Sybil kennt die Wahrheit: Dr. Norden Aktuell 54 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
Sybil Rodian begann zu zittern, als sie die zornige Stimme ihrer Tante vernahm. Ihr Kopf schmerzte, ihre Augen tränten, sie konnte kaum noch schlucken, doch darauf nahm man im Hause Rodian keine Rücksicht. Man war bei den Trojers eingeladen, und aus einem Sybil unerfindlichen Grund sollte sie da unbedingt mitgehen. »Kommt du jetzt endlich, Sybil?« rief Valerie Rodian mit schriller Stimme. Sybil nahm allen Mut zusammen. Sie verließ ihr Zimmer und stieg langsam die Treppe hinab, auf unsicheren Füßen und gewaltsam gegen die Schwäche ankämpfend. »Mir ist nicht gut, Tante Valerie«, flüsterte sie mit heiserer Stimme. »Ich glaube, ich habe Fieber.« »Das hat uns gerade noch gefehlt!« stöhnte Valerie. Rolf Rodian, ein blasser junger Mann, betrachtete seine Kusine mitleidig. »Sie sieht wirklich schrecklich aus, Mama«, sagte er. Er wollte noch etwas sagen, aber ein flammender Blick seiner Mutter brachte ihn zum Schweigen. Man merkte, wer zu bestimmen hatte im Hause Rodian. August Rodian, der Hausherr, brummte nur etwas in seinen Bart. »Vermissen wird man sie ja nicht«, sagte Lilo, die mal wieder ein traumhaft schönes Kleid für diese Party bekommen hatte.
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Rezensionen für Sybil kennt die Wahrheit
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Buchvorschau
Sybil kennt die Wahrheit - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Aktuell
– 54 –
Sybil kennt die Wahrheit
Patricia Vandenberg
Sybil Rodian begann zu zittern, als sie die zornige Stimme ihrer Tante vernahm. Ihr Kopf schmerzte, ihre Augen tränten, sie konnte kaum noch schlucken, doch darauf nahm man im Hause Rodian keine Rücksicht. Man war bei den Trojers eingeladen, und aus einem Sybil unerfindlichen Grund sollte sie da unbedingt mitgehen.
»Kommt du jetzt endlich, Sybil?« rief Valerie Rodian mit schriller Stimme.
Sybil nahm allen Mut zusammen. Sie verließ ihr Zimmer und stieg langsam die Treppe hinab, auf unsicheren Füßen und gewaltsam gegen die Schwäche ankämpfend.
»Mir ist nicht gut, Tante Valerie«, flüsterte sie mit heiserer Stimme. »Ich glaube, ich habe Fieber.«
»Das hat uns gerade noch gefehlt!« stöhnte Valerie.
Rolf Rodian, ein blasser junger Mann, betrachtete seine Kusine mitleidig. »Sie sieht wirklich schrecklich aus, Mama«, sagte er. Er wollte noch etwas sagen, aber ein flammender Blick seiner Mutter brachte ihn zum Schweigen. Man merkte, wer zu bestimmen hatte im Hause Rodian. August Rodian, der Hausherr, brummte nur etwas in seinen Bart.
»Vermissen wird man sie ja nicht«, sagte Lilo, die mal wieder ein traumhaft schönes Kleid für diese Party bekommen hatte. Sie war zwanzig, aber nicht mädchenhaft. Allerdings konnte man nicht leugnen, daß sie sehr attraktiv war. Die achtzehnjährige Sybil wirkte neben ihr wie eine kleine graue Maus, und das war auch so, wenn sie nicht von einer Grippe wie dieser geplagt wurde.
»Morgen gehst du zum Arzt«, sagte August Rodian. »Leg dich jetzt hin, Sybil.« Dabei warf er seiner Frau einen warnenden Blick zu.
Sybil atmete auf, als sich dann die Tür hinter der Familie schloß, zu der sie eigentlich gehörte, der sie sich aber nicht zugehörig fühlte. Vor drei Jahren waren ihre Eltern bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen. Nur dieses eine Mal hatte Alfred Rodian seine Frau auf eine Geschäftsreise mitgenommen, weil Sybil die Ferien im Schüleraustausch in England verbrachte. Ein grausames Schicksal hatte es gewollt, daß Sybil so beide verlor. Ganz besonders schmerzlich vermißte sie noch immer ihre geliebte Mutter. Aus dem frischen, lebensfrohen Mädchen war ein Schattengewächs geworden. Freilich trug dazu auch bei, daß man ihr in diesem Hause weder Liebe noch Verständnis entgegenbrachte. Der einzige, der halbwegs nett zu ihr war, war Rolf, aber der hatte überhaupt nichts zu sagen. Er hatte die Erwartungen seiner ehrgeizigen Eltern schon in der Schulzeit nicht erfüllt;?das hatte ihn noch gehemmter gemacht, und da er Tag für Tag zu hören bekam, was sein Vater leiste und wie weit er es gebracht hätte, konnte er sich überhaupt nicht entfalten.
Für Sybil war es bitter, wenn sie die Lobeshymnen vernahm, die August Rodian auf sich anstimmte, denn sie wußte sehr gut, daß ihr Vater derjenige gewesen war, der das Tiefbauunternehmen international bekannt gemacht hatte. Es war ein kleines Familienunternehmen gewesen, als der Vater der Brüder Rodian starb, und August war viel zu schwerfällig gewesen, um dem jüngeren Bruder Alfred an Weitblick und intelligenter Wachsamkeit folgen zu können. Alfred war ein cleverer Geschäftsmann gewesen, in mancher Beziehung genauso rücksichtslos wie sein Bruder August, aber eben erfolgreich mit seiner Initiative. Man konnte nicht sagen, daß er ein nachsichtiger Vater gewesen wäre, aber seine Frau Helen hatte er abgöttisch geliebt.
Wenn Sybil an ihre Kindheit zurückdachte, kamen ihr immer die Tränen, doch an diesem Abend fühlte sie sich so elend, daß sie nicht mal weinen konnte.
Sie hatte das Gefühl, ersticken zu müssen, und panische Angst erfüllte sie, als sie dann auch noch seltsame Geräusche zu vernehmen glaubte.
Völlig benommen griff sie zum Telefon und rief Dr. Norden an.
Fee Norden nahm den Hörer ab. Sie lauschte, denn sie konnte kaum verstehen, was diese heisere Stimme sagte.
»Natürlich kommt mein Mann, Sybil«, sagte sie dann beruhigend. Und zu Daniel sagte sie: »Die kleine Rodian, sie kann kaum sprechen, und sie ist allein. Ich weiß nicht, Daniel, ich habe da ein ungutes Gefühl. Man scheint nicht besonders nett mit ihr umzuspringen.«
Dr. Daniel Norden griff schon nach seinem Arztkoffer.
»Vielleicht ist es ganz gut, wenn ich mal allein mit ihr sprechen kann«, sagte er rasch. »Sonst steht ja immer die strenge Tante daneben.«
Sybil war öfter krank, aber ins Haus gerufen wurde Dr. Norden nur, wenn eine ansteckende Krankheit gefürchtet wurde. Bei Lilo war es anders. Da genügte die kleinste Unpäßlichkeit, daß man ihn dringendst herbeizitierte.
Jetzt stand Sybil am Fenster und wartete auf Dr. Norden. Doch da läutete das Telefon.
Die Tante will sich überzeugen, ob ich auch wirklich daheim bin, schoß es Sybil durch den Sinn. Und das war ein Grund, sich zu melden. Aber es war eine Männerstimme, die nur »Hallo« sagte. Sybil kannte diese Stimme. Ihr Herz begann rasend zu klopfen.
»Ich konnte nicht kommen, Xander«, flüsterte sie. »Ich bin krank. Gleich kommt der Arzt. Nein ich bin allein, sie sind zur Party. Ich warte auf den Arzt. Jetzt kommt er schon.«
»Ich muß dir etwas sagen, Billi, es ist sehr dringend, sonst hätte ich nicht angerufen.«
»Ruf später noch mal an. Sie kommen nicht so schnell zurück. Entschuldige, ich muß öffnen.«
Sie legte den Hörer auf. Der Anruf hatte sie noch mehr erregt. Sie taumelte Dr. Norden in die Arme. Er spürte, daß sie hohes Fieber hatte. Er hob die federleichte Gestalt empor und brachte sie zu ihrem Zimmer, das er bereits kannte.
Er stellte fest, daß es eine hochfieberhafte Grippe war, verbunden mit einer gefährlichen Mandelentzündung. Es war fast nicht zu verantworten, das Mädchen allein zu lassen.
»Ich bringe Sie in die Klinik, Sybil«, sagte er. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein«, brachte sie mühsam über die Lippen, denn jetzt dachte sie daran, daß er noch einmal anrufen wollte. Er, der einzige Mensch, dem sie vertraute, Alexander Lucas.
»Wo sind die andern?« fragte Dr. Norden, während er Sybil eine Penicillinspritze gab.
»Bei den Trojers«, murmelte sie. Dann schlief sie ein.
Dr. Norden suchte aus dem Telefonbuch die Nummer der Trojers. Der Name war ihm bekannt. Trojer war Finanzberater. Dr. Norden ging es durch den Sinn, daß der sich des Rufes eines Halsabschneiders erfreute, oder besser gesagt, nicht erfreute.
Während er noch suchte, läutete das Telefon, und rein mechanisch nahm er es ab. Er war fast erschrocken, als die Stimme seiner Frau an sein Ohr tönte.
»Gut, daß ich dich noch erreiche, Daniel. Dr. Ambach hat einen schweren Herzanfall. Es eilt.«
»Und hier liegt ein schwerkrankes Mädchen. Ich muß jemand von der Familie herbeizitieren.«
»Das kann ich doch tun. Wo stecken sie?«
»Bei den Trojers«, erwiderte er.
»Gut, ich rufe dort an. Bitte, fahr du schon zu Ambach.«
Das war mal wieder eine Situation, wo er an zwei Stellen zugleich sein mußte. Aber Dr. Norden nahm doch an, daß die Rodians auf Fees Anruf sofort heimkehren würden.
Sybil schlief jetzt. Im Augenblick konnte er gar nicht mehr für sie tun. Es war selbstverständlich für ihn, daß er später nochmals hierherkommen würde, wenn er Dr. Ambach versorgt hatte, der schon lange sein Patient war, gerade erst fünfzig Jahre, aber an Herzkranzgefäßverengungen leidend. Die Rodians würden sicher Verständnis dafür haben, daß er sich dieses Patienten annahm, denn Dr. Norden wußte, daß Dr. Ambach der Anwalt der Familie Rodian war.
Dr. Rodian zog die Haustür hinter sich ins Schloß und überzeugte sich, daß die auch fest geschlossen war. Er bestieg seinen Wagen und fuhr davon.
Wenige Minuten später hielt an der nächsten Seitenstraße ein kleiner Wagen, dem ein Mann entstieg. Er ging zu dem Hause der Rodians, einer Villa aus der Gründerzeit, die von hohen, schon rostigen Eisengittern umgeben war. Er läutete mehrmals, als aber nicht geöffnet wurde, kletterte er über das Gitter. Er versuchte es, aber seine Hose verfing sich in den recht scharfen Spitzen der Gitterstäbe, und bei dem Versuch sich zu befreien, verspürte er einen stechenden Schmerz und stürzte kopfüber in den Garten. Nur ein Stöhnen kam noch über seine Lippen, der Name »Sybil«.
Doch Sybil konnte ihn nicht hören. Die Spritze und ihr noch immer hohes Fieber hatten sie betäubt.
*
Fee Norden rief bei den Trojers an. Dort ging es laut zu. Sie mußte in das Telefon schreien, um sich verständlich zu machen, aber schließlich wurde Valerie Rodian ans Telefon geholt.
Fee versuchte, ihr zu erklären, worum es ging. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß es plötzlich so schlimm sein soll«, sagte Valerie. »Es ist doch nur eine Erkältung. Na gut, ich werde nach Sybil sehen.«
Fee legte erbost den Hörer auf, als nichts mehr kam. Valerie Rodian ging zur Gesellschaft zurück.
»Was ist denn los?« fragte ihr Mann.
»Dieser Dr. Norden ist mal wieder übermäßig besorgt«, sagte sie spitz. »Sybil hat ihn gerufen, und nun rief seine Frau an, weil er noch zu Ambach mußte, dringend. Ambach wird es nicht mehr lange machen, denke ich, aber das kann uns ja nur willkommen sein. Mit Cremers kommen wir bestimmt besser klar. Ich werde gleich mal Lilo Bescheid sagen, daß sie ein bißchen netter zu ihm sein soll. Gut, daß er heute abend auch da ist.«
August Rodian starrte seine Frau mit einem Ausdruck an, in dem sich Bewunderung und Angst mischten. »Du denkst an alles, Valerie. Aber jetzt sollte wenigstens einer von uns heimfahren.«
»So schlimm