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Emmas pikantes Geheimnis
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eBook270 Seiten3 Stunden

Emmas pikantes Geheimnis

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Über dieses E-Book

Diese himmelblauen Augen! Emma erschauert, als Ned Stratham ihr in einer rauschenden Ballnacht feurige Blicke zuwirft. Einst hat sein Charme sie betört, haben seine Küsse ihr Blut erhitzt. Aber das war in einem anderen Leben, in einen anderen, verruchten Teil von London. Und wenn Ned sie nun enttarnt, ist sie verloren …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum7. März 2020
ISBN9783733715878
Emmas pikantes Geheimnis
Autor

Margaret McPhee

Margaret McPhee lebt mit ihrem Ehemann an der Westküste Schottlands. Ganz besonders stolz ist sie auf ihre Kaninchendame Gwinnie, die mit ihren acht Jahren eine alte Lady unter ihren Artgenossen ist. Als Wissenschaftlerin ausgebildet, hatte sie trotzdem immer eine romantische Ader. Ihrem Mann begegnete sie zum ersten Mal auf der Treppe im Laborgebäude – sie ein paar Stufen über ihm, was sehr vorteilhaft war, denn Margaret ist klein und ihr Mann sehr groß. Es war Liebe auf den ersten Blick, und seitdem sind sie seit 15 Jahren unzertrennlich. Als Kind lebte Margaret die meiste Zeit in einer Traumwelt. Ihre Familie sagte zwar immer, da würde sie herauswachsen, doch darauf wartet sie immer noch. Seit sie bei ihrer Großmutter historische Liebsromane entdeckte – und diese förmlich verschlang – kommt sie nicht mehr davon los. Noch immer liest sie gerne Historicals, kauft sich jetzt aber ihre eigenen. Besonders die Romane von Georgette Heyer faszinierten sie und weckten in ihr den Wunsch, selbst Geschichten über aufregende Regency-Helden zu schreiben. Ihre ersten beiden Manuskripte wurden abgelehnt. Doch dank der Unterstützung anderer Autorinnen schaffte sie es, dass ihr Regency-Roman "The Captain's Lady" veröffentlicht wurde. Margaret genießt es Fahrrad zu fahren, verschönert sich den Nachmittag mit Tee und Keksen und erkundet gern mit ihrem Mann die herrliche Landschaft und die Natur der schottischen Inseln. Sie hofft stets darauf, eines Tages einen Riesenhai im Meer zu Gesicht zu bekommen und einen Seeadler am Himmel zu entdecken.

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    Buchvorschau

    Emmas pikantes Geheimnis - Margaret McPhee

    IMPRESSUM

    Emmas pikantes Geheimnis erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © 2014 by Margaret McPhee

    Originaltitel: „The Gentleman Rogue"

    erschienen bei: Harlequin Enterprises, Toronto

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL SAISON

    Band 29 - 2015 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburgg

    Übersetzung: Vera Möbius

    Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A., Talangart/GettyImages, phokin/GettyImages

    Veröffentlicht im ePub Format in 03/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733715878

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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    1. KAPITEL

    London, August 1811

    Emma de Lisle musterte den blonden Mann verstohlen. Wie üblich saß er auf der anderen Seite des Schankraums, mit dem Rücken zur Wand, die Eingangstür im Blickfeld. Auf seinem Tisch standen ein Krug Dunkelbier und ein Teller mit einem fast verspeisten Lammkotelett. Daneben lag ein verbeulter Lederhut.

    So wie immer ließ er eine kleine Elfenbeinscheibe über seinen Handrücken gleiten. Es sah so aus, als würde die Scheibe auf magische Weise über seine Finger rutschen, in langsamem Rhythmus, vor und zurück, hin und her. Sichtlich zufrieden nahm er einen Schluck Bier und aß das Kotelett. Anscheinend genügte es ihm, einfach nur die Mahlzeit zu genießen und seine Umgebung zu beobachten – ein Teil des geschäftigen Betriebs im Schankraum des Red Lion Chop-House. Trotzdem gehörte er irgendwie nicht dazu.

    „Alles in Ordnung?", fragte ein kleiner Mann, der am Tisch vorbeiging.

    Der Gast nickte, und die Elfenbeinscheibe verschwand in seiner Jackentasche.

    Schon öfter war er ihr aufgefallen. Wegen dieser Scheibe und der Narbe, die eine seiner dunkelblonden Brauen durchzog. Wegen seiner Augen, deren Farbe an einen klaren Sommerhimmel erinnerte. Vor allem, weil er sie faszinierte.

    Zu seiner alten braunen Lederjacke passten der Hut und die abgewetzten Stiefel. Aber im Gegensatz zu den übrigen Gästen trug er ein frisch gewaschenes weißes Hemd von guter Qualität, seine Fingernägel waren sauber und sorgsam geschnitten, die Wangen und das Kinn glatt rasiert. Immer erschien er allein in der Taverne, wirkte selbstgenügsam, charakterstark und intelligent. Was andere von ihm hielten, schien ihn nicht zu kümmern. Er unterschied sich von den meisten Männern in Whitechapel, diesem rauen Londoner Bezirk, denn er versuchte niemals, irgendwen einzuschüchtern oder mit jemandem Streit anzufangen.

    Auf etwas robuste Art wirkt er attraktiv, fand Emma. Allerdings dürfte sie sich nicht für gut aussehende Männer interessieren.

    „Drei Teller mit gemischten Bratenscheiben!", schrie Tom, der Koch, und riss sie aus ihren Gedanken. Ihre kurze Ruhepause war vorbei.

    „Ja, Tom, ich komme! Hastig wandte sie sich von dem mysteriösen Gast ab, eilte zur Durchreiche und benutzte das Geschirrtuch, das an ihrem Gürtel hing, um die heißen Teller auf ein großes Holztablett zu stellen. Geschickt trug sie es durch den Schankraum. „Hier, meine Herren, unsere besten Bratenstücke. Jedem der drei Männer, die erwartungsvoll an einem Ecktisch saßen, servierte sie einen üppig beladenen Teller.

    Auf dem Rückweg zum Tresen räumte sie zwei Tische ab, nahm zwei Bestellungen für weitere Bierkrüge entgegen und registrierte die Ankunft neuer Gäste.

    „Um diese Jungs kümmere ich mich, Em", sagte Paulette, das zweite Schankmädchen, als sie sich begegneten.

    „Fünf Ales für da drüben, Emma!", rief Nancy, die Wirtin, und platzierte den letzten der Zinnkrüge so heftig auf der Theke, dass das Bier fast überschwappte. Emma stellte sie auf ihr Tablett, trug sie zu dem Tisch neben dem Eingang und stellte sie darauf.

    „Danke, Schätzchen." Ein großer schwarzhaariger Mann starrte in den tiefen Ausschnitt der Bluse oberhalb des eng geschnürten Mieders ihres scharlachroten Arbeitskleids, das sie hasste, weil es zu viel enthüllte. Genauso verabscheute sie Gäste wie diesen unverschämten Kerl. Grinsend entblößte er bräunliche Zähne und strich über ihre Hüfte.

    „Behalten Sie Ihre Hände bei sich", mahnte sie frostig und schlug seine Finger weg. Würde sie sich jemals an diesen Nachteil ihrer Tätigkeit gewöhnen?

    „Was für ein dreistes Mädchen!, meinte er und lachte schallend. „Aber ich mag Herausforderungen. Seine Hand kehrte zurück. Diesmal beharrlicher, umfasste er ihr Gesäß. Unsanft zog er sie näher zu sich heran. „Auch deine vornehme Redeweise gefällt mir. Beinahe könnte man dich für ’ne Lady halten. Und ich hatte noch nie eine Lady. Komm schon, Schätzchen, ich würd’s dir prima besorgen." Sein Gestank nach Ale und fauligen Zähnen war überwältigend. Rings um den Tisch feixten seine Freunde.

    Emma warf ihm einen eisigen Blick zu. „Obwohl Sie es nicht glauben werden, muss ich Ihr Angebot ablehnen, Sir. Jetzt lassen Sie mich los und erlauben Sie mir, meine Arbeit zu erledigen. Oder nehmen Sie es mit einer Überzahl hungriger, durstiger Männer auf, die bedient werden wollen?"

    Bei diesen Worten grinste er noch breiter. „Für die soll das andere Mädchen sorgen." Er zerrte sie näher zu sich heran und entriss ihr das Tablett. Krachend fiel es zu Boden. „Du kümmerst dich um mich, Schätzchen."

    Großer Gott … Beunruhigt erkannte sie, dass er sich nicht mit einem Klaps auf ihre Kehrseite begnügen würde. Stattdessen gehörte er zu jenen widerlichen Gästen, die sie auf ihren Schoß zogen und betatschten. „Lassen Sie mich sofort los, bevor Nancy was merkt und Sie hinauswirft!"

    Mit ihrer Gegenwehr beschäftigt, nahm sie die Gestalt, die sich näherte, nur undeutlich wahr. Deshalb erschrak sie genauso wie der Rüpel, als eine Bierkaskade auf seinen Kopf hinabrauschte.

    Prompt erlosch sein Grinsen, dann vergaß er sie, ließ sie los und stieß einen ohrenbetäubenden Fluch aus. So schnell wie möglich nutzte sie die Gelegenheit, hob das Tablett auf und wich aus der Gefahrenzone zurück.

    Mit großen, tätowierten Händen wischte der attackierte Mann Bierschaum aus seinen Augen. Auf seiner Stirn klebte klatschnasses Haar, das dunkle Ale rann über seine Wangen hinab und befleckte sein schmutziges Hemd noch zusätzlich. Die schäbige braune Wolljacke nahm die Farbe regennasser Erde an. Sogar die graue Hose wurde besudelt.

    Im ganzen Schankraum verstummten Stimmengewirr und Gelächter, Besteck hörte zu klirren auf. Neugierig starrten alle Gäste auf den durchnässten Störenfried, die meisten standen auf und drängten sich heran.

    Emma folgte dem Blick des schwarzhaarigen Flegels und sah den blonden Mann, den sie früher unauffällig gemustert hatte, vor dem Tisch stehen. Hoch aufgerichtet, ruhig, gleichmütig.

    „Tut mir leid, ein Versehen. Ich war zu ungeschickt und verlor das Gleichgewicht, der Krug ist mir ein bisschen aus der Hand gerutscht." Obwohl die Worte eine Entschuldigung ausdrückten – der Tonfall bekundete etwas anderes. Er sprach ähnlich dem Londoner East-End-Akzent der meisten Gäste, doch der scharfe Klang seiner Stimme beinhaltete eine gewisse Drohung.

    „Oh, das wird Ihnen bald verdammt leidtun! Wütend sprang der Schwarzhaarige auf. „Wenn ich mit Ihnen fertig bin, werden Sie sich in die Hose machen!

    Bedeutungsvoll betrachtete der rätselhafte Mann die durchnässte Hose des Rüpels. Dann schaute er ihm in die Augen, ohne seine Belustigung verbergen. „Da sind Sie mir um einiges voraus."

    Ringsum erklang Gelächter, das Gesicht des Grobians lief feuerrot an. Als er eine Hand ballte, knackten seine Fingerknöchel. Wie um einen unausgesprochenen Befehl zu befolgen, standen seine Freunde auf. Atemlose Stille erfüllte den Raum, bis Nancy rief: „Beruhigt euch, Jungs! Ist ja nichts wirklich Schlimmes passiert. Setzt euch wieder und trinkt euer Bier."

    Die Männer rührten sich nicht und wechselten vielsagende Blicke.

    „Hier drin wollen wir keinen Ärger haben. Wenn ihr einen Streit beilegen müsst, geht raus." Nancy kam hinter der Theke hervor. Aber zwei Stammkunden versperrten ihr den Weg – offenbar, um sie zu beschützen –, und redeten leise auf sie ein.

    Doch niemand beachtete sie, weder der Schurke und seine Spießgesellen noch sein sichtlich amüsierter Gegner.

    „Jetzt bring ich Sie um!", knurrte der Schwarzhaarige.

    „Und ich dachte, Sie würden mir ein Ale spendieren und mich für meinen Verlust entschädigen", seufzte der blonde Mann und stellte seinen leeren Zinnkrug auf den Tisch.

    „In einer Minute werden Sie wohl kaum noch einen Krug festhalten können."

    Emma griff sich an die Kehle. Sie wusste, was solche Männer einander in Whitechapel immer wieder antaten. Schon mehrmals hatte sie brutale Kämpfe mit ansehen müssen. Angstvoll beobachtete sie das Lächeln des blonden Mannes, das seine kühlen blauen Augen nicht erreichte.

    „Fordern Sie mich tatsächlich heraus?", fragte er verwundert.

    „Wenn Sie um Gnade winseln wollen – dafür ist es zu spät."

    „Schade …"

    Als der Schwarzhaarige vortrat, erschauerte Emma.

    Von solchen Gefühlen offensichtlich unberührt, lächelte der blonde Mann immer noch. Seine Augen zeigten keine Angst. Beinahe erweckte er den Eindruck, er würde willkommen heißen, was nun geschehen würde.

    Blut. Gewalt. Fünf Männer gegen einen. Sehnte er sich nach dem Tod?

    „Bitte, jemand muss diesen Kampf verhindern", flehte Emma.

    Ein alter Mann zog sie zurück. „Das kann niemand, Mädchen."

    Damit hatte er recht, und sie wusste es so wie alle Anwesenden im Schankraum.

    Der schwarzhaarige Rohling schwang die Fäuste hoch, und Emma hielt den Atem an.

    Plötzlich sprang der blonde Mann vor, ein blitzschneller Kopfstoß traf die Nase des Angreifers. Ein grausiges knackendes Geräusch. Und Blut. Sehr viel Blut. Stöhnend krümmte sich der Schwarzhaarige zusammen, als wollte er dem Knie des Widersachers ausweichen, das ihn im Schritt traf.

    Unglaublich, wie schnell der Blonde sich bewegte! Seine rasante Reaktion erschien Emma ebenso unfassbar wie allen anderen Zuschauern, die ungläubig auf den zu Boden gegangenen Riesen starrten.

    Emma schluckte krampfhaft, ihre Herzschläge hatten sich beschleunigt. So etwas hatte sie noch nie gesehen.

    „Wenn Sie um Gnade winseln wollen – dafür ist es zu spät", sagte der Blonde.

    Auf eine Hand gestützt, spuckte der Rüpel Blut auf einen der Lederstiefel seines Bezwingers und tastete nach einem Stuhl.

    „Falls Sie’s noch nicht begriffen haben …" Der blutbefleckte Stiefel trat auf die gespreizten Finger, mit denen sich der Riese abstützte. Dann griff der blonde Mann nach der ausgestreckten Hand des Geschlagenen, als wollte er ihm auf die Beine helfen. Stattdessen drehte er das Handgelenk kraftvoll herum. Wieder erklang ein Knacken. Beklommen zuckten Emma und das übrige Publikum zusammen.

    Das Gesicht des Schwarzhaarigen färbte sich aschgrau, lautlos sank er in sich zusammen und rührte sich nicht mehr.

    Auch alle anderen verharrten reglos, niemand brach das drückende Schweigen.

    Schließlich wandte der Blonde sich an die Freunde des Bewusstlosen. „Nun wird er Hilfe brauchen, wenn er seinen Bierkrug festhalten will."

    „Elender Bastard", stieß einer der Kumpel hervor.

    Der blonde Mann lächelte erneut. Diesmal war Emma auf alles gefasst.

    Erbost hob der Freund des Schwarzhaarigen die Fäuste. Eine weitere Kopfnuss ließ den Mann taumeln, ein kraftvoller Stoß brachte ihn zu Fall.

    Die anderen drei Männer wechselten ausdrucksvolle Blicke, und einer zog eine lange Klinge hervor, die im Kerzenlicht funkelte,

    „Planen Sie das wirklich?", fragte der Blonde.

    Das Messer gezückt, täuschte sein Gegner einen Angriff vor, wich zurück und begann ihn zu umkreisen.

    „Fürchten Sie sich zu sehr?", wurde er verspottet.

    Statt einer Antwort versuchte er zuzustechen.

    Aber der blonde Mann trat ihn zwischen die Beine. Mit einem gellenden Schrei krümmte sich der Angreifer. Klirrend landete das Messer auf dem Boden, sein Besitzer fiel wie ein Stein daneben und rang keuchend nach Luft.

    Der blonde Mann musterte die beiden restlichen Strolche.

    Nur kurz starrten sie ihn an, bevor sie sich abwandten und aus dem Red Lion stürmten, wie Hasen, die vor einem Jagdhund Reißaus nahmen.

    Der Blonde schaute ihnen nach, und Emma konnte ihren Blick nicht von ihm losreißen. Auf seiner Stirn bildete sich ein blauer Fleck, das Blut aus der Nase des Schwarzhaarigen beschmutzte sein weißes Hemd, das dunkle Halstuch war verrutscht. Er musste nicht einmal Atem schöpfen. Ruhig und lässig stand er da.

    In der Stille echote das Krachen der Eingangstür, als sie hinter den Flüchtenden ins Schloss fiel.

    Niemand sprach, niemand bewegte sich, niemand außer dem blonden Mann. Er glättete sein zerzaustes Haar, ordnete sein Halstuch und ging zwischen den Zuschauern, die ihm respektvoll Platz machten, zu seinem Tisch.

    Ehrfürchtig beobachteten sie ihn. Dann erklangen leise Stimmen voller Bewunderung. Wer so erfolgreich kämpfen und sich gegen eine Übermacht behaupten konnte, erlangte hier in Whitechapel höchstes Ansehen. Und ein so starker, unbezwingbarer, gefährlicher Mann würde seinesgleichen suchen.

    Ein paar Stammkunden schafften die Verletzten aus dem Schankraum. Halb trugen, halb schleiften sie die Schurken davon.

    An seinem Tisch angekommen, setzte der Blonde sich nicht. Er legte mehr Münzen neben den leeren Teller, als die Zeche betrug, und ergriff seinen Hut. Quer durch den Raum warf er Emma einen Blick zu.

    Noch immer hämmerte ihr Herz heftig gegen die Rippen. Er nickte ihr zu. Dann verließ er den Red Lion, ohne die gaffenden Gäste zu beachten. Emma starrte die Tür an, die er hinter sich geschlossen hatte, als könnte sie durch das Holz spähen und seinen Weg verfolgen. Seit sechs Monaten lebte sie in Whitechapel, und in dieser Zeit hatte sie niemals einen so imposanten, eisenharten, machtvollen Mann gesehen.

    „Vorerst wird er keine Schwierigkeiten haben", meinte Nancy, die neben ihr stand, ein Spültuch in der Hand.

    „Wer ist er?", murmelte Emma verstört.

    „Er heißt Ned Stratham. Zumindest hat er das gesagt."

    Ehe Emma weitere Fragen stellen konnte, kehrte Nancy zum Tresen zurück und wandte sich mit durchdringender Stimme an die Gäste.

    „Setzt euch wieder, Leute, bevor eure Koteletts kalt und eure Ale-Krüge warm werden."

    Emma betrachtete wieder die Tür, durch die der Mann soeben verschwunden war.

    Ned Stratham.

    Nur wegen eines verschütteten Biers ein so erbarmungsloser Kampf? Nein, so leicht wie die anderen Zuschauer ließ sie sich nicht täuschen. Ned Stratham wusste nichts über sie – nur, dass sie ihm schon öfter ein Bier und ein Dinner serviert hatte. In den Monaten, während er regelmäßig hierhergekommen war, hatte er scheinbar kaum Notiz von ihr genommen, ruhig an seinem Tisch gesessen und das Treiben beobachtet, ohne sich in irgendetwas einzumischen. Bis zu diesem Abend …

    Es war kein Kampf gewesen, wie ihn ein Gentleman ausfechten würde. Sondern schockierend, brutal, skrupellos. Und, wie Emma ehrlich zugeben musste, viel wirksamer. Weder zivilisiert noch ehrenwert oder ritterlich …

    „Bring die frisch gebratenen Koteletts an die Tische, Emma!", unterbrach Nancys schriller Ruf diese Gedanken.

    „Ja, sofort." Eine wilde, gewaltsame Kneipenschlägerei wegen eines dummen Versehens, und doch … In ihrer Fantasie sah sie immer noch den Blick dieser blauen Augen, so eindringlich und aufmerksam …

    „Emma!, schrie Nancy. „Brauchst du eine schriftliche Einladung?

    Das Tablett in den Händen, lief Emma zur Durchreiche. Der Tisch, an dem Ned Stratham Platz zu nehmen pflegte, war weit entfernt vom Eingang, neben dem der schwarzhaarige Gauner und seine Kumpel gesessen hatten. Und ein Mann, über dessen Finger eine kleine Elfenbeinscheibe tanzte, hatte gewiss keine Gleichgewichtsprobleme, die ihn gezwungen haben mochten, den Bierkrug ein wenig aus seiner Hand rutschen zu lassen. Und da wusste sie Bescheid. Was Ned Stratham getan hatte, war trotz seiner Methoden ritterlich gewesen, in jedem Sinn des Wortes. Denn er hatte den Kampf nur heraufbeschworen, um sie vor dem zudringlichen Rüpel zu retten.

    Ned sah die junge Frau eine Woche nach seinem Besuch im Red Lion wieder. Diesmal servierte ihm ein anderes Schankmädchen die Mahlzeit und das Bier.

    Aber später erschien Emma, um den Tisch abzuräumen. Ihr dunkles Haar war ordentlich hochgesteckt, der goldbraune Teint makellos, und sie hatte strahlend weiße ebenmäßige Zähne. Für Whitechapel war sie viel zu schön. Auch ihr kultivierter Akzent passte nicht hierher. Gerade damit hatte sie letzte Woche den primitiven Flegel gereizt. Sie trug keinen Ehering. Schutzlos war sie solchen Attacken in einer Londoner Gegend ausgeliefert, wo jede Frau gefährlich lebte – insbesondere, wenn sie wie eine Dame wirkte.

    „Möchten Sie noch ein Ale, Sir?", fragte sie.

    „Ja, bitte." Er beobachtete, wie sie den leeren Teller mit dem Besteck und den ebenfalls leeren Bierkrug auf ihr Tablett stellte.

    Danach eilte sie nicht wie üblich davon. Zögernd blieb sie stehen. „Ich habe Ihnen noch gar nicht gedankt. Für letzte Woche …" Ihre Augen erinnerten ihn an braunen Samt.

    „Wofür genau?"

    „Dass Sie Ihr Bier verschüttet haben."

    „Ein dummes Missgeschick."

    „Natürlich." Wie ihm ihr Lächeln verriet, wusste sie, warum es geschehen war.

    Neben einem ihrer Mundwinkel erschien ein Grübchen, was Ned bewog, das Lächeln zu erwidern.

    Immer war sie höflich und freundlich. Umsichtig und tüchtig erledigte sie ihre Arbeit. Aber im Gegensatz zu den meisten anderen Schankmädchen kokettierte sie nie mit den Gästen, obwohl ihr das mehr Trinkgeld einbringen würde. Sein Blick fiel auf den kleinen Talisman aus Elfenbein, der über seine Finger glitt, und er wünschte, Emma würde seinen Tisch verlassen und sich um andere Gäste kümmern. Wie normalerweise. Er musste sich mit wichtigen Dingen befassen. Von schönen Frauen durfte er sich nicht ablenken lassen.

    Und er gestand sich ein – eigentlich hatte er letzte Woche nicht eingreifen wollen. Doch es war ihm unmöglich gewesen, zu übersehen, wie eine Frau gegen ihren Willen bedrängt wurde. Die Männer von der Sorte des Schwarzhaarigen kannte er zur Genüge. Was als scheinbar harmloser „Spaß" begann, konnte sehr schnell zu einer ernsthaften Bedrohung ausarten.

    Ned beobachtete den rhythmischen Reigen der Elfenbeinscheibe über seinem rechten Handrücken. Diese Bewegung hatte er so oft geübt, dass sie kein Trick mehr war, sondern ein Reflex.

    „Jetzt hole ich Ihr Bier." Obwohl er nicht aufblickte, wusste er, dass Emma immer noch lächelte. Er sagte nichts mehr. Auf sein Amulett konzentriert, entließ er sie unmissverständlich.

    Als er sie davongehen hörte, schaute er ihr nach, bemerkte den sanften Schwung ihrer Hüften. Und in diesem Moment, zum ersten Mal seit Jahren, stockten die automatischen Bewegungen seiner

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