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Loipenmord: Alpen-Krimi
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eBook279 Seiten3 Stunden

Loipenmord: Alpen-Krimi

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Über dieses E-Book

Vroni Obergmainer fühlt sich gefangen im nervenden Alltagstrott von Hausarbeit, Zimmervermietung und der kräftezehrenden Betreuung ihrer betagten Tante Rosa. Die Pflege ihres Onkel Vitus, Rosas Mann, lastete bis vor ein paar Tagen, als er – Gott hab ihn selig - im Kreise seiner Familie entschlafen durfte, ebenfalls schwer auf Vronis Schultern. Um dem Stress der letzten Monate für eine Weile zu entkommen, versucht sie tags darauf ihren strapazierten Nerven beim Langlauf ein wenig Erholung zu gönnen. Während dieser sportlichen Ablenkung stolpert sie fast über eine Leiche. Nun stehen Vroni erst recht jede Menge Aufregungen und Turbulenzen ins Haus. Denn bei dem Mordopfer handelt es sich um Herrn Ruben van der Roar, einen ihrer Feriengäste.

SpracheDeutsch
HerausgeberFederfrei Verlag
Erscheinungsdatum22. Okt. 2021
ISBN9783990741740
Loipenmord: Alpen-Krimi

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    Buchvorschau

    Loipenmord - Martina Thaler

    Kapitel 1

    Freitag. Ein ausgesprochener Scheißtag ist heute! Die Beerdigung meines Onkel Vitus geht gerade über die Bühne und es schneit, als wäre der Himmel offen. Unbeeindruckt davon zieht unser Herr Pfarrer die Abschiedsrede in die Länge, als ob das irgendwas an der Endgültigkeit des Todes ändern würde. Zitternd und frierend stehen wir in versammelter Mannschaft neben dem Sarg. Tante Rosa laufen Tränen über die bereits leicht bläulichen Wangen – ob sie jetzt langsam begreift, dass ihr Ehemann für immer fort ist? Mein Onkel war längst nicht mehr taufrisch wie ein junger Frühlingsmorgen, sondern immerhin bereits im 91. Lebensjahr. Ein Segen, hat der Pfarrer gepredigt, ein Segen wäre es, so ein langes Leben zu haben …

    Na, ja, Ansichtssache, finde ich! Es kommt drauf an, wie fit man ist und ob man ein selbstbestimmtes Leben führen kann. Von meiner Warte aus und in Anbetracht dessen, dass sowieso JEDER (ich kenne jedenfalls niemanden, der übriggeblieben wäre) einmal sterben muss, ist es ab einem gewissen Zeitpunkt eher ein Segen, wenn man endlich abdanken kann! Zum großen Glück von Vitus und von uns allen war mein Onkel bis zu seinem ersten Schlaganfall vor vier Monaten gut beisammen für sein hohes Alter. Er kreuchte mit seinem Spazierstock ums Haus, beobachtete voll Interesse die Nachbarn mit dem Fernglas, aß selbst und ging allein aufs Klo – tausend Dank dafür, lieber Gott!

    Wenn es nämlich mit Füttern und Windeln Anziehen losgeht, dann hast du im wahrsten Sinne des Wortes die Arschkarte gezogen. In ein Altenwohnheim wollte Vitus definitiv nicht, also ermöglichte ich meinem Onkel, seinen letzten Lebensabschnitt zu Hause zu verbringen. Die rund-um-die-Uhr-Pflege war ein Horror, das muss ich leider zugeben! Unser aller gewohntes Leben änderte sich grundlegend, als Vitus eines morgens nicht mehr aufstehen konnte. Seine linke Körperhälfte war völlig taub, von da an nahm das Elend seinen Lauf. Vor Schock und Aufregung wirbelte ich herum wie ein kopfloses Huhn, suchte verzweifelt mein Handy und brauchte geschlagene zehn Minuten, bis ich es endlich schaffte, die Rettung anzurufen. Tante Rosa zu beruhigen war ein Ding der Unmöglichkeit, sie führte sich auf wie vom wilden Affen gebissen, bis endlich der Notarzt kam. Erst dieser vermochte die Situation ein wenig zu deeskalieren. Das Krankenhausteam leistete hervorragende Arbeit! Sie brachten unseren Vitus bald wieder auf Vordermann, sodass er gut sechs Wochen später in häusliche Obhut entlassen werden konnte. Oder in ein Pflegeheim eben! Vor solchen Entscheidungen steht man dann.

    Der Vitus kommt natürlich nach Hause! Das war ja sonnenklar! Und nur mal so nebenbei – um der Hilfsbereitschaft ein wenig auf die Sprünge zu helfen: Habt ihr euch jemals erkundigt, was ein Platz im Pflegeheim kostet, falls man überhaupt einen ergattert – einen Lottosechser zu landen ist nämlich ein Kinderspiel dagegen! Nein, nicht erkundigt? Mit läppischen drei bis fünftausend Euro monatlich (je nach Höhe der Pflegestufe!) bist du schon dabei! Das sollte für einen Bezieher der Mindestrente nun wirklich kein Problem sein, die paar Cent schüttelt man schließlich locker aus dem Ärmel. Sollte es jedoch wider Erwarten finanziell nicht so gut ausschauen, erleichtert einem das natürlich die Wahl zwischen Seniorenresidenz und Heimpflege ungemein, nicht wahr!? Von da an haben wir also herumgewurschtelt, so gut es eben ging … eher schlecht als recht … bis der Herrgott vor fünf Tagen ein Einsehen hatte und einen sakrischen zweiten Schlaganfall nachschickte.

    Game Over!

    Die Bläsergruppe spielt nun die letzte Weise. Auf den Trachtenhüten der Musikanten türmt sich inzwischen gut ein halber Meter Neuschnee, die teuren Flaumfedern hängen als nasser Waschlappen herunter. Noch dazu haben sie sich einen Patzer geleistet, dass es mich zusammenzieht.

    Als endlich alle Trauergäste mit den Beileidwünschen durch sind, geht’s auch für uns – also: die Tante Rosa, meinen Mann Sepp, unseren gemeinsamen Sohn Michi und meine Wenigkeit – gestatten: Vroni Obergmainer mein Name – hinüber zum Wirt, auf einen wohlverdienten Leichenschmaus.

    »Jo, mei«, ruft die Hinterleithner Leni vom Nebentisch herüber, »schnell hat er’s packt, der Vitus. Gell, Rosa! Ein paar Jährchen mehr hätte ich ihm schon noch gegönnt, deinem lieben Mann. Wäre ja gut gegangen, ihr habt’s eh die Vroni!«

    »Mhm, jetzt steh’ ich allein da. Das ist nicht leicht, glaub’ mir’s Leni, ich bin auch nicht mehr die Jüngste und meine Beine, jaja, meine Beine, die wollen nicht so recht. Immer einbinden müssen wir sie, jeden Tag, wegen dem Wasser, weißt du? Aber das ist ja zum Glück kein Problem, die Vroni macht das schon«, erwidert Rosa mit weinerlicher Stimme. Sie schnäuzt sich ausgiebig. »Und die Einsamkeit! So leer ist es ohne meinen Vitus, das ist das Allerschlimmste, gut, dass wenigstens die Vroni mit ihrer Familie im selben Haus wohnt«, legt die Tante noch ein Schäufelchen nach, dann zerdrückt sie erneut ein paar Tränen. Aha, freilich! Die Vroni, die Vroni, die Vroni! Wer sonst!? Das war klar. Geht mir so durch den Kopf. Das kann heiter werden!

    Der Onkel Vitus und die Tante Rosa, die waren schon in Ordnung, dass wir uns da richtig verstehen. Niemals vergesse ich ihnen, dass sie mich aufgenommen haben; damals, als meine Eltern tödlich mit dem Auto verunglückt sind. Das war vor mittlerweile 41 Jahren.

    Ich war erst 6 und habe den Unfall unbeschadet überlebt. Mir ging es immer gut bei dem kinderlosen Paar, mein Leben war durchaus glücklich, ja, das kann man mit Fug und Recht behaupten. Natürlich erinnere ich mich dunkel an meine leiblichen Eltern, aber mit 6 Jahren ist man halt klein; glücklicherweise zu klein, um lange in einer derart massiven Lebenskrise zu verharren. Somit waren und sind Onkel Vitus und Tante Rosa bis heute die wichtigsten Menschen für mich. Wenn man jemandem zutiefst dankbar ist und ihn von ganzem Herzen liebt, fühlt man sich demjenigen gegenüber auch verpflichtet. Bei mir ist das jedenfalls so. Niemals wäre mir in den Sinn gekommen, die beiden zu verlassen und auf meinem Lebensweg in die Ferne zu schweifen. Schon gar nicht, als die beiden immer älter wurden und in allen Belangen auf meine Hilfe angewiesen waren. In gewisserweise ist das jedoch mein größtes Verhängnis. Gemächlich fließt das Leben vor sich hin, ohne dass du es merkst, und ehe du dich versiehst, ist es vorbei.

    Vor lauter Kümmern bleiben die Träume auf der Strecke! Diesen Aspekt erkannte ich erst viel zu spät und nun komme ich nicht mehr heraus aus dieser Nummer!

    Als das Gulasch verputzt ist, kommt endlich wieder ein bisschen Leben in die klamm gefrorenen Glieder. Der Herr Pfarrer unterhält sich noch eine kurze Weile mit Tante Rosa, inzwischen bezahle ich die Musikanten für die feierliche Umrahmung der Zeremonie und die Zeche beim Wirt. »Jetzt brechen wir auf!«, ordnet mein Sepp an, während er rasch seine Halbe Bier austrinkt. Normalerweise ist es nicht der Brauch, dass der Sepp den Anfang beim Heimgehen macht. Er hat ein hervorragendes Durchhaltevermögen im Wirtshaus, aber eine Beerdigung ist halt nicht das Münchner Oktoberfest, gell!

    »Ja, endlich!«, seufzt unser Michi erleichtert, der kommt mehr nach mir und hatte noch nie ein gutes Sitzfleisch. »Ich verabschiede mich schnell von Evi und Hetty, danach eise ich Tante Rosa vom Herrn Pfarrer los«, flüstere ich meinem Mann zu. Die Gschlösser Eva und die Brenner Henriette sind nämlich meine zwei besten Freundinnen. Eigentlich meine zwei einzigen, was aber durchaus reicht für meinen Bedarf. Lieber zwei, auf die man sich verlassen kann, als ein Dutzend, die nicht viel taugen!

    Die Witwe vom Pfarrer zu trennen gestaltet sich schwieriger als gedacht. Sie sind ein Herz und eine Seele, wie es scheint. Nach der hundertsten Umarmung ist die Verabschiedung endlich vollzogen und wir machen uns auf den Heimweg. Glücklicherweise hat es aufgehört zu schneien. Meine zwei Männer befreien das Auto von den Neuschneemassen, damit sie Rosalinde und mich direkt vor der Wirtshaustüre einladen können. Sonst müssten wir die Rosl durch den Tiefschnee bis zum Parkplatz Buggelkraxen tragen.

    Kaum zu Hause eingetroffen, ist die gutmütige, freundliche Außenfassade meiner lieben Tante schnell verflogen. Nun werden die Giftzähne ausgepackt.

    »Vroni«, schreit sie mir her, »hoffentlich hast du den Musikanten kein Trinkgeld gegeben! Für diese paar schleißigen Weisen, mit Fehlern gespickt, haben sie sich keinen Cent mehr verdient als abgemacht! Eine Zumutung war das, so schlecht spielten sie! Die Haare standen mir teilweise pfeilgerade zu Berge! Wir haben nichts zu verschenken, das weißt du! Nicht wie mein Vitus, Gott hab ihn selig, der stets seine Spendierhose anhatte; kein Gefühl für Geld, dieser einfältige Tropf. Mit beiden Händen warf er es beim Fenster hinaus und schob es allen in den Rachen. Hätte ich nicht zeitlebens Hab und Gut zusammengehalten, wir stünden längst auf der Straße!«, wettert sie lauthals. »Außerdem muss ich jetzt dringend aufs Klo, bei dem depperten Wirt gab es nur eines im Keller, wo ich nicht hin komm’ …! Die Beine tun mir schrecklich weh vom Stehen, kein Wunder. Erschöpfend war die stundenlange Rederei von unserem Pfarrer, findest du nicht, dass er leicht verblödet ist? Meine Faschen sind mir hinuntergerutscht, Vroni, also schick’ dich mit dem Umziehen, damit du mir die Beine neu verbinden kannst«, jetzt muss Tantchen Luft holen.

    Jaja, das ist der normal gebräuchliche Umgangston unserer Rosa. Im Grunde kann Vitus echt froh sein, dass er nun endgültig seine Ruhe hat. Um von dieser Bissgure loszukommen war wohl sterben der einzige Ausweg! So tue ich wie mir geheißen und ich entledige mich hurtig meiner schwarzen Beerdigungsklamotten. Mit meiner Tante Rosalinde will ich mich nicht anlegen. Ich versuche ja zu verstehen, warum sie schleichend immer bösartiger wurde. Früher war sie eine ganz andere, aufgeschlossen und guter Dinge, das Alter hat sie verändert. Vom Leben enttäuscht kam mit den Jahren die Verbitterung. Dafür gibt es viele Gründe, zu viele wahrscheinlich. Einige kenne ich, natürlich nicht alle, jedenfalls ist das Positive mit der Zeit ins Negative umgeschlagen. Mittlerweile ist ihr Missmut zur Normalität geworden, man möchte meinen, dass die Tante mit der ganzen Welt auf Kriegsfuß steht. Sie schimpft und zetert von morgens bis abends. Rosa hat an allem und jedem etwas auszusetzen, zu verbessern oder zu kritisieren. So hat sie Onkel Vitus so gut sie nur konnte das Leben versauert und ihn täglich zur Weißglut gebracht. Die Boshaftigkeit ist zu ihrem Lebensinhalt geworden, daher will jeder nur das Nötigste mit ihr zu tun haben und sucht nach Möglichkeit das Weite.

    Leider, leider gibt es den Vitus nun nicht mehr, somit stehe ich ab jetzt an vorderster Front, das heißt direkt in ihrer Schusslinie.

    Das kann heiter werden, wie schon gesagt! Auf eine harte Zeit einstellen, ist nun die Devise, noch härter als bis jetzt. Ein freies Leben muss warten!

    Erneut hat kräftiger Schneefall eingesetzt. Dicke, fette Flocken fallen haufenweise vom Himmel. Ausgerechnet heute, das passt mir gar nicht recht ins Konzept! Abends erwarte ich nämlich Gäste aus Holland. Sieben Personen: vier Erwachsene und drei Kinder. Sie fanden unsere kleine Frühstückspension im Internet, was einer Weltsensation gleichkommt! Wie die berühmte Nadel im Heuhaufen! Na, ja, und wenn halt die Straßenverhältnisse saumäßig schlecht sind, Schneefahrbahn zum Beispiel, so wie heute, dann kann es gut Mitternacht oder noch später werden, bis die Holländer da sind.

    Das Blöde daran ist: In der Pension Rosa gibt es nur einen Nachtportier, welcher Vroni heißt, ebenso wie das Zimmermädchen, die Frühstücksköchin, die Servicekraft, die Putzfee, die Bügelkraft, die Einkäuferin und die Sekretärin, natürlich auch die Chefin samt Beschwerdestelle, wenn nötig – alles eine Person: und zwar ich! Bei unseren paar Zimmern und den kurzen Saisonen ist keine Aushilfe drin. Die Vermietung ist eine hübsche Zusatzeinnahme zum Gehalt vom Sepp, mehr nicht. Ich kann zu Hause bleiben, der Job lässt sich gut mit der Familie verbinden, man ist selbstständig, was im Klartext heißt: Du arbeitest selbst, und zwar ständig! Einem freien Leben ist das logischerweise ebenfalls nicht sehr zuträglich! Vor allem nicht, wenn sich das ganze Frühstücksbrimborium in der Küche der Tante Rosa abspielt, was daherkommt, dass schon meine Tante früher Zimmer vermietet hat, so nebenbei. Von klein auf wurde ich zur Mithilfe eingespannt, bis ich diesen Zuerwerb schließlich übernommen habe. Das war ein Vorteil, als mein Sohn Michi geboren wurde. So konnte ich bei ihm daheimbleiben und etwas Geld dazu verdienen.

    Mein Onkel war Zimmerer vor seiner Pensionierung, was schon Ewigkeiten her ist, in Anbetracht seines hohen Alters. Als Rentner betrieb er unsere Minilandwirtschaft weiter als Hobby. Eine gute Möglichkeit, um seinem Eheweib manchmal zu entrinnen und nicht rund um die Uhr unter ihrer Fuchtel zu stehen. Wir hatten zwei Kühe, ein Kalb, zwei Schweine sowie ein Dutzend Hühner, welche als einzige bis heute übriggeblieben sind. Denn meine Hühner, die gehen mir über alles! Halt, Moment! Nun bin ich total abgeschweift. Wo war ich stehen geblieben? Ach, ja!

    Beim Frühstücksbrimborium in der Küche von Tante Rosa! Das ist nämlich so und, ja, es hilft nichts, um meine Frühstücksphobie verständlich zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen: Die Tante überließ mir die Vermietung nur deshalb, weil sie wegen ihrer Beine und des zunehmenden Alters nur erschwert Treppen steigen konnte und ihre allgemeine Fitness stark nachließ – gezwungenermaßen also. Zur Erläuterung: Die Hauptarbeit eines Zimmervermieters besteht darin, Betten zu wechseln, Bäder zu säubern, staubzusaugen, zu waschen, zu bügeln – kurzgefasst: zu putzen, was das Zeug hält, und ist aus nämlichen Gründen ein eher schweißtreibender Job.

    Einen seit Jahren dringenden Umbau, um sich die Sache ein wenig zu erleichtern (unser Haus ist an die 70 Jahre alt), blockieren die beiden bis heute. Wenn die zwei Alten auch täglich stritten, waren sie sich in dieser Angelegenheit einig: es kommt keine Erneuerung, kein Umbau oder irgendeine Veränderung in Frage – solange wir leben! Da fährt der Zug drüber, aus!

    Zu Tante Rosas Zeiten waren die Leute genügsam, pflegeleicht und vor allen Dingen in der Früh mit zwei Semmeln, Butter und Marmelade zufrieden. Heutzutage hat jeder alles und ist verwöhnt bis zum Gehtnichtmehr. Die Erwartungshaltung der meisten Urlauber ist also: Der Preis sollte sich Richtung Null Komma Nix bewegen, das Frühstück jedoch, ebenso wie die Zimmer, das Bad, der Fernseher und gaaaaaanz wichtig: Das gratis WLAN!, ein Fünf-Sterne-Hotel übertrumpfen.

    Weil man mithalten will, oder besser gesagt muss, um nicht auf der Strecke zu bleiben – Konkurrenz gibt es schließlich genug –, versucht man die Wünsche so gut wie möglich zu erfüllen. Logisch. Keineswegs logisch für Tante Rosa, sie will von alldem nichts wissen.

    Rosa ist in ihrer Zeit stehen geblieben. Nix von wegen: der Gast ist König! Allein das Glas Orangensaft zum Frühstück hält die liebe Tante für komplett übertrieben. Zwei Sorten Brot, ja wo kommen wir denn da hin, meint sie. Außerdem Wurst und Käse, wie im Schlaraffenland! Ein weiches Ei, ab und zu – von den eigenen Hühnern –, dafür müsste man unbedingt extra Geld verlangen, in ihren Augen! Diskussionen, Rechtfertigungen und Kämpfe in der Küche ohne Ende, das sag ich euch!

    So! Tief durchatmen und ruhig bleiben, Vroni, nicht aufregen, denke ich oft! Rosa ist nicht mehr die Jüngste, sie versteht es nicht besser.

    Lass sie reden, sie wird irgendwann aufhören, oder vielleicht einsehen, dass meine Art die Pension zu führen gar nicht so übel ist. Aber mir etwas gut sein zu lassen, oder einfach mal den Mund zu halten, ist Tantchens Sache nicht! Sie stichelt und nörgelt so lange, bis sie mich oben hat, auf der Palme. Frage nicht! Den Senf, den sie tagtäglich von sich gibt, sollten wir in Tuben abfüllen. Wir wären Senftubenweltmarktführer, ganz zweifellos! Aber lassen wir das jetzt!

    Nach Stunden der sinnlosen Warterei, inzwischen ist es 21 Uhr, läutet tatsächlich das Telefon: »Hallo, spreche ich mit Frau Obergmainer, Pension Rosa? Hier ist Ruben van der Roar, wir haben bei Ihnen Zimmer gebucht!«, tönt eine Männerstimme mit eindeutig holländischem Akzent aus dem Hörer.

    »Ja, hier spricht Vroni Obergmainer. Wann kann ich mit Ihrer Ankunft rechnen?«, erwidere ich, leicht genervt.

    »Ach, das dauert nicht mehr so lange, wir sind bald in München. Wir essen nur schnell eine Kleinigkeit hier in der Raststätte, dann geht’s, hopp, hopp, weiter. Na, ich denke mal, wir sind in zirka zwei Stunden bei Ihnen, darüber wollte ich kurz Bescheid geben; Tschüüüüüss, bis nachher«, sprach er und legte auf.

    Aha. Wie ich schon befürchtet habe, es zieht sich!

    Dabei würde ich am liebsten auf der Stelle ins Bett fallen, nach diesem Tag. Zwei Stunden nur, brauchen sie, von München bis zu uns. Dass ich nicht lache! Bis München hat es sicher nicht geschneit, die werden staunen, denn die Schwierigkeiten gehen erst los. Hauptsache, sie schlagen sich erstmal den Ranzen voll, in aller Ruhe. Ein gut gefüllter Magen hat immer oberste Priorität! Die Vroni hat Zeit, die kann ruhig die halbe Nacht lang warten, braucht niemand eine Rücksicht nehmen!

    Schlag Mitternacht läutet das Telefon wieder.

    »Hier nochmal Ruben van der Roar. Frau Obergmainer, wir müssten ganz in Ihrer Nähe sein, laut Navi! Aber es ist so dunkel und schneit so stark, man sieht so schlecht. Wie finden wir Ihre Pension?«, will der aufgeregte Holländer wissen.

    »Haben Sie die Ortstafel gesehen?«, frage ich.

    »Ja, wir sind dann noch drei Kilometer weitergefahren«, verkündet er stolz.

    »Dann drehen Sie um! Das ist zu weit!«, ordne ich an.

    »Wir befinden uns einen Kilometer vor der Ortstafel. Ich stelle mich mit einer Taschenlampe an die Straße, bis gleich!«

    Hörer drauf, rein in die Wintermontur. Herrschaftsseiten, hoffentlich finden sie jetzt bald die Einflugschneise, langsam werde ich sauer! Mein Schlaf ist mir heilig und ich bekomme tierisch schlechte Laune, wenn ich mir die Nacht wegen irgendwelcher verspäteten Feriengäste um die Ohren schlagen muss!

    Dank meiner Lichtzeichen blinken endlich zwei Autos. Tatsächlich! Es sind meine ersehnten Urlauber.

    »Oh, Frau Obergmainer, nun haben wir Sie gefunden! Ihr Hotel ist ein bisschen schlecht ausgeschildert, wissen Sie das? Es hat ein klein wenig länger gedauert, wegen dem Schnee, welcher etwas hinderlich war auf der Straße. Das ist kein Problem, oder?«, will Frau van der Roar wissen.

    »Nein, natürlich nicht! Gar kein Problem«, erwidere ich freundlich, verdrehe aber die Augen hinter ihrem Rücken in alle Richtungen.

    Nacheinander entsteigen nun sämtliche Familienmitglieder den beiden Autos. Die Kommune folgt mir brav ins Haus, gleich einer Schafherde.

    »Kommen Sie, ich zeige Ihnen die Zimmer. Um welche Zeit möchten Sie morgen frühstücken?«, will ich wissen, während wir nach oben gehen.

    »Ach, das mit dem Frühstück ist keineswegs eilig! Wir wollen erst mal ausschlafen. So gegen zehn oder halb elf, geht das?«, meint Herr van der Roar seelenruhig.

    Oje, Langschläfer, mir bleibt auch nichts erspart! Ich reiß’ mich dennoch am Riemen und bleibe freundlich.

    »Zehn ist wunderbar, später servieren wir leider kein Frühstück mehr«, erkläre ich der Sippschaft.

    Eigentlich ist 10 Uhr reichlich spät für mich, aber die Gäste können natürlich keine Gedanken lesen und auch nicht riechen, dass sie ausgerechnet in einer Absteige ohne Personal gelandet sind!

    Schließlich verbringen sie hier ihren wohlverdienten Urlaub und befinden sich weder in einem Bootcamp noch auf der Flucht. Trotzdem: Spätes Frühstück – Verzug beim Kochen – Stress vorprogrammiert – Pech für Hugo … anders ausgedrückt: mein Problem.

    »Gibt es hier WLAN?«, fragt mich der 11-jährige Holländerlümmel, als ich ihm gerade sein Reich zeige und schaut mich treuherzig an.

    Hab’ ich’s nicht gewusst? »Ja, schon, aber«, entgegne ich, »die Zeit zum Internet Surfen ist bei uns auf 23 Uhr beschränkt, danach schaltet sich der Router automatisch aus. Also verschieben wir dein Anliegen auf morgen Früh, wenn’s recht ist, beim Frühstück bekommst du den Zugangscode.«

    »Manno! Morgen erst? Dabei bin ich kein bisschen müde, wie soll ich mir jetzt die Zeit vertreiben!?«, erwidert der

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