Bangen um ein Kinderherz: Dr. Norden Aktuell 22 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
Dr. Daniel Norden hatte nach Beendigung der Vormittagssprechstunde noch zwei Krankenbesuche gemacht. Er verließ gerade die Wohnung der alten Frau Bringezu, die so schwer unter ihrem Rheuma litt, daß sie schon seit Tagen ihre Wohnung nicht mehr verlassen konnte. Dr. Norden überlegte noch, wie man ihr am besten beibringen könnte, daß sie in einem Pflegeheim jetzt besser aufgehoben wäre, da vernahm er mehrstimmiges Sirenengeheul. Ein Funkstreifenwagen kam die Straße entlanggerast, ein Notarztwagen folgte, dann wieder ein Streifenwagen, und dann auch noch die Feuerwehr. Ein Feuer oder ein schwerer Unfall mußten die Ursache sein. Dr. Norden setzte sich hinter das Steuer seines Wagens und fuhr in die gleiche Richtung. Vielleicht wurde mehr Hilfe gebraucht, als jetzt schon zur Stelle sein konnte. Weit brauchte er nicht zu fahren, und Entsetzen ergriff ihn, als er sehen mußte, daß es der Schulbus war, der mit einem Lastwagen zusammengestoßen war. Schon mehrmals war ihm aufgefallen, wie riskant der Fahrer den Schulbus durch die Straßen steuerte, und einmal hatte auch seine Frau Fee schon die Polizei darauf aufmerksam gemacht. Doch jetzt dachte Dr. Daniel Norden, selbst Vater zweier kleiner Söhne, nur an die Kinder, die wohl eben erst von der Schule abgeholt worden waren. Er sah dann auch gleich, wie schon Kinder herausgehoben wurden. Er hörte Jammern und Weinen. Wie immer waren die Neugierigen schon in Mengen zur Stelle, obwohl sonst die Straßen um diese Zeit meist wie ausgestorben lagen. Um sich einen Weg zu bahnen, mußte er mehrmals energisch und auch zornig erklären, daß er Arzt sei. Einige erkannten ihn und wichen dann doch verlegen zur Seite. Auch die Polizisten kannten ihn, und der Notarzt Dr.
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Buchvorschau
Bangen um ein Kinderherz - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Aktuell
– 22 –
Bangen um ein Kinderherz
Patricia Vandenberg
Dr. Daniel Norden hatte nach Beendigung der Vormittagssprechstunde noch zwei Krankenbesuche gemacht. Er verließ gerade die Wohnung der alten Frau Bringezu, die so schwer unter ihrem Rheuma litt, daß sie schon seit Tagen ihre Wohnung nicht mehr verlassen konnte. Dr. Norden überlegte noch, wie man ihr am besten beibringen könnte, daß sie in einem Pflegeheim jetzt besser aufgehoben wäre, da vernahm er mehrstimmiges Sirenengeheul. Ein Funkstreifenwagen kam die Straße entlanggerast, ein Notarztwagen folgte, dann wieder ein Streifenwagen, und dann auch noch die Feuerwehr.
Ein Feuer oder ein schwerer Unfall mußten die Ursache sein. Dr. Norden setzte sich hinter das Steuer seines Wagens und fuhr in die gleiche Richtung. Vielleicht wurde mehr Hilfe gebraucht, als jetzt schon zur Stelle sein konnte.
Weit brauchte er nicht zu fahren, und Entsetzen ergriff ihn, als er sehen mußte, daß es der Schulbus war, der mit einem Lastwagen zusammengestoßen war. Schon mehrmals war ihm aufgefallen, wie riskant der Fahrer den Schulbus durch die Straßen steuerte, und einmal hatte auch seine Frau Fee schon die Polizei darauf aufmerksam gemacht.
Doch jetzt dachte Dr. Daniel Norden, selbst Vater zweier kleiner Söhne, nur an die Kinder, die wohl eben erst von der Schule abgeholt worden waren. Er sah dann auch gleich, wie schon Kinder herausgehoben wurden. Er hörte Jammern und Weinen.
Wie immer waren die Neugierigen schon in Mengen zur Stelle, obwohl sonst die Straßen um diese Zeit meist wie ausgestorben lagen. Um sich einen Weg zu bahnen, mußte er mehrmals energisch und auch zornig erklären, daß er Arzt sei. Einige erkannten ihn und wichen dann doch verlegen zur Seite.
Auch die Polizisten kannten ihn, und der Notarzt Dr. Hausmann nickte ihm erleichtert zu.
Es wurden nicht viel Worte verloren. Dr. Norden holte nacheinander drei bewußtlose Kinder aus dem Bus. Die auf den hinteren Sitzen schienen mit dem Schock davongekommen zu sein, doch zwei Buben und ein Mädchen hatte es ziemlich schwer erwischt.
Der Fahrer mußte unter Mühen aus dem Bus herausgeschweißt werden. Er gab nur noch schwache Lebenszeichen von sich.
Ein zweiter Krankenwagen kam. Dr. Norden ließ die drei Kinder hineinbetten und leistete Erste Hilfe. Draußen hatten sich auch schon einige Mütter eingefunden, die nach ihren Kindern riefen und weinten, und dann doch manch eines wohlbehalten in die Arme schließen konnten.
Dr. Norden ordnete an, daß man die drei Kinder, die er versorgt hatte, sofort in die Behnisch-Klinik bringen sollte, denn einen der Buben hatte er erkannt. Es war der kleine Henrik Farenhorst. Dr. Norden wurde ganz elend bei dem Gedanken, wie dessen Mutter die Hiobsbotschaft aufnehmen würde, denn Verena Farenhorst war eine übersensible Frau, die schon ein Kind gleich bei der Geburt verloren hatte. Aber nicht allein dem kleinen Henrik durfte seine Fürsorge gelten, auf die anderen warteten auch angstvolle Eltern!
Als er seinen Wagen bestieg, sah er eine junge Frau, blutleer war ihr Gesicht, weit aufgerissen ihre angstvollen Augen. »Corry«, rief sie mit bebender Stimme, »Corry, wo ist mein Kind?«
Ein Polizist sprach auf sie ein. Dr. Norden fuhr dem Krankenwagen nach. Jeder Unfall brachte Grauen und Schrecken mit sich, wenn es aber um Kinder ging, war es Dr. Daniel Norden ganz schwer ums Herz, denn er wußte um die Angst der Mütter.
Eine, die in ständiger Angst lebte, bis ihr Junge daheim war, war Verena Farenhorst. Die ersten Jahre hatte sie Henrik immer selbst zur Schule gebracht und wieder abgeholt. Als er dann, vor zwei Wochen, in die dritte Klasse kam, hatte er selbst gesagt, daß er jetzt kein kleiner Bub mehr sei und wie die anderen Kinder mit dem Schulbus fahren wolle.
Sie hatte es nicht erlauben wollen, aber er hatte bei seinem Vater Rückhalt gefunden. Vinzenz Farenhorst meinte, daß er selbständiger werden müsse und außerdem würde er kontaktarm werden, wenn man ihn ständig von den anderen Kindern fernhielte.
Es war wieder einmal zu Spannungen zwischen dem Ehepaar gekommen, wie schon so oft, nachdem Verena vor drei Jahren das heißersehnte Töchterchen bei der Geburt verloren hatte. Vorher hatte man sich kaum eine glücklichere Ehe vorstellen können, aber seither kapselte sich Verena immer mehr ab.
Die Farenhorsts lebten in einem wunderschönen Haus, dicht am Wald, ziemlich weit entfernt von der Fabrik, die Vinzenz Farenhorst gehörte. Mittags kam er jedoch fast immer nach Hause, wenn er nicht gerade mal dazu verpflichtet war, mit wichtigem Besuch zu essen. Er war auch meist pünktlich, und an diesem Mittag war er schon sehr pünktlich gewesen.
»Wo Henrik nur bleibt«, sagte Verena bebend. »Er müßte doch längst da sein.«
»Er wird sich wieder mal mit seiner kleinen Freundin verschwatzt haben«, sagte Vinzenz. »Reg dich doch nicht gleich wieder auf.«
»Ich habe vorhin Sirenen gehört«, flüsterte sie. »Mir ist so bange, Vinzenz.«
Er seufzte in sich hinein. Was soll das nur noch werden, dachte er. Verena war nur ein Schatten ihrer selbst. Nichts war geblieben von ihrer Lebensfreude, ihrem bezwingenden Charme. Er spielt in ihrem Leben nur noch eine Nebenrolle. Alle ihre Gedanken drehten sich um Henrik. Sie hätte ihn am liebsten in ein Glashaus gesetzt, und er wollte doch so gern mit anderen Kindern spielen und herumtollen.
Doch an diesem Tag sollte es Vinzenz Farenhorst bereuen, seiner Frau, wenn auch nur in Gedanken, Unrecht getan zu haben.
Das Telefon läutete. Dr. Norden war am anderen Ende der Leitung.
»Gut, daß Sie da sind, Herr Farenhorst«, sagte er. »Kommen Sie doch bitte in die Behnisch-Klinik. Der Schulbus ist verunglückt. Lebensgefahr besteht für Ihren Jungen nicht, aber er wird einige Wochen in der Klinik bleiben müssen.«
Vinzenz Farenhorst stand wie erstarrt. Angstvoll sah ihn seine Frau an. »Was ist?« schrie sie auf. »Was ist mit Henrik? Oh, meine Ahnungen. Es ist etwas passiert!«
»Bitte, Verena, verlier die Nerven nicht. Er lebt. Es besteht keine Lebensgefahr, hat Dr. Norden gesagt. Der Bus ist verunglückt. So nimm dich doch zusammen…« Rauh stieß er es hervor, da er selbst schwer erschüttert war.
»Du bist schuld!« schrie sie auf, »hätte ich ihn weiter selbst abgeholt...«, ihre Stimme erstickte im Schluchzen. Vinzenz umfaßte ihre Schultern und schüttelte sie.
»Rena, ich bitte dich, meinst du, mir geht es nicht nahe? Laß uns in die Klinik fahren. Dr. Norden ist bei Henrik. Er selbst hat angerufen, es sind noch mehr Kinder verletzt.«
»Was gehen mich andere Kinder an«, wimmerte sie. »Mein Junge, mein Henrik, alles, was mir geblieben ist...«, und dann sackte sie zusammen.
Wally, das Hausmädchen, kam aufgeregt herbeigelaufen.
»Der Schulbus ist verunglückt«, erklärte Vinzenz heiser. »Ich nehme meine Frau gleich mit in die Klinik. Machen Sie bitte die Türen auf.«
Wally zitterte auch am ganzen Körper und murmelte nur immer: »Ach Gott, ach Gott«, und Vinzenz trug seine Frau zum Wagen.
Er handelte völlig instinktiv. Denken konnte er augenblicklich gar nicht. Er bettete Verena auf den Rücksitz und steuerte dann seinen schweren Wagen ganz vorsichtig durch die stillen Straßen zur Behnisch-Klinik, die ihm wohlbekannt war. Erst vor einem Jahr war Henrik dort am Blinddarm operiert worden, und er durfte jetzt gar nicht daran denken, daß Verena auch da schon einem Nervenzusammenbruch nahe gewesen war.
Jetzt konnte er wirklich nur beten und hoffen, daß ihn Dr. Norden nicht barmherzig getäuscht hatte.
*
Franziska Biegler bangte auch um ihre Tochter. Sie war die junge Frau, die Dr. Norden vorhin an der Unfallstelle gesehen hatte. Man hatte ihr inzwischen gesagt, daß ihre Corry auch in die Behnisch-Klinik gebracht worden war.
Franziska verdiente den Lebensunterhalt für sich und ihr uneheliches Kind recht mühsam als Verkäuferin in einem Textilgeschäft. Es war die einzige Stellung, die sie in diesem Vorort finden konnte. Hier hatte sie ihre kleine Wohnung, und in die Stadt wollte sie nicht fahren, da dann Corinna zuviel allein gewesen wäre.
Franziska liebte ihre kleine Tochter, die gerade erst eingeschult worden war. Sie hatte auch deren Vater geliebt, voller Illusionen und Träume, sie war sehr jung gewesen, voller Hingabe und Vertrauen. Er hatte sie schmählich im Stich gelassen, als sie das Kind erwartete.
Zuerst hatte sie gemeint, nicht mehr leben zu können, dann hatte sie für das unschuldige kleine Wesen leben wollen, dem sie ihre ganze Liebe schenkte. Trotz mancher Entbehrungen hatte Corry eine glückliche Kindheit und eine sehr liebevolle Mutter.
Franziska war kopflos aus dem Geschäft davongelaufen, als sie hörte, daß der Schulbus verunglückt war. Immer kam Corry nach der Schule zu ihr ins Geschäft. Die Bushaltestelle lag von diesem nur zwei Minuten entfernt. Sie gingen dann gemeinsam nach Hause und aßen. Um halb drei Uhr mußte Franziska wieder im Geschäft sein. Dann wurde Corry von einer netten, kinderlosen Nachbarin betreut.
Heute war Mittwoch. Da hatte Franziska nachmittags frei. Sie wollte mit Corry in den Tierpark fahren. Einmal im Monat gönnte sie sich das und dem Kind, denn Corry liebte Tiere über alles.
Nun war dieser Mittwoch zu einem schrecklichen Tag in Franziska Bieglers Leben geworden. Die Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie zur Behnisch-Klinik lief. Nur wenig später als Vinzenz Farenhorst kam sie dort an und sie sah noch, wie er seine Frau in die Klinik trug. Franziska kannte ihn nicht. Reich