Wie sich das Blatt doch wenden kann…: Der Bergpfarrer 357 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Sepp Reisinger, der Wirt vom Hotel »Zum Löwen« in St. Johann, stand in der Tür zum großen Saal und schaute zufrieden auf das Treiben. Dreihundert Menschen paßten hier rein, und ungefähr so viele waren es auch. Nahezu jeder Tisch war besetzt, Bier floß in Strömen, die Musik spielte und auf der Tanzfläche drängten sich die Paare. Besonders ausgelassen zeigten sich die junge Leute, die an einem gesonderten Tisch saßen, der näher zur Musikkappelle stand, im Gegensatz zu dem, an welchem die Honoratioren des Dorfes ihre Plätze hatte. Und unter den Madln und Burschen tat sich einer ganz besonders hervor: Toni Kreuzinger, der dreiundzwanzigjährige Sohn des Kreuzingerbauern, der schon am Wochenbeginn dem Samstagabend entgegenfieberte, an dem das Tanzvergnügen im Löwen stattfand. Der fesche Bursche war allerdings auch ein begnadeter Tänzer, und die Madln rissen sich darum, von ihm aufgefordert zu werden. Ob dieser Kunst, und weil der Toni ohnehin ein sympathischer Kerl war, hatte er eine Menge Spezi, war auf jeder Veranstaltung gern gesehen und ließ auch von sich aus keine Gaudi aus. Nur treu sein, das konnte der Kreuzinger-Toni net, denn wo es so viele schöne Madln gab, da konnte es der Herrgott net gewollt haben, daß der Toni nur eine glücklich machte und die and'ren net beachtete – so war zumindest seine Lebensphilosophie. Unter denen, die dort an dem Tisch saßen, war auch eine junge Magd. Vroni Raitmayr arbeitete seit gut zwei Jahren auf dem Kreuzingerhof. Aus Unterfranken war sie hierhergekommen, nachdem der Bauer, bei dem sie zuvor gearbeitet hatte, den Hof aufgegeben hatte und nun als Fernfahrer sein Geld verdiente. Dreiundzwanzig war sie, wie der Toni, und hübsch obendrein. Das hatten die Burschen längst bemerkt, und wenn Tanzabend war, konnte sich Vroni kaum vor Verehrern retten. Nur einer schien in dieser Beziehung blind zu sein – Toni. Der Bauernsohn hatte keine Ahnung, daß die Magd schon lange ihr Herz an ihn verloren hatte. Seit sie damals auf den Hof gekommen war, wußte sie, daß sie dem Mann ihrer Träume begegnet war, doch wie es schien, war diese Liebe aussichtslos. Vroni war indes ein lebensfrohes Madl und hatte eine Menge Freundinnen. Besonders gut verstand sie sich mit Katja Hirsinger, einer Magd vom Nachbarhof.
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Wie sich das Blatt doch wenden kann… - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 357 –
Wie sich das Blatt doch wenden kann…
Toni Waidacher
Sepp Reisinger, der Wirt vom Hotel »Zum Löwen« in St. Johann, stand in der Tür zum großen Saal und schaute zufrieden auf das Treiben. Dreihundert Menschen paßten hier rein, und ungefähr so viele waren es auch. Nahezu jeder Tisch war besetzt, Bier floß in Strömen, die Musik spielte und auf der Tanzfläche drängten sich die Paare.
Besonders ausgelassen zeigten sich die junge Leute, die an einem gesonderten Tisch saßen, der näher zur Musikkappelle stand, im Gegensatz zu dem, an welchem die Honoratioren des Dorfes ihre Plätze hatte.
Und unter den Madln und Burschen tat sich einer ganz besonders hervor: Toni Kreuzinger, der dreiundzwanzigjährige Sohn des Kreuzingerbauern, der schon am Wochenbeginn dem Samstagabend entgegenfieberte, an dem das Tanzvergnügen im Löwen stattfand.
Der fesche Bursche war allerdings auch ein begnadeter Tänzer, und die Madln rissen sich darum, von ihm aufgefordert zu werden. Ob dieser Kunst, und weil der Toni ohnehin ein sympathischer Kerl war, hatte er eine Menge Spezi, war auf jeder Veranstaltung gern gesehen und ließ auch von sich aus keine Gaudi aus.
Nur treu sein, das konnte der Kreuzinger-Toni net, denn wo es so viele schöne Madln gab, da konnte es der Herrgott net gewollt haben, daß der Toni nur eine glücklich machte und die and’ren net beachtete – so war zumindest seine Lebensphilosophie.
Unter denen, die dort an dem Tisch saßen, war auch eine junge Magd. Vroni Raitmayr arbeitete seit gut zwei Jahren auf dem Kreuzingerhof. Aus Unterfranken war sie hierhergekommen, nachdem der Bauer, bei dem sie zuvor gearbeitet hatte, den Hof aufgegeben hatte und nun als Fernfahrer sein Geld verdiente.
Dreiundzwanzig war sie, wie der Toni, und hübsch obendrein. Das hatten die Burschen längst bemerkt, und wenn Tanzabend war, konnte sich Vroni kaum vor Verehrern retten. Nur einer schien in dieser Beziehung blind zu sein – Toni. Der Bauernsohn hatte keine Ahnung, daß die Magd schon lange ihr Herz an ihn verloren hatte. Seit sie damals auf den Hof gekommen war, wußte sie, daß sie dem Mann ihrer Träume begegnet war, doch wie es schien, war diese Liebe aussichtslos.
Vroni war indes ein lebensfrohes Madl und hatte eine Menge Freundinnen. Besonders gut verstand sie sich mit Katja Hirsinger, einer Magd vom Nachbarhof. Die beiden steckten oft zusammen, und Katja war die einzige, die von Vronis einsamer Liebe zu dem Bauernsohn wußte.
Jetzt saßen die zwei Madln nebeneinander und schauten dem Treiben auf der Tanzfläche zu. Wie nicht anders zu erwarten, zeigte Toni Kreuzinger wieder einmal sein ganzes Können. Er wirbelte seine Tanzpartnerin durch die Luft, als die Kapelle einen Rock ’n’ Roll spielte, wiegte sie beim langsamen Walzer sanft in seinen Armen und hatte dabei jenen verträumten Ausdruck im Gesicht, der die Madln zum Dahinschmelzen brachte.
»Na, der zieht ja mal wieder mächtig eine Schau ab«, meinte Katja und stieß Vroni dabei in die Seite.
Die hübsche Magd zuckte die Schultern.
»Laß ihm doch seinen Spaß.«
Katja Hirsinger schüttelte den Kopf.
»Also, mir wär’s net so egal, wenn der Mann meiner Träume sich so mit anderen Madln amüsiert«, sagte sie. »Keinen Augenblick könnt’ ich’s aushalten.«
Vroni seufzte und trank einen Schluck von ihrer Weinschorle.
»Was soll ich denn machen?« fragte sie. »Er ist nun mal so. Außerdem weiß er ja gar net, daß ich ihn liebhab’.«
»Ja, und genau das stößt mir sauer auf«, sagte die Freundin ärgerlich. »Warum hast’ ihm denn noch nie zu verstehn gegeben, was du für ihn empfindest? Von allein kommt er ja doch net darauf.«
»Wie stellst’ dir denn das vor?« antwortete Vroni ungehalten. »Soll ich ihm etwa um den Hals fallen und ihm sagen, daß ich ihn zum Mann haben möcht’?«
»Warum net?«
Vroni senkte den Kopf.
»Erstens mach’ ich so was net«, erwiderte sie, »zweitens möcht’ ich, wenn überhaupt, daß er von selbst darauf kommt, und drittens ist’s sowieso aussichtslos, weil…«
Katja sah sie fragend an.
»Weil was? Nun red’ doch endlich weiter!«
Die Magd schaute sich um, ob jemand außer der Freundin sie hören konnte. Aber nur am anderen Ende des Tisches saßen ein paar Burschen und unterhielten sich lautstark.
»Der Toni soll die Anne heiraten«, sagte sie schließlich. »Der Bauer hat’s so beschlossen.«
Katja riß die Augen auf.
»Was, uns’re Anne? Das glaub’ ich net.«
»Kannst du ruhig. Tonis Vater und euer Bauer haben’s besprochen und sind sich einig geworden. Der Stadlerbauer hat keinen Hof-erben, und wenn der Toni und Anne heiraten, dann werden die beiden Höfe zusammengelegt.«
Katja Hirsinger war so überrascht von dieser Neuigkeit, daß sie erst einmal etwas trinken mußte.
»Seit wann weißt’ denn das?« wollte sie wissen.
Vroni blickte auf die Tanzfläche, wo Toni Kreuzinger immer noch der Platzhirsch war.
»Vor ein paar Tagen war dein Bauer bei uns auf dem Hof, Tonis Vater wollt’ er sprechen. Die zwei haben zusammengesessen und alles verabredet.«
»Ach, ich weiß schon. Am nächsten Morgen ist der Stadlerbauer mit ziemlicher Verspätung und noch mehr Kopfschmerzen aufgestanden. Wahrscheinlich haben s’ den Handel gleich richtig begossen.«
Katja sah nachdenklich vor sich hin.
»Möcht’ nur wissen, was die Anne dazu sagt«, überlegte sie halblaut. »Ob die überhaupt schon von ihrem Glück weiß?«
Sie blickte auf die Freundin.
»Und du läßt dir das gefallen?« fragte sie kopfschüttelnd.
Vroni Raitmayr hob hilflos die Hände und ließ sie wieder fallen.
»Was soll ich denn machen? Abgesehen davon, daß der Toni ja keine Ahnung hat, was ich für ihn empfinde, hab’ ich doch gar keine Chance gegen die Anne. Ich bin nur die Magd, ohne Hof. Ich hab’ ja net einmal viel Geld, außer dem bissel, was ich gespart hab’. Wenn ich damit komm’, lacht der Bauer mich doch aus, vom Toni ganz zu schweigen.«
Resignierend zuckte sie die Schultern.
»Es ist halt nur ein schöner Taum.«
»Ja«, nickte Katja, »und du mußt aufpassen, daß du rechtzeitig aufwachst. Sonst träumst nämlich in zwanzig Jahren immer noch von deiner einsamen Liebe!«
*
Auch wenn Toni am Wochenende gerne mal über die Stränge schlug, so war er morgens doch wieder pünktlich aus den Federn. Wie jeden Tag stand er im Stall, melkte und fütterte die Kühe, mistete den Schweinestall aus und trieb die Tiere anschließend auf die Weide.
Denen war es nämlich egal, was für ein Tag es war oder ob der Bauernsohn sich die halbe Nacht um die Ohren geschlagen hatte – sie wollten versorgt werden, und Toni kam seinen Pflichten nach.
Er wußte, wenn er ordentlich seine Arbeit verrichtete, dann würde der Vater auch ein Auge zudrücken, wenn der Sohn sich mal wieder irgendwelche Eskapaden leistete.
Nur eines machte dem Bauernsohn Sorge. Seit ein paar Wochen sprach der Vater wiederholt davon, daß es für Toni endlich an der Zeit wäre, sich die Flausen aus dem Kopf zu schlagen und ernsthaft darüber nachzudenken, ob es nicht endlich an der Zeit wäre, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Schließlich sei er, der Vater, nicht mehr der Jüngste und wolle sich beizeiten auf das Altenteil zurückziehen.
Ein siedendheißer Schreck durchfuhr den Burschen bei diesen Worten.
Heiraten?
Das war das letzte, was er wollte!
Doch schien der Vater in dieser Angelegenheit unerbittlich, denn erst gestern hatte er wieder gesagt, daß sie sich zusammensetzen müßten, um darüber zu reden.
Daran dachte Toni, während er zusammen mit der Magd die Milchkannen nach vorn an die Straße schob.
Tja, wenn die Mutter noch lebte, die würde dem Vater diesen Blödsinn schon austreiben!
Toni war ein absolutes Wunschkind gewesen. Lange hatte es gedauert, bis Xaver und Christine Kreuzinger endlich