… als wäre es mein eigenes Kind: Mami 2074 – Familienroman
Von Marianne Holl
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Über dieses E-Book
»Ich mache mir wirklich Sorgen um dich, mein Kind. Es muß etwas geschehen.« »Aber warum denn, Schwester Oberin? Mir geht es gut bei Ihnen.« Die Oberin des Waisenhauses ist eine gütige alte Dame, die sich immer wieder redlich bemüht, niemanden merken zu lassen, wie innig sie ihr ältestes Findelkind ins Herz geschlossen hat. »Man muß aber doch an deine Zukunft denken. Ich möchte so gern, daß du einen richtigen Beruf ausübst, damit du deinen eigenen Weg gehen kannst, wenn du großjährig bist.« Das schmale, hochaufgeschossene Mädchen mit dem fröhlichen Gesicht lacht unbekümmert auf. »Ich mag aber nicht weg von hier. Hier fühle ich mich wohl. Sie sind meine Mutter geworden von dem Tag an, an dem Sie mich da draußen vor den Stufen gefunden haben. Bitte, bitte, Schwester Oberin, erzählen Sie doch noch einmal, wie es damals war, und auch, weshalb Sie mir diesen schrecklichen Namen gegeben haben. Wenn ich wirklich irgendwo einen Beruf lernen und meinen Namen Berta Mai nennen würde, gäbe es bestimmt Lachstürme.« Die Oberin lächelt vor sich hin. der unbeschwerten Wesensart ihres Schützlings. »Ja, mein Kind, das war so: An einem wunderschönen Maiabend gingen wir Schwestern zur Andacht in die Kapelle. Als ich gerade die Stufen vor der großen Haustür hinunterkam, hörte ich plötzlich aus dem dichten Rhododendrongebüsch dort drüben klägliches Weinen. Natürlich ging ich hinüber und fand versteckt ein kleines weißes Bündel. Mit jämmerlich aufgerissenem Mündchen schrie ein winziges Menschlein vor Hunger.« »Und weiter?«
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Buchvorschau
… als wäre es mein eigenes Kind - Marianne Holl
Mami
– 2074 –
… als wäre es mein eigenes Kind
Unveröffentlichter Roman
Marianne Holl
»Ich mache mir wirklich Sorgen um dich, mein Kind. Es muß etwas geschehen.«
»Aber warum denn, Schwester Oberin? Mir geht es gut bei Ihnen.«
Die Oberin des Waisenhauses ist eine gütige alte Dame, die sich immer wieder redlich bemüht, niemanden merken zu lassen, wie innig sie ihr ältestes Findelkind ins Herz geschlossen hat.
»Man muß aber doch an deine Zukunft denken. Ich möchte so gern, daß du einen richtigen Beruf ausübst, damit du deinen eigenen Weg gehen kannst, wenn du großjährig bist.«
Das schmale, hochaufgeschossene Mädchen mit dem fröhlichen Gesicht lacht unbekümmert auf.
»Ich mag aber nicht weg von hier. Hier fühle ich mich wohl. Sie sind meine Mutter geworden von dem Tag an, an dem Sie mich da draußen vor den Stufen gefunden haben. Bitte, bitte, Schwester Oberin, erzählen Sie doch noch einmal, wie es damals war, und auch, weshalb Sie mir diesen schrecklichen Namen gegeben haben. Wenn ich wirklich irgendwo einen Beruf lernen und meinen Namen Berta Mai nennen würde, gäbe es bestimmt Lachstürme.«
Die Oberin lächelt vor sich hin.
Immer wieder ist sie angerührt von
der unbeschwerten Wesensart ihres Schützlings.
»Ja, mein Kind, das war so: An einem wunderschönen Maiabend gingen wir Schwestern zur Andacht in die Kapelle. Als ich gerade die Stufen vor der großen Haustür hinunterkam, hörte ich plötzlich aus dem dichten Rhododendrongebüsch dort drüben klägliches Weinen. Natürlich ging ich hinüber und fand versteckt ein kleines weißes Bündel. Mit jämmerlich aufgerissenem Mündchen schrie ein winziges Menschlein vor Hunger.«
»Und weiter?« fragt das Mädchen.
»Ja, zunächst habe ich Milch warm gemacht und das kleine Geschöpfchen – also dich – vorsichtig gefüttert. Dann habe ich es neu gewickelt und dabei etwas gefunden: einen Zettel, auf dem stand: ›Bitte, seid gut zu meinem Mädelchen‹ – und zwei Buchstaben, ein B und ein M.«
»Und niemals haben Sie erfahren können, wer meine Eltern sind?«
»Nein, mein Kind, nie. Wir haben alles versucht und überall geforscht. Nichts war festzustellen. Nicht einmal die beiden Buchstaben konnten uns irgendeinen Aufschluß geben.«
»Hm. Aber mich haben Sie dann mit einem so merkwürdigen Namen getauft.«
»Ja, das B – daraus wurde Berta. Ich weiß, du magst diesen Namen nicht. Aber jetzt nennen wir dich ja auch alle ›Berri‹, und das ist doch ganz ordentlich, nicht wahr?«
»Hm. Aber dann noch ›Mai‹ dazu, das ist nun wirklich nicht überwältigend.«
Die Oberin lachte herzhaft auf. »Dummes Ding, stell dir mal vor, wir hätten dich im Dezember gefunden, was dann? Du hattest ein M – bist im Mai gefunden worden, was lag da näher, als dich so zu nennen? So, jetzt Schluß, Berri. Schau nach, ob die Tische gedeckt sind. Wir müssen die hungrigen Mäuler stopfen.«
Hastig läuft Berri hin und her. Vergnügt sitzt sie kurze Zeit später an ihrem Extratisch.
Berri liebt Kinder sehr, je kleiner sie sind, desto reizender findet sie sie. Deshalb hat die Oberin die sechs Kleinsten ihrer alleinigen Obhut anvertraut. Sie kümmert sich den ganzen Tag um sie und betreut sie natürlich auch bei Tisch.
Nach dem Essen müssen die Kleinen Ruhe halten, und Berri setzt sich dann in eine Ecke, um Strümpfe zu stopfen, Kleider und Wäsche zu flicken oder aus Wollresten neue Sachen zu stricken.
Heute aber hat sie sich kaum niedergelassen, als sie schon wieder aufstehen muß.
»Du sollst zur Mutter Oberin kommen, Berri.«
Natürlich folgt das junge Mädchen sofort.
»Ja, bitte, Mutter Oberin, Sie wollen mich sprechen«, sagt sie, noch ein wenig atemlos vom Laufen.
»Ja, Kind. Ich will jetzt ganz ernsthaft mit dir über deine Zukunft nachdenken.«
Die alte, gütige Nonne nimmt die Hände des jungen Mädchens in die ihren. »Schau, Kleines, es wäre nicht recht von mir, wenn ich dich ein Leben lang hier im Hause behalten würde.«
»Aber warum denn? Ich fühle mich hier wohl, dies ist mein Zuhause. Es ist doch beinahe so, als wüchse ich bei einer geliebten Mutter mit vielen Geschwistern zusammen auf.«
»Es ist brav von dir, Berri, daß du die Dinge so siehst, und für mich ist es eine große Genugtuung zu wissen, daß ein Waisenhaus nicht immer ein Ort des Schreckens sein muß. Und gerade deshalb habe ich kein Recht dazu, dir dein Leben zu verbauen. Du bist genau der Mensch, der eines Tages heiraten und Kinder haben sollte.«
Da kann Berri schon wieder lachen. »Schön wär’s! Aber woher soll so ein armes Ding wie ich einen Mann zum Heiraten hernehmen?«
»Nun, hier lernst du sicherlich keinen kennen«, sagt die Oberin trocken.
»Ach, Schwester Oberin, glauben Sie im Ernst, ein netter junger Mann heiratet ein Mädchen, das nicht mal einen eigenen Namen hat, weil niemand ihm sagen kann, wer seine Eltern sind? Nein, nein, solche Träume habe ich nicht.«
»Hör zu, Berri, ich habe vor, deinen Fall mit unserem Vorstand zu besprechen. Du weißt, daß einer unserer großmütigsten Förderer Herr Bernburg ist. Er hat bisher immer Rat gewußt, wenn ich Sorgen hatte, vielleicht hilft er auch diesmal.«
»Warum haben Sie es denn so eilig?«
»Weil er heute nachmittag hierherkommt.«
Da reißt Berri die Augen weit auf, springt hoch und macht plötzlich den Eindruck, als wolle man sie in einen Löwenkäfig sperren.
»Nein, nein, bitte nicht! Nicht zum steinernen Gast!«
Verständnislos schüttelt die Oberin den Kopf. »Was hast du da gesagt? Was soll das bedeuten?«
Erschreckt hat Berri die Hände vor den Mund gepreßt.
»Verzeihung, das wollte ich gar nicht sagen. Es ist mir nur so herausgerutscht.«
»Nein, mein Kind! Jetzt will ich genau wissen, wie du zu solch einer Bemerkung kommst.«
Mühsam ein Schluchzen zurückdrängend, steht Berri da wie ein gescholtenes Schulkind.
»Wenn die Herren vom Vorstand hierherkamen, haben wir sie immer heimlich beobachtet. Von allen hatten wir am meisten Angst vor Herrn Bernburg. Natürlich, er kann nichts dafür, daß er hinkt. Aber er ist so dunkel und hart im Aussehen, und noch nie hat er mit jemandem von uns ein Wort gesprochen oder auch nur ein einziges Mal gelacht. Und weil wir eben alle für ihn Luft sind, haben wir ihm einen Spitznamen gegeben.«
»So! Und da habt ihr Herrn Bernburg den ›steinernen Gast‹ genannt. Merkwürdig, daß ich selbst ihn nie so gesehen habe! Gewiß, er ist ein ernster, sehr zurückhaltender Mensch, aber ich habe ihn immer als sehr klug und charmant angesehen. Es ist nicht recht, über einen Menschen zu urteilen, den man gar nicht kennt.«
Berri hört deutlich den sanften Tadel heraus, und sie bemüht sich auch, die Dinge anders zu sehen. Aber das ist einfach unmöglich für sie.
»Und ich habe trotzdem Angst vor ihm«, sagt sie.
»Das ist bedauerlich, aber hilft dir nicht weiter. Ich werde mit ihm reden, und du mußt damit rechnen, daß ich dich ihm vorstelle. Ich lasse dich rufen, wenn es soweit ist.«
*
Michael Bernburg ist pünktlich im Waisenhaus erschienen, und die Oberin hat ihn sofort zu sich bitten lassen.
Aufmerksam sieht sie ihren Gast an, als er ihr Zimmer betritt, und es fällt ihr schwer, ein leises Schmunzeln zu unterdrücken.
Wirklich, die Kinder haben nicht ganz unrecht mit ihrem Spitznamen für ihn. Michael ist ein hochgewachsener, breitschultriger und sehr dunkel anmutender Mann. Haar und Brauen sind pechschwarz, und die Augen haben die gleiche Farbe.
Sein Gesicht ist klar und gradlinig geschnitten, aber so ernst, daß es wahrhaftig wie aus Stein gemeißelt erscheint. Das leichte Nachziehen des linken Beines verstärkt noch die kühle Zurückhaltung.
»Nun, Frau Oberin, Sie sind ja so vergnügt«, sagt er mit einer Stimme, die genauso wenig Gefühlsschwingungen verrät wie alles an Michael Bernburg.
Mit leichter Verlegenheit antwortet sie:
»Ach, ich mußte nur gerade an etwas denken, was die Kinder mir erzählt hatten. Aber das tut nichts zur Sache. Bitte, nehmen Sie doch Platz, und nennen Sie mich nicht immer Oberin. Für Sie bin ich Schwester Maria und sonst nichts.«
Mit einer leichten Verneigung nimmt er den angebotenen Stuhl und fragt dann:
»Nun, Schwester Maria, ist alles in Ordnung? Oder haben Sie Sorgen? Brauchen Sie noch Geld? Sie wissen doch, ich tue, was ich kann.«
»Ja, Herr Bernburg, das tun Sie wirklich. Ohne Ihre großzügige Hilfe ging es uns hier sehr viel schlechter. Ich habe mich schon oft gefragt, weshalb Sie so viel Gutes an uns tun. Man erlebt das sonst heutzutage nirgendwo.«
Sofort verschließt sich das Männergesicht noch mehr.
»Gründe spielen keine Rolle. Als ich vor zwei Jahren hierherzog, nahm ich mir vor, Ihnen zu helfen. Das habe ich getan und werde es weiter tun. Alles Weitere ist meine Angelegenheit.«
Die Oberin bedauert, daß er so verschlossen ist. So bespricht sie lieber mit ihm das Thema, das sie sich vorgenommen hatte.
»Ich brauche Ihren Rat, lieber Herr Bernburg, vielleicht sogar Ihre Hilfe. Meinen liebsten Schützling möchte ich ins praktische Leben schicken. Aber die Kleine ist ein so bezauberndes Geschöpf, daß ich ihm mehr Wege eröffnen möchte als nur die zu einem handwerklichen Beruf.«
Dann berichtet sie ihm alles über Berri, was sie weiß.
»Ja, Schwester Maria«, sagt er nachdenklich, »was soll ich denn tun? Möchten Sie Geld haben, damit die Kleine die Schule besuchen und vielleicht studieren