – Bibi lügt

    18. Kapitel – In der Tiefe

    19. Kapitel – ...lebendig begraben

    20. Kapitel – Im Dunkel

    21. Kapitel – Und oben im Schloß

    22. Kapitel – Ende gut, alles gut

    Bibi – Leben eines kleinen Mädchens

    Band 5: Bibi in Dänemark

    1. Kapitel – Leise, leise, es naht der Tod...

    2. Kapitel – Der ungetreue Diener.

    3. Kapitel – Bibi handelt mit ihrem Paps.

    4. Kapitel – Jensines Überraschung.

    5. Kapitel – Der Zuckerhut.

    6. Kapitel – Die Pfannkuchen.

    7. Kapitel – Die Feuersbrunst.

    8. Kapitel – Eine eklige halbe Stunde.

    9. Kapitel – Jep und seine Frau.

    10. Kapitel – Also wohin?

    11. Kapitel – Es geht los!

    12. Kapitel – Schwierigkeiten.

    13. Kapitel – Schmuggler.

    14. Kapitel – Quicksand.

    15. Kapitel – Man bekommt ein eigenes Haus.

    16. Kapitel – Die Überraschung.

    17. Kapitel – Im Auto.

    18. Kapitel – Wir dürfen mit!

    19. Kapitel – Der große Fischfang.

    20. Kapitel – Die seltsamen Männchen.

    21. Kapitel – Was steht da oben auf dem Dach?

    22. Kapitel – Die alte Sidsel.

    23. Kapitel – Der Brief.

    Bibi – Leben eines kleinen Mädchens

    Band 6: Bibi lernt Landwirtschaft

    1. Kapitel – Paps ist wunderbar!

    2. Kapitel – Die Katastrophe

    3. Kapitel – Ein wichtiger Beschluß

    4. Kapitel – Weitere Verhandlungen

    5. Kapitel – Eine unvergeßliche Stunde

    6. Kapitel – Bibis Briefwechsel I.

    7. Kapitel – Velsigne

    8. Kapitel – Bibis Briefwechsel II.

    Liebe Bibifreundinnen,

    liebe Bibifreunde und solche, die es noch werden,

    es macht mir großen Spaß, in alten Buchhandlungen nach Büchern mit verborgenen Schätzen zu suchen. Meistens sind diese Bücher in einer so alten Schrift geschrieben, dass diese heute nur noch schwer zu entziffern ist. Mit diesem Buch ist es mir gelungen, einen Schatz zu finden, der schon fast 100 Jahre lang darauf gewartet hat, wiederentdeckt zu werden. Dieser Schatz ist nicht aus Gold und Silber, er besteht aus den Geschichten und Ideen, die in diesem Buch – Bibi – von Karin Michaëlis aufgeschrieben worden sind. Ich denke, dass Karin viel von dem, was sie als Kind erlebt hat oder gerne erlebt hätte, Bibi in ihren Büchern erleben lässt. Beim ersten Lesen hatte ich eine so große Freude, dass es mir ein dringendes Bedürfnis geworden ist, daraus ein modernes Buch – ein E-Book – zu machen, um diesen Schatz nun mit allen Lesern und Leserinnen teilen zu dürfen.

    Wir wissen alle, dass die Rechtschreibung sich hin und wieder ändert und das, was gestern richtig war, ist dann morgen ein Fehler und umgekehrt. Ich habe mich bemüht, die Schreibweise aus der Entstehungszeit des Buches so genau wie möglich zu übernehmen. Vor ca. 100 Jahren hat man ein paar Worte anders geschrieben, die ß/s/ss - Schreibung war beispielsweise ganz anders und im Buch findet ihr noch einige andere Beispiele mehr. Ich will jetzt nicht sagen, dass es falsch ist, denn damals war es ja richtig, ich möchte gerne sagen: Es ist zu einer Buchstabenzeitreisemaschine geworden.

    Bibi schreibt in den Büchern viele Briefe an ihren Paps. Nachdem es Bibi mit der Orthografie (Rechtschreibung) nicht ganz so genau nimmt, weil sie viel besser Zeichnen als Rechtschreiben kann, denke ich, es ist in Bibis Sinn, wenn ich sage: „Wer Rechtsschreibveler findet der darff sie auch behalden." Karin meinte dazu, dass es oft so ist, dass jemand, der zu einer Sache hervorragend taugt, in einer anderen gar nicht gut ist. Das können erwachsene Leute nicht verstehen, aber Kinder können es, denn Kinder verstehen alles viel besser als Erwachsene. (Karin Michaëlis Bibi - Kapitel 3 - Bibi geht auf Fahrt).

    Ich weiß, was ich selber gut kann; ich kann gut Schätze in alten Büchern finden, denn jeder hat etwas, was er oder sie besonders gut kann. Und wenn wer was nicht kann, der kann das ja immer noch lernen.

    Im Originalbuch gibt es viele Zeichnungen von Hedwig Collin, die fehlen hier. Wer mag, der kann mir eine Zeichnung zu dem schicken, was er oder sie in dem Buch gelesen hat und wenn einige Bilder zusammenkommen, dann machen wir daraus eine kleine Bibigalerie.

    https://www.dieerzaehlwerkstatt.at/

    Früher wurden auch einige Wörter gesagt und geschrieben, die man heute nicht mehr sagt, weil sich Menschen dadurch schlecht behandelt fühlen oder weil sie beleidigend sind, und weil es gemein ist, andere Menschen so zu nennen. Weil wir inzwischen zum Glück alle gelernt haben, dass man einige Wörter nicht mehr sagt, hab’ ich diese Worte einfach ausgetauscht, in welche die nicht weh tun.

    Nachdem ich das erste Bibi-Buch gelesen hab’, habe ich die kleine Schwester vermisst, von der ich immer wusste, dass sie einmal da sein würde, die ich im echten Leben aber nicht habe.

    Ich wünsch Euch ebenso viel Freude beim Lesen der Bibi-Bücher, wie ich es hatte.

    Liebe Grüße

    Thomas Horwath

    PS: Ich hab’ natürlich noch eine Lieblingsstelle im Buch - die müsst ihr auf jeden Fall gelesen haben, auch wenn ihr das Buch nicht kauft:

    „Da fällt ihr Blick auf die Glocke und den herabhängenden Strang. Bibi krampft die Hände zusammen. Sie will nicht am Tau ziehen, nein, sie will nicht. Man darf Glocken nur läuten bei Feuersgefahr oder wenn jemand in die Leichenkapelle gebracht wird oder zum Gottesdienst. Sie will nicht. Aber es ist, als käme das Seil von selbst zu ihr her und flüsterte ihr zu..."

    (Karin Michaëlis Bibi - Kapitel 8 - Ein ereignisreicher Geburtstag)

    Einleitung, die durchaus mitgelesen werden muß

    Ich wette mit euch, was ihr wollt, daß dänische Kinder, wenn man sie mitten in der Nacht weckt, mit geschlossenen Augen eine fast richtige Karte von Dänemark zeichnen können. Aber dieses Buch soll ja in der Hauptsache von kleinen Mädchen gelesen werden, die noch nie auch nur eine Fußspitze nach Dänemark gesetzt haben, und von denen kann man nicht gut verlangen, daß sie mehr von Dänemark wissen als – sagen wir einmal – dänische Kinder von Deutschland. Darum wird es gut sein, wenn ich zunächst ein ganz klein bißchen Geographie von Dänemark erzähle, wo diese Geschichte spielt. Da ich selbst nicht gerade besonders gut in diesem Fach beschlagen bin, wird es schnell überstanden sein.

    Nimmt man einen Globus mit allen fünf Weltteilen darauf und sämtlichen Meeren, Polen, Zonen, Längen und Breitengraden, und dreht man ihn ganz schnell um seine Achse, muß man sehr gute Augen haben, um Dänemark zu erwischen. Selbst wenn man ungefähr weiß, wo es liegen muß. So klein ist Dänemark, auf der Karte. Während China oder Amerika auf der Weltkarte wie Kaffeeflecke auf einem Tischtuch sind, ist Dänemark nicht viel größer als ein Fliegendreck. Wohlverstanden: auf der Karte. Denn wohnt man in Dänemark, dann ist Dänemark, das allergrößte Land der Welt. Wir Dänen glauben ja auch, daß unser Himmelberg, der in Wirklichkeit ungefähr so hoch ist wie der Kölner Dom, höher sei als die Alpen oder der Mount Everest, jener Berg dahinten in Indien, den sie jedes Jahr aufs neue zu besteigen versuchen aber noch nie, ist es jemand geglückt, bis ganz auf seine Spitze zu kommen.

    Ihr wißt ungefähr, wo Deutschland an die Nordsee und an die Ostsee stößt. Zwischen den beiden Meeren ist ein Streifen Land geblieben, und wenn man auf diesem Streifen nordwärts geht, etwa von Hamburg aus – immer geradeaus nordwärts, dann kommt man direkt nach Jütland, welches der größte und wichtigste Teil von Dänemark ist. (Denn da sind nämlich sowohl Bibi als ich geboren.)

    Es gibt Leute, die die Frechheit haben, zu behaupten, Dänemark sei flach wie ein Pfannkuchen. Entweder haben diese Leute nie einen Pfannkuchen gesehen, oder sie sind noch niemals in Dänemark gewesen. Ein verbeulteres Land gibt es nicht, darauf gehe ich die höchste Wette ein. Dänemark besteht aus Beulen, wie ich mir einen Meisterschaftsboxer nach dem Kampfe vorstelle. Und ist unser Himmelberg auch nicht so ungeheuer hoch, und haben wir auch keinen ewigen Schnee auf seinem Gipfel, so sind wir doch mindestens ebenso voller Beulen und Hügel und Anhöhen wie ein Igel voller Stacheln.

    In Dänemark fahren alle Leute Rad. Das heißt: alle, die nicht in der Wiege liegen oder im Kinderwagen gefahren werden oder im Rollstuhl. Alles, was brauchbare Beine hat, radelt, vom kleinsten Kind bis zum ältesten Silbergreis. Schulkinder radeln zur Schule, Schlächterburschen radeln mit Fleischmulden, Milchjungen mit Milchkannen, die Schneiderin radelt zu ihren Kunden, die Verkäuferin nach ihrem Laden, der Mann in sein Büro, der Schutzmann versieht seinen Dienst zu Rad, der Pfarrer radelt zur Kirche, der König radelt nach seinem Schloß. Ja, auf dem Lande radelt der Bauer aufs Feld und die Kuhmägde zum Melken. Das Land ist wie eigens vom lieben Gott für Räder mit Freilauf geschaffen. Man setzt sich nur auf sein Rad und rollt auch schon einen kleinen Hügel hinunter, ohne die Pedale getreten zu haben; und ist man unten, läuft das Rad von selber den nächsten kleinen Hügel hinauf, um von dort aus wieder hinunterzurollen. So geht es lange, lange Strecken. Kann man das vielleicht flach nennen?

    Im Lande Dänemark leben fast soviel Menschen wie in Berlin, Ihr findet, daß das wenig ist? Dann versucht einmal, nur bis eine Million zu zählen, dann werdet ihr spüren, wie müde eure Zunge schon auf dem halben Wege ist. Aber glaubt um Himmels willen nicht, daß alle Häuser von Dänemark in Berlin Platz hätten! Nein, glücklicherweise sind wir flotte Leute und brauchen mehr als das bißchen Platz. In Dänemark, wohnt man hübsch in Häusern, die sich ordentlich breit machen. Da wohnt man nicht gern schichtenweise übereinander oder in Zellen wie die Bienen in ihrem Stock. Die Dänen fühlen sich ungeheuer wichtig, weil sie Dänen sind; darum verlangen sie mehr Platz als andere Sterbliche.

    Dänemark hat einen König und eine Königin und einen gewaltigen Haufen Prinzen und Prinzessinnen. Leider sehen sie wie ganz gewöhnliche Menschen aus, so daß man sich leicht irren und sie wirklich für gewöhnliche Menschen halten kann. Unsere Prinzen und Prinzessinnen pflegen sich mit Königen und Königinnen aus andern Ländern zu verheiraten. Auf diese Weise kommt man am leichtesten und billigsten zu einem Königreich und lernt außerdem eine fremde Sprache, was immer gut ist.

    Unser König hat eine richtige Goldkrone und einen Hermelinmantel wie im Märchen. Aber sie sind eingekampfert damit keine Motten hineinkommen und er braucht sie nur zum Staat. Für täglich trägt er Hut und Rock wie alle anderen, nur mit dem Unterschied, daß, weil länger ist als alle anderen, seine Beinkleider und sein Spazierstock es auch sind. Es ist praktisch für einen König so lang zu sein. Dann kann er über alle anderen hinwegschaun und sehen was hinter ihnen vorgeht. Und es ist ja am besten, wenn ein König alles weiß. In Dänemark sind die Häuser nicht höher, als daß der König seinen Stock in die Dachrinne legen kann, wenn er vorbeigeht (mein Großvater ist in einem solchen Hause zur Welt gekommen, es steht noch und ist nicht größer geworden, und mein Großvater wurde 1801 geboren).

    Der König wohnt in einem Schloß, das Amalienborg heißt. Es ist nicht aus Gold und nicht aus Kristall, ja nicht einmal aus Marmor. Trotzdem ist es schmuck und schön, daß Leute aus aller Welt stehen bleiben und den Hut abnehmen, wenn sie es erblicken, oder Ah! sagen, genau wie wenn man ein wundervolles Feuerwerk oder ein großes Luftschiff sieht.

    Dänemark ist das schönste Land der Welt – sagt der Däne, und er muß es ja am besten wissen, weil er da wohnt. Und dann spricht man ebenso viele verschiedene Arten von Dänisch, wie man verschiedene Sprachen in Europa spricht. Das kommt von Dänemarks Fasson. Man könnte fast glauben, daß der liebe Gott, als er Dänemark erschaffen wollte, den Erdklumpen aus der Hand fallen ließ, so daß er in lauter Stücke zersprang. Die großen und kleinen Stücke wurden dann jedes zu einer Insel, bis auf Jütland, das mit Deutschland zusammenhängt und also eine Halbinsel ist. Von Jütlands nördlichster Spitze kann man geradeaus bis nach Rom hinunterspazieren, das in der Mitte von Italien liegt, aber man tut es nur selten, denn es ist ein ziemlich weiter Weg.

    Viele von den Inseln sind so klein, daß man sich ihretwegen ängstigen könnte, wenn der Sturm sie so recht zaust und rüttelt. Aber soviel ich weiß, ist bis jetzt noch keine von ihnen weggeblasen worden. Hingegen ist es geschehen, daß das Meer gestiegen ist und Häuser und Bäume und Kühe und Menschen verschluckt hat. An der Westküste von Jütland lagen so ein paar kleine, bescheidene Inseln, die keiner Fliege etwas zuleide taten, und eines schönen Tages waren sie – schwups! – weg, verschwunden. Wo sie gelegen hatten, schimmert das Meer und tut so, als sei nichts geschehen. Es hat seine Tücken, das Meer.

    Was ein Fluß ist, wißt ihr. Flüsse gibt es überall genug. In Dänemark nennt man sie Fjorde; das ist das gleiche und doch ein wenig anders. Ein Fijord ist ein kurzer Spalt ins Land hinein, und der Spalt ist mit Wasser gefüllt. An den Ufern sind weite grüne Wiesen, wo den ganzen Sommer über Kühe weiden und Störche spazierengehen. Dort wachsen blaue und gelbe Blumen, und am Wasser wächst Schilf. Wenn nun das Meer schlechter Laune ist – und es gibt kein launenhafteres Wesen als das Meer –, dann schimpft und flucht es hinter den Wellen und jagt sie in die Fjorde hinein, die schon ohnehin so voll mit Wasser sind, daß kein Platz für mehr da ist. Was tun die Fjorde? Was können sie anderes tun, als ein Topf, der zu voll ist? Sie laufen über. Wo Wiesen sind macht es nichts; blauen und gelben Blumen schadet das Untertauchen nichts, und die Kühe können sich ja davonmachen und die Störche fortfliegen.

    Aber oft liegt eine Stadt an einem Fjord, und dann ist es schlimmer. Wenn das Wasser mit dem jagenden und peitschenden Wind angeschäumt kommt, hat es keine Zeit zu vernünftigem Nachdenken, sondern rennt nur und rennt, wie ihr rennen würdet, wenn ein großer Hund hinter euch her wäre. Es rennt, pardautz, in die Stadt hinein! Stellt euch einmal vor, daß die Spree plötzlich Unter den Linden flösse und alle Straßen anfüllte: Hallo, da bin ich! Nein, das könnt ihr euch gar nicht denken. Aber in der Stadt, wo Bibi wohnt (und das Buch handelt von Bibi), gehört es zur Tagesordnung.

    Man wacht eines Morgens auf – vielleicht ist obendrein Pferdemarkt, so daß alle Straßen voll von Pferden stehen in jeder Straße zwei Reihen, mit den Schwänzen nach dem Bürgersteig zu; in der Mitte der Straße ist knapp so viel Platz, daß die Pferdehändler auf und ab gehen können und mit der Peitsche knallen und ihre Pferde anpreisen. Man erwacht also eines Morgens, und das Wasser kommt durch die Straßen, die vom Fjord heraufführen. Nun, dann werden die Pferde etwas höher hinaufgeführt, denn die Stadt lehnt sich glücklicherweise an einen Hügel an. Dänemark ist ja, wie ihr wißt, nicht so flach wie ein Pfannkuchen. Aber die Häuser, die müssen hübsch stehen bleiben, die kann man nicht mit Stricken den Hügel hinaufziehen. Und in dänischen Häusern wohnt man nicht nur im Erdgeschoß und im ersten Stock und vielleicht unterm Dach, nein, man wohnt auch im Keller. Das ist nicht fein, aber billig. Von der Straße führt eine kleine Steintreppe in den Keller hinunter, und dort also wohnen Leute, die nicht viel Geld haben.

    Das Wasser nun stürzt von der Straße her die Steintreppe hinab, drängt sich durch die Türspalten hindurch und fließt gleich in alle Stuben. Die Möbel beginnen herumzuschwimmen. Ja, das klingt lustig, aber für den Bäcker, dem in dem einen Keller Brot und Kuchen, aber davonsegeln, für den Schuster, dem im andern Schuh und Stiefel ertrinken für den Kaufmann, dem im dritten ertrinken, Mehl und Grütze und Zwetschen herumschwimmen, ist es gar nicht lustig. Die lachen nicht, das könnt ihr mir glauben. Da gilt es mit Blitzesschnelle alles auf Schränke oder sonstwo in der Höhe aufzustapeln oder es droben im Hause in Sicherheit zu bringen. Das heisst: Wenn man hinaufkommen kann! Denn ist das Wasser erst mal tüchtig in Schuß gekommen, ist man eingeschlossen, wie die Maus in der Falle.

    Wie meint ihr wohl, schaut es auf den Straßen aus, wenn das Wasser so in die Stadt hineinströmt? Plötzlich sieht man weder Fahrweg noch Bürgersteig mehr, und es ist wie in Venedig (das in Italien liegt und Kanäle an Stelle von Straßen hat, so daß man in Gondeln auf ihnen rudert anstatt Straßenbahn zu fahren). Die Männer waten dann in langen Schaftstiefeln herum. Die Stiefel gehen bis ganz zum Leib hinauf, aber das Wasser geht oft noch höher. Sie sammeln Kinder auf und tragen alte Damen über die Straße. Wenn es ganz toll wird, nimmt man Kähne, und nun rudert man richtig in den Straßen umher. Das ist fein! Die Kinder wünschen sich ja im stillen, es möchte jeden Tag Hochwasser sein, aber sie sagen es nicht laut, denn sie wissen, daß es den Erwachsenen ernste Sorge macht. Hochwasser ist eine kostspielige Geschichte. Manchmal stürzt ein ganzes Haus ein, wenn erst die Mauern untergraben sind, und jedesmal werden ja eine Menge Möbel und andere Sachen verdorben.

    Wenn das Hochwasser an einem Sonnabend entsteht, an dem die Bauern mit turmhohen Fuhren von weither gefahren kommen, um Hühner und Eier zu verkaufen und Butter, die die Bäuerin eigenhändig gebuttert hat, und um schöne bunte Stoffe zu erhandeln, dann ist es besonders schlimm. Die Bauersfrauen und Mädchen sind ja in ihrem höchsten Staat, sie haben sieben verschiedene Röcke an, einen über dem andern, damit sie ordentlich abstehen. Der eine ist rot, der andere grün, einer ist braun und einer himmelblau, einer kariert und einer gestreift und einer geblümt. Um den Kopf tragen sie große bunte Seidentücher, so daß nicht ein einziges Härchen herausschaut, denn es ist nicht fein, zu zeigen, daß man Haar hat. Um die Schultern haben sie Zipfeltücher mit Fransen und an den Händen Filethandschuhe, die nur bis dahin gehen, wo die Finger anfangen, so daß man den breiten Trauerrand unter den Nägeln sehen kann. Furchtbar fein sind sie und wollen noch feiner werden. Sie haben viel Geld im Beutel und unbändige Lust, einzukaufen. Aber nun müssen sie sich damit begnügen, beim Kaufmann in der Hinterstube zu sitzen und den ganzen Tag lang Kaffee zu trinken. Und dann ist es noch nicht einmal sicher, ob das Wasser fällt, so daß sie vor Abend aus der Stadt und über die Brücke hinüber kommen können. Die Bauern zwar, die von Norden gekommen sind, können da auch wieder hinaus; aber wer von der anderen Seite ist, der muß über die Südbrücke, die über den Fjord führt, und für alle die ist es kein Spaß, dazusitzen und eine Tasse Kaffee nach der andern zu trinken und nur zu warten.

    Seht, so ist Bibis Stadt. Aber Dänemark hat viele Städte, und diese sind ebenso verschieden wie zum Beispiel ein Windspiel und eine Bulldogge oder wie der Kurfürstendamm und die Ackerstraße in Berlin. Darum sprechen die Leute auch so viele verschiedene Arten Dänisch. In Jütland sprechen sie, als hätten sie den Mund voll glühendheißer Kartoffeln und fürchteten sich, sie hinunterzuschlucken. Auf Fünen, das eine große runde Insel mit vielen vornehmen Rittergütern ist (paßt gut auf, denn Fünen ist von großer Wichtigkeit in diesem Buch), singt man die Worte heraus, als hätte man eine vollständige kleine Drehorgel im Kopf. Auf Lolland, das auch eine Insel ist, näselt man, als müßten einem die Mandeln herausgenommen werden, und auf Bornholm, ja, da spricht man so, daß auf der ganzen Welt nur ein Bornholmer es verstehen kann. Ihr müßt auch wissen, daß die Bornholmer von allen Dänen die sparsamsten sind. Ich habe einen Mann und eine Frau gekannt, die so sparsam waren, daß sie im Winter nie Feuer machten, sondern sich in den Stall zu ihrer Kuh setzten und sich an ihr wärmten. Die Frau nähte sich Hemden aus Sackleinwand; die brauchte sie nicht zu waschen, weil man ihnen nicht ansehen konnte, wenn sie schmutzig waren. Und von dem Mann erzählt man sich, daß er so sparsam war, daß er des Nachts nur ein Auge zumachte, um seine Augenlider nicht übermäßig abzunutzen. Aber ob das wahr ist, weiß ich nicht ganz genau.

    Wenn ich in dieser Weise fortfahre, über Dänemark und die Dänen zu schwatzen, so bleibt nicht Platz genug für Bibi, um die sich das Ganze dreht. Aber ich muß euch noch schnell sagen, wo ich wohne, damit ihr mich besuchen könnt, wenn ihr im nächsten Sommer nach Dänemark kommt. Ich wohne auf einer kleinen grünen Insel, die Thurö heißt. Sie hat genau die Form einer Brille ohne Bügel. Wie die zwei Brillengläser mit der schmalen Brücke über die Nase sieht sie aus. Ihr könnt gar nicht fehlgehen, denn sie gleicht keiner andern Insel in Dänemark und ist natürlich die schönste von allen – weil ich da wohne.

    Mein Haus liegt in einem Garten, der bis ans Wasser geht, und wenn ich in meinem Gartengrabe und jäte, kann ich ebenso viele Pfeilspitzen und Steinkeile und Schabsteine finden wie ihr Ameisen in einem Ameisenhaufen. Denn meine Insel war schon in der Steinzeit von Menschen bewohnt. Habt ihr von der schon etwas gehört? Wenn nicht, dann tut einfach so, als ob. Die Leute der Steinzeit lebten vor vielen tausend Jahren, und seit damals hat kein einziger Mensch mehr auf diesem Fleck gewohnt, bis ich meinen Garten hier pflanzte; nur Kühe und Pferde haben hier geweidet. Darum ist die Erde voll von Altertümern, mit denen man wahrhaftig ein ganzes Museum füllen könnte. Wenn ihr auf Besuch kommt, dann dürft ihr selber sammeln, auch für eure Freunde und Brüder und für die Museen, die von solchen uralten Sachen entzückt sind.

    Jetzt wohnen eine Menge Leute auf Thurö, und die geben so viel auf Sauberkeit, daß sie eine ganze Wohnung nur zum Staat dastehen haben! Wie das möglich ist? Paßt mal auf: sie bauen auf Thurö ein Haus mit Wohnstube und Eßzimmer und Schlafkammer und Küche und stellen hübsche, gute Möbel hinein. Die Bettstellen füllt man mit funkelnagelneuen Federbetten und legt schöne Überdecken darüber; man streicht die Fußböden, putzt das Kupfergeschirr in der Küche und bürstet den Herd, bis er wie Silber glänzt. Und dann – schließt man die ganze Herrlichkeit ab! Denn neben dem eigentlichen Haus und mit ihm verbunden durch einen schmalen Gang hat man noch eine Art kleinen Ableger von dem Haus gebaut. Und in diesem winzigen Häuschen, das auch unbeschreiblich sauber ist, wohnt und ißt und schläft man, um die feinen Stuben in dem richtigen Hause nicht abzunutzen. Vielleicht glauben die Leute auf Thurö, daß sie ihr Haus mit in den Himmel bekommen, wenn sie sterben, und vielleicht sind sie darum so vorsichtig damit. Ich weiß es nicht, und es ist ja auch einerlei.

    Die Insel ist mit Obstbäumen bewachsen, so daß sie im Frühling, wenn Kirsch- und Apfelbäume blühen, wie ein Schneefeld aussieht. Aber in alten Zeiten gab es nicht einen einzigen Obstbaum auf Thurö. Vor gut hundert Jahren waren die Inselbewohner keine freien Leute, sondern Thurö gehörte einem mächtigen Edelmann, der auf einer andern Insel wohnte. Dieser Edelmann kam einmal auf den Gedanken, daß die Leute auf Thurö nicht länger wie Sklaven leben sollten; er gab sie frei, aber nur unter der Bedingung, daß sie Obstbäume pflanzten. Das wollten sie nicht. Er wurde böse. Half nichts. Da drohte er, sie auszupeitschen, wenn sie nicht, ehe eine Woche vergangen sei, Obstbäume gepflanzt hätten. Die Bäume schickte er ihnen sogar noch zu. Als er wiederkam, hatten sie die Obstbäume gepflanzt, denn sie fürchteten die Peitsche. Aber wie hatten sie sie gepflanzt? Mit der Krone nach unten und den Wurzeln in der Luft! Aber da zeigte ihnen der Edelmann, was die Glocke geschlagen hatte. Wenn sie nicht augenblicklich die Bäume richtigherum pflanzten, würde er die ganze Insel mit ihnen allen zusammen an einen strengen Edelmann drüben auf Fünen verkaufen! Das wirkte. Sie gingen schleunigst ans Werk und pflanzten die Obstbäume mit der Spitze nach oben und der Wurzel nach unten, und dabei sind sie geblieben, so daß jetzt die ganze Insel wie ein herrlicher Obstgarten ist.

    An einem Sonntag im Frühling, wenn die Apfelbäume blühen und ein jeder auf Thurö mit dem Danebrog flaggt, dann, glaube ich, ist Thurö der allerschönste Fleck auf der ganzen Welt. Kennt ihr den Danebrog, die hübscheste Flagge, die es gibt? Sie ist rot mit einem weißen Kreuz. Aber das Bemerkenswerteste an der Flagge ist, daß sie nicht von Menschenhänden geschaffen wurde, sondern vom Himmel gefallen ist! Was sagt ihr dazu? Vor langer Zeit führte Dänemark einmal Krieg mit einem andern Lande, und es sah aus, als ob Dänemark unterliegen sollte. Aber da fiel der Danebrog vom Himmel herab, und nun bekamen die Dänen neuen Mut. Sie spuckten in die Hände und stürmten wieder vor, und eins zwei drei war das andere Heer, mit dem Schwanz zwischen den Beinen, davongelaufen. Dänemark hatte gesiegt.

    Nicht wahr, nun vergeßt ihr nicht, wie der Danebrog aussieht?

    1. Kapitel – Was Bibi am Fenster treibt

    Bibi, von der dieses Buch handelt, ist ein kleines Mädchen mit langen Beinen, blauen Augen und goldblondem Haar. Alles, was man sonst noch von ihr zu wissen braucht, erfährt man nach und nach. Doch ist es vielleicht gut, gleich zu sagen, daß ihr Vater Stationsvorsteher ist, und daß das Mädchen, das bei ihnen kocht und aufräumt, Jensine heißt.

    Bibi steht und zeichnet mit einer Stopfnadel eine Karte von Dänemark auf die angelaufene Scheibe. Zuerst Jütland, das sich fast den Hals ausreckt, um Norwegen zu erreichen; aber von der einen Seite drängt sich das Skagerrak und von der anderen das Kattegat dazwischen – die beiden Meere liegen sich in den Haaren, und jedes versucht, das andere mit seinem Wasser zu überschütten. Die Nordsee, die hier Skagerrak heißt, ist stärker. Sie hat Jütland einen ordentlichen Mundvoll Land weggeschnappt, und in diesem Loch, das jetzt Jammerbucht heißt – schrecklich traurig klingt das – , taten die Schiffe nichts anderes als auf Grund stoßen und bersten oder an der Küste zerschellen. Und früher lebten die Leute in der Jammerbucht davon, die gestrandeten Schiffe zu plündern. Bibi wollte auch einmal an die Nordsee fahren und die Riffe sehen, die den Schiffen so gefährlich waren, und dann wollte sie am Strande Bernstein zu einer großen Halskette sammeln. In alten Zeiten gab es so viel Bernstein, daß man Teller und Schüsseln daraus machen konnte. Und Bibis Mutter – die eine geborene Gräfin war, aber leider schon früh gestorben ist – hatte einen ganzen Schmuckasten aus Bernstein gehabt, wie ein Schloß, mit Türmen und Sälen. Der Bernstein aber war von der pommerschen Küste gewesen, daher, wo früher die wendischen Seeräuber gewohnt hatten. Ach, wenn es doch noch Seeräuber gäbe!

    Die Seite von Jütland, die in Bibis Zeichnung nach dem Eßzimmer zu lag und etwa über dem Wartesaal dritter Klasse, war fruchtbar. Fruchtbar bedeutet, daß da Wälder und Felder waren und Wiesen mit Kühen und Schafen. Aber die Westküste, gegen Vaters Schlafzimmer zu und gerade über dem Stationstelegraph, bestand einzig und allein aus Sand. Es knirschte in den Zähnen und kitzelte zwischen den Zehen, wenn man nur daran dachte.

    Bibi meinte, der liebe Gott hätte sich damit begnügen können, die richtige Wüste Sahara in Afrika zu machen, und hätte an der Westküste Jütlands hübsche Bäume wachsen lassen können; aber vielleicht hatte er ein Stückchen Wüste übrigbehalten, mit dem er nichts anzufangen wußte, und das tat er dann eben irgendwohin – zufällig nach Jütland.

    Mitten in Jütland lag die Heide, glühend rot von Heidekraut und himmelblau von Schmetterlingen. Und Heidehonig schmeckte am allerbesten. Bibi kannte einen alten Mann auf dem Lande, der hatte zwölf Bienenstöcke und konnte zwischen seinen Bienen herumgehen, ohne seinen Kopf zu schützen, denn sie stachen ihn nie – sie kannten ihn ja; aber kam ein Fremder, schwups, wurde er gestochen, und sofort schwoll er an und kam beinahe ums Leben. Das gleiche passierte einem, wenn man von einer Kreuzotter gebissen wurde; das ist eine Giftschlange, die einzige, die wir in Dänemark haben – protzen kann man hier gerade nicht mit Giftschlangen. Aber wurde man nun von einer Kreuzotter gebissen, dann mußte man gleich die Wunde aussaugen, denn sonst starb man.

    In der Heide hatte es mächtige Wälder gegeben mit herrlichen Räuberbanden. Das war allerdings wohl tausend Jahre her, damals, als die Dänen noch von Austern lebten; etwas anderes zu essen hatten sie nicht. Aber eines Winters war es so furchtbar kalt, daß den Menschen die Nasenspitzen abfroren; da hieben sie die Wälder um und verbrannten sie in ihren Öfen, und dann, als keine Wälder mehr da waren, fing der Sand an zu fliegen. Er flog wie ein Schneesturm, und das hieß Flugsand. Der Flugsand begrub alle Menschen und Tiere und Häuser und Städte, genau wie die Asche vom Vesuv (in Italien) alle begrub, die in Pompeji zu Mittag aßen – sie sitzen noch dort und essen, wenn man sie ausgräbt, aber sowie man sie anrührt, fallen sie zusammen und sind nichts als Asche. Wenn man die Heide weggraben würde, fände man vielleicht auch eine ganze Stadt mit Leuten darin, gerade wie in Pompeji. Das wäre fein! Bibi wollte einmal versuchen, in der Heide zu graben.

    Später fing dann das Heidekraut an, dort zuwachsen – kennt ihr das Heidekraut? (auf Lateinisch heißt es Erika) – , und dann konnte der Sand nicht mehr fliegen. Wie wenn man Pomade ins Haar kriegt, damit es nicht struwwelig wird. Und das mit dem Heidekraut war gut, denn sonst wäre ganz Dänemark zu Flugsand geworden.

    In Jütland lagen auch alle diese Hünengräber, in welchen die Leute der Steinzeit ihre Toten bestatteten, mitsamt den Kochtöpfen und Krügen von damals; das war die Zeit, da man weder Gläser noch Teller noch die Buchdruckerkunst noch Amerika hatte, sondern alles aus Stein war. Hünengräber und Topfscherben waren was sehr Feines, denn daran sah man, daß Dänemark ein furchtbar altes, vornehmes Land war; viel älter noch als Ägypten, das in der Geographie so eingebildet ist auf seine lumpigen Pyramiden. Die konnte jeder bauen, wenn er nur genug Steine und Sklaven hatte und eine einbalsamierte Mumie, um sie mitten hinein zu legen, so, wie man in manchen Gegenden eine Mandel in den Weihnachtskuchen versteckt. Amerika hatte nicht einen einzigen Scherben aus der Steinzeit, bäh!

    Jetzt ritzte Bibi mit der Stopfnadel die Fjorde ins Land. Der Limfjord ging quer hindurch, so daß Jütland einen Sprung bekam. Bibi mußte ihre Zunge herausstrecken, als sie den langen, dünnen Gudenfluß zeichnete, wo die feinsten Lachse der Welt wohnten und auf dem ihr eigenes Boot schaukelte. Dann machte sie Punkte, wo Städte lagen, und ein Kreuz bei den Städten, wo sie gewesen war. Und das waren viele. Denn als Tochter eines Stationsvorstehers hat man freie Reise durch ganz Dänemark, soviel und solange man Lust hat.

    Dann kamen die Eisenbahnen an die Reihe. Die konnte Bibi auswendig; aber ehe sie sie fertiggezeichnet hatte, war das Ganze ein solcher Wirrwarr, daß man nicht mehr sehen konnte, was Fjord und was Eisenbahn war. Bibi wurde wütend auf Jütland und wischte es mit dem Arm aus. Auf der nächsten Fensterscheibe begann sie mit Seeland und Fünen, welch letzteres einer Kartoffel ähnlich sah. Seeland war langweilig, aber dort lag Kopenhagen mit dem König. Nun die andern Inseln. sie waren wie Kleckse, die von einem Licht tropfen, wenn ein Windzug kommt. Ach was, die Inseln! Nur Jütland taugte etwas. Denn in Jütland wohnte sie. Und Jütland hing so schön fest mit Europa zusammen.

    Zum Kuckuck, sie hatte ja die Färinseln und Island und Grönland und die Westindischen Inseln vergessen! Aus Grönland machte sie sich zwar nicht das Allergeringste – aber gezeichnet mußte es ja werden, weil es mit dazugehörte; dort war ja immer nur Kälte und Eis und niemals Jahrmarkt und niemals Erntefest, keine Eisenbahnen, bloß Walfische und Eskimos und Sich-in-Fett-Waschen und Lebertrantrinken – pfui! Da war Island besser. Dort sprang der Geysir, der eine heiße Quelle ist. Den sollte man in Dänemark haben, dann brauchte man nicht zu feuern und hätte doch ewig und immer warmes Wasser. Und aus Island kam auch Leif der Rote, der Amerika entdeckte, lange, lange bevor Amerika entdeckt wurde. Kolumbus war doch ein richtiger Mogelfritze. Aber auf die Weise gehörte Amerika ja eigentlich zu Dänemark. Hurra! Wie groß wir auf einmal geworden sind!

    Bibi zählte alles an den Fingern her, was eigentlich zu Dänemark gehörte. Also zuerst Dänemark, Norwegen und Schweden, welche drei Länder die Königin Margarethe in ihrer Hand vereinigt hatte – jene Königin, die von dem schwedischen König spöttisch „König Ohnehose genannt worden war. Und dann also Amerika und England, das wir damals besaßen, als wir Normannen waren. Und etwas von Deutschland und einen Lappen von Frankreich, der Normandie hieß, und Trankebar, das wohl in der Nähe von Hinterindien lag, woher die „bengalischen Tiger und das „bengalische Licht" kamen. Und endlich die Westindischen Inseln: St. Thomas, St. John und Santa Cruz, von denen man Zucker und Rum und Sklaven bekam. Und Island! Und Grönland! Hurra! Hurra! Bibi streckte ihren rechten Fuß hoch in die Luft, ergriff mit der rechten Hand den großen Zeh und tanzte im Zimmer herum. Hurra! Hurra! Es fehlte nicht viel daran, daß wir die ganze Welt gehabt hätten.

    Und außerdem machten wir Butter und Eier und Schinken und Könige und Königinnen für all die andern Länder. Ganz gleich, wie schön und klug sie anderswo waren, und ganz gleich, wieviel Beutel voll Diamanten, so groß wie Gänseeier, sie hatten – nur die Prinzen und Prinzessinnen, die aus Dänemark kamen, taugten zu dem, was Export hieß und eine gute Einnahmequelle in der Geographie war. Bibi wäre selbst gern Exportprinzessin gewesen, denn dann durfte man alles, was man wollte; man war eine wichtige Person und brauchte nicht in die Schule zu gehen und konnte Tag für Tag in der Welt herumreisen, bis man alles gesehen hatte. Sie wußte schon, wie sie das anstellen wollte: Zuerst würde sie einen weißen Hengst nehmen und nach all den Orten reiten, wohin die Eisenbahn nicht ging – in der Wüste jedoch war ein Kamel oder ein Vogelstrauß wohl besser. Der Hengst sollte sein wie Sleipner, den Odin und Thor in Walhalla gehabt hatten, als sie noch Götter waren und es noch kein Christentum in Dänemark gab. Sleipner hatte acht Beine, vier unterm Leib und vier auf dem Rücken, so daß man ihn einfach umdrehen konnte, wenn er auf der einen Seite müde wurde. Er soll großartig über Flüsse und Abgründe gesprungen und quer durchs Meer geschwommen sein – das heißt, fürs Meer war es wohl hübscher, ein Schiff mit rotseidenen Segeln zu haben oder ein Kanu, wie es die Indianer benutzen und das bloß ein ausgehöhlter Baumstamm war.

    Eine Prinzessin konnte man sicher nicht aus der Schule weisen, und sicher konnte man ihr nicht androhen sie auch aus der zweiten hinauszuwerfen...

    Und was hatte sie denn getan? Nicht das Allergeringste. Keine Rede davon, daß sie jemand totgeschlagen hätte, nur gelangweilt hatte sie sich und dann und wann die Schule geschwänzt. Und das kam daher, daß sie wie jene in der Bibel war, die Nomaden hießen und mit ihren Zelten an einen neuen Ort zogen, wenn sie den alten auswendig konnten. Droben in Lappland wohnten auch welche. Aber die Polizei in Dänemark nannte das „Vagabundieren", und Vagabunden wurden eingesperrt. Vater war leider weder Nomade noch Vagabund, sondern bloß Stationsvorsteher und Witwer. Er kümmerte sich nur darum, daß die Züge auf die Minute gingen und keine Verspätung bekamen, und daß das Grab mit Blumen geschmückt war, und natürlich auch um Bibi. Und wie! Jedesmal wenn sie länger fortblieb, als sie angegeben hatte, grämte er sich so sehr, daß er weder essen noch schlafen konnte – sagte Jensine; und einmal hatte er sie sogar vom Stadt-Trommler ausrufen lassen. Dann versprach sie jedesmal, es nie wieder zu tun. Aber plötzlich kribbelte und krabbelte es dann so seltsam in ihr, genau so, als hätte man eine Biene im Leib. Man spürte förmlich, wie der Zug schnaufte und zitterte, um gleich davonzubrausen. Und schaute man in die Luft, so sah man in die Luft, so sah man die Wolken vorüberjagen, auf der Fahrt nach neuen Gegenden, die sie noch nicht gesehen hatten. Die Vögel hatten Flügel, die hatten's gut. Wer doch ein Vogel wäre!

    Bibi machte ein erstauntes Gesicht. Sie hatte, ohne es zu wissen, einen langen Eisenbahnzug mit mächtigen Rauchwolken darüber gezeichnet. Und in der Ferne ein Schloß – auf Fünen lag es, der Insel, die einer Kartoffel ähnlich sah. Es war ihr Schloß. Beinahe. Ungefähr. Um ein Haar. Sie tat Spucke auf den Finger und setzte sie mitten in das Schloß hinein. Geschieht ihm recht.

    Die Signalglocke läutete: der Zug aus dem Süden hatte Langaa verlassen. Gleich würde er da sein. Hatte es einen Zweck, ihren Vater zu bitten, ein Stückchen mitfahren zu dürfen? Morgen war Sonntag und keine Schule... Sie brauchte sich nur in einen der Viehwagen zu schleichen und sich dort zu verstecken. Bloß bis zum Rolder Walde, jenem Walde, der voll von Räubern war, die Seile über den Weg spannten, um Reisende damit zu fangen – damals, als Jensines Urgroßmutter noch Kind war. Oder bloß bis... bloß bis Hobro... eine einzige Station...

    Bibi spürte es in den Zehenspitzen und in den Haaren, daß sie gleich, schwups, fort sein würde, mochte sie auch zehnmal auf die Erde stampfen und zu sich selber sagen: Du abscheuliches Geschöpf! Hier bleibst du! – Ach, sie kannte das. Ihr war, als habe sie auf einmal Räder unter sich und eine Lokomotivpfeife im Kopf. Wenn sie sich nicht beeilte, fuhr der Zug ab, und sie starb. Ganz bestimmt. Starb. Bibi untersuchte, ob die Luft rein war. Jensine war in der Küche und in ihr Sonnabend-Reinemachen vertieft. Den Vater im Büro stören, das ging nicht. Vielleicht war er auch bei dem Grab... Die Räder unter ihr rollten fort. Auf einen großen Papierbogen schrieb sie mit riesenhaften Buchstaben, damit er es auch ja sehen würde:

    Lieber süßer Paps,

    ich bin bloß in Hobro, denn in Hobro ist was, was ich so gern will, aber vielleicht komm ich schon mit dem Nachtzug wieder oder morgen formittag. Wärst du zuhaus gewesen, hätte ich um Erlaubniß gefragt. Sei bitte, bitte nicht traurig

    deine dich liebende Bibi.

    2. Kapitel – Bibi oder Ulla

    Jedermann fängt damit an, daß er geboren wird, und sei es auch ein kleiner Spatz. Geboren zu werden, ist eine sehr wichtige Begebenheit, aber noch viel wichtiger ist es, einen Namen zu bekommen. Wenn man geboren ist, hat man Arme und Beine, Nase, Mund und Augen, aber was nützt das alles, solange man keinen Namen hat? Ohne Namen könnte man ebensogut gar nicht geboren sein – oder als Spatz oder Fliege, denn weder Spatzen noch Fliegen haben Namen, soviel ich weiß.

    Namen wählen die Eltern. Sie wählen einen, den sie hübsch finden, aber es kann leicht sein, daß der, der damit herumlaufen soll, ihn greulich findet. Es hilft nichts, daß man schreit und zappelt, wenn man den greulichen Namen bekommt; man kann ja noch nicht sprechen und rufen: Halt! Halt! Gebt mir einen andern Namen! Man wird gezwungen, den scheußlichen

    Namen mit sich herumzuschleppen, bis man im Grab liegt. Ja sogar noch länger. Denn gewöhnlich bekommt man ja einen Grabstein, und auf dem steht wieder der greuliche Name.

    Bibi hatte zwei ganz hübsche Namen bekommen: Ulrike Elisabeth. Sie sind wohl hübsch, aber ein bißchen zu lang, um sie auf einmal in den Mund zu nehmen. Sind Namen für einen Mundvoll zu lang, dann kürzt man sie ab. Das tat man auch mit Bibis Namen und nannte sie Ulla, Ulla ist auch ein hübscher Name – für den, der ihn mag. Bibi konnte ihn nicht leiden. Und nun werden wir hören, wie sie es anfing, ihn lozuwerden und einen andern zu bekommen.

    Sie hatte einen goldenen Schlangenring mit einem Rubin als Auge, ein Ruderboot, das Lotte hieß, und eine Freundin, die Bibi hieß. Wenn die Schule aus war, pflegten Ulla und der goldene Schlangenring mit Bibi zusammen an Bord von Lotte zu gehen und den Fluß hinaufzurudern. Ulla und Bibi hatten Blutsbrüderschaft getrunken. Ihr wißt nicht, was das ist? Das dachte ich mir gleich. Aber ihr habt von den alten Wikingern gehört? Die pflegten sich mit einem Speer in den Arm zu ritzen, und dann trank einer das Blut des andern. Das nannte man „Blutsbrüderschaft trinken". Ulla und Bibi nun begnügten sich damit, in eine ihrer Fingerspitzen ein kleines Loch zu stechen, und dann saugte jede einen Tropfen Blut aus dem Finger der andern. Von da an waren sie Blutsbrüder, und wurde die eine gemordet, so mußte die andere den Mord rächen.

    Als sie nun eines schönen Tages den Fluß hinaufruderten, zwischen grünen Wiesen mit Schilf an den Ufern und Störchen auf einem Bein und Vergißmeinnicht und Windmühlen, sagte Ulla: „Schwarzes Haar paßt nicht zu Bibi."

    „So, warum denn nicht?"

    „Bibi paßt zu hellem Haar; wollen wir unsere Namen tauschen?"

    „Die Namen tauschen? – Ich weiß nicht, ob die Eltern das erlauben... Weißt du noch, wie wir die Kleider tauschten und meine Mutter schalt, weil deines große Flecke hatte und mich in den Armlöchern scheuerte?"

    „Ach was, mein Name hat keine Flecke. Wollen wir tauschen?"

    „Ja... aber ... in allen meinen Büchern steht doch Bibi!"

    „Dann tauschen wir halt auch die Bücher!"

    „Aber deine sind so zerfetzt!"

    „Dann geb’ ich dir noch was dazu!"

    „Was denn?"

    „Mein Springseil!"

    „Ich hab? selbst zwei!"

    „Meine große Puppe?"

    „Die hat nur ein Bein und ihr Kopf hat ‘nen Sprung!"

    „Dann – meinen silbernen Fingerhut?"

    „Der ist ja ganz verbeult und schief, seit du darauf getreten bist!"

    „Ja, was denn dann? Du kannst bekommen, was du willst, wenn du deinen Namen mit mir tauschst, aber es muß sofort sein."

    „Deinen goldenen Schlangenring? "

    Ulla schnappte nach Luft: „Meinen... goldenen ...?"

    „Ja, sonst tausche ich nicht! " Ulla ruderte wild darauf los.

    „Ich könnte dich ins Wasser schmeißen, daß du ertrinkst, und dann könnte ich deinen Namen ganz umsonst nehmen."

    „Ja, aber dann schlügen sie dir den Kopf ab!"

    „Na ja, vielleicht... also nimm schon den Ring! Aber ich will ihn mir manchmal leihen!"

    „Wie oft? „Einmal die... Woche!

    „Nein, einmal im Monat, nicht öfter."

    „Topp! Also tauschen wir, sofort!"

    „Der Ring ist doch echt?"

    Ulla schnitt ein Gesicht: „Glaubst du vielleicht, ich trage etwas, was nicht echt ist?"

    „Und die Goldkette, die du auf dem Jahrmarkt gekauft hast, war die vielleicht echt?"

    „So, nicht?"

    „Nein, denn für zehn Oere (Dänisches Geld; 100 Oere sind eine Krone) kriegt man keine echte Goldkette, das weiß ich!"

    „Aber der Schlangenring, der ist echt, denn er hat meiner Mutter gehört, und die war eine richtige, echte Gräfin!"

    „Wollen wir nicht zum Goldschmied gehen und ihn fragen?"

    „Wie du willst."

    Der Goldschmied entschied, daß der Ring echt sei.

    Die neue Ulla mit dem schwarzen Haar wollte ihn gleich an den Mittelfinger stecken, wo die neue Bibi ihn gehabt hatte, aber er ging nur auf den kleinen Finger. „Siehst du, sagte Bibi, „ich habe feinere Finger, denn meine Mutter war so fein!

    „Du bist eine eingebildete Pute, du!"

    „Was, Pute?" Bibi war im Begriff, mit den Fäusten draufloszugehen, aber sie besann sich.

    „Nun haben wir getauscht, und du heißt Ulla bis zum Jüngsten Tag!"

    Die aber wurmte es schon: „Ich finde es unheimlich, Ulla zu heißen. Wollen wir nicht lieber wieder zurücktauschen?"

    „Auf keinen Fall, wir haben getauscht, und wer gibt und wieder nimmt, kriegt verfaulte Kinder! Auf Wiedersehen, ich hab’ etwas furchtbar Wichtiges vor."

    „Was denn? "

    „Das ist ein Geheimnis."

    „Was für ein Geheimnis?"

    „Das wirst du morgen sehen."

    „Ach nein, bitte jetzt!"

    „Nein, erst morgen! Leb wohl, Ulla!"

    „Leb wohl... Bibi..."

    Die neue Ulla ging ganz langsam davon und drehte an ihrem goldenen Schlangenring und konnte gar nicht recht froh werden. Aber die neue Bibi tanzte durch die Straßen und Gäßchen. Sie hatte sich nie etwas aus ihrem Namen gemacht. „Ulla", das klang, wie wenn ein Uhu im Birnbaum ruft, wenn man nicht schlafen kann.

    Bibi lief zum Bahnhof und in die Wohnung hinauf, wo sie mit einer Stricknadel so viele Zehn- und Fünfoerestücke aus ihrem Sparschwein stocherte, bis sie zwei Kronen beisammen hatte. Das mußte genügen. Dann jagte sie wieder davon und stieß alle Leute beiseite, um schneller vorwärtszukommen. Erst im Büro einer Zeitung machte sie halt:

    „Ich möchte eine Anzeige einrücken lassen!"

    „Guten Tag, Ulla!" sagte der Redakteur, der jeden Sonnabend Billard mit ihrem Vater spielte. Bibi schaute ihn an, als habe sie ihn nie zuvor gesehen.

    „Man pflegt Guten Tag zu sagen, wenn man hereinkommt, Ulla!"

    „Ach, sprechen Sie mit mir? Ich heiße nicht Ulla, daß Sie's nur wissen!"

    „Was tust du nicht? Du heißt nicht Ulla? Seit wann denn?"

    „Seit kurzem. Ich hab’ meinen Namen getauscht, und nun heiß’ ich also Bibi, und das soll in die Zeitung. Hier ist eine Krone, mehr kann es wohl nicht kosten. Es soll mit großen Buchstaben drinstehen und mit einem schwarzen Rand herum wie bei den Todesanzeigen. Bitte schön, hier ist das Geld."

    „Und was sagt denn dein Vater dazu?"

    Bibi runzelte die Stirn: „Wollen Sie die Anzeige aufnehmen oder nicht? Sonst geh ich nämlich zum ‘Tageblatt’ damit.

    „Gott behüte, kleine... Bibi! Natürlich nehmen wir sie. Soviel Geld können wir uns doch nicht entgehen lassen! Was soll also gedruckt werden?"

    „Hiermit wird bekannt gemacht, daß vom heutigen Tage ab Ulla Stensen und Bibi Leth ihre Namen getauscht haben. Hochachtungsvoll Bibi Stensen, Bahnhof. Und ringsherum den dicken schwarzen Rand."

    „Wie groß soll die Anzeige denn ein?

    „Quer über die ganze Zeitung!"

    „Gut, mein Fräulein, gut, es soll geschehen!"

    Bibi tänzelt hinaus. Gott sei Dank, nun ist es unabänderlich. Jetzt zum Stadt-Trommler. Wer nicht weiß, was ein Stadt-Trommler ist, darf den Finger aufheben. Das ist kein gewöhnlicher Trommler, der im Orchester die Trommel schlägt, nein, Bibis Trommelschläger ist etwas ganz anderes. Er ist der Mann, der alle wichtigen Neuigkeiten in der Stadt bekannt macht. Denn nicht alle Leute haben das Glück, sich eine Zeitung zu halten, und nicht alle haben Zeit, sie zu lesen. Aber wenn nun so ein Trommelmann ganz in den Hof hinein kommt und gerade unter dem Küchenfenster aus trommelt, daß Jepsens Kanarienvogel aus dem Eßzimmerfenster geflogen ist und der ehrliche Finder fünfzig Oere bekommt, oder daß Michel Thomsen frische Bücklinge zu zwanzig Oere das Dutzend hat, so fett, daß sie geradezu triefen, so kann man ja gar nicht umhin, es zu hören, auch wenn man mitten im Bügeln oder Strümpfestopfen ist.

    Bibis Trommelschläger wohnt in einer kleinen Kammer, zusammen mit zwei Katzen und zwei Trommeln. Von den Trommeln ist die eine für täglich, und die andere schlägt er in dem Orchester, das manchmal in der Anlage spielt, während die Leute auf dem Rasen an kleinen Tischen unter Segeltuchschirmen sitzen und Kaffee trinken und Schneebälle dazu essen. Bibi ist gut Freund mit dem Trommler und kann die meisten seiner Schläge auf der Alltagstrommel. Sie legt die zweite Krone auf den Tisch: „Die sollst du haben, aber du mußt haargenau ausrufen, was ich dir jetzt sage, und nichts durcheinanderwerfen! Schreib's lieber auf!" Der Trommelmann nimmt seine Tafel, und Bibi diktiert:

    „Hiermit wird bekannt gemacht, daß vom heutigen Tage ab Ulla Stensen und Bibi Leth ihre Namen getauscht haben. Der Handel ist abgeschlossen und hat Gültigkeit bis zum Jüngsten Tag. Hochachtungsvoll Bibi Stensen, Bahnhof."

    „Und das soll ich wörtlich sagen?"

    „Wort für Wort! Aber erst sollst du einen mächtigen Wirbel schlagen, und dann sollst du es so laut wie möglich ausrufen, daß es auch alle hören. Auch drinnen in den Höfen. Was hast du sonst noch morgen auszutrommeln?

    Der Trommelmann dreht die Tafel um und. liest: „Lebendige Schollen, zwanzig Oere das Pfund, prima fette Ware. Entlaufen ein Hühnerhund, auf den Namen Paris hörend – verrückter Name für einen Hund, Paris ist doch eine Stadt. Gebrauchter Kinderwagen mit Federung, Petersen, Uferstraße. Versteigerung von Brettern und Latten, am Hafen, Punkt zwölf Uhr. „Meins soll das allererste sein! „Das geht nicht. Die Schollen müssen ja vor Mittag gekauft, ausgenommen und gebraten sein."

    „Na ja, also gut, aber dann Nummer zwei! Und einen mächtigen Wirbel gleich hinterher, hörst du!"

    Bibi schwebt in den Wolken vor Vergnügen über ihren neuen Namen. Sie stürmt nach Haus, nimmt ihr allerfeinstes Papier, taucht die Feder ein und beginnt – natürlich mit einem Klecks. Das war aber gegen ihre Absicht.

    Lieber Paps,

    fall nur nicht vom Stul, denn ich hab eine riesengroße Überraschung für Dich, die nicht geändert werden kann, denn wer gibt und wieder nimmt, kriegt verfaulte Kinder und du kannst nicht raten was es ist.

    Sie wollte gerade Ulla drunter setzen, besann sich aber, daß sie ja gar nicht so hieß, und machte vier Punkte, die auch Bibi bedeuten konnten. Mit einer Stecknadel befestigte sie den Brief auf Vaters Kopfkissen. Nun konnte er die ganze Nacht von dem Geheimnis träumen. Bibi selbst glaubte, sie würde vor Aufregung kein Auge schließen können, aber sie schlief wie ein Murmeltier.

    Trumm, bummelum, bum, bum! Trumm, bummelum, bum, bum! Der Trommelmann marschiert durch die Straßen. Vor jedem Hause bleibt er stehen und ruft in jeden Hof hinein. Hört, er ruft mit einem Wirbel vorher und einem Wirbel nachher aus, daß Ulla und Bibi ihre Namen getauscht haben...

    Das gab ein Hallo! In der Schule wollte man sich auf derartige Possen nicht einlassen, aber Bibi setzte ihren Willen durch. Und ehe ein Jahr um war, hatten die Leute fast vergessen, daß es einmal eine Bibi mit schwarzen Haaren und eine Ulla mit blonden gegeben hatte. Wer die Geschichte nicht glauben will, braucht ja nur den Trommelmann zu fragen und den Redakteur, der die Anzeige mit einem dicken schwarzen Rand und quer über die ganze Seite gedruckt hat – für nur eine Krone!

    3. Kapitel – Bibi geht auf Fahrt

    Im allgemeinen pflegt Bibi ihren Vater um Erlaubnis zu fragen, wenn sie eine Reise machen will. Aber hin und wieder kommt es doch vor, daß ihr Vater nicht da ist, oder daß sie ihn im Büro nicht stören darf, und dann kann es geschehen, daß sie mit einem Zug oder auf einem Bauernwagen davonfährt oder sonst etwas tut, wozu sie keine Erlaubnis hat. Sie weiß wohl, daß das unrecht ist, und beeilt sich deshalb, so schnell wie möglich nach Hause zu schreiben, damit sich ihr lieber, geliebter Paps nicht um sie zu ängstigen braucht. In dem Brief, der jetzt kommt, erzählt sie, wie sie in die Heide hineingefahren ist, die mitten in Jütland liegt, und wo alles viel altertümlicher ist als in den Städten.

    Bibis sämtliche Briefe wimmeln von Zeichnungen, die sie selbst gemacht hat. Man könnte fast glauben, Bibi sei mit einem Bleistift in der Hand geboren. Sie kann gut einen halben oder gar einen ganzen Tag hungern, wenn sie kein Geld bei sich oder ihr Täschchen verloren hat; aber ohne Bleistift sein, das kann sie nicht. Es kribbelt ihr in den Fingern, wenn sie irgend etwas sieht. Hätte sie keinen Bleistift bei sich, dann würde sie wahrhaftig ihre Zeichnungen mit einem Stock in die Erde ritzen oder ihren Zeigefinger in einen Teereimer tauchen und ihn als Pinsel benützen. Bibi ist ganz gewiß zum Zeichnen geboren, und wenn alles gut geht und wir ihr auf ihren späteren Lebenswegen folgen können, werden wir wahrscheinlich auch erfahren, was aus ihr wird. Vielleicht wird sie eine große Künstlerin. Vielleicht wird sie aber auch nur – Schloßherrin auf einem großen Schloß! Davon wollen wir noch gar nicht sprechen. Aber sollte Bibi in ihren Briefen das eine oder andere Wort ein bißchen verkehrt buchstabieren oder hin und wieder ein Komma vergessen, so darf man darum noch nicht glauben, daß sie faul sei oder dumm. Aber es ist oft so, daß jemand, der zu einer Sache hervorragend taugt, in einer anderen gar nicht gut ist. Das können erwachsene Leute nicht verstehen, aber Kinder können es – denn Kinder verstehen alles viel besser als Erwachsene.

    Und nun kommt also Bibis Brief aus der Heide.

    Lieber Paps!

    Du mußt mich ja nicht austrommeln lassen und ich bin weder tot noch überfaren worden oder von einem tollen Hund gebissen denn wir haben keine in Dänemark aber ich möchte gern mal von einem gebissen werden, um zu dem Pastor in Frankreich zu kommen der tolle Hunde heilt, daß man nicht stirbt wenn man gebissen wird. Ich bin auch nicht im Gudenfluß ertrunken. Ich hätte auch ungefähr beinah sofort geschrieben, aber ich hatte zuwenig Geld und dafür kaufte ich eine Zuckerstange und jetzt schick ich den Brief ohne Freimarke denn sie kennen dich ja auf der Post.

    In der Schule hatten wir sowas schrecklich Langweiliges von den Kreuzzügen hast du einmal was von Kreuzzügen gehabt Paps, und da schlief ich ein und wurde vor die Tür gesetzt und bekam einen Tadel aber im Hof war ein Leierkastenmann und ich hopfte auf die Fensterbank und er erzählte, daß for der Stadt fünf Vagabundenwagen wären und da kletterte ich aus dem Fenster und rannte hin. Es waren auch alle fünf da, alle grün, aber ich hab gehöhrt daß sie so gern Kinder mit blonden Locken stehlen, die dann Kunststücke machen müssen, und da lieh ich eine Wäscheleine aus dem Schmiedehof (ich hab aber fergessen um Erlaubnis zu fragen denn ich hatte sowenig Zeit und es waren auch bloß drei Hemden drauf, die legte ich auf den Gartenzaun) und dann band ich mir die Wäscheleine um den Leib und gab das Ende der Frau Jochumsen weist du, die Senf verkauft und Pfarrerskrausen bügelt gradegegenüber von den Vagabundenwagen und sagte ob sie in fünf Minuten an mir ziehen wollte, damit sie mich nicht stehlen konnten. Die Tür stand offen und ich ging mal hinein. Es war furchtbar ulkig, in der Schlafkammer kochten sie Essen und die Hühner steigen in den Betten herum und die Kinder schlafen in solchen Borden übereinander, grade wie in der Speisekammer. Die Kinder sind ganz braun und schwartz vor Dreck ja so, das soll ich nicht sagen, also vor Schmuz denn sie haben fast keine Kleider an wie die armen Menschen in Afrika. aber jetzt glaub ich doch, sie stehlen außer Kindern auch goldene Kreuze denn ich hatte meins in der Schuhle noch um und dann war es auf einmal weg, gleich nach dem der Mann im Wagen das Samtband an meinem Hals zugebunden hatte weil er sagte es sei aufgegangen. Ich wär nun gern ein bischen gestolen worden um es auszuprobiren, aber da zog Frau Jochumsen an der Wäscheleine denn die fünf Minuten waren um und der Stuhl mit den Frikadellen die in einer Waschüssel lagen knallte hin und sie schimpften mich fürchterlich auf vagahbundisch und schmissen mir Wasser nach.

    Ich wollte grad nach Hause gehen aber da roch es auf einmal so nach Heidekraut und einer von den Güterwagen war offen und da stand „Hald" drauf. Und Hald ist doch mitten in der Heide mit all den Kreuzottern und dem fielen Heidekraut. Ich wollte eigentlich gar nicht, Paps und es tut mir so leid, daß der Zug abfuhr als ich drin war. Ich hab die Zanbürste mit, denn die hab ich immer in der Tasche, weil du sagst, daß nur gewöhnliche Menschen sich nicht morgens und abends die Zäne putzen und ein gewöhnlicher Mensch will ich nicht sein. Deswegen. Jemand hat mir gesagt, das Bimmstein gut ist um den Dreck von den Händen zu schrubben, nein, entschuldige den Schmuz. Paps es tut mir so leid, daß du am Sonntag allein sein sollst so furchtbar leid, aber ich hab keinen Fuß in den Fiehwagen gesetzt weil du gesagt hast, daß du das Haus nicht voll Ungeziefer haben willst, ich riech also nicht nach Mist und die Flöhe die ich hab, kommen vom Bett her, denn wir liegen auf Stro oder auch von den Hühnern, denn sie stechen so schrecklich und das tun Hühnerflöhe. Du mußt ja an Fräulein Fagerlund schreiben (vergiß bloß nicht auf die Adresse zu setzen, Schulvorsteherin, sonst kriegt sie den Koller) daß ich mit hohem Fieber im Bett lieg und es sicher Tyfuß oder Masern wird und sag auch zu Doktor Möller daß er es sagt.

    In dem Güterwagen war es so glühend heiß daß ich schwizte und ich hatte Angst daß Lokomotivführer Larsen mich verpetzen und heimschicken würde und darum getraute ich mich nicht zu ihm zu gehen sondern kletterte durch eine Luke aufs Dach hinauf wärend der Zug fur, hab ich das nicht fein gemacht? Aber ich will es nie wieder tun denn hinterher hörte ich daß es so lebensgefährlich ist weil einem von den Telegrafendräten der Kopf abgerissen werden kann, aber ich legte mich hin und rührte mich nicht und guckte in die Luft hinauf und versuchte dabei rauszukriegen, an was wir vorbeikamen. Ich wurde gar nicht mal so schwarz, aber etwas schon natürlich.

    Aber denk dir Paps, in Langaa blieb der Wagen stehn denn weiter ging er nicht, denn es war ja ein Güterwagen und sollte erst noch für Hald beladen werden. Aber da flitzte ich aufs andre Geleise

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