Der Junge mit dem besonderen Talent: Sophienlust - Die nächste Generation 84 – Familienroman
Von Carina Lind
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Über dieses E-Book
Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt.
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
»Sebastian, du?«, wunderte sich Florentine, als sie ihren sechzehnjährigen Sohn in den Sonnenschein-Kindergarten kommen sah. »Ja, Mama«, sagte der Junge. »Unsere Zeichenlehrerin ist plötzlich krank geworden. Deshalb habe ich zwei Freistunden. Die wollte ich nicht in der Schule verbringen. Also dachte ich, ich springe mal kurz zu dir rüber.« »Prima«, freute sich Florentine. »Da kannst du mir direkt helfen, die Tretroller und andere Spielgeräte aus dem Lager zu holen. Endlich hat der Regen aufgehört, da möchten unsere Kleinen natürlich nach draußen.« Sebastian war ein freundlicher Junge, er folgte seiner Mutter gerne in das Souterrain, wo sich das Lager befand. Dort schnappte er sich so viele Tretroller, wie er nur tragen konnte. Florentine füllte ein Netz mit Bällen und Spielzeug für den Sandkasten. Als Mutter und Sohn die Treppe wieder hinaufkamen, tobte gerade eine wilde Horde Kinder über den Flur. Als sie Sebastian sahen, stürmten sie sofort auf ihn zu. »Basti ist da! Basti ist da!«, krähte ein kleiner Junge mit fuchsrotem Haar.
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Sophienlust - Die nächste Generation
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Der Junge mit dem besonderen Talent - Carina Lind
Sophienlust - Die nächste Generation
– 84 –
Der Junge mit dem besonderen Talent
Unveröffentlichter Roman
Carina Lind
»Sebastian, du?«, wunderte sich Florentine, als sie ihren sechzehnjährigen Sohn in den Sonnenschein-Kindergarten kommen sah.
»Ja, Mama«, sagte der Junge. »Unsere Zeichenlehrerin ist plötzlich krank geworden. Deshalb habe ich zwei Freistunden. Die wollte ich nicht in der Schule verbringen. Also dachte ich, ich springe mal kurz zu dir rüber.«
»Prima«, freute sich Florentine. »Da kannst du mir direkt helfen, die Tretroller und andere Spielgeräte aus dem Lager zu holen. Endlich hat der Regen aufgehört, da möchten unsere Kleinen natürlich nach draußen.«
Sebastian war ein freundlicher Junge, er folgte seiner Mutter gerne in das Souterrain, wo sich das Lager befand. Dort schnappte er sich so viele Tretroller, wie er nur tragen konnte. Florentine füllte ein Netz mit Bällen und Spielzeug für den Sandkasten. Als Mutter und Sohn die Treppe wieder hinaufkamen, tobte gerade eine wilde Horde Kinder über den Flur. Als sie Sebastian sahen, stürmten sie sofort auf ihn zu. »Basti ist da! Basti ist da!«, krähte ein kleiner Junge mit fuchsrotem Haar.
»Basti, mein Freund!«, sagte ein Mädchen mit blonden Locken und schaute wie verliebt zu ihm auf. Dabei versuchte die Kleine, Sebastians Hand zu ergreifen. Doch wegen der Roller, die sich Sebastian unter den Arm geklemmt hatte, klappte das leider nicht. »Basti mit nach draußen!«, verlangte ein anderes Mädchen und strahlte ihn aus großen blauen Augen an.
Sebastian war bei allen Kindern, die den Sonnenschein-Kindergarten besuchten, sehr beliebt. Seine Mutter Florentine arbeitete dort als Kindergärtnerin, und wann immer Sebastian ins Haus kam, scharten sich sofort alle um ihn. Zusammen mit der ganzen Gruppe ging er nach draußen, wo er die Roller auf den Boden stellte. Sofort grapschte die blondlockige Kleine wieder nach Sebastians Hand, um ihn zur Schaukel zu ziehen. »Lilly will schaukeln!«, rief sie dabei voller Vorfreude. »Basti ist mein Freund! Basti muss mich anstupsen!«
Dem hatte Sebastian natürlich nichts entgegenzusetzen. Lachend folgte er der Kleinen zur Schaukel und stupste sie an. Natürlich gab es nicht nur eine Schaukel auf dem Spielgerät, sondern noch drei weitere, und die waren auch sofort besetzt. Die anderen Kinder wollten ebenfalls angestupst werden, so hatte Sebastian bald viel zu tun.
Nachdem Florentine die Bälle und das übrige Spielzeug verteilt hatte, setzte sie sich auf eine der Bänke. Jetzt, wo die Kinder endlich wieder nach draußen konnten, waren sie so miteinander beschäftigt, dass es für Florentine im Moment nichts weiter zu tun gab. Sie konnte sich eine Pause gönnen, dabei behielt sie die lieben Kleinen auf der Anlage natürlich ständig im Auge. Nach einer Weile kam Nicole, die neue Praktikantin, zu ihr und setzte sich neben sie.
»Sebastian ist wirklich ein Schatz«, bemerkte Nicole. »Alle unsere Kinder lieben ihn. Dabei ist er so ruhig und bescheiden. Und so sensibel. Ganz anders als viele andere Jungs in seinem Alter. – Er ist jetzt dreizehn? Oder irre ich mich?«
»Ja«, bestätigte Florentine. »Aber in drei Wochen wird er schon vierzehn. Manchmal kann ich gar nicht verstehen, wie schnell die Zeit doch vergeht.«
»Und ausgesprochen hübsch ist er auch«, redete Nicole immer weiter. »Komisch, dass er dir überhaupt nicht ähnlich sieht. Wahrscheinlich kommt er auf seinen Vater.«
»Aha, ich bin also nicht hübsch?!«, bemerkte Florentine.
»So habe ich es nicht gemeint.« Nicole wurde mit einem Schlag puterrot. Verlegen wandte sie sich von Florentine ab. Doch dann siegte ihre Neugier. »Schade, dass man Sebastians Vater noch nie zu Gesicht bekommen hat. Er hat dich noch nie vom Kindergarten abgeholt, Florentine. Er war auch nicht auf unserem Frühlingsfest. Ich hätte deinen Mann wirklich gerne einmal kennengelernt. Warum kommt er niemals hierher?«
»Sebastians Vater und ich sind nicht zusammen. Ich bin alleinerziehend.« Rasch stand Florentine wieder von der Bank auf. »An den Schaukeln herrscht Hochbetrieb«, bemerkte sie im Weggehen. »Ich muss aufpassen, dass Sebastian und die Kinder es nicht zu dolle treiben.«
Natürlich wusste Florentine, dass sie sich auf ihren Sohn verlassen konnte. Doch auf Nicoles Fragen hatte sie überhaupt keine Lust. Deshalb ging sie zu den Schaukeln hinüber und stellte sich neben ihren Sohn. Sie konnte zu Recht stolz auf ihn sein. Sebastian verstand sich hervorragend darauf, mit kleinen Kindern umzugehen.
Während auch sie nun anfing, die Kleinen anzustupsen, gingen ihr Nicoles Bemerkungen nicht aus dem Kopf. Wie sehr hatte sie Stefan damals geliebt! Und wie jung sie noch gewesen war! Gerade einmal achtzehn Jahre alt! Jung und naiv und blind vor Liebe! Doch nach einem heißen Sommerflirt war Stefan plötzlich aus ihrem Leben verschwunden. Sie hatte nie wieder von ihm gehört. Alles, was ihr geblieben war, war Sebastian, und der war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Florentine hatte die Schwangerschaft erst einige Wochen nach Stefans Verschwinden bemerkt, er hatte keine Ahnung, dass er Vater geworden war, und das war auch gut so. Florentine war mit sich und dem Leben, das sie mit Sebastian in Rothenstedt führte, vollkommen zufrieden.
Nach einer Weile wurde es den Kindern zu langweilig zu schaukeln, jetzt wollten sie lieber klettern. »Basti mitkommen! Basti mitkommen«, forderten einige und zogen den Jungen mit sich fort. Andere griffen nach Florentines Hand, sodass auch sie sich bald am Klettergerüst wiederfand. An der Seite gab es ein dickes, knallrotes Tau, über das man balancieren konnte. Dazu ein dünneres Seil, das zum Festhalten diente. Trotzdem fiel den Kleinen das Balancieren noch schwer. Sebastian musste den Kindern der Reihe nach helfen, und das tat er gerne.
Schaukeln, Klettern, Balancieren, und danach das Burgenbauen im Sandkasten, die Zeit verging wie im Fluge. Schließlich musste Florentine ihren Sohn daran erinnern, zur Schule zurückzukehren.
Das Petri-Gymnasium lag auf der anderen Straßenseite, dem Kindergarten schräg gegenüber. Als Sebastian das Eingangstor passierte, blickte er sich kurz um, um nach Marlon und seiner Clique Ausschau zu halten. Doch Marlon und seine Kumpel waren nirgends zu sehen, erleichtert atmete Sebastian auf. Dann wandte er sich zur Seite, wo einige Schüler aus seiner Klasse unter den großen Kastanienbäumen standen und miteinander herumalberten.
Nach wenigen Schritten spürte Sebastian, wie jemand von hinten nach seinem Sweatshirt griff und es festhielt. Hastig drehte sich Sebastian um. Marlon!, fuhr es ihm durch den Kopf, wo kommt der denn plötzlich her? Wie aus dem Nichts war dieser Quälgeist aufgetaucht! Wahrscheinlich hatte sich Marlon hinter einem der Baumstämme versteckt, um Sebastian von dort aufzulauern.
»Da kommt ja unser Muttersöhnchen!«, höhnte Marlon und setzte ein breites Grinsen auf. »Na, warst du wieder bei deiner Mami? Drüben im Kindergarten? Hast du schön mit den lieben Kleinen gespielt?«
»Lass mich gefälligst in Ruhe! Und fass mich gefälligst nicht an!« Mit einer ruckartigen Bewegung riss sich Sebastian von Marlon los, um zu seinen Klassenkameraden zu gehen.
»Ja, ja, lauf‘ nur zu den anderen!«, rief Marlon hinter ihm her. »Wahrscheinlich sollen sie dich vor mir beschützen, du empfindliches Weichei!«
Sebastian drehte sich kurz um und warf Marlon einen vernichtenden Blick zu. In diesem Moment läutete die Schulglocke. Sebastian beeilte sich, ins Schulgebäude zu kommen.
*
Marlon und seine Kumpel, Kuno und Yannik, waren für Sebastian ein echtes Problem. Wann immer Sebastian zum Gymnasium kam, wann immer er nach Schulschluss nach Hause wollte, - sie lauerten ihm auf, um ihn zu ärgern. Am liebsten hätte er Marlon eins auf die Nase gegeben. Aber der war einen Kopf größer als er selbst, außerdem fast zwei Jahre älter, weil er schon einmal sitzen geblieben war. Doch das war nicht das Entscheidende. Der Grund war, dass Sebastian sich nicht mit anderen schlagen wollte, auch wenn Marlon es manchmal verstand, ihn zur Weißglut zu treiben. Wenn dann noch Yannick und Kuno bei ihm waren, hätte Sebastian sowieso keine Chance gehabt.
Also zog er es vor, die fiesen Hänseleien, die ihm entgegengebracht wurden, zu ignorieren. Doch irgendwann hielt er es nicht