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Zeit zum Überleben - Zukunft
Zeit zum Überleben - Zukunft
Zeit zum Überleben - Zukunft
eBook279 Seiten3 Stunden

Zeit zum Überleben - Zukunft

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Über dieses E-Book

Jessica und Marc fanden in Espoir Zuflucht und haben sich hinter den Stadtmauern verbarrikadiert. Aber nach dem ersten, überstandenen Angriff rückt eine gefürchtete Bande aus Gefängnisinsassen in ihre Region vor.
Marc ist es gelungen, Jessicas Herz zu erobern, aber nicht in erster Linie mit seinem Charme, dem durchtrainierten Body und seinen seidigen, rotbraunen Locken. Nein, er hat es geschafft, mit ihren sexuellem Trauma umzugehen und lockt sie allmählich aus ihrem Schneckenhaus. Doch plötzlich behauptet er, ein Mörder zu sein und dann taucht da auch noch der Albtraum aus Jessicas Vergangenheit auf.
Währenddessen stehen sie vor der Herausforderung, in einer fast von Menschen ausgerotteten Welt, in der jegliche Elektronik durch EMP-Wellen zerstört wurde, Felder abzuernten, Wintervorräte anzulegen und eine Kuh zu melken – und das ohne Erfahrung und teils mittelalterlichen Methoden…
Zweiter & letzter Teil von "Zeit zum Überleben"
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum8. Aug. 2019
ISBN9783748558002
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    Buchvorschau

    Zeit zum Überleben - Zukunft - Lara Greystone

    Prolog

    Zeit zum Überleben – Zukunft

    Ein Roman von Lara Greystone

    Ich bin Jessy und meine ganz normale, spießige Welt wurde vor einigen Monaten völlig aus den Angeln gehoben.

    Dieses Land und seine Nachbarländer sind leer und still geworden. Na ja, bis auf den Hahn, der mir mit seinem Gekrächze schon vor Sonnenaufgang den letzten Nerv raubt.

    Still – denn der Lärm der modernen Zivilisation ist verstummt.

    Leer – denn es leben kaum noch Menschen.

    Das liegt an dem Krieg, wobei es kein Krieg im herkömmlichen Sinne war. Eigentlich ging es nur um Rohstoffe, denn die waren der stetig wachsenden und riesigen Exportnation im Osten ausgegangen. Die anderen Länder hatten selbst nicht mehr genug für den Verkauf, denn es war für alle knapp geworden. Aber zum Exportieren braucht man eben Rohstoffe, von Öl mal ganz abgesehen.

    Es fielen keine Bomben.

    Es gab auch keine Kriegserklärung.

    Es brach nur plötzlich eine neue Welle der Vogelgrippe aus, und zwar ein extrem ansteckender Virenstamm.

    So fing alles an …

    Still und heimlich hatte die Nation im Osten zuvor ihre Bürger geimpft. Heute kalkuliert man, dass nur 60 Prozent der Bevölkerung dieser Grippe zum Opfer gefallen wären. Aber da gab es jenen Pharmakonzern, der mit ebenso viel finanzieller Gier wie Hastigkeit einen Impfstoff entwickelt hatte. Angesichts der Sterberate war die Angst größer als die Vorsicht und es war ja auch das einzige Mittel auf dem Markt. Und mit dem grassierenden Tod vor Augen fragte niemand nach, nur das Überleben zählte noch.

    In Windeseile ließ sich die gesamte Bevölkerung impfen und der Konzern wurde unsagbar reich. Aber erst starben Tausende wegen unerwarteter Nebenwirkungen und dann mutierte der Virus sogar noch in eine weitaus aggressivere Form. Die Experten waren sich später einig, dass der nicht ausreichend getestete Impfstoff dafür verantwortlich war.

    Unterm Strich starben in manchen Regionen über 99 Prozent der Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit.

    Nun brauchen wir nicht mehr so viele Rohstoffe.

    Zur ursprünglichen Strategie der Armee aus dem Osten gehörten auch Pläne, Teile von Mitteleuropa und Afrika zu überrennen. Dazu setzten sie flächendeckende sogenannte EMP-Wellen ein. Die sorgten dafür, dass alle elektronischen Geräte von einer Sekunde auf die andere dauerhaft funktionsunfähig waren.

    »Ohne einen Tropfen Blut erleben wir den verheerendsten Krieg aller Zeiten«, betitelte es die letzte Ausgabe einer Zeitung, die nur noch auf einem gefalteten DIN-A3-Blatt erschien.

    Unser Land war am Boden.

    Ein öffentliches Leben existierte nicht mehr. Alles war geschlossen, die Straßen menschenleer. Unser komplettes System – Kommunikation, Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen – hatte sozusagen einen tödlichen Kollaps erlitten.

    Unsere Bündnispartner schafften es zwar, die Invasionspläne des Ostens zu vereiteln, doch aufgrund des extrem aggressiven Virus wurden sämtliche Landesgrenzen dicht gemacht. Ein paar Inseln wie Australien, Neuseeland und Island gelang es auf diese Weise, einigermaßen verschont zu bleiben. In den anderen Staaten regierte die nackte Angst. Überall summierte man tagtäglich die Toten und gab neue Hochrechnungen heraus.

    Ich hatte Glück und war eine unter Tausenden, die immun gegen diesen Virus war. Aber auch für mich hatten sich die Zeiten gründlich geändert: Es wurde nämlich Zeit zum Überleben.

    Jeden Tag musste ich aufs Neue Nahrung und frisches Trinkwasser suchen und das in ständiger Angst vor den Hellhounds, denen ich mehrmals nur knapp entwischt war. Hellhounds nennt man die Plündererbanden, die wie Wanderheuschrecken in Städte einfallen, verwüsten, vergewaltigen und morden. Oft war für mich nur noch Zeit zum Überleben – zumindest, bis ich Marc traf. Er sagte mir, dass Überleben nicht alles ist. Statt uns zu verstecken und zu flüchten, versuchen wir nun, uns hier in Espoir ein neues Leben aufzubauen, doch die Hellhounds könnten jederzeit auftauchen …

    Kapitel 1

    »Ich bringe diesen Hahn um! Ich geh raus und dreh ihm die Gurgel um!«

    Ich zerre das Federkissen unter mir hervor und presse es zornig auf mein Gesicht.

    »Kann halt nicht alles perfekt sein, Jessy«, murmelt Marc schlaftrunken neben mir. »Sonst wären wir in Utopia und nicht in einer vom Krieg auf den Kopf gestellten Welt.«

    Da hat er leider recht.

    Vor ein paar Monaten hatte ich noch einen Job. Ein Leben ohne mein Handy wäre für mich undenkbar gewesen und ich hätte mir nie vorstellen können, für warmes Badewasser einen Ofen mit Holz zu heizen! Aber dieser Krieg um Ressourcen hat fast alle Menschen durch diesen Virus ausgerottet und die EMP-Angriffe haben jegliche Elektronik in Schrott verwandelt. Der Todesstoß für unsere gesamte Kommunikation und Infrastruktur.

    Früher habe ich mich immer über Strafzettel und Tempolimits aufgeregt. Heute würde ich mit Freuden jedes Bußgeld zahlen, wenn es dafür noch eine Polizei gäbe, die mich vor den Hellhounds schützt. Wir könnten nämlich jederzeit von einer dieser Plündererbanden überfallen werden und ich würde mir eher die Kehle durchschneiden, als von so einer Horde vergewaltigt zu werden.

    Eines ihrer Opfer liegt unten im Wohnzimmer. Sie haben die blutjunge Frau so schlimm zugerichtet, dass sie die Nacht wohl nicht überlebt haben wird. Dann sind wir nur noch zu zweit in diesem Dorf.

    Als Marc sie gestern fand, war sie schon nicht mehr bei Bewusstsein und ohne Ärzte stehen die Chancen in so einem Fall fast gleich null. Sie ist eine Fremde für uns, wir kennen noch nicht mal ihren Namen. Aber Marc hätte es trotzdem nie übers Herz gebracht, sie mutterseelenallein dem Sterben zu überlassen. Also transportierte er die halb tot Geprügelte hierher zu uns nach Espoir, was übersetzt Hoffnung heißt.

    Das ist auch einer der Gründe, warum ich Marc liebe: Er hat Charakter, Mitgefühl und einen Beschützerinstinkt, der mir bereits mehr als einmal das Leben gerettet hat. Als ich ihn das erste Mal traf, dachte ich, er gehört zu den Hellhounds und würde über mich herfallen. Doch das tat er nicht. Er hat mein Nein akzeptiert und mich trotzdem kurz darauf vor einer dieser Banden beschützt. Dabei hat er sich einen Bauchschuss eingefangen und wäre beinahe gestorben.

    Der dämliche Hahn, der demnächst zum Brathähnchen befördert wird, krächzt schon wieder!

    Ich kapituliere seufzend und schiebe das Kissen von meinem Kopf.

    »Ich sollte nach ihr sehen.«

    Gestern Abend habe ich die Misshandelte, die womöglich noch ein Teenager ist, gebadet. Habe mit Lavendelseife abgewaschen, was die Hellhounds auf ihr hinterlassen hatten. Ihre langen, blonden Haare wurden von mir mit Rosenshampoo vom Dreck befreit. Ich habe ihr Gesicht eingecremt, zwei Zöpfe geflochten und ihr ein weiches Flanellnachthemd mit unzähligen, kleinen Blümchen angezogen, das so himmelblau ist wie ihre Augen. Ich schätze, sie hat von alldem nichts mitbekommen und vielleicht lebt sie gar nicht mehr. Trotzdem konnte ich nicht anders. Ich wollte ihr dadurch ein Stück Würde zurückgeben.

    Dass eine so zarte, junge Frau das Ausmaß an Brutalität überlebt, das sich auf ihrem Körper abgezeichnet hat, glaube ich kaum.

    Gerade will ich mich aufraffen und aus dem Bett quälen, da zieht uns Marc die gemeinsame Bettdecke über den Kopf.

    »Warte noch.«

    »Worauf?«, frage ich skeptisch, denn immerhin liegen wir nur mit T‑Shirt im Bett und Marc ist stärker als ich.

    Meine erste Erfahrung mit Sex als Teenager war unfreiwillig und hat ein Trauma hinterlassen. Und vor Kurzem bin ich bei zwei nächtlichen Übergriffen von Hellhounds nur knapp entkommen. Alles in allem habe ich dadurch einen ganz schönen Knacks in Sachen Sex.

    »Schsch«, murmelt Marc unter der Decke und streicht mir sanft eine meiner langen, feuerroten Locken aus dem Gesicht.

    »Bevor wir uns durch diesen neuen Tag kämpfen, wollte ich dich noch mal ansehen und …«

    »Und?«, frage ich und spüre schon Panik in mir aufsteigen.

    »Dir sagen, dass ich froh bin, dich gefunden zu haben.«

    Dabei küsst er mich mit seinen unglaublich weichen Lippen auf die Stirn.

    »Du magst eben Rothaarige«, erwidere ich und versuche lapidar zu klingen. Das war eines der ersten Dinge, die er mir bei unserer ersten Begegnung machohaft mitteilte, vermutlich um cool zu wirken.

    Für seinen zarten Kuss hat sich Marc allerdings halb auf mich gelegt und das macht mir eine höllische Angst. Dabei hat er das wirklich nicht verdient! Er war bisher immer nett und sanft zu mir, hat mich schon zweimal davor bewahrt, den Hellhounds in die Hände zu fallen. Außerdem sieht er zum Anbeißen aus: Marc hat breite Schultern und kein Gramm Fett. Er ist über 1,80 Meter groß und auf der gesamten Länge äußerst gut gebaut und durchtrainiert, ohne dabei ein Meister Proper zu sein.

    Ich mag seine üppigen, kastanienbraunen Haare, die ihm bis auf die Schulterblätter reichen. Sie fühlen sich seidig an, wenn ich mit meinen Finger hindurchfahre. Bindet er sie nicht im Nacken zusammen, dann kommen wie jetzt seine Locken zum Vorschein. Im Blick von Marcs warmen, bernsteinfarbenen Augen möchte ich oft nur versinken und alle Probleme um mich herum vergessen. Seine viel zu verführerischen, vollen Lippen zu küssen, ist zum Dahinschmelzen, und sie stellen auch anderswo wunderbare Dinge an. Gestern Abend hat er mit kaltem Wasser seine Haare gewaschen und nun duften sie herrlich nach Minze. Er hatte sich auch rasiert, nur sein süßer, kleiner Spitzbart am Kinn ist übrig geblieben und der kann an intimen Orten neckisch kitzeln. Dass Marc trotz der widrigen Umstände immer noch Wert auf ein sauberes Äußeres legt und recht gepflegte Hände hat, zeigt ebenfalls seinen Charakter. Obwohl unsere Zivilisation am Boden liegt, lässt sich nicht jeder gehen und zwingt dem Schwächeren seinen Willen auf.

    »Du bist steif wie ein Brett«, bemerkt Marc und ich höre die Enttäuschung heraus.

    Ich bin es so leid, Angst zu haben, vor allem vor ihm! Diese ständige Angst ist wie eine würgende Hand, die sich immer enger um meine Kehle legt.

    Die Situation wird mir zu viel.

    Mir brennt eine Sicherung durch.

    Ich werfe Marc fast von mir herunter und stolpere aus dem Bett.

    »Tut mir leid, Marc«, stammle ich noch und greife dann hastig nach meinen Klamotten.

    Mit fahrigen Bewegungen ziehe ich mich hektisch an.

    »Das hat nichts mit dir zu tun, Marc. Es passiert einfach.«

    Ich stecke meinen zweiten Fuß gerade in den Wanderstiefel – die sind eindeutig besser für den Überlebenskampf geeignet als High Heels von Gucci –, da streckt Marc auf dem Bett liegend seine Hand aus und hält mich am Arm fest. Ich presse die Kiefer aufeinander, um mich nicht panikartig loszureißen.

    »Gib mir einfach Zeit, Marc. Okay?«

    »Du musst endlich mit mir darüber reden, Jessy.«

    Ja klar! Reicht es nicht, dass ich einen ziemlichen Knacks habe? Muss ich das auch noch in aller Ausführlichkeit erklären und die verhassten Erinnerungen aus ihrem Kerker lassen? Wobei es mir ja eh nicht immer gelingt, sie dort gefangen zu halten!

    Ich antworte also lieber gar nicht und sage stattdessen: »Ich heize den Herd unten in der Küche an. Kochst du dann den Kaffee? Deiner schmeckt nämlich besser.«

    Vorbei die Zeit, in der man nur Kaffeepulver einfüllte und auf ein Knöpfchen gedrückt hat. Wenn man heutzutage einen Kaffee trinken will, bedeutet das einen ziemlich Aufwand: Man muss den Holzherd in der Küche anfeuern, einen Kessel mit Wasser aufsetzen und erst mal warten, bis es endlich kocht. Dann wird Schluck für Schluck das kochende Wasser auf den Kaffee im Filter gegossen, unter dem eine Kanne steht. Wenn man auch noch Milch dazu haben möchte, muss man vorher die Kuh in unserem Stall melken und darin bin ich leider eine Niete. Also wird mein Kaffee schwarz sein.

    Ich eile aus dem Schlafzimmer, drücke mich aber davor, sofort hinunter ins Wohnzimmer zu gehen, wo wir die misshandelte Frau auf das Sofa gelegt haben. Ich schließe Menschen nämlich schnell ins Herz und genau das wird mir brechen, wenn ich gleich die Leiche der blutjungen Frau in ein Betttuch wickeln muss. Und ich werde noch nicht mal ihren Namen in ein Kreuz ritzen können, denn sie war nicht mehr in der Lage, ihn uns zu mitzuteilen.

    Also trödle ich, während ich oben im Bad meine widerspenstigen, feuerroten Locken zu einem langen Zopf flechte. Das ist in diesen Zeiten leider praktischer, als sie offen zu tragen. Erst als ich auch meine Zähne recht ausgiebig geputzt habe, zwinge ich mich, die Treppe hinunterzugehen.

    Dabei fällt mein Blick auf die Wanderstiefel und ich bekomme ein schlechtes Gewissen. Früher wäre ich nie mit solchen Schuhen im Haus herumgelaufen. Mir sind gute Manieren wichtiger denn je, weil ich mich sehr nach dem normalen Leben vor dem Krieg zurücksehne. Aber wenn man jederzeit überfallen werden kann und gezwungen ist, um sein Leben zu kämpfen oder wegzulaufen, dann müssen die guten Manieren doch hier und da zurückstehen.

    Ich schleiche mich zur »guten Stube« von Berta – unsere Generation würde Wohnzimmer dazu sagen. Berta war die liebenswürdige, alte Dame mit Kittelschürze, die bis gestern hier gewohnt hat und um die ich sicher lange trauern werde.

    Leise öffne ich die Tür und trete zögernd an die misshandelte Frau heran. Eines ihrer Augen ist lila und zugeschwollen, ihre Lippe aufgeplatzt, vom schrecklichen Rest will ich gar nicht reden. Überrascht stelle ich fest, dass sich ihr Brustkorb hebt und senkt. Sie ist tatsächlich noch am Leben!

    Kapitel 2

    Ich strecke meine Hand nach der Stirn der Unbekannten aus, um zu fühlen, ob sie Fieber hat.

    Plötzlich reißt sie die Augen auf und kreischt drauflos. Ich schreie, weil ich mich zu Tode erschrecke.

    Dann starren wir uns gegenseitig an.

    Ich höre, dass Marc die Treppe herunterpoltert. Als er Sekunden später mit nichts als seiner Unterhose, einem T‑Shirt und einem Fleischermesser zu uns hereinstürmt, kreischt die blutjunge Frau abermals.

    Kein Wunder, wenn man mehrfach vergewaltigt wurde. Geduckt, als würde gleich jemand über uns herfallen, schaut sich Marc hektisch um.

    »Woher?! Wie viele?!«

    »Wir werden nicht angegriffen, Marc.«

    Er atmet tief durch, richtet sich auf und fährt sich durch die Haare.

    »Mensch, ich dachte, ihr werdet gerade abgestochen!«

    »Alles gut, Marc. Wir haben nur …«

    »Euch mit Gebrüll vorgestellt?«

    »So ungefähr. Aber du hast recht, wir sollten uns wirklich anständig vorstellen. Also«, sage ich und schaue zu der jungen Frau, die krampfhaft ihre Decke umklammert, die sie bis zum Kinn hochgezogen hat. Sie starrt Marc mit einem Ausdruck der Panik an. »Das ist Marc.« An ihn gewendet presse ich leise hervor: »Mensch, leg das Messer endlich weg!«

    »Ach so, ja«, murmelt er und legt das gut 30 cm lange Ding auf den Tisch neben das Sofa, auf dem die Frau liegt.

    Sie reißt die Waffe sofort an sich und hält sie schützend vor ihre Brust.

    Marc seufzt und zeigt dann auf sein T‑Shirt, das ich ihm als Nachtwäsche aufgebrummt habe. Es ist ihm peinlich, sein Gesichtsausdruck verrät das. Darauf ist nämlich Snoopy abgebildet, der Woodstock – den kleinen gelben Vogel – innig drückt, dazu noch zwei Herzchen.

    »Mal ehrlich«, erklärt er der jungen Frau, »muss man sich vor einem Kerl fürchten, der so was trägt? Ein Typ, der so was anzieht, produziert vermutlich gar kein Testosteron mehr, sondern nur noch weibliche Hormone.«

    »Snoopy ist süß!«, verteidige ich das Shirt und blicke lächelnd zu der Unbekannten. »Komm schon, schlag dich auf meine Seite!«

    Sie schaut erst zu mir, dann wieder auf Marcs Shirt – und fängt an zu kichern.

    »Ihr habt beide recht.«

    »Ich geb auf und feuer den Herd an«, stöhnt Marc, und wendet sich in Richtung Küche ab. »Süß!«, stößt er kopfschüttelnd aus. »Welcher Kerl will denn auf diese Art süß aussehen? Ein Eunuch?«

    Ich muss inzwischen auch kichern und bin froh, dass wir auf diese Weise das Eis gebrochen haben.

    Ihre Hand krampft sich immer noch um das Messer, doch mit sichtbarer Überwindung legt sie das Messer schließlich doch auf den Wohnzimmertisch zurück.

    »Und ich bin übrigens Jessica«, stelle ich mich schließlich vor.

    »Du hast den Zettel geschrieben?«, fragt sie. »Und die Lampe angelassen?«

    Ich nicke. Ihr treten Tränen in die Augen.

    »Danke für alles. Ohne deine Notiz hätte ich geglaubt, die nächste Bande hätte mich geschnappt. Und ohne das Licht der Lampe hätte ich nicht wieder einschlafen können.«

    »Ich kann auch nicht im Stockdunkeln einschlafen«, gebe ich zu. »Aber du solltest wissen, dass es Marc war, der dich gefunden und hierher in Sicherheit gebracht hat.«

    »Und wo ist hier?«, fragt sie und schaut sich in der gemütlichen Stube von Berta um.

    »Du bist in einem elsässischen Dorf mit Namen Espoir und erst mal in Sicherheit. Wir haben eine Stadtmauer und Tore und …«

    »Eine Stadtmauer?«

    »Ja, eine mittelalterliche Mauer, die wieder ihren Dienst gegen Plünderer aufgenommen hat«, erkläre ich lächelnd.

    »Habt ihr auch Kanonen und Brandpfeile?«, fragt sie skeptisch.

    Aber ich bin irgendwie stolz, auf das, was wir schon erreicht haben und gebe Kontra.

    »Na ja, statt Kanonen haben wir Pistole und Schrotflinte, und anstelle von Brandpfeilen basteln wir Brandsätze. Aber bevor wir weiter mittelalterliche Waffen diskutieren, hätte ich echt gern deinen Namen gewusst.«

    Sie blickt auf ihre Hände und zögert.

    »Ich«, beginnt sie und hält dann inne. Ihre Finger kneten die Wolldecke. Ich lasse ihr Zeit. »Ich«, fängt sie erneut an und blinzelt, als ob sie Tränen verdrängt. »Kann – kann ich mir einen neuen Namen geben? Ich will vergessen, was mir passiert ist. Nie mehr dran denken. Jemand anderes sein. Neu anfangen.«

    »Such dir ruhig einen aus, wenn du magst«, ermutige ich sie und schaue dann auf meine Hände. »Verdrängen wird nur leider nicht helfen, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Aber vielleicht fängt ja jeder so an.«

    Ich reiße den Blick wieder hoch.

    »Aber jetzt sag mir erst mal, wie es dir geht. Brauchst du etwas?«

    »Ich habe heute Nacht alle Schmerzmittel auf dem Tisch geschluckt. Mir tat jeder Knochen im Leib weh. Habt ihr noch mehr?«

    Sie hält sich die Hände dabei auf den Unterleib und ich muss schlucken. Natürlich denke ich sofort daran, dass sie vergewaltigt wurde, und ein Schwall Magensäure kommt mir hoch. Ich schlucke ihn mit Gewalt herunter und reiße mich zusammen, um nicht aus dem Raum zu rennen und mich zu übergeben. Böse Erinnerungen, wie schon gesagt.

    »Ja, ich war neulich in der Apotheke«, scherze ich regelrecht, denn es klingt so normal. In Wahrheit bin ich natürlich nicht in eine Apotheke spaziert und habe dort auf Rezept Medikamente vom Fachpersonal erhalten. Nein, während Marc draußen fast verblutete, bin ich in eine bereits geplünderte Apotheke gerannt und habe panisch alle Schubladen aufgerissen. »Ich bringe dir gleich noch welche. Kannst du aufstehen?«

    »Nein, ich habe mir das Bein gebrochen, als ich geflohen bin.«

    Tränen laufen ihr aus den Augen. Im Gegensatz zu dem, was

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