Vergiss, was in jener Nacht geschah: Dr. Norden Aktuell 23 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
Mitternacht war längst vorbei, als Manfred Reisner leise vor sich hin pfeifend von einer fröhlichen Geburtstagsfeier im Hotel Waldhof heimwärts ging. Die frische Nachtluft tat ihm gut, denn es war doch ziemlich viel getrunken worden. Aber sehr lustig war es gewesen, und für Peter Waldhof, den Sohn des Hoteliers, zugleich der Abschied vom Junggesellenleben. Übermorgen sollte Peters Hochzeit stattfinden, und zum ersten Mal in seinem gerade dreiundzwanzigjährigem Leben sollte Manfred Reisner, der Sohn des Brauereibesitzers, der tatkräftig zur Sanierung des Hotels beigetragen hatte, Trauzeuge sein. An diesem Abend waren die Freunde, dreizehn an der Zahl, unter sich gewesen, ohne Damen, um den zu feiern und aus dem Kreis der Junggesellen zu verabschieden, der zuerst den Weg zum Traualtar gehen wollte. Manfred war nicht abergläubisch, obgleich er als Dreizehnter erschienen war. Er hatte sich mit seinen Freunden und Kommilitonen köstlich amüsiert und war auch auf dem Heimweg noch in beschwingter Stimmung. Dem sollte jedoch ein Ende gesetzt werden, als er sich seinem Elternhaus bis auf etwa zwanzig Meter genähert hatte. Aus dem Dunkel sprangen zwei schattenhafte Gestalten auf ihn zu. Einer versuchte, ihm die Arme auf dem Rücken zusammenzudrücken, aber Manfred konnte ihn abwehren. Dann traf ihn ein Schlag am Kopf, der ihn taumeln ließ, doch zu Boden ging er auch jetzt noch nicht, er war groß, kräftig und sportgestählt. »Schlag zu«, hörte er jemanden zischen, und dann traf ihn ein so harter Schlag, daß ihm die Sinne schwanden. »Jetzt haben wir ihn«, sagte der Größere, doch da leuchteten die Scheinwerfer eines Wagens auf, der um die Ecke bog. »Verflucht, hauen wir lieber ab«, stieß ein anderer hervor und trat Manfred noch einmal in den Magen, mit aller Wucht und voller Wut, und dann rannten die beiden los, verschwanden im Dunkel der Nacht, bevor die Scheinwerfer des Wagens Manfred Reisner erfaßten, der leblos am Rande der Fahrbahn lag. Dr. Daniel Norden kam von einem nächtlichen Krankenbesuch. Eine Stunde hatte er bei einem Sterbenden ausgeharrt, der ein langes, beschwerliches Leben hinter sich gebracht hatte, und dem der Tod ein schmerzhaftes Siechtum ersparte.
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Buchvorschau
Vergiss, was in jener Nacht geschah - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Aktuell
– 23 –
Vergiss, was in jener Nacht geschah
Patricia Vandenberg
Mitternacht war längst vorbei, als Manfred Reisner leise vor sich hin pfeifend von einer fröhlichen Geburtstagsfeier im Hotel Waldhof heimwärts ging. Die frische Nachtluft tat ihm gut, denn es war doch ziemlich viel getrunken worden. Aber sehr lustig war es gewesen, und für Peter Waldhof, den Sohn des Hoteliers, zugleich der Abschied vom Junggesellenleben.
Übermorgen sollte Peters Hochzeit stattfinden, und zum ersten Mal in seinem gerade dreiundzwanzigjährigem Leben sollte Manfred Reisner, der Sohn des Brauereibesitzers, der tatkräftig zur Sanierung des Hotels beigetragen hatte, Trauzeuge sein.
An diesem Abend waren die Freunde, dreizehn an der Zahl, unter sich gewesen, ohne Damen, um den zu feiern und aus dem Kreis der Junggesellen zu verabschieden, der zuerst den Weg zum Traualtar gehen wollte.
Manfred war nicht abergläubisch, obgleich er als Dreizehnter erschienen war. Er hatte sich mit seinen Freunden und Kommilitonen köstlich amüsiert und war auch auf dem Heimweg noch in beschwingter Stimmung.
Dem sollte jedoch ein Ende gesetzt werden, als er sich seinem Elternhaus bis auf etwa zwanzig Meter genähert hatte.
Aus dem Dunkel sprangen zwei schattenhafte Gestalten auf ihn zu. Einer versuchte, ihm die Arme auf dem Rücken zusammenzudrücken, aber Manfred konnte ihn abwehren. Dann traf ihn ein Schlag am Kopf, der ihn taumeln ließ, doch zu Boden ging er auch jetzt noch nicht, er war groß, kräftig und sportgestählt.
»Schlag zu«, hörte er jemanden zischen, und dann traf ihn ein so harter Schlag, daß ihm die Sinne schwanden.
»Jetzt haben wir ihn«, sagte der Größere, doch da leuchteten die Scheinwerfer eines Wagens auf, der um die Ecke bog.
»Verflucht, hauen wir lieber ab«, stieß ein anderer hervor und trat Manfred noch einmal in den Magen, mit aller Wucht und voller Wut, und dann rannten die beiden los, verschwanden im Dunkel der Nacht, bevor die Scheinwerfer des Wagens Manfred Reisner erfaßten, der leblos am Rande der Fahrbahn lag.
Dr. Daniel Norden kam von einem nächtlichen Krankenbesuch. Eine Stunde hatte er bei einem Sterbenden ausgeharrt, der ein langes, beschwerliches Leben hinter sich gebracht hatte, und dem der Tod ein schmerzhaftes Siechtum ersparte. Damit hatte er die Angehörigen trösten können.
Nun hatten seine Scheinwerfer dunkle Gestalten erfaßt, die es sehr eilig zu haben schienen, diesem hellen Licht zu entkommen. Dann aber sah Dr. Norden die zusammengekrümmte Gestalt am Straßenrand und trat auf das Bremspedal.
Seine Gedanken überstürzten sich. Es konnte eine nächtliche Rauferei unter Saufkumpanen gewesen sein, auch das war nichts Ungewöhnliches. Aber immerhin lag da ein hilfloser Mensch, und wer es auch sein mochte, er konnte ihm seinen Beistand nicht versagen.
Doch sein Erschrecken war groß, als er den Bewußtlosen erkannte. Erst vor ein paar Wochen hatte er Manfred Reisner wegen einer Sehnenzerrung behandelt, die sich der junge Mann beim Tennisspielen zugezogen hatte.
Dr. Norden wurde auch konsultiert, wenn den übrigen Familienangehörigen etwas fehlte, was allerdings äußerst selten der Fall war. Die Reisners brauchten selten einen Arzt.
Hier aber war schnellste Hilfe nötig. Das festzustellen, brauchte Dr. Norden nur wenige Sekunden.
Die Straße lag wie ausgestorben. Eine Telefonzelle war nicht in der Nähe. Für den Arzt war es das Naheliegendste, die Angehörigen von Manfred Reisner zu alarmieren, dann brauchte er Fremden keine langen Erklärungen zu geben.
Er lief zur Gartentür und drückte auf die Klingel. Dabei behielt er jedoch immer den Bewußtlosen im Auge, doch kein Laut, keine Schritte störten die nächtliche Stille, bis eine Stimme, die verschlafen klang, an Dr. Nordens Ohr tönte.
»Bist du es, Manni? Hast du den Schlüssel vergessen?« fragte die Stimme durch die Sprechanlage.
»Hier spricht Dr. Norden«, erwiderte er hastig. »Benachrichtigen Sie schnell den Notarzt. Hier liegt ein Verletzter.«
Er wollte nicht sofort sagen, daß der Verletzte der Sohn des Hauses war. Die Stimme hatte er als die von Melanie Reisner erkannt, der jüngeren Schwester Manfreds.
»O Gott«, sagte die nur noch und dann nichts mehr. Aber Dr. Norden kannte Melanie als ein sehr sportliches und durchaus nicht zimperliches Mädchen und hoffte auf ihre schnelle Reaktion. Er hoffte nicht umsonst. Bald vernahm er eilende, leichtfüßige Schritte, während er schon wieder bei Manfred Reisner kniete und so gut wie möglich erste Hilfe leistete.
Dann kniete neben ihm Melanie. »Manni«, schrie sie auf. »Was ist geschehen?«
»Er wurde niedergeschlagen«, erwiderte Dr. Norden. »Haben Sie den Notarzt benachrichtigt?«
»Ja, mein Gott, wer war das? Manni, hörst du mich? Melly ist da.«
Aber Manfred hörte nichts, und da kam auch schon der Notarztwagen.
»Er muß schleunigst in die Klinik«, sagte Dr. Norden zu Melanie. »Und Sie müssen zurück ins Haus, sonst holen Sie sich eine Erkältung.«
Melanie trug nur einen dünnen Morgenmantel, aber sie hörte nicht auf Dr. Nordens Ermahnung. Wie versteinert stand sie, während er mit dem Kollegen sprach und Manfred denn auf die Trage gebettet wurde, was mit aller Vorsicht geschah.
»Ich komme nach«, sagte Dr. Norden zu dem Notarzt, dann griff er nach Melanies Arm und schob das bebende Mädchen vor sich her.
»Wir müssen Ihre Eltern verständigen und auch die Polizei«, sagte er.
Sie hatten das Haus betreten. Eine tiefe Stimme schallte ihnen entgegen.
»Was ist denn los? Findest du den Eingang nicht, Manfred?«
»Reg dich nicht auf, Paps«, sagte Melanie mit trockenem Schluchzen. »Es ist etwas passiert. Komm bitte herunter.«
Der Hausherr erschien im dunkelblauen Hausmantel. Gleich hinter ihm auch Frau Reisner. Sie starrte Dr. Norden an.
»Sie?« stieß sie hervor. »Ist Manni verunglückt?«
»Ihr Sohn wurde auf der Straße niedergeschlagen«, erklärte Dr. Norden, denn ein langes Herumgerede hätte die Spannung nur noch verschlimmert.
»Wo ist er?« fragte Ernst Reisner rauh.
»Schon auf dem Wege zur Behnisch-Klinik. Sie werden schon dort sein«, erwiderte Dr. Norden. »Ihre Tochter hat den Notarzt schnell verständigt.«
»Ich verstehe das nicht, ich verstehe das nicht«, schluchzte Frau Reisner. »Wir müssen zu ihm, Ernst.«
»Nimm dich jetzt zusammen, Hanni«, sagte Ernst Reisner. »Dr. Norden wird uns erklären, was passiert ist.«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Daniel Norden. »Ich kam ganz zufällig durch diese Straße, gerade von einem Krankenbesuch.«
»Glücklicherweise«, warf Melanie leise ein, und darauf fragte sich Dr. Norden, was sonst wohl mit Manfred Reisner noch geschehen wäre.
»Ich habe nur gesehen, wie zwei schattenhafte Gestalten davonliefen«, fuhr Dr. Norden fort. »Ich hielt an und erkannte Ihren Sohn. Da habe ich geläutet und…«
»Ich habe dann den Notarzt angerufen«, warf Melanie mit versagender Stimme ein. »Aber ich wußte doch nicht, daß es um unseren Manni geht.«
»Ich hielt es für besser so«, sagte Dr. Norden. »Es war keine Zeit zu verlieren.«
»Ist es so schlimm?« fragte Hanni Reisner aufweinend.
»Ich kann im Augenblick noch nichts sagen. Ich fahre zur Klinik. Dann werde ich Sie informieren.«
»Nein, wir kommen«, erwiderte Ernst Reisner heiser. Melanie nickte stumm.
*
Ernst Reisner ließ sich nicht so schnell anmerken, wenn ihn etwas aus dem Gleichgewicht brachte und behielt auch jetzt die Beherrschung. Er war ein großer wuchtiger Mann, dem man ansah, daß ihm das Bier schmeckte, das in seiner Brauerei gebraut wurde. Doch seine Grundsätze waren: Alles in Maßen genießen und immer den Tatsachen ins Auge zu blicken.
Die Tatsache, daß seinem Sohn Schlimmes widerfahren war, ließ sich nicht wegleugnen, aber Dr. Norden hatte gesagt, daß Manfred lebe, und dies allein zählte jetzt für ihn.
»Jammere nicht, Hanni, damit machst du es nicht besser«, sagte er zu seiner Frau, als sie in der Halle der Behnisch-Klinik warteten.
Melanie verhielt sich ganz still. Sie kauerte in einem Sessel und starrte vor sich hin.
Dr. Norden sprach mit Dr. Behnisch. Sie waren Duzfreunde, kannten sich schon von der Universität her und arbeiteten in schwierigen Fällen immer Hand in Hand.
Dr. Norden war Arzt für Allgemeinmedizin, Dr. Behnisch war Chirurg und Besitzer dieser Privatklinik, die er Dank eines reichen Onkels, der ihm ein großes Erbe hinterlassen hatte, immer auf den modernsten Stand ausstatten konnte.
»Er ist übel zugerichtet«, sagte Dr. Behnisch. »Aber er ist ein harter Bursche und sehr widerstandsfähig. Das war doch nicht nur ein Straßenraub, Daniel?«
»Was sonst?« fragte Dr. Norden bestürzt.
»Nur so ein Gedanke«, sagte Dr. Behnisch sinnend. »Er hat einen reichen Vater. Vielleicht wollte man ihn entführen. Diese gemeine Unsitte reißt langsam ein.«
»Daran habe ich noch nicht gedacht«, sagte Daniel Norden. »Erschreck seine Eltern nicht mit solchen Vermutungen. Sie haben auch noch eine Tochter.«
»Rede du mit ihnen. Du kennst sie bereits. Ich habe kein Talent, meine Gedanken zu verbergen. Wieviel Millionen stehen hinter Reisner?«
»Keine Ahnung. Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.«
»Es sieht jedenfalls nicht so aus, als wollten ein paar windige Straßenräuber ihn nur bestehlen. Geldbeutel und Brieftasche hat er noch bei sich.«
»Die Burschen wurden durch mich gestört. Sie liefen davon, als sie meinen Wagen kommen sahen.«
»Sie liefen davon«, wiederholte Dr. Behnisch. »Kein Wagen war in der Nähe?«
»Nicht in der Straße. Vielleicht in der Nebenstraße, aber worüber denkst du nach?«
»Daß Reisner ein sehr reicher Mann ist. Wieviel Millionen stehen eigentlich hinter ihm?«
»Keine Ahnung. Sie leben jedenfalls nicht aufwendig. Du denkst doch