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Nwiab 2: Nur weil ich anders bin - Leben im Heim
Nwiab 2: Nur weil ich anders bin - Leben im Heim
Nwiab 2: Nur weil ich anders bin - Leben im Heim
eBook437 Seiten6 Stunden

Nwiab 2: Nur weil ich anders bin - Leben im Heim

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Über dieses E-Book

Kai ist in Sicherheit. Er hat es geschafft.
Von der Brutalität seines Vaters entkommen wird nun das Kinder- und Jugendheim "Sonnenthal" sein neues Zuhause.

Kai ist froh und ängstlich zugleich. Wie wird es da drin werden? Wie werden die anderen Kinder auf seine, doch für manche äußerst seltsamen, Angewohnheiten reagieren?

Herzlich aufgenommen von den Betreuern im Heim, versucht er, sich in die Gesellschaft einzufügen und neue Freunde zu finden, die ihn akzeptieren, wie er ist. Doch nicht bei allen löst sein babyhaftes Verhalten Toleranz aus. Für Jan und Pierre ist Kai ein wahrer Glücksfall für Spot, Hohn und Quälereien.
Unbemerkt von der Heimleitung beginnt für Kai ein erneuerter Kampf um Toleranz und Anerkennung.

Für Kais Vater beginnt eine schwere Zeit von schmerzenden Erinnerungen in der Untersuchungshaft. Geschichten aus einer, damals noch, intakten Familie lassen ihn nicht los. Und fast bereute er, was er seinem Sohn angetan hatte. Bis die Erinnerung an den tödlichen Unfall seiner Frau zurückkehrt.
Und ihn erneut in seiner Meinung verstärkt, über die letzten fünf Jahre richtig mit seinem Sohn umgegangen zu sein.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum28. Dez. 2013
ISBN9783735797629
Nwiab 2: Nur weil ich anders bin - Leben im Heim

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    Buchvorschau

    Nwiab 2 - Andreas Prün

    Kai ist in Sicherheit. Er hat es geschafft.

    Von der Brutalität seines Vaters entkommen wird nun das Kinder- und Jugendheim Sonnenthal sein neues Zuhause.

    Kai ist froh und ängstlich zugleich. Wie wird es da drin werden? Wie werden die anderen Kinder auf seine, doch für manche äußerst seltsamen, Angewohnheiten reagieren?

    Herzlich aufgenommen von den Betreuern im Heim, versucht er, sich in die Gesellschaft einzufügen und neue Freunde zu finden, die ihn akzeptieren, wie er ist. Doch nicht bei allen löst sein babyhaftes Verhalten Toleranz aus. Für Jan und Pierre ist Kai ein wahrer Glücksfall für Spot, Hohn und Quälereien.

    Unbemerkt von der Heimleitung beginnt für Kai ein erneuerter Kampf um Toleranz und Anerkennung.

    Für Kais Vater beginnt eine schwere Zeit von schmerzenden Erinnerungen in der Untersuchungshaft. Geschichten aus einer, damals noch, intakten Familie lassen ihn nicht los. Und fast bereute er, was er seinem Sohn angetan hatte. Bis die Erinnerung an den tödlichen Unfall seiner Frau zurückkehrt.

    Und ihn erneut in seiner Meinung verstärkt, über die letzten fünf Jahre richtig mit seinem Sohn umgegangen zu sein.

    Zum besseren Verständnis dieser Geschichte wird zunächst die erste Episode von

    Nwiab - Nur weil ich anders bin

    (ISBN: 9783837009439)

    zum Lesen empfohlen.

    Diese Geschichte ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit den darin vorkommenden Personen, Orten oder Ereignissen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Inhaltsverzeichnis

    1. Einweisung

    2. Zimmer 134

    3. Das Ritual

    4. Konfrontationen

    5. Racheakt

    6. Hilfe von außen

    7. Das Freiheitssymbol

    8. Die Wahrheit (I)

    9. Die erste Nacht und andere Peinlichkeiten

    10. Die Wahrheit (II)

    11. Auf und nieder

    12. Klartext

    13. Freundschaften

    14. Taschengeld und Gruppenzwang

    15. Anklageschrift

    16. Im Schwimmbad

    17. Erinnerungen und Tatsachen

    18. Michael

    19. Im Büro

    20. Christians Plauderstunde

    21. Gedankengänge

    22. Knastgeschichte

    Teil 23 Der Brief (I)

    24. Aufgeflogen

    25. Aus und vorbei

    26. Was ist mit Jan?

    27. Computer

    28. Die Geschichte vom Daumenlutscher

    29. Rückkehr

    30. Der Brief (II)

    31. Jan

    32. Mama

    33. Mama 2

    34. Mama 3

    35. Mama 4

    36. Zustände

    37. Wieder einer

    38. Das Verhör

    39. Träume sind so bequem

    40. Die Wahrheit

    41. Fabian und ich

    42. Abschied Samstag 9 Uhr

    1. Einweisung

    („Soso, du bist also Kai, hm?")

    „So, Kai. Willkommen im Heim Sonnenthal¹. Setz dich doch."

    Eine Frau, so um die 40, dachte ich mir, konnte es aber nicht so gut einschätzen, stand von ihrem Schreibtisch auf und tat diese typische Handbewegung, die einen Sitzplatz anbot. Sie machte auf mich einen doch sehr netten Eindruck, bis jetzt jedenfalls. Ich setzte mich auf einen der zwei Stühle, Frau Müller nahm ebenfalls Platz. Mein Päckchen nahm ich auf meinen Schoß, meine Mütze anstandshalber vom Kopf.

    „Na? Wie geht’s dir denn? Tut dein Arm noch weh?"

    „Nein. Nicht mehr. Geht schon wieder."

    „Klasse. Das freut mich sehr. Hast ja leider sehr viel durchmachen müssen in letzter Zeit. Das tut mir sehr leid."

    Ich gucke irritiert zu Frau Müller. Ich hatte so einen „Hey, wo her weiß die denn, was mit mir passiert ist?" Gesichtausdruck, doch Frau Müller lächelte nur.

    „Keine Angst, Kai. Ich habe es ihr erzählt. Und das ist auch gut so. Sie muss bescheid wissen über dich. Nur so kann sie dir optimal helfen."

    Ich nickte leicht und sah wieder zu ihr.

    „Mein Name ist Frau Berger. Ich habe hier die Leitung im Heim. Und ich bin auch so eine Art Seelsorger für die Kinder. Wenn du also Probleme oder Sorgen hast, komm einfach zu mir. Ich werde dir dann helfen. Dafür bin ich da. Ich nickte wieder. Ich weiß, du hast schlimmes durchgemacht, und es wird am Anfang bestimmt nicht leicht werden. Aber wenn du dich erstmal hier eingewöhnt hast, dann wirst du dich bestimmt sehr wohl fühlen. Es sind ne Menge Kids in deinem Alter hier. Da findest du bestimmt schnell Freunde. Ganz sicher. Und wieder nickte ich und lächelte. Allerdings war ich mir da nicht so sicher. Das mit dem schnell Freunde finden. Schließlich versuche ich das schon seit 8 Jahren in der Schule. Und da hat es auch kaum funktioniert. Wie soll dass dann hier klappen? Ich senkte den Blick.

    „Sieh mal, Kai. Soviel wird sich gar nicht ändern. Ich meine, sicher, du wohnst jetzt hier und so weiter, aber wenigstens gehst du weiter auf deine Schule. Und nachmittags kannst du im Prinzip auch das machen, was du möchtest. Auch außerhalb des Heims. Selbstverständlich gibt’s bei uns Regeln, an die du dich halten musst. Sonst funktioniert das Ganze nicht. Ist klar oder?" Schon wieder nickte ich nur. Da gab mir Frau Müller einen Stups in die Seite. Ich erschrak leicht und sagte:

    „Ja. Klar, Frau Berger."

    „Gut. Also, Aufstehen ist um 7 Uhr. Dann gibt’s Frühstück und ab zur Schule. Wenn du Schluss hast, melde dich bitte wieder am Eingang bei Herrn Schobert zurück. Auch wenn du das Gelände verlässt, musst du dich immer abmelden bei ihm. So wissen wir immer, wer da ist und wer nicht. Das ist ganz wichtig, hörst du? Du darfst es nicht vergessen."

    „Okay. Ist klar." sagte ich.

    „Nach der Schule gibt’s Mittagessen und dann werden die Hausaufgaben gemacht. Danach darfst du bis 18 Uhr machen was du willst. Dann gibt’s nämlich Abendbrot. Und bis 22 Uhr ist auch Freizeit. Allerdings nicht mehr außerhalb des Geländes. Wir haben hier einen großen Aufenthaltsraum mit vielen Spielmöglichkeiten, oder einfach zum Quatschen. Ne große Wiese ist ebenfalls da. Basket- oder Fußball kannst du auch spielen. Unten im Keller steht ein Billardtisch und ein Dartautomat. Kosten tun die nix. Aber bitte pfleglich behandeln, sonst..." Sie drohte scherzhaft mit dem Finger. Ich grinste.

    „Ja, wie gesagt. Bis 22 Uhr und dann ist Licht aus. So läuft das hier. Ist gar nicht schwer, oder?" Ich schüttelte den Kopf.

    „Um dir den Einstieg etwas leichter zu machen, hab ich Jasmin gebeten, dass sie dich ein wenig herumführt. Sie wird dir dein Zimmer zeigen, wo der Speiseraum ist und so weiter. Hast du noch Fragen?"

    „Äh... nein, bis jetzt nicht."

    „Gut. Dann hol ich jetzt mal Jasmin. Kleinen Moment. Frau Berger stand auf und ging zur Tür hinaus. Frau Müller sah mich an und strich mir über die Haare.„Na siehst du sagte sie, „ist doch alles halb so schlimm, hm? Das wird schon." Ich hob die Schultern.

    „Hab` ich da ein Zimmer für mich alleine?" fragte ich nicht unneugierig. In meiner Fantasie sah ich schon eine kleine Hotelsuite mit großem Bett und Farbfernseher. Mit Dusche und Badewanne und all so was. Ach so, und einer Minibar natürlich.

    „Nein. Wie kommst du denn darauf? Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube es sind immer sechs Bett Zimmer. Also, drei Stockbetten halt. Und einen Waschund Duschraum auf jeder Etage." Ich kniff die Augen zusammen.

    „Wie? So Gemeinschaftsduschen oder wie? Mit all den anderen nackig da..."

    „Hey, hey. Du bist hier nicht im Hotel, junger Mann. Du wirst dich schon dran gewöhnen." Ich atmete laut durch. Dann ging die Tür auf und in Begleitung von Frau Berger kam ein junges Mädchen ins Zimmer. Sofort ging sie auf mich zu und streckte die Hand aus.

    „Hallo. Ich bin Jasmin." Völlig perplex schüttelte ich ihre Hand und grinste blöde. Ich hatte eigentlich eine Erwachsene erwartet und keinen Teenager. Ich sah sie mir intensiv an. Sie hatte schöne, schulterlange, blonde Haare. Ihr blauen Augen strahlten hell und ihrer Stupsnase war so richtig niedlich. Dazu grinste sie frech.

    „Na, nun geh schon mit ihr, Kai. Sie wird dir alles zeigen."

    „Äh... ja. Okay. Ich wurde leicht rot, setzte meine Mütze auf und erhob mich. „Deine Sachen kannst du erstmal hier lassen. Entweder du holst sie nachher ab oder wir bringen sie in dein Zimmer. Es hat die Nummer 134. Im ersten Stock. Je nachdem, wer schneller von uns beiden ist. Wir haben noch was zu besprechen. Frau Müller und ich. Wir sehen uns dann später. „Komm Kai. Ich führ dich rum.

    „Ja ich komme." Und so verließen wir das Zimmer.

    „Was haben Sie für einen Eindruck von ihm?" fragte sie Frau Berger und schlug die Beine übereinander.

    „Na ja, einen recht guten muss ich sagen. Er wirkt auf mich eigentlich wie ein ganz normaler Junge. Es fällt mir fast schwer zu glauben, was ich alles über ihn gelesen habe." Sie rückte Kais Akte auf dem Schreibtisch zurecht, schlug sie auf und überflog ein paar Seiten.

    „Tja, vielleicht ist er jetzt soweit, das er doch schon über den Dingen steht, Abstand gewinnt sozusagen. Frau Müller schüttelte den Kopf. „Nein, das glaub ich nicht. Das wirkt nur so. Meine Kollegin in Minden verfasste dies Akte. Ich habe nicht so ausführlich mit ihr über Kai sprechen können, aber er hat wirklich schlimmes durchgemacht. Und es ist ja auch nicht so lange her. So was steckt man nicht auf die schnelle weg. Meine Kollegin erzählte, Kai wäre wahnsinnig sensibel. Er sehne sich sehr nach Zuwendung und Geborgenheit. Die erhielt er nur von seiner Mutter, die ja leider schon so früh sterben musste. Nach dieser Zeit „verhungerte er fast vor fehlender Wärme. Und die Gewalt seitens seines Vaters ließ das Fass dann endgültig überlaufen. Umsonst wollte er sich nicht auf der Autobahn das Leben nehmen." Sie atmete hörbar durch und sagte nach einer kurzen Pause kopfschüttelnd:

    „Und das mit 14."

    „Nun ja sagte Frau Berger, „ich werde ihn auf alle Fälle morgen erstmal zum Arzt schicken. Er soll ihn mal gründlich durchchecken.

    „Selbstverständlich. Ich bin davon überzeugt, das Sie das Richtige tun werden. Ist ja nicht ihr erster Fall."

    Die Heimleiterin lachte kurz.

    „Ja. Da haben Sie recht." Frau Müller erhob sich und nahm Kais Tasche und das Päckchen auf.

    „Ich denke, soweit ist alles klar. Ich bring die Sachen noch auf sein Zimmer. 134, richtig?

    „Richtig. Das Zimmer mit Jan und Pierre." Frau Müller stockte kurz.

    „Sind sie sicher? Gerade mit Jan und Pierre?"

    „Tut mir leid. Ein anderes ist nicht mehr frei. Das war das einzige freie Bett."

    „Ich kenn die beiden noch von letzten Jahr. Ich weiß nicht..."

    „Machen Sie sich keine Sorgen. Das klappt schon. Da lernt er gleich, sich durchzusetzen."

    „Wie Sie meinen. Auf Wiedersehen, dann. Bis zum nächsten Mal."

    „Auf Wiedersehen Frau Müller."

    *

    „Soso, du bist also Kai, ja?" fragte Jasmin während wir nebeneinander hergingen.

    „Ja. So ist es."

    „Und wie alt bist du?"

    „14. Und du?"

    „Ich bin schon 15. Wohn` schon immer hier. Ich bekam große Augen. „Echt? Wow. Dein ganzes Leben?

    „Klar. Meine Eltern wollten mich nicht haben. Ganz einfach. Ich war zwar schon in ein paar Pflegefamilien, aber das war auch nicht so das Wahre. „Warum nicht? fragte ich nicht unneugierig. Sie zuckte mit den Schultern. „Ach weißt du, es sind halt immer fremde Leute. So. Hier ist also der Speisesaal." Wir betraten einen großen Raum. Viele, lange Tische waren sauber mit je 10 Stühlen bestückt in 2er-Reihen aufgestellt. An der rechten Seite des Saals war an der Wand so eine Art riesiges Fensterbrett angebracht. Bestimmt einen halben Meter breit und 10 Meter lang. Das polierte Metall blitzte. Wie auf einer großen Rutschbahn auf dem Spielplatz.

    „Guck. Du holst dir da dein Tablett und Besteck." Jasmin zeigte mit dem Finger auf einen Rollwagen, gleich neben der Tür. „Dann stellst du dich einfach an und bekommst dein Essen. Wo du dich hinsetzt, ist egal. Bis auf ein paar Plätze sind alle frei.

    „Und welche sind das? Sie lachte. Das kriegst du schon noch raus. Komm weiter.

    Wir gingen wieder hinaus und betraten einen langen Gang mit vielen Türen, die rechts und links angebracht waren. Sie waren alle mit Nummer beschriftet.

    „Hier sind die Mädchenzimmer. Im Erdgeschoss sind nur Mädchen. Ihr Jungs seid im ersten Stock." Abwechselnd von links nach rechts schauend liefen wir an den Zimmern vorbei und betraten dann über eine Treppe den ersten Stock.

    „Hier sind also eure Zimmer. Ich weiß, ganz schön viele Türen. Also vergiss ja deine Zimmernummer nicht." Sie grinste wieder.

    „Dort hinten sind die Waschräume, Klos und so weiter. Wir Mädchen haben natürlich unsere eigenen Duschen und so. Ist ja klar."

    Logo sagte ich und lächelte.

    „Wenn du nach unten gehst, am Speisesaal vorbei, kommst du in den Aufenthaltsraum. Da gibt’s auch Fernsehen und so. Ach so, es gibt pro Etage, also Erdgeschoss und erster Stock einen Computer mit Internet. Der steht immer ganz hinten im letzten Zimmer. Ist aber abgesperrt. Du musst dich in die Liste im Aufenthaltsraum eintragen, wenn du surfen willst. Wenn du dran bist, kriegst du dann den Schlüssel. Alles klar? „Denke schon ja.

    „Na dann viel Spaß noch. Ich muss zu einer Freundin. Tschüß."

    „Tschüß. Ach..., vielen Dank... Jasmin" rief ich ihr noch nach und hob kurz die Hand. Aber da war sie schon um die Ecke verschwunden.

    134... das war meine Nummer. Die darf ich nicht vergessen, sagte sie. Ich musste grinsen. Ich drehte mich um und las 136. Also zwei Zimmer daneben. Ich ging eine Tür weiter und las 137. Verdammt. Falsche Richtung. Ich machte kehrt und lief zurück. Ob meine Sachen schon dort waren, fragte ich mich. 136... 135... 134... da ist es. „Mein Zimmer. Ich fing an zu schwitzen. Klopfen? Sofort reingehen. Ist doch „mein Zimmer, oder? Ich legte die Hand auf die Klinke.


    ¹ Dieses Heim ist nur erfunden.

    2. Zimmer 134

    (Bist das einzige Baby hier...)

    Langsam öffnete ich die Tür. Ich zitterte ein wenig. Mein Herz schlug schnell und heftig. Ich wusste nicht genau, vor was oder vor wem ich plötzlich solche Angst hatte. Aber sie war da. So ein verdammt komisches Gefühl. War es überhaupt Angst? Ich wusste es nicht. Auf alle Fälle war mir sehr unwohl.

    Waren meine Sachen schon da? Musste ich sie selber holen? Finde ich dann wieder zu meinem Zimmer zurück? Was ist, wenn ich mich dann verlaufe? Wäre extrem peinlich. Lauter solch wirre Gedanken schossen mir durch den Kopf. Wenn sie mich nun nicht mögen? Ach was. Blödsinn. Sei einfach du selbst. Dann wird das schon werden. Sind doch auch genauso Teenager wie du. Und keine Übermenschen. Mach dir keine Sorgen.

    Ich lugte zuerst durch den Türspalt, konnte aber nicht so richtig erkennen, ob jemand da war. Und dann nahm ich allen Mut zusammen und öffnete die Tür ganz. Es war niemand im Zimmer. Ich ging hinein und sah mich um. Da standen drei Stockbetten. Zwei davon waren hintereinander links von mir an der Wand angeordnet. Das vordere stand genau an der mir gegenüberliegenden Wand mit einem Fenster. Es war nicht vergittert. Wie kam ich nur darauf, das es das sein könnte? Das 3. Bett stand dem genau gegenüber. Ebenfalls direkt an der Wand. Links neben der Tür befanden sich 3 große Schränke mit Doppeltüren. Für jeden also eine Schrankhälfte, dachte ich mir. Logisch eigentlich. Vor dem rechten Stockbett stand ein Tisch mit vier Stühlen. Nur mit vier? Seltsam. Wenn doch sechs Leute im Zimmer sind, dann... Ach, da stehen ja meine Sachen schon. Klasse, da brauch ich nicht mehr selbst runter zu gehen. Wenigstens etwas. Ich ging weiter in das Zimmer hinein und schloss die Tür wieder. Alle Betten waren bezogen. Bis auf das untere im vorderen, linken Stockbett. Das ist dann wohl meins. Frisches Bettzeug lag schon drauf. Beziehen muss ich es wohl selbst. Na ja, kein Problem. Ich machte mich ans Werk. Es war gar nicht so einfach mit meinem Gipsarm, aber schließlich schaffte ich es doch und strich die Decke glatt. So weit, so gut. Ich nahm meine Tasche und schleifte sie zum Schrank. Ich öffnete die erste Tür und sah, das alle Fächer schon mit Klamotten belegt waren. Ich sah sie mir an, wagte es aber nicht, sie zu berühren. Es waren ganz normale Sachen. Jeans, Pullis, T-Shirts. Nichts weltbewegendes, aber auch nichts megamodernes. Ich schloss den Schrank wieder und nach weiteren zwei Versuchen fand ich „meinen" Schrank. Die eine Hälfte war komplett leer, während die andere ebenfalls mit Klamotten bestückt war. Auch hier wieder ganz normale Anziehsachen. Ich fing an, meine Kleider einzuräumen. Zuerst die Unterwäsche ganz unten, dann die T-Shirts und Pullis. Zuletzt meine Jeans. Da ich ja nur meine besten Klamotten mitgenommen hatten, erkannte ich schon einen Unterschied zwischen meinen und den anderen Sachen. Mein Vater hat (hatte) ja immer gut verdient und so besaß ich fast nur Markenklamotten. Deutlich zeichneten sich die bekannten Logos ab und ich grübelte, ob das wirklich so gut war. Ich wollte auf gar keinen Fall irgendwie anders sein, als die anderen. (Obwohl du es bist, und das weißt du, verdammt noch mal. Nwiab, Kai = Nwiab.)

    Nicht, das Neid oder so aufkäme. Das wollte ich auf gar keinen Fall. Wie schnell wird man zum Außenseiter, egal in welche Richtung. Ob als „Snob oder als „Penner. Für einen kurzen Moment kam mir der Gedanke, ein paar Sachen mit den anderen einfach zu vertauschen, aber den ließ ich sofort wieder fallen. Das war keine gute Idee. Ich ärgerte mich jetzt fast, das ich nur meine guten Sachen mitgenommen hatte. Aber dafür war es jetzt zu spät. Vielleicht fällt es ihnen ja gar nicht auf. Wenn ich Glück hab.

    Ich räumte meinen Schrank fertig ein, nahm mein Waschzeug noch raus und mit Schwung warf ich die leere Sporttasche auf den Schrank. Den Kulturbeutel legte ich einfach neben meinen T-Shirts in das Fach. Danach schloss ich den Schrank und sah mich noch einmal um. Das Zimmer wirkte irgendwie so steril. Wie in einem Krankenhaus. Es befanden sich keine Poster an den Wänden, wie bei einem normalen Jugendzimmer. Na ja, vielleicht darf man das ja nicht, dachte und ging zu einem der belegten Betten. Ich suchte etwas... fand aber nichts. Nein, kein Kuscheltier, keine Kuscheldecke (oder gar ein Schnuller...), gar nichts war zu sehen. Ich bin also der einzige, der eins hat. Na toll. Bist das einzige Baby hier, so wie es scheint. Ich nahm den Karton, öffnete ihn und holte den Teddybär von Stefan raus. Sanft streichelte ich ihn über das weiche Plüsch. Den musst du wohl gut verstecken, dachte ich mir und schlug meine Bettdecke zurück. Ich legte den Teddy auf das Laken und die Decke wieder drüber. Deutlich sah man die „Teddybeule". Ich drückte sie ein wenig runter, doch das half nicht viel. Sie ließ sich nicht verstecken. Ich krabbelte ins Bett und stopfte mein Kuscheltier in die Ritze zwischen Bett und Wand. Dann die Decke ein wenig davor und es war okay. Ich lächelte leicht. Ein Glück, das ich keinen Schnuller habe. Sonst müsstest du den auch noch verstecken. Wie ich allerdings das Daumenlutschen verbergen sollte, war mir noch ein Rätsel. Na, das kann ja was werden...

    Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Erschrocken drehte ich mich um. Da stand ein Junge in kurzen, abgeschnittenen Jeans und weißem T-Shirt. Einen blauen Rucksack auf dem Rücken. Sein Schulrucksack vermutete ich. Er sah mich kurz an, sagte aber nichts. Er nahm seine Tasche vom Rücken und warf sie in die Ecke bei dem Tisch.

    „Wer bist du denn? fragte er ziemlich forsch und verfinstere seinen Blick. „Ich... äh... ich bin der Neue. Ich heiße...

    „Ach ja richtig. Heut kommt ja ein Neuer." Laut warf er die Tür in Schloss und ging zum Schrank. Ich schluckte und schon wieder kam so ein mulmiges Gefühl in mir hoch.

    „Ich... bin Kai. Und wie heißt du?" Der Junge kramte in seiner Schrankhälfte. Es war die, die ich als erster aufgemacht hatte. Er holte eine Baseballmütze raus und setzte sie auf. Außerdem nahm er ein kleines Gerät raus, das wohl unter seinen Klamotten versteckt war. Es sah aus wie ein Handy. Warum antwortet er mir denn nicht, fragte ich mich. Er kann mich doch nicht einfach so stehen lassen. Die Zeit kam mir ewig lang vor. Ich sah ihn mir genauer an. Allerdings nur von hinten, weil er ja im Schrank kramte. Er war einen halben Kopf größer wie ich. Und er dürfte wohl gleich alt sein, schätzte ich. Seine Figur war schlank, fast sportlich. Im linken Ohr trug er einen kleinen, silbernen Ring.

    Genauso laut wie die Zimmertür schlug er den Schrank zu. Dann drehte er sich zu mir um.

    „Pierre. Und tschüß." Und genauso schnell wie er gekommen war, verließ er den Raum. Mit einem ebenfalls lauten Türknall.

    Ich glaube, er mag mich nicht besonders.

    Ich stand ziemlich dumm da und glotzte auf die geschlossene Tür.

    Pierre... soso... Diesen Namen habe ich noch nie gehört. Ich meine, ich kannte zwar den Namen, aber ich kannte noch nie jemanden, der so hieß. Ich grübelte über die Namen in meiner Klasse nach... Tobias fiel mir da ein... und Jochen. Michael natürlich. Und... da ging die Tür plötzlich wieder auf und Pierre kam noch mal rein. Er lief schnell zum Tisch, hob seinen Rucksack auf und schulterte ihn. Und dann, bevor ich irgendetwas sagen konnte, war er auch schon wieder weg. Einfach so weg. Als wenn es mich gar nicht geben würde. Ich atmete kurz durch. Mein mulmiges Gefühl, das eigentlich fast weg war, kam nun wieder. Ich fragte mich, was ich vielleicht falsch gemacht habe. Warum er so reagierte. Hätte ich was anderes sagen sollen? Aber was? Die Zeit war doch viel zu kurz. Wie sollte ich denn... ach vergiss es einfach. Er mag dich nicht. Basta. Finde dich damit ab. Vielleicht kann ich ja auch in ein anderes Zimmer ziehen, oder so.

    Ich leerte meinen Karton noch gar aus. Legte Stefans Brief und das Bild meiner Mutter in den Schrank unter den Stapel T-Shirts. So sah es keiner und es würde nicht kaputt gehen. Dumm nur, das man den Schrank nicht abschließen kann. Die leere Schachtel warf ich zu meiner Sporttasche auf den Schrank und verließ schließlich das Zimmer. Ich wollte mich mal umgucken.

    Ich lief den Gang entlang bis zum Waschraum. Und wie ich es schon befürchtet hatte, waren lange Waschbecken mit vielen Hähnen montiert. Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich die Duschen. Natürlich ohne Zwischenwände. Einfach so nebeneinander. Ich musste also mit den anderen Jungs völlig nackt duschen. Das flößte mir Unbehagen ein. Um das zu umgehen, bleiben nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich dusche gar nicht, und das war völliger Blödsinn, gerade bei der Sommerhitze, oder ich suche mir die Zeiten aus, wo kein anderer duschte. So konnte ich den anderen Jungs aus dem Weg gehen. Ob das funktionieren würde? Ich wusste es nicht.

    Neben dem Waschraum waren die Toiletten. Ganz normal mit Kabinen und Pissoirs. Ich machte kehrt und ging bis zur Treppe und gelangte so schließlich ins Erdgeschoss. Den „Mädchengang ließ ich links liegen und schlenderte weiter in einen anderen Flur. Ich entdeckte ein Schild mit der Aufschrift „Aufenthaltsraum und folgte diesem bis zum besagten Zimmer. Ich wollte hineingehen, aber gerade als ich die Hand auf die Klinke legte, hörte ich Stimmen aus dem Raum. Ich erschrak leicht und ließ die Hand sinken. Dann ging ich weiter. Ich war einfach zu feige. Wie so oft. Und dafür hasste ich mich.

    Im Keller hingegen war kein Mensch zu sehen. Dort fand ich die besagten Geräte wie einen Billardtisch und der Dartautomat. Auch Gesellschaftsspiele waren in einem Schrank gestapelt. Nicht übel, dachte ich. Wenn dir mal langweilig ist, kannst du da spielen. Ob alleine oder mit mehreren wird sich noch herausstellen. Ich ging wieder hoch und gelangte auf eine große Terrasse auf der Rückseite des Hauses. Dort war eine Spielwiese und sogar ein kleiner Fußballplatz. Holztore waren dort aufgestellt und zwei Basketballkörbe. Alles da, dachte ich und grinste leicht. Das wird schon. Du machst das. Du findest schnell Freunde und dann spielst du mit ihnen Ball. Oder Billard. Oder sonst irgendwas. Pierre muss ja nicht dein Freund sein, oder? Er ist nur in deinem (seinem) Zimmer. Nichts weiter.

    Ich nahm auf einen der Stühle der Terrasse Platz und genoss die Sonne. Ich lauschte. Es wurde immer lauter in dem Gebäude. Kindergeschrei war zu hören und ich sah auf die Uhr. Na ja. Schulschluss. Das heißt, es müsste jetzt Mittagessen geben. Ich hatte den Zeitplan schon wieder vergessen und wollte aufstehen, um noch mal ins Büro zu gehen. Nachfragen. Vielleicht kann ich es mir ja irgendwie aufschreiben.

    Aber ich kam nicht dazu. Jemand schubste mich in den Stuhl zurück und baute sich vor mir auf. Ich sah nach oben. Ein fremder Junge stand vor mir.

    „Ist er das?" fragte er den anderen, der nun neben ihm stand. Ich kannte ihn. Es war Pierre.

    „Ja, das ist er." sagte Pierre und verschränkte die Arme.

    Der andere grinste.

    „Na dann. Dann wollen mir mal..." Und er packte mich an den Armen und zog mich hoch.

    „Keine Angst... äh... wie heißt er noch mal?"

    „Kai."

    „Ah ja, genau. Also, Kai. Es tut nicht weh. Brauchst keine Angst zu haben."

    Aber ich hatte Angst. Große Angst sogar.

    3. Das Ritual

    (DU SOLLST DICH DA HINSTELLEN)

    Jan, so hieß der Junge, der mich hochzog, gab mir einen leichten Schubs in Richtung Tür und sagte:

    „Los, da geht's lang."

    „Was soll das denn?" fragte ich.

    „Das wirst du schon noch sehen. Und jetzt geh schon."

    Ich weiß bis heute noch nicht, warum ich mitgegangen bin. Eigentlich hatte es meine Angst verboten. Sie war ein eindeutiges Gefühl, ein Warngefühl vor den kommenden Momenten. Aber ich bin trotzdem mitgegangen. Jetzt, im nachhinein vermute ich, das ich es deshalb getan habe, um mir meinen Einstieg zu erleichtern. Um einfacher Anschluss zu finden an meine Mitbewohner. Ich dachte mir, das wird schon so richtig sein, was jetzt kommt. Und was soll denn auch schon groß passieren, oder? Wir gingen den Gang entlang, aus dem ich gekommen war. Jan und Pierre liefen jeweils rechts und links von mir. Wie eine Eskorte. Unsere Schritte hallten an den Wänden wieder.

    „Was hast du denn mit deinem Arm gemacht?" fragte Jan.

    „Ich... äh... da bin ich mit dem Rad... da hatte ich einen kleinen Unfall." log ich und grinste leicht und falsch.

    „Soso. Unfall." Auch Pierre gab seinen Senf dazu.

    „Ja, Unfall! konterte ich. „Was dagegen? Hey, Kai. Cool. Frech. Weiter so... Lass dich nicht Kleinkriegen. Egal, was sie mit dir vorhaben. Sollte es wirklich was schlimmes sein, dann werden sie schon sehen, wen sie vor sich haben. Jawohl. Zeig´s ihnen. Besieg deineAngst. Besieg deine...

    „Halt. Warte. Ich hab eine geile Idee." Jan stoppte plötzlich, streckte seinen rechten Arm vor meine Brust wie eine Schanke und drehte sich zu uns um.

    „Was ist denn los? Nicht wie immer?" Jan hob die Brauen.

    „Nein, viel, viel besser. Komm, wir gehen ins Büro.

    Was fragen."

    „Und was? „Siehst dann schon. Los jetzt.

    Und so machten wir kehrt und liefen zum Büro von Frau Berger. Jan klopfte, wartete kurz und öffnete die Tür. Pierre und ich warteten draußen.

    „Ach. Hallo Jan. Was kann ich für dich tun?" Frau Berger saß hinter ihrem Schreibtisch, einen Kugelschreiber in der Hand vor einem Berg Papier.

    „Ja... ich wollte fragen... ob ich... die Darts haben könnte. Bitte."

    „Ja klar, kein Problem." Sie griff in die Tasche und holte einen kleinen Schlüssel heraus, mit dem sie die unterste Schublade aufsperrte.

    „Reichen drei Pfeile?" fragte sie.

    „Äh... nein. Ich brauch neun."

    „Neun?" Die Heimleiterin guckte fragend nach dem Jungen, leicht gebückt, eine Hand noch in der Schublade.

    „Warum denn gleich so viele?"

    „Pierre will noch mitspielen. Und Kai auch." Frau Bergers Gesicht erhellte sich.

    „Echt? Ihr lasst Kai mitspielen?"

    „Äh.. ja. Er meinte... er sei gut. Und.. jetzt wollen wir rausfinden, wer der beste von uns ist. Und so weiter."

    Die Frau holte die neun Pfeile heraus, schloss die Schublade wieder und ging auf Jan zu. Sie lächeltebreit. Nein, sie grinste förmlich von einem Ohr zum anderen.

    „Hier hast du sie." Sie drückte die Darts in seine Hand.

    „Weißt du, das find ich echt toll, das ihr Kai mitnehmt. Wirklich super. Hätte ich nicht von dir gedacht. Ehrlich."

    „Na ja, ich glaube, er ist ganz okay, der Typ."

    „Schön, wenn ihr euch versteht. Es ist bestimmt schwierig für ihn. Er kennt ja keinen."

    „Schon klar. Das wird schon."

    „Ganz sicher. Mit so einer tollen Starthilfe." Und wieder grinste sie übers ganze Gesicht. Und auch Jan grinste (falsch).

    Zufrieden sah Frau Berger Jan nach. Er ist doch ein guter Junge, dachte sie sich und widmete sich dann wieder ihrer Arbeit.

    „Also. Was ist jetzt?" fragte Pierre den wieder aus dem Büro kommenden Jan.

    „Schau mal, was ich hier habe." Er fuchtelte mit den Dartpfeilen vor seinem Gesicht rum.

    „Na? Verstehst du?" Pierre guckte zuerst völlig planlos.

    Aber dann kapierte er, was sein Freund meinte. Nur ich verstand immer noch Bahnhof. Was sollte das? Wollen die mit mir um die Wette spielen?

    Wir setzten unseren Weg fort, runter in den Aufenthaltsraum im Keller. Sie schubsten mich unsanft hinein und schlossen dann die Tür.

    Pierre knipste das Licht an.

    „So, Kai. Da sind wir." Ich sah mich kurz um. Den Raum hatte ich ja vorhin schon gesehen. Den Billardtisch, den Dartautomaten. Kannte ich alles schon.

    „Ja, und jetzt?" fragte ich und hob die Schultern.

    „Ich hab noch nie Dart gespielt. Ich verlier` ganz sicher. Ich kann das nicht."

    „Das brauchst du auch nicht können. Du musst nur eins machen. Ganz einfach stillstehen. Sonst nichts."

    „Ja. Und dein Maul halten."

    „Ja, genau." Beide lachten laut auf. Jan gab seinem Freund vier Pfeile.

    „Du darfst du zuerst. Aber lass mir was übrig." Er grinste schief. Und jetzt kapierte ich endlich (meine Güte, du Idiot, das wurde aber auch Zeit), was sie mit mir vorhatten. Ich sollte ihre Zielscheibe sein. Nicht der Automat. „Stell dich vor die Wand da. LOS!" Ich kniff die Augen zusammen.

    „Sag mal, spinnt ihr? Ihr könnt doch nicht..."

    „Halt die Klappe, du Idiot. Stell ich da hin!"

    „Ja, aber..."

    „DU SOLLST DICH DA HINSTELLEN! Bist du taub, oder was?" Jan schubste mich an die Wand. Mit dem Rücken knallte ich an den rauen Putz.

    „Und rühr` dich nicht. Verstanden?"

    „Bitte... das könnt ihr doch nicht machen." Jetzt hatte ich richtig Schiss. Ich konnte mir das fast nicht vorstellen, was die da mit mir vorhatten. Aber es war die Realität. Das passierte wirklich. Kein Traum. Ich war eine lebendige Zielscheibe für Jan und Pierre. Und beide standen ungefähr drei Meter vor mir. Pierre bereits einen Pfeil im Anschlag.

    „Bitte... „sagte ich leise. Hört auf... ich... Die ersten Tränen liefen mir langsam über mein Gesicht. Ein Zittern raste durch mich durch. Bis zum Hals pochte kräftig und schnell mein Herz. Ich flehte sie an, es nicht zu tun. Wie damals...

    Gedankenbilder... ²

    Bitte, Papa, schniefte ich kaum verständlich, „du tust mir weh. Aber er lockerte seinen Griff nicht. Augen zu...

    Ich bettelte, ich jammerte. Doch die einzige Antwort, die ich bekam war: „Halt die Klappe!"

    Ich sah ihn fliegen. Wie in Zeitlupe. Ganz langsam kam er auf mich zu. Ich sah die Spitze (nur Kunststoff, nur Plastik... gut... oder?) immer näher kommen. Die bunten, kleinen Flügel am Dartpfeil drehten sich und spiegelten sich im Licht. Komisch nur, das ich mich nicht bewegen konnte. Wenn er schon so langsam flog, warum konnte ich dann nicht mehr rechtzeitig ausweichen? Meine Reaktionen waren einfach noch träger, als die Zeitlupe. Ein stechender Schmerz entbrannte auf meiner Brust. Der Pfeil bohrte sich bin zum Anfang des Griffstückes in meine Haut.

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