Der Fremde und seine große Schuld: Dr. Norden Aktuell 13 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
Dr. Daniel Norden war gerade dabei, dem alten Herrn Becker gut zuzureden, sich endlich mehr Ruhe zu gönnen, als Loni, die Arzthelferin, durch die Sprechanlage rief, er möge doch bitte schnell mal kommen. »Da brennt's mal wieder«, sagte Herr Becker. »Bei mir pressiert es nicht.« Dr. Norden war schon aus der Tür und eilte auf den Behandlungsraum zu. Dort saß eine junge Frau mit sehr blassem Gesicht. Aus ihrer Hand tropfte durch ein Taschentuch Blut. Loni war schon dabei, sterile Verbände zurechtzulegen. Die junge, sehr attraktive Frau hieß Amelie Lohner, und Dr. Norden kannte sie sehr gut. »Was haben wir denn da angestellt?« fragte er. Während er schon die Wunde untersuchte und Loni alles bereitlegte, was er verlangte, brachte Amelie ein klägliches Lächeln zustande. »Ungeschickt läßt grüßen«, murmelte sie. »Das Holz war so verdammt hart. Die Feile ist mir ausgerutscht.« Ihre schöne, zarte Hand sah ziemlich böse aus.
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Dr. Norden – Die Anfänge
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Buchvorschau
Der Fremde und seine große Schuld - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Aktuell
– 13 –
Der Fremde und seine große Schuld
Patricia Vandenberg
Dr. Daniel Norden war gerade dabei, dem alten Herrn Becker gut zuzureden, sich endlich mehr Ruhe zu gönnen, als Loni, die Arzthelferin, durch die Sprechanlage rief, er möge doch bitte schnell mal kommen.
»Da brennt’s mal wieder«, sagte Herr Becker. »Bei mir pressiert es nicht.«
Dr. Norden war schon aus der Tür und eilte auf den Behandlungsraum zu. Dort saß eine junge Frau mit sehr blassem Gesicht. Aus ihrer Hand tropfte durch ein Taschentuch Blut. Loni war schon dabei, sterile Verbände zurechtzulegen.
Die junge, sehr attraktive Frau hieß Amelie Lohner, und Dr. Norden kannte sie sehr gut.
»Was haben wir denn da angestellt?« fragte er.
Während er schon die Wunde untersuchte und Loni alles bereitlegte, was er verlangte, brachte Amelie ein klägliches Lächeln zustande.
»Ungeschickt läßt grüßen«, murmelte sie. »Das Holz war so verdammt hart. Die Feile ist mir ausgerutscht.«
Ihre schöne, zarte Hand sah ziemlich böse aus. Geschickt klammerte Dr. Norden die beiden klaffenden Wunden. Dann gab er ihr eine Tetanusspritze.
Wehleidig war Amelie nicht, und nun brachte sie auch schon wieder ihr gewohntes reizendes Lächeln zustande, das ihrem herzförmigen, aparten Gesicht einen ganz besonderen Zauber verlieh.
»Tapferes Mädchen«, sagte Dr. Norden anerkennend. Bei ihr konnte er sich das erlauben, ohne mißverstanden zu werden. Sie sahen sich fast täglich, denn Amelie und ihr Bruder Nikolaus Lohner, beide Architekten, hatten Dr. Nordens Haus angebaut, und Amelie besorgte nun mit sehr viel Geschmack die Innenausstattung.
Fee Norden hatte sich mit der klugen und sehr tüchtigen Amelie angefreundet. Ein warmer, herzlicher Kontakt hatte sich zwischen ihnen angebahnt.
Amelie betrachtete ihre Hand und warf Dr. Norden einen schrägen Blick zu. »So was Dummes«, kritisierte sie sich selbst. »Niko wird schön schimpfen.«
Die Geschwister Lohner hingen wie Kletten aneinander, so unterschiedlich sie auch im Wesen waren, denn Nikolaus war ein sehr ruhiger, fast verschlossener Mann, während Amelie ein Temperamentsbündel war.
»Wie ist es denn passiert?« fragte Dr. Norden. Daß es nicht in seinem Haus geschehen sein konnte, wußte er, sonst hätte seine Frau Fee, die ja auch Ärztin war, erste Hilfe geleistet.
»Ich behalte es lieber für mich, sonst kriege ich von Ihnen auch noch Schimpfe«, sagte Amelie.
»Die würde jetzt auch nichts mehr nutzen«, sagte Dr. Norden.
»Na ja, ich wollte Schranktüren in eine Anbauwand einschrauben. Die Steffen hat sich aufgeführt wie eine Verrückte, weil die noch nicht fertig war, und Niko ist unterwegs. Und weil ich keinen passenden Schraubenzieher zur Hand hatte, habe ich die Holzfeile genommen, damit ich nur ja schnell fertig werde. Da haben wir nun die Bescherung. Die Steffen zetert, und Niko wird mir die Leviten lesen.«
»Und Sie haben die Schmerzen«, sagte Daniel Norden. »Sie dürfen jetzt keinesfalls etwas tun mit dieser Hand. Diese ungeduldige Dame muß halt warten.«
»Wenn sie wenigstens eine Dame wäre«, sagte Amelie seufzend. »Nie wieder bauen wir ein Haus mit Eigentumswohnungen. Man hat nur Scherereien. Aber jetzt will ich Sie nicht länger aufhalten. Hoffentlich ist Ihre Frau nicht böse, daß ich erst nachmittags kommen kann.«
»Sie werden heute gar nichts tun, sondern mal Ruhe geben. Es wird noch ganz hübsch weh tun. Aber wenn es zu arg wird, rufen Sie mich an, dann komme ich vorbei und gebe Ihnen eine Spritze.«
Jetzt konnte er ihr nicht gleich noch eine geben, denn Amelie war mit ihrem Wagen gekommen und beharrte auch darauf, allein heimzufahren. Tapfer war sie, und eine Dame war sie auch, wenn sie auch frisch und frei daherredete. Man mußte sie einfach gern haben. Dr. Norden konnte nicht verstehen, daß jemand unfreundlich zu ihr sein konnte. Aber er kannte ja Celia Steffen noch nicht. Allerdings sollte er sie an diesem Tage noch kennenlernen, und wie!
*
Amelie und ihr Bruder Nikolaus stammten aus einer vermögenden Familie. Viele Grundstücke waren seit Generationen im Besitz der Lohners. Die Eltern und die heißgeliebte Großmama hatten sich in einen abgelegenen Vorort zurückgezogen, weil ihnen die Stadt zu laut und verkehrsreich geworden war.
Nahe der Praxis von Dr. Norden hatten Nikolaus und Amelie auf einem der Grundstücke ein Wohnhaus mit acht Wohnungen gebaut, in dem sie auch selbst eine Wohnung und auch ihr Atelier eingerichtet hatten. Sie waren sehr begabte, sehr gesuchte Architekten mit individuellen Ideen. Wahre Künstler, wie auch Daniel und Fee Norden nun aus eigener Erfahrung feststellen konnten, denn
der Anbau ihres Hauses war genial gelöst worden. Jetzt hatten sie einen überdachten Innenhof, in dem die Kinder auch bei Regenwetter spielen konnten, ohne naß zu werden.
Aber auch das Haus mit den Eigentumswohnungen zeichnete sich durch seine wohldurchdachte Bauweise aus. Die Wohnungen waren die Geschwister reißend losgeworden. Sie hatten auch keine Schwierigkeiten mit den Käufern, ausgenommen Celia Steffen, die es ganz besonders eilig mit dem Einzug gehabt hatte und nun ständig herumnörgelte, daß manches noch nicht fertig geworden war. Es war nicht die Schuld der Geschwister Lohner. Die Zulieferfirmen hatten gebummelt. Ärger gab es da immer, aber das waren sie gewohnt. Doch meistens kamen sie mit ihren Käufern blendend zurecht.
Als nun Amelie mit ihrer verbundenen Hand zurückkam, war ihr Bruder schon im Atelier.
»Dich kann man doch nicht ein paar Stunden allein lassen«, sagte er kopfschüttelnd, aber in liebevollbesorgtem Ton. »Was hast du denn wieder angestellt, Amelie? Die Steffen führt sich auf wie eine Wilde. Du sollst doch gar nicht solche Arbeiten machen.«
Behutsam nahm er ihre Hand. »Tschapperl«, sagte er weich. Nur mit ihr sprach er in diesem Ton, sonst hatte seine Stimme immer einen kühlen Klang.
»Dr. Norden hat es gerichtet«, erklärte Amelie lächelnd, obgleich es ihr augenblicklich gar nicht zum Lachen zumute war.
Die Hand schmerzte, aber in erster Linie ärgerte sie sich maßlos, daß sie eine Wohnung gleich an Celia Steffen verkauft hatten, obgleich später noch viel nettere Interessenten gekommen waren. Aber die Flaute auf dem Wohnungsmarkt hatte sie anfangs zu schnellen Entschlüssen gedrängt, was unüberlegt gewesen war, wie sich dann herausstellen sollte.
Lehrgeld mußte jeder zahlen. Es war das erste Haus, das sie ganz in eigener Regie gebaut hatten.
»Sie ist ein Biest«, sagte Amelie. »Bitte, sorge dafür, daß die Schrankwand steht, Niko. Die Frau macht uns fertig.«
»Mich nicht. Und du läßt von so was in Zukunft die Finger. Ist es sehr schlimm?«
»I wo, mach dir nur keine Gedanken. Aber es ist lästig mit dem Verband, und Dr. Norden sagt, daß die Hand ruhen muß. Das hat mir gerade noch gefehlt.«
»Es ist recht so«, sagte Nikolaus. »Eine Zwangspause tut dir gut. Du hast sowieso zuviel gearbeitet in den letzten Wochen. Jonas wird sich freuen, wenn du mal ein bißchen mehr Zeit hast. Er kommt nachher.«
»Warum?« fragte Amelie verwundert.
»Ich habe etwas mit ihm zu besprechen. Übrigens hat mir die Steffen verkündet, daß sie einen Untermieter hereinnimmt.«
»Einen Untermieter? Darauf ist die Wohnung doch gar nicht zugeschnitten«, sagte Amelie bestürzt. »Hat sie doch nicht so viel Geld, wie sie tut?«
»Man kann es ja auch Untermieter nennen«, sagte Nikolaus spöttisch. »Erfahren hätte ich es nicht so schnell, wenn ich nicht zufällig mit ihm zusammengetroffen wäre. Er ist mindestens zwanzig Jahre jünger als sie. Aber sie hat die Wohnung gekauft und kann machen, was sie will. Solange sie mir nicht auf den Wecker fällt und dich in Ruhe läßt, kümmert es mich nicht.«
»Ich bin froh, wenn sie dich in Ruhe läßt«, sagte Amelie, ihren interessanten Bruder nachdenklich betrachtend.
Er war schon ein besonders markanter Mann. Hochgewachsen, mit scharfgeschnittenem Gesicht, blauschwarzem vollem Haar über einer breiten Stirn, dunklen Augen, einer geradezu klassischen Nase, die ihm das Profil einer Michelangelostatue verlieh, und dazu einen sensiblen, sehr ausdrucksvollen Mund, der beim Lächeln wunderschöne, ebenmäßige Zähne freigab.
Doch Nikolaus Lohner lächelte selten. Es war nicht immer so gewesen. Vor fünf Jahren war er ein strahlend glücklicher Mann gewesen, verlobt mit einem entzückenden Mädchen.
Drei Wochen vor der Hochzeit war sie bei einem Lawinenunglück ums Leben gekommen. Bei dem gleichen Unglück war Fee Nordens Stiefschwester Katja verschüttet worden, doch sie konnte gerettet werden. Daher wußten die Nordens Bescheid, was Nikolaus Lohner so still und ernst gemacht hatte.
Als Stiefschwester bezeichnete Fee Katja nicht gern. Sie liebte die Jüngere innig. Als Dr. Cornelius, Fees Vater, der das Sanatorium »Insel der Hoffnung« leitet, Katjas Mutter Anne heiratete, waren sie alle sehr froh gewesen. Katja, die nach diesem schrecklichen Unglück viele Monate durch den Schock gelähmt war, denn sie hatte dabei auch ihren Verlobten verloren, war auf der »Insel der Hoffnung« genesen. Sie hatte dort den Pianisten David Delorme kennengelernt, und nun waren sie längst ein sehr glückliches Ehepaar. Für Katja hatte jener Tag seinen entsetzlichen Schrecken verloren, für Nikolaus Lohner wohl immer noch nicht, denn er war heil davongekommen, während die reizende Terry nicht gerettet werden konnte.
Durch Katja war schließlich vor ein paar Monaten die Verbindung zwischen Lohners und den Nordens hergestellt worden. Katja war auf den Namen Nikolaus Lohner aufmerksam geworden, und wenn auch für sie alles wieder gut geworden war, so hatte sie sich doch daran erinnert, wie verzweifelt Nikolaus damals gewesen war.
Gesprochen