Pension Sonnenschein: Der neue Dr. Laurin 85 – Arztroman
Von Viola Maybach
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Über dieses E-Book
Die Familiengeschichte des Klinikchefs Dr. Leon Laurin tritt in eine neue Phase, die in die heutige moderne Lebenswelt passt.
Da die vier Kinder der Familie Laurin langsam heranwachsen, möchte Dr. Laurins Frau, Dr. Antonia Laurin, endlich wieder als Kinderärztin arbeiten. Somit wird Antonia in der Privatklinik ihres Mannes eine Praxis als Kinderärztin aufmachen.
Damit ist der Boden bereitet für eine große, faszinierende Arztserie, die das Spektrum um den charismatischen Dr. Laurin entscheidend erweitert.
Viktoria Welling öffnete die Terrassentür der schönen alten Villa, in der sie seit einem halben Jahr wohnte und trat hinaus in den frischen, klaren Morgen. Es war noch sehr früh, wie meistens, wenn sie aufstand. Sie war schon immer eine ›Lerche‹ gewesen, ein Mensch also, der gern früh aktiv war, wenn die meisten anderen, sofern sie nicht gezwungen waren, ihr Bett schon zu verlassen, sich gemütlich noch einmal auf die andere Seite drehten, um weiterzuschlafen. Viktoria hatte sich in der Küche schon einen Kaffee gemacht, denn die Köchin Inka Buder kam erst später. Sie lächelte, als sie an Inka dachte, die nicht nur erstklassig kochte, sondern dazu noch ein liebenswürdiger, kluger und mitfühlender Mensch war. Inka sah nicht aus, wie man sich landläufig eine Köchin vorstellte: Sie war nicht rund und rotwangig, sondern schlank und eher blass, hatte schöne braune Locken und noch schönere braune Augen. Sie strahlte Wärme aus, in ihrer Gegenwart fühlten sich alle sofort wohl. Viktoria und sie hatten sich vom ersten Augenblick an verstanden, obwohl rund fünfundzwanzig Lebensjahre zwischen ihnen lagen, Inka war gerade neunundvierzig Jahre alt geworden. Noch mehr Jahre trennten Viktoria von Alois Fitzhammer, dem Gärtner, der schon auf die Sechzig zusteuerte. Anders als Inka sah man ihm sein Alter auch an, er hatte wirre graue Haare und ein Gesicht, in das Sonne, Wind und Regen tiefe Furchen gegraben hatten. Aber wenn er lächelte, was bei ihm nicht oft vorkam, dann blitzten seine hellen blauen Augen, und mit einem Schlag wirkte er zehn Jahre jünger. Ihn mochte Viktoria ebenfalls sehr. Inka und er kabbelten sich ständig, aber im Grunde genommen waren sie die besten Freunde. Alois war nicht so liebenswürdig wie Inka, eher grummelig, manchmal sogar abweisend, aber wen er einmal ins Herz geschlossen hatte, der blieb für immer darin. Er zeigte es nur anders als Inka, die ihre Liebe oder Zuneigung durch die Zubereitung von Lieblingsspeisen ausdrückte, während Alois den Menschen, die er mochte, tatkräftig unter die Arme griff, wenn sie Hilfe brauchten. Zum Glück, dachte Viktoria, während sie ihren Kaffee genoss, hatte er sie, die Neue, gleich gemocht. Da hatte ihm ein langer prüfender Blick gereicht, bis er schließlich genickt und sich abgewandt hatte. »Er mag dich«, hatte Inka gesagt. »Damit hast du die Hauptprüfung hier im Haus schon bestanden.«
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Viola Maybach
Viktoria Welling öffnete die Terrassentür der schönen alten Villa, in der sie seit einem halben Jahr wohnte und trat hinaus in den frischen, klaren Morgen. Es war noch sehr früh, wie meistens, wenn sie aufstand. Sie war schon immer eine ›Lerche‹ gewesen, ein Mensch also, der gern früh aktiv war, wenn die meisten anderen, sofern sie nicht gezwungen waren, ihr Bett schon zu verlassen, sich gemütlich noch einmal auf die andere Seite drehten, um weiterzuschlafen.
Viktoria hatte sich in der Küche schon einen Kaffee gemacht, denn die Köchin Inka Buder kam erst später. Sie lächelte, als sie an Inka dachte, die nicht nur erstklassig kochte, sondern dazu noch ein liebenswürdiger, kluger und mitfühlender Mensch war. Inka sah nicht aus, wie man sich landläufig eine Köchin vorstellte: Sie war nicht rund und rotwangig, sondern schlank und eher blass, hatte schöne braune Locken und noch schönere braune Augen. Sie strahlte Wärme aus, in ihrer Gegenwart fühlten sich alle sofort wohl. Viktoria und sie hatten sich vom ersten Augenblick an verstanden, obwohl rund fünfundzwanzig Lebensjahre zwischen ihnen lagen, Inka war gerade neunundvierzig Jahre alt geworden.
Noch mehr Jahre trennten Viktoria von Alois Fitzhammer, dem Gärtner, der schon auf die Sechzig zusteuerte. Anders als Inka sah man ihm sein Alter auch an, er hatte wirre graue Haare und ein Gesicht, in das Sonne, Wind und Regen tiefe Furchen gegraben hatten. Aber wenn er lächelte, was bei ihm nicht oft vorkam, dann blitzten seine hellen blauen Augen, und mit einem Schlag wirkte er zehn Jahre jünger.
Ihn mochte Viktoria ebenfalls sehr. Inka und er kabbelten sich ständig, aber im Grunde genommen waren sie die besten Freunde. Alois war nicht so liebenswürdig wie Inka, eher grummelig, manchmal sogar abweisend, aber wen er einmal ins Herz geschlossen hatte, der blieb für immer darin. Er zeigte es nur anders als Inka, die ihre Liebe oder Zuneigung durch die Zubereitung von Lieblingsspeisen ausdrückte, während Alois den Menschen, die er mochte, tatkräftig unter die Arme griff, wenn sie Hilfe brauchten.
Zum Glück, dachte Viktoria, während sie ihren Kaffee genoss, hatte er sie, die Neue, gleich gemocht. Da hatte ihm ein langer prüfender Blick gereicht, bis er schließlich genickt und sich abgewandt hatte.
»Er mag dich«, hatte Inka gesagt. »Damit hast du die Hauptprüfung hier im Haus schon bestanden.«
Es gab noch mehr Personal: Für Alois arbeiteten mehrere Hilfsgärtner, was bei dem parkähnlichen Garten auch nötig war, und es gab Leute, die ausschließlich dafür zuständig waren, dass immer alles blitzte und blinkte. Früher hatte es auch noch einen Chauffeur und eine ›Hausdame‹ gegeben. Deren Aufgaben hatten nun andere mit übernommen. Einer der jungen Gärtner zum Beispiel war nun auch noch Chauffeur, während Inka, wie sie Viktoria schon am ersten Tag erzählt hatte, von der Köchin zur ›Hausdame‹ aufgestiegen war, aber natürlich kochte sie immer noch.
»Ich hatte ja sonst auch gar nicht genug zu tun, mit nur einer Person im ganzen Haus, die zu versorgen ist – und die war dann auch noch so lange im Krankenhaus und zur Kur. Und das bisschen Kochen fürs Personal hat mich auch überhaupt nicht ausgelastet. Der Alois und seine Leute, die haben immer viel zu tun, und im Haus gibt es auch genug, worum man sich kümmern muss, aber die Person, für die ich vor allem sorgen sollte, war ja ganz lange überhaupt nicht da. Ich hätte gar nicht gewusst …«
Inka hatte den Satz nicht beendet, sondern nur die Schultern hochgezogen, Viktoria einen Arm um die Schultern gelegt und leiser hinzugefügt: »Wir dachten ja alle, dass wir uns neue Arbeit suchen müssen. Das Blatt hat sich erst gewendet, seit du hier bist. Und das wissen alle.«
»Ach, geh, das wäre auch ohne mich passiert, Inka.«
»Mit Sicherheit nicht!«
All das ließ Viktoria in Gedanken Revue passieren, während sie langsam, mit bloßen Füßen, die Terrasse verließ und auf den gepflegten Rasen hinaustrat, der noch ganz feucht war. Der Herbst kündigte sich an, sie freute sich darauf, sie hatte den Herbst schon immer gemocht.
Langsam lief sie ein Stück weiter, während sie allmählich ihren Kaffeebecher leerte. Schließlich drehte sie sich um und sah zurück zum Haus. Wieder einmal ging ihr das Herz auf. Die Villa war hundertfünfzig Jahre alt und hatte bestimmt schon viel erlebt. Manchmal malte sie sich aus, was sich in den vielen Zimmern des Hauses wohl schon alles abgespielt haben mochte.
Von Frau von Gelsenburg wusste sie, dass ihr Vater die Villa gekauft hatte. »Er wollte eigentlich selbst bauen, aber dann hat er dieses Haus gesehen, das damals ein bisschen heruntergekommen war, und sich vor allem in das Grundstück verliebt. Er hat es gekauft, mitsamt der Villa, wobei ihm praktisch alle abgeraten haben, das hat er später oft erzählt und auch, dass er manches Mal gewünscht hat, er hätte auf die guten Ratschläge gehört, weil die Renovierung Unsummen an Geld verschlang. Aber letzten Endes, als alles fertig war, war er glücklich, und wir waren es auch. Wir haben die Villa immer geliebt. An den Zustand, in dem sie war, als er sie gekauft hat, erinnere ich mich nicht mehr, ich kenne nur die Fotos, aber ich war ja damals auch noch ein kleines Mädchen.«
Und jetzt lebe ich hier, dachte Viktoria, und ich liebe die Villa auch. Sofort zog sich ihr Herz zusammen, denn sie wusste, dass sie nicht mehr lange bleiben würde, nicht mehr lange bleiben konnte … Aber was sie nicht wusste, war, wie sie darüber mit Senta von Gelsenburg reden sollte. Oder mit Inka und Alois. Es fühlte sich an, als plante sie, sie im Stich zu lassen, dabei hatte es doch damit gar nichts zu tun, sondern nur damit, dass sie ja auch Pläne für ihr Leben gemacht hatte – und in diesen Plänen hatte es bis vor einem halben Jahr keine Senta von Gelsenburg, keine Inka, keinen Alois und keine Villa mit Park gegeben …
Ihr wurde kalt, und so kehrte sie langsam ins Haus zurück. Inka würde bald kommen, Alois und seine Leute auch. Und heute stand das große Silberputzen auf dem Programm, hatten die Putzleute angekündigt. Außerdem wollten sie sich den Wintergarten vornehmen und zwei der Kronleuchter wieder einmal gründlich reinigen. Das waren alles zeitraubende Arbeiten, die auch für eine gewisse Unruhe im Haus sorgen würden, aber gemacht werden mussten sie unbedingt.
Viktoria schloss die Terrassentür sorgfältig. Erst jetzt fiel ihr ein, dass am Wochenende Miriams Besuch bevorstand, und sie unterdrückte einen Seufzer. Miriam Fischer-von Gelsenburg war Senta von Gelsenburgs Tochter, die mit ihrer Familie in Bremen wohnte, und sie war diejenige, die Viktoria überredet hatte, diesen Job hier anzunehmen. Miriam war nett, aber sie wirkte immer so gestresst und abgehetzt, und allen war klar, dass sie lieber zuhause in Bremen bei ihrem Mann und ihren beiden kleinen Töchtern geblieben wäre, statt nach München zu ihrer Mutter zu fahren. Diese hatte ihr schon