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Historical Saison Band 97
Historical Saison Band 97
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eBook529 Seiten7 Stunden

Historical Saison Band 97

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Über dieses E-Book

EINE WETTE, EIN WÜSTLING UND EIN WEICHES HERZ von LUCY ASHFORD
Wie empörend! Der Marquis von Montpellier hat nur mit ihr getanzt, um eine Wette zu gewinnen. Lady Serena ist so wütend, dass sie dem Wüstling gehörig die Meinung sagt. Als er sie jedoch vor einem Erpresser rettet und auch noch küsst, erkennt Serena, dass unter der rauen Schale ein weiches Herz schlägt und sie Gefahr läuft, ihres an den attraktiven Marquis zu verlieren!

EIN EHEMANN FÜR DIE SCHÖNE BÄCKERIN? von JENNI FLETCHER
Ein Einbrecher? Henrietta befürchtet das Schlimmste, als sie in ihre kleine Backstube tritt. Doch dann steht da Sebastian Fortini, der Bruder ihrer Freundin, der nach Jahren auf See zurückgekehrt ist. Damit die alleinstehende Henrietta ihre drei kleinen Neffen bei sich aufnehmen kann, trägt Sebastian ihr galant die Ehe an! Henrietta weiß nicht, ob sie sich darauf einlassen soll, auch wenn sie Sebastian ausgesprochen charmant findet …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum14. März 2023
ISBN9783751517942
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    Buchvorschau

    Historical Saison Band 97 - Lucy Ashford

    Lucy Ashford, Jenni Fletcher

    HISTORICAL SAISON BAND 97

    IMPRESSUM

    HISTORICAL SAISON erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL SAISON, Band 97 03/2023

    © 2020 by Lucy Ashford

    Originaltitel: „The Widow’s Scandalous Affair"

    erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

    in der Reihe: HISTORICAL

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Eleni Nikolina

    © 2020 by Jenni Fletcher

    Originaltitel: „Unexpectedly Wed to the Officer"

    erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

    in der Reihe: HISTORICAL

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Charlotte Kesper

    Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

    Veröffentlicht im ePub Format in 03/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783751517942

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, TIFFANY

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    Eine Wette, ein Wüstling und ein weiches Herz

    1. KAPITEL

    Mai 1794 – London

    Es war nach neun Uhr, als Serena, einen Umhang mit Kapuze um die Schultern, den Droschkenfahrer an der Ecke zur Henrietta Street bezahlte und sich in Richtung Covent Garden wandte. Die Menschenmenge, die sich allabendlich hier einfand, wollte sich vergnügen, aber Serena hatte das Gefühl, auf ihren schlimmsten Albtraum zuzugehen.

    Am Himmel schien der Vollmond, aber sein silbernes Licht verschwand vor den strahlenden Lampen, die die Vergnügungssüchtigen zu den vielen Wirtshäusern und Spielhöllen lockten. Es war eine warme Mainacht, und Frauen in spärlicher Bekleidung stellten sich am Platz schamlos zur Schau und tauschten Geplänkel mit den jungen Männern aus, die stehen blieben, um sie zu begaffen. Hausierer liefen die Straßen auf und ab, verkauften Blumen und Obst und sonstige Speisen, die sie vorher vom Markt gestohlen hatten. Neben der Kirche spielte ein Fiedler lustige Melodien, und einige Männer – ganz offensichtlich betrunken – versuchten sich ungeschickt an einem Tänzchen.

    Ich komme zu spät, tadelte sie sich verzweifelt. Das Treffen sollte hier an der Ecke zur King Street stattfinden, aber bisher war noch kein Zeichen von dem Mann zu sehen, den sie erwartete. Sie versuchte, gegen die aufsteigende Panik anzukämpfen. Vielleicht hatte er seine Meinung geändert …

    Sie stieß einen leisen Schrei aus, als eine Hand sie an der Schulter packte und ein Mann sie grob zu sich herumzerrte. „Sind Sie die Dame, die Mr. Silas Mort hier treffen will?"

    „Ja. Serena entzog sich seinem Griff. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. „Und rühren Sie mich nicht wieder an. Haben Sie verstanden?

    Er grinste höhnisch. „Sind ganz schön weit weg von Ihrem schicken Zuhause, was, Mylady? Das ist ’ne andere Welt, als was Sie gewohnt sind, wie? Er wies mit einem Daumen auf einen engen Weg. „Mr. Mort ist da entlang. Und er mag’s nicht, wenn man ihn warten lässt.

    Schon machte er sich auf den Weg zur Gasse, ohne sich offenbar dafür zu interessieren, ob Serena ihm folgte oder nicht. Aber natürlich war sie gleich hinter ihm. Sie hielt den Kopf stolz erhoben, obwohl sie innerlich zitterte vor Angst.

    Sie wurde zu drei Männern geführt, die im Schatten einer Schenke lauerten, und zog den Umhang, den sie sich von ihrer Zofe geliehen hatte, unwillkürlich fester um den Leib, wobei sie darauf achtete, dass die Kapuze ihr auffallendes blondes Haar ganz verdeckte. Wenn es auch eigentlich keinen Zweck hatte, sich zu verkleiden. Sie wussten genau, wer sie war.

    „Ich habe eine Verabredung mit einem Mann namens Silas Mort. Sie wunderte sich, wie ruhig ihre Stimme klang. „Wer von Ihnen ist es?

    „Wer von Ihnen ist es? Einer der Männer ahmte höhnisch ihren vornehmen Akzent nach. „Sieh mal einer an, unser Silas hat diesmal ein ganz besonderes Täubchen aufgegabelt, um sich warm zu halten, was, Jungs?

    Dann erkannte sie den schwarz gekleideten Mann mit dem Narbengesicht, der jetzt hinkend auf sie zukam.

    „Sie sind also gekommen, was? Er nickte anerkennend. „Umso besser für Sie.

    Mit einer Handbewegung gab er seinen drei Gefährten ein Zeichen zurückzutreten. Inzwischen hatte Serena die Gelegenheit, noch einmal den grauenvollen Striemen seiner Narbe zu betrachten, der von der Stirn und über ein Auge bis zu seiner Wange verlief. Ihr Puls schlug heftiger. „Mr. Mort, sagte sie. „Ich bin gekommen, um Ihnen das Geld zu geben, das Sie verlangt haben. Ich muss Sie ebenfalls davon in Kenntnis setzen, dass ich sofort die Behörden auf Sie ansetzen werde, sollte ich je wieder etwas von Ihnen hören.

    Sie hoffte, sie klang selbstbewusst, doch Silas Mort brach lediglich in Gelächter aus. „Ach, werden Sie die Behörden auf mich hetzen, Eure Ladyschaft? Oh, das glaube ich nicht. Denn wenn Sie es tun, wird die ganze Welt von dem anstößigen Skandal erfahren, den Sie doch so gern verbergen möchten. Er drohte ihr mit einem Zeigefinger und lachte jetzt nicht mehr. Seine Stimme war zu einem Knurren geworden. „Also Schluss mit Ihren Drohungen. Sie zahlen am besten einfach, Mylady. Und zwar ohne große Worte.

    Serena hatte bereits eine Hand in ihrem Retikül. „Hier sind zwanzig Guineas. Und als Gegenleistung, Mr. Mort, verlange ich ein für alle Mal das Ende Ihrer Gier."

    Er entriss ihr die Tasche und prüfte die Münzen darin. „Sieht so aus, als wäre alles da. Aber werfen Sie mir Gier vor, Mylady? Ausgerechnet Sie mit Ihrem feinen Haus, Ihrer Kutsche und Ihrem Schmuck? Er brachte sein Gesicht plötzlich so dicht an ihres heran, dass Serena sein Gestank in die Nase stieg. „Allein dafür finde ich, dass Sie mir noch viel mehr schulden. Noch mindestens zwanzig Guineas mehr.

    Serena schloss einen Moment die Augen und nahm allen Mut zusammen. „Oh nein. Ich weigere mich, Ihnen noch mehr zu geben."

    Silas Mort hob eine Hand, und seine drei Freunde umringten Serena. Einer zerrte ihre Kapuze herunter, sodass ihre blonden Locken darunter zum Vorschein kamen. „Hübsch, meinte er lüstern. „Sehr hübsch …

    Verzweifelt versuchte sie, ihn von sich zu stoßen. Sie hatte geglaubt, in den vergangenen Jahren vernünftiger geworden zu sein, aber jetzt erkannte sie, wie unklug es gewesen war, sich in eine so gefährliche Situation manövriert zu haben. Sie versuchte mit aller Kraft, sich zu befreien, aber ihre Feinde waren zu zahlreich und zu stark.

    In diesem Moment erklang direkt hinter ihr eine ruhige Stimme – eine gebildete Stimme, die eine vornehme Herkunft verriet, und den Hauch eines fremdländischen Akzents. „Gentlemen, vergeben Sie meine Einmischung. Aber ich habe die Vermutung, dass Sie einem Irrtum erlegen sind."

    Gleich darauf schlenderte ein hochgewachsener Mann in dunklem Umhang und einem Hut, der sein Gesicht beschattete, auf die Männer zu. Er legte Serena eine Hand besitzergreifend auf den Arm und blickte ihre verblüfften Angreifer an. „Vielleicht sollte ich erklären, fuhr er fort, „dass diese Dame unter meinem Schutz steht. Also wäre ich Ihnen enorm zu Dank verpflichtet, wenn Sie uns erlaubten, allein unser Rendezvous zu genießen.

    Doch in seiner höflichen Rede lauerte etwas anderes – ein stählerner Wille –, der Morts Männer zögern ließ. Dennoch war er nur einer gegen vier. Sie werden ihn töten, dachte Serena entsetzt. Lieber Gott, sie werden ihn gewiss töten!

    Das taten sie nicht, aber sie wichen auch nicht zurück. Der Neuankömmling zog Serena dichter an sich, den Arm fest um ihre Taille gelegt. „Sagen Sie nichts, befahl er ihr leise. Wieder dieser harte Ton in der Stimme. „Überlassen Sie alles mir.

    Sie hätte sowieso keinen Laut hervorbringen können. Vor Schrecken hatte es ihr die Sprache verschlagen. Denn jetzt, da sie es gewagt hatte, ihn näher zu betrachten, erkannte sie ihn.

    Es war Raphael Lefevre, ein französischer Adliger, der im vergangenen Jahr nach England geflohen war, um den Folgen der Revolution zu entkommen, die sein Heimatland verwüstete. Viele seiner Landsleute hatten es ihm gleichgetan, aber Lefevre unterschied sich von allen anderen, denn statt den Opfern zu helfen und alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Not der Franzosen zu lenken, verkündete er unbekümmert, dass er froh wäre, wenn er seine Heimat niemals wiederzusehen bräuchte.

    Dank einer englischen Erziehung – sein Vater, der Marquis de Montpellier, hatte ihn zunächst nach Eton und danach nach Oxford geschickt – beherrschte er die Sprache fast vollkommen. Vor einem Jahr, im Alter von achtundzwanzig Jahren, war er nach England zurückgekommen, hatte seine alten Freunde wiedergetroffen und neue Freundschaften geschlossen, gewiss auch aufgrund seines großen Vermögens. Aber er hatte auch sehr viel Kritik über sich ergehen lassen müssen, besonders da er oft in der Gesellschaft der berüchtigtsten Wüstlinge Londons gesehen wurde. Andererseits konnte er sehr charmant sein, wenn er es darauf anlegte, und viele hielten ihn für ausgesprochen attraktiv mit seinem dichten dunklen Haar und den faszinierenden Augen.

    Tatsächlich war selbst Serena fast einmal auf seine honigsüßen Worte und das umwerfende Lächeln hereingefallen. Aber nie wieder, hatte sie sich geschworen. Leider führten die exklusiven Gesellschaften Londons sie immer wieder zusammen. Und seine bemerkenswerten Augen, immer spöttisch, immer lachend, schienen ihr überallhin zu folgen.

    Nur vor wenigen Tagen auf Lady Sunderlands Ball hatte sie das Pech gehabt, in seiner Nähe zu stehen, als die Treue zum Vaterland in einem Gespräch aufgekommen war. Er tat das Thema mit einer zynischen Bemerkung ab, und Serena konnte sich nicht zurückhalten. „Wir wissen alle, wo Ihre Pflichten liegen, Monsieur le Marquis! Viele Ihrer Landsleute sind in der Heimat geblieben und versuchen, die Ordnung wiederherzustellen. Aber zu Ihren Prioritäten gehört offensichtlich nur Ihr eigenes Vergnügen!"

    Es folgte zustimmendes Gemurmel von einigen Gästen, aber Raphael Lefevre, sonst immer so träge und gelassen, antwortete mit ungewohnter Heftigkeit. „Ah, Madame, welch feuriges Temperament! Mögen Sie es lange zufrieden sein, Witwe zu bleiben. Denn es müsste schon ein sehr mutiger Mann sein, der Sie zu seiner Frau machen wollte."

    Das kaum unterdrückte Gelächter seiner Begleiter hatte sie tief getroffen und ging ihr nicht aus dem Kopf. Und jetzt kam ihr ausgerechnet der verachtenswerte Marquis zu Hilfe.

    „Die Dame und ich, sagte er ruhig zu Silas Mort und dessen Männern, „hatten hier eine Verabredung, Gentlemen, und unser Treffen ist recht privater Natur, Sie verstehen? Wenn ich auch fürchte, dass ich mich etwas verspätet habe. Und dafür muss ich mich zutiefst bei Ihrer Ladyschaft entschuldigen.

    „Nein", protestierte Mort, „hören Sie mal, sie ist gekommen, um mich zu treffen!"

    „Wirklich? Lefevre hob ungläubig die Augenbrauen. „Mein guter Mann, Sie werden mir vergeben, wenn ich Ihre Behauptung recht grotesk finde. Meinen Sie nicht auch, Serena?

    Er sah sie an, und seine Stimme klang sanft, aber der entschlossene Zug um den Mund ließ keinen Zweifel daran, was er von ihr erwartete. Sie sollte zugeben, dass sie ein Stelldichein recht privater Natur mit ihm hatte? War er von Sinnen?

    Zweifellos machte er sich lustig über sie. Er wollte sich an ihr rächen, weil sie kein Hehl aus ihrer Verachtung für ihn machte. Doch es fiel ihr auf, dass sich inzwischen eine Gruppe von neugierigen Passanten angesammelt hatte, offensichtlich auf der Suche nach allem, was neue Unterhaltung versprach.

    Aber konnte man sich einen unwahrscheinlicheren Ritter in schimmernder Rüstung vorstellen als den eitlen, trägen Marquis? Er verbrachte Unmengen von Zeit am Kartentisch, nahm an allen wilderen Sportarten teil und verprasste sein Vermögen für unnützen Flitterkram. Die jüngeren Männer des ton ahmten in ihrer Dummheit die lässige Art nach, mit der er seine kostbare Kleidung trug, und äfften jede seiner Eigenarten nach, sogar den leichten französischen Akzent. In diesem Moment war er allerdings ihre einzige Hoffnung, und Serena überkam ein sehr seltsames Gefühl. Es kam ihr vor, als wäre es nur natürlich für sie, sich seiner verführerischen Umarmung zu ergeben …

    Im nächsten Moment hinkte Silas Mort näher und straffte drohend die Schultern. „Hören Sie, es ist nicht klug, sich in Angelegenheiten einzumischen, die einen nichts angehen."

    Lefevres Griff um Serena blieb unverändert fest. „Aber es ist meine Angelegenheit, erwiderte er kühl. „Wer immer diese Dame beleidigt, beleidigt mich. Und das wäre wirklich ganz und gar nicht klug.

    Serena erbebte leicht, doch dieses Mal nicht aus Angst vor Silas Mort und seinen Männern, sondern aus einem ganz anderen, sehr schockierenden Grund. Wer diese Dame beleidigt, beleidigt mich?

    Natürlich war das nur eine Lüge. Er log schon wieder. Sie wollte sich aus seinem Griff befreien, doch sein starker Arm presste sie noch fester an sich, und dann hörte sie seine Stimme dicht an ihrem Ohr, und trotz der Situation erschauerte sie wieder. „Hören Sie auf, mich zu bekämpfen, Lady Serena. Ist Ihnen nicht klar, was sie mit Ihnen tun werden, wenn ich Sie ihnen überlasse?"

    Serena schoss die Röte ins Gesicht. Plötzlich hatte sie einen ganz trockenen Mund. Sie waren oft in den reichsten Salons Londons aneinandergeraten, aber bisher war ihr nicht bewusst gewesen, wie überwältigend seine Stärke war, wie einschüchternd sein Zorn. Als sie ihn ansah, heftete ihr Blick sich fasziniert auf seinen festen, und doch so sinnlichen Mund …

    Mort und seine Männer umzingelten sie inzwischen, und Lefevre umfasste in einer fast zärtlichen Geste ihr Gesicht und sagte leise: „Bleiben Sie dicht bei mir, ma chère, und ich werde mich um Sie kümmern."

    Ma chère? Was redete er da? Er musste sich über sie lustig machen, wie er es schon so oft getan hatte! Doch plötzlich streichelte er die zarte Haut unter ihren Ohrläppchen, sodass Serena bis ins Innerste erbebte. Und dann geschah das Unfassbare. Er neigte den Kopf, und ihre Lippen trafen sich zu einem feurigen Kuss, der eine nie gekannte Hitze in Serena entfachte. Jetzt dachte sie nicht mehr daran, ihn von sich zu stoßen. Stattdessen schmolz sie regelrecht dahin, sodass sie das Gefühl hatte, eins mit ihm zu sein. In diesen wenigen Augenblicken gab es nichts als diese erschütternde Intimität, seine Lippen auf ihren.

    Bis ihr bewusst wurde, dass noch mehr Männer dazugekommen waren – die gleiche Art reicher Lebemänner wie Lefevre selbst, die sich nachts damit vergnügten, die Lasterhöhlen von Covent Garden zu besuchen. Sie kannte jeden von ihnen beim Namen – Lord Giles Beaumaris, Sohn eines Dukes, Callum Finlay, der ganze Landstriche in Schottland besaß, und Sir Simon Hawkesworth, der auf seinem Landsitz in Berkshire Rennpferde züchtete.

    „He, Lefevre!, rief Beaumaris. Er und seine Freunde waren offenbar schon dabei, die Drohung einzuschätzen, die Mort und seine Bande darstellten. „Was geht hier vor? Kannst du etwas Hilfe gebrauchen?

    Als die drei Männer näher kamen, zog Serena hastig die Kapuze bis in die Stirn, sodass ihr Gesicht halb verdeckt war, aber Lefevres Verbündete achteten nicht auf sie. Vielmehr steuerten sie auf Morts Gruppe zu, offensichtlich bereit zu einem Kampf. „Schöner Abend für eine Prügelei, was, Freunde?, wandte Finlay sich gelassen an die anderen zwei Gentlemen. Finlay war ein begeisterter Faustkämpfer, seine Freunde ebenfalls stark und in bester Verfassung, und Morts Männer waren klug genug, die Herausforderung nicht anzunehmen. „Sieht so aus, als wäre Verstärkung gekommen, Jungs, knurrte Mort und verschwand zusammen mit seinen Männern in einer der dunklen Seitengassen.

    Jetzt, dachte Serena, und ihr Herz klopfte schneller. Jetzt ist deine Gelegenheit zur Flucht gekommen.

    Sie versuchte es. Sie versuchte wirklich, sich zu befreien, aber Lefevre hielt sie mit eisernem Griff fest, während seine Freunde sie neugierig betrachteten. Beaumaris hob die Augenbrauen. „Was zum Teufel geht hier vor sich, Lefevre, du Gauner? Ich dachte, wir vier wollten uns hier treffen und den Abend gemeinsam verbringen. Aber wie es aussieht, hast du mit dieser kleinen Dame andere Pläne." Er musterte Serena eingehend, und sie presste das Gesicht an Lefevres Schulter.

    „Dame?, spottete Hawkesorth. „Seit wann nennt man denn ein lockeres Vögelchen wie die hier eine Dame? Und pass bloß auf, mein Freund. Sieht so aus, als hätte sie dich in einen ganz schönen Schlamassel gebracht, wenn wir nicht rechtzeitig gekommen wären. Also sorg dafür, dass du für dein Geld angemessen entschädigt wirst. In diesem Sinne lassen wir euch am besten allein.

    Und damit gingen sie weiter, nicht ohne noch einige besonders anstößige Bemerkungen von sich zu geben. Serenas Wangen glühten vor Scham. Sobald ich diesen fürchterlichen Albtraum hinter mir gelassen habe, dachte sie grimmig, werde ich alles tun, um Raphael Lefevre nie wieder in die Nähe zu kommen.

    Aber der Marquis hatte offenbar andere Pläne, denn er hielt sie noch immer fest und dirigierte sie in die entgegengesetzte Richtung. Wieder versuchte sie, sich ihm zu entwinden, aber Raphael Lefevre ließ sich nicht beirren. „Noch lasse ich Sie nicht fliehen, Mylady, erklärte er. „Bevor ich Sie nach Hause bringe, ist es Zeit für ein ernsthaftes Gespräch. Eins, das wir schon viel zu lange hinausgeschoben haben.

    Serena sank der Mut.

    2. KAPITEL

    Raphael führte sie eine schmale Gasse entlang, bis sie zu einer Schenke nördlich des Platzes kamen. Im Nachhinein musste er allerdings sagen, dass er besser einen respektableren Ort hätte wählen sollen, denn hier lungerten recht schräge Gestalten in den Schatten herum, und an jeder Ecke hielten Dirnen nach einem neuen Freier Ausschau. Tatsächlich wandte eine von ihnen sich sogar an ihn. „Spezieller Preis für einen so schönen Gentleman wie dich, Süßer!"

    Er zog Serena wieder dichter an seine Seite. Und in dem Moment fiel ihm auf, wie heftig sie zitterte.

    In der Schenke ging er mit ihr in eine abgelegene Ecke, die kaum von den billigen Talgkerzen beleuchtet wurde. Hier sah er, dass ihr die Kapuze vom Kopf gerutscht war, und ihre vollkommene Schönheit nahm ihm den Atem. Sie mochte ja blass und verstört sein, und das Haar hatte sich teilweise aus der Frisur gelöst, aber sie war zweifellos eine der schönsten Frauen des ton. Ihr ovales Gesicht war hinreißend, der Mund voll und sinnlich, und die von dichten Wimpern umrahmten Augen hatten die Farbe des Ozeans an einem sonnigen Sommertag.

    Die Leute fragten sich, warum sie kein zweites Mal geheiratet hatte. Und immer lautete die Antwort, dass sie ihren Mann, den Ehrenwerten Lionel Willoughby, der als Kriegsheld gestorben war, geliebt habe. Und deswegen könne es niemals einen anderen Mann für sie geben.

    Sie sah ihn plötzlich voller Verachtung und Ärger an. „Ist das ein weiterer Versuch, mich zu erniedrigen, Monsieur le Marquis? Dass Sie mich an einen solchen Ort bringen?"

    Flüchtig überlegte er, dass die Überheblichkeit des englischen Adels sich in jeder Hinsicht mit der der französischen Aristokratie messen konnte. „Soweit ich sehe, könnte Ihr eigener Versuch, sich zu erniedrigen kaum übertroffen werden, Lady Serena – nicht einmal von mir. Er winkte die Bedienung herbei. „Bringen Sie uns Wein. Und sorgen Sie dafür, dass die Gläser sauber sind.

    Als der Wirt gegangen war, wandte er sich wieder an Serena. „Was führten Sie vorhin im Schilde? Und sagen Sie mir nicht, es gehe mich nichts an, denn da bin ich ganz anderer Ansicht. Die Flasche Wein wurde vor ihnen auf den Tisch gestellt, und Raphael schenkte ihnen ein. „Eigentlich hatte ich erwartet, dass Sie ein wenig Dankbarkeit zeigen würden.

    „Dankbarkeit? Monsieur le Marquis, wollten Sie mit dieser Zurschaustellung männlicher Eitelkeit etwa meine Dankbarkeit erregen?"

    Er erinnerte sich noch genau an den Abend im vergangenen November, als er ihr bei einem Ball vorgestellt worden war. „Sie ist eine wahre Schönheit, hatte Giles Beaumaris ihm gesagt. „Warte nur, bis du sie siehst.

    Doch was Raphael vor allem aufgefallen war, war nicht ihre Schönheit gewesen, sondern ihre Verletzlichkeit. Sein erster Gedanke, als er sie im überfüllten Ballsaal erblickt hatte, war: Sie sieht sehr, sehr einsam aus.

    Dann hatte er sie um einen Tanz gebeten, doch er hatte keine Gelegenheit bekommen zu erfahren, was diesen verlorenen Ausdruck in ihren Augen verursacht haben mochte, weil von da an alles schiefgegangen war. Seit jener katastrophalen Begegnung hatte die hochmütige Witwe eines heldenhaften Soldaten offenbar beschlossen, Raphael zur Zielscheibe ihres Spotts zu machen, den er mit trockenem Humor und dank seiner allgemeinen Beliebtheit im ton meist erfolgreich abwehren konnte.

    Er leerte sein Glas und schenkte sich erneut ein. Gewiss fand Lady Serena, dass der billige Wein ebenso unter ihrer Würde war wie er selbst. Raphael entging nicht, dass einige ihrer schimmernden goldblonden Locken sich auf verführerische Weise um ihren schlanken Hals ringelten.

    „Sie nennen Ihre Rettung durch mich also eine ‚Zurschaustellung männlicher Eitelkeit‘, was? Seltsam, aber ich hatte den Eindruck, Sie vor einem Haufen von Schurken zu retten, die im Begriff waren, ausgesprochen scheußlich zu werden. Ihnen kann die Gefahr für Ihren Ruf doch kaum entgangen sein, ganz zu schweigen von Ihrer Sicherheit, wenn Sie bei Nacht ein so verrufenes Viertel wie das hier aufsuchen, oder?"

    „Ich könnte Ihnen dieselbe Frage stellen!", fuhr sie ihn an, aber er sah, dass sie errötete.

    „Ich bin ein Mann, falls Ihnen das noch nicht aufgefallen sein sollte, erwiderte er. „Und kann deswegen in einer solchen Gegend auf mich aufpassen. Was meinen Ruf anbetrifft, so hat man mir versichert, dass er gar nicht übler werden könnte. Sie andererseits sind die Schwester eines Mitglieds des englischen Hochadels, keines Geringeren als des Earl of Stainsby. Und doch sind Sie ohne Begleitung, ohne Schutz in diese Gegend gekommen. Warum?

    Flüchtig zeigte sich Panik auf ihrem Gesicht, und wieder schien sie, was sehr ungewöhnlich für sie war, nach Worten zu ringen. „Meine Anwesenheit hier war vollkommen privater Natur, und ich muss Ihnen deutlich sagen, dass ich großen Anstoß daran genommen habe, wie Sie …"

    „Wie ich Sie für mich beansprucht habe? Er machte eine wegwerfende Geste. „Sie müssen schon verzeihen, falls Sie andere Pläne hatten, wie Sie mit jenen bedrohlichen Schurken fertigwerden wollten. Haben Sie eine Pistole unter Ihrem Umhang? Oder wollten Sie sie vielleicht mit Ihrer scharfen Zunge bekämpfen?

    Sie blickte verzweifelt zur Tür, doch er hob träge eine Hand und murmelte: „Ich rate Ihnen, nicht an eine Flucht zu denken. Nicht in dieser Gegend. Lady Serena, warum haben Sie sich so vehement dagegen gewehrt, meine Hilfe anzunehmen?"

    Nur das schnelle Flattern ihres Pulses an ihrem Hals verriet ihren inneren Aufruhr, doch Raphaels erfahrenen Augen entging es nicht. „Es war nicht notwendig, brachte sie hervor, „dass Sie mich … dass Sie mich vor all jenen Leuten so grob anpackten. Dass Sie es so aussehen ließen, als wären wir … als wären …

    „Als wären wir ein Liebespaar? Aber ich hatte den Rüpeln doch gesagt, dass wir ein Rendezvous miteinander hatten. Und da ich ihnen am Anfang noch zahlenmäßig unterlegen war, durften sie keinen Augenblick daran zweifeln, dass ich bereit war, Sie zu verteidigen. Komme, was wolle."

    Sie errötete wieder. „Sie, Monsieur, sagte sie mit nicht ganz so fester Stimme, „sind ein skrupelloser Schurke.

    „Ohne Zweifel, stimmte er zu. „Aber Sie, Lady Serena, sind viel zu stolz. Fasziniert beobachtete er, wie sie sich auf die volle Unterlippe biss, und fast empfand er Mitleid mit ihr. Doch dann erinnerte er sich daran, dass er vor kaum einer Woche mit angehört hatte, wie sie sich darüber gewundert hatte, dass er seine Landsleute herzlos im Stich ließ. „Und soweit wir wissen, sogar seine Freunde und Familie, hatte sie hinzugefügt. „Ja, er ließ sie alle zurück, um hier die Art von liederlichem Leben zu führen, das die Revolution in Frankreich überhaupt verursacht hat!

    Jetzt war er mit ihr in diesem schäbigen Gasthaus und zwang sich, nicht mehr daran zu denken. Er wies auf ihr unberührtes Glas. „Wollen Sie wirklich keinen Wein?"

    Wieder blitzten ihre Augen zornig auf. „Natürlich nicht! Ich will keinen Wein, und ich will nicht hier sein, noch dazu ausgerechnet mit Ihnen!"

    Gelassen nippte er an seinem Wein und bemerkte, dass ihr Umhang sich leicht geöffnet hatte und ihn einen Blick auf das blassgrüne Kleid werfen ließ, das sie darunter trug. Es war hochgeschlossen, sogar prüde, aber Raphael fragte sich, ob ihr bewusst war, wie eng sich der weiche Stoff an ihre Brüste schmiegte. Unwillkürlich dachte er an das Gefühl ihres schlanken Körpers an seinem, als er sie an sich gezogen hatte, und hastig unterdrückte er ein erstes Prickeln des Verlangens.

    Denk daran, dass sie dich verabscheut. Außerdem könnte sie dir gefährlich werden. Jetzt ist die beste Gelegenheit, also ergreife sie, Himmel noch mal!

    „Lady Serena, fuhr er in umgänglichem Ton fort, „Ihnen ist sicher klar, dass es das Beste wäre, jene Grobiane, die Sie bedroht haben, anzuzeigen. Darf ich Sie fragen, ob Sie beabsichtigen, das zu tun?

    Sie blieb nur einen Augenblick stumm. „Ich könnte sie nicht anzeigen, meinte sie dann. „Weil es um eine Angelegenheit geht, die ich für mich behalten möchte.

    „Aha." Er nickte verständnisvoll. „Könnte es tatsächlich sein, dass Lady Serenas Heiligenschein ein wenig ins Rutschen gekommen ist? Quelle surprise. Er wedelte warnend mit einem Zeigefinger. „Ich habe einen Vorschlag für Sie. Vielleicht sollten Sie sich mit den Fehlern in Ihrem eigenen Leben beschäftigen, bevor Sie sich voller Bitterkeit über meine auslassen. Aber was rede ich denn da? Lady Serena hat keine Fehler. Sie ist die Vollkommenheit in Person. Er beugte sich leicht vor. „Und doch habe ich das Gefühl, dass jene unappetitlichen Kerle, mit denen Sie heute hier verabredet waren, es darauf abgesehen hatten, Sie zu erpressen."

    Er sah, wie sie den Atem anhielt.

    „Und, sprach er gnadenlos weiter, „hier noch eine Warnung: Erpresser kommen immer wieder.

    „Aber ich habe ihnen das Geld gegeben, das sie wollten …" Sie brach entsetzt ab, als ihr klar wurde, was sie gesagt hatte.

    „Du liebe Güte, meinte er leise. „Also hatte ich recht. Ihr Heiligenschein ist wirklich in Gefahr, was? Lassen Sie mich Ihnen raten, Mylady. Ich kümmere mich um diese Männer. Und als Gegenleistung hören Sie sofort auf, in aller Öffentlichkeit meinen Ruf zu verunglimpfen.

    „Ich werde allein mit diesen Schurken fertig. Wie ich Ihnen schon sagte, ich bin schon mit ihnen fertiggeworden!"

    Er schüttelte fast mitleidig den Kopf. „Glauben Sie das wirklich? Nun, zwei von ihnen sind uns gefolgt. Ich bemerkte sie gleich zweimal, während wir auf dem Weg hierher waren. Glauben Sie mir also, dass Sie mit denen noch lange nicht fertig sind. Außerdem müssen Sie noch etwas anderes bedenken. Was wäre gewesen, wenn einer meiner Freunde Sie erkannt hätte?"

    „Nein, sagte sie schnell. „Das ist unmöglich. In diesem alten Umhang können sie doch gewiss nicht … Sie schluckte mühsam. „Monsieur, Sie würden es ihnen doch sicher nicht verraten, oder? Ich denke, selbst Sie können nicht so tief sinken!"

    „Ihre Meinung über mich hört nicht auf, mich zu amüsieren", sagte er trocken, „aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Warum in aller Welt sollte ich mir die Mühe machen, diese Geschichte weiterzuerzählen? Aber wie ich schon sagte, jeder einzelne von ihnen könnte trotz Umhang und Kapuze leicht einen Blick auf Ihr Gesicht erhascht haben. Sie sind schließlich unverwechselbar. Und dann würden sie sich fragen, warum Lady Serena Willoughby auf dem Platz von Covent Garden herumschleicht, noch dazu auf eine Weise, wie es keine Dame des ton jemals tun würde? Und ausgerechnet in der Gesellschaft von Raphael Lefevre!"

    Sie blieb stumm, offensichtlich unfähig, ihm zu antworten.

    „Sie sollten Ihre Lage wirklich sorgfältiger bedenken, meinte er schließlich, „ganz besonders falls diese Geschichte doch herumerzählt wird. Ich schlage vor, dass ich Sie morgen Nachmittag besuche.

    „Warum?"

    „Weil ich immer noch glaube, dass Sie meine Hilfe brauchen, Lady Serena. Er hielt ihr einen Arm hin, um sie zur Tür zu begleiten. „Auf die eine oder andere Weise.

    „Niemals, beharrte sie, wenn auch ein wenig betroffen. „Außerdem ist es morgen Nachmittag nicht möglich. Ich habe andere Pläne.

    „Meiner Meinung nach wäre es klüger von Ihnen, diese Pläne zu ändern. Ich sehe Sie gegen vier Uhr. Er wies auf die Tür. „Gehen wir?

    3. KAPITEL

    Wie im Traum – oder vielmehr wie in einem Albtraum – ließ Serena es zu, dass Lefevre sie in die Gegend der Strand führte. Es hatte angefangen zu regnen, und ihr Umhang war ziemlich feucht geworden, bevor es ihnen gelang, eine Droschke anzuhalten.

    „Sie brauchen meine Adresse", sagte Serena.

    „Ich kenne Ihre Adresse, antwortete er knapp. Und tatsächlich, nachdem er ihr hineingeholfen hatte, hörte sie ihn dem Kutscher Anweisungen geben. „Curzon Street. Er bezahlte den Mann, und ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und schritt im Regen die Straße hinunter – alles mit der Arroganz, die ihn in allem auszeichnete.

    Serena lehnte sich erschöpft in die Polster zurück, als die Droschke anfuhr. Er hatte ihr gesagt, dass zwei von Morts Männern ihnen gefolgt waren. Aber das konnte natürlich auch eine Lüge gewesen sein. Lieber Himmel, was für eine Katastrophe dieser Abend doch gewesen war! Dass ausgerechnet Raphael Lefevre auftauchen musste, um die sowieso schon verfahrene Situation noch mehr zu verwirren! Aber sein Kuss hatte sie davor gewarnt, wie gefährlich er ihr werden konnte, sogar wenn er vorgab, auf ihrer Seite zu stehen.

    Sie verschränkte die Hände nervös im Schoß. Er hatte ihr gedroht, sie aufzusuchen, aber sicher würde er seine Meinung ändern. Irgendwie musste sie sich an dieses Fünkchen Hoffnung klammern. Und doch würden sie sich zwangsläufig wieder begegnen – auf Gesellschaften, Bällen, Musikabenden … Lieber Himmel! Sie suchte verzweifelt nach einer Lösung, aber bis zu dem Moment, da die Droschke mit einem Ruck vor ihrem Haus in Mayfair hielt, hatte sie keine gefunden.

    Schnell eilte sie die makellosen Marmorstufen hinauf, und in der Halle kam ihr ihre Haushälterin Mrs. Penney aufgeregt entgegen. „Mylady! Wie konnten Sie nur bei diesem Regen unterwegs sein? Ihr Umhang ist ja ganz nass!"

    Serena ließ sich den Umhang von Mrs. Penney abnehmen und zwang sich zu einem fröhlichen Lächeln. „Ich war wegen meiner Wohltätigkeitsarbeit unterwegs, was denn sonst, Mrs. Penney? Die Besprechung dauerte länger als erwartet."

    Lügen, so viele Lügen.

    Die liebe Mrs. Penney schüttelte missbilligend den Kopf, aber ihre Stimme klang jetzt sanfter. „Was Sie jetzt brauchen, Mylady, ist ein schönes, heißes Bad. In Ihrem Zimmer brennt bereits ein warmes Feuer, und ich schicke Ihnen Martha herauf. Die kann Ihnen aus diesen nassen Kleidern helfen."

    Ihr älterer Bruder George hatte sie vor eineinhalb Jahren gebeten, sich dieses Haus anzusehen. Damals war Serena nach einer Zeit der Einsamkeit auf dem Familiengut in Yorkshire nach London zurückgekehrt. „Das Haus gehört dir, wenn du es möchtest, hatte George gesagt. „Bald wirst du wieder bereit sein, dein Leben weiterzuführen, das weiß ich.

    Sie hatte das Haus vom ersten Moment an geliebt, heiß und innig geliebt – seine hohen Decken und die großen Fenster, die so viel Licht einließen. Die Einrichtung allerdings, die George selbst ausgewählt hatte, wie er ihr voller Stolz berichtete, war etwas anderes. Nun ja, George mochte ja ein ausgezeichneter Gutsbesitzer sein, der seine Pflichten sehr ernst nahm, aber seinen Geschmack konnte man nur als erstaunlich bezeichnen. Doch es machte Serena nicht wirklich etwas aus. Mit gestreiften Chintzsofas und vergoldeten Blumenkästen konnte sie leben, wenn sie sich auch dazu überwinden musste. Es gab allerdings ein anderes Problem. „George, du weißt, dass ich noch das Haus in der Dover Street habe, hatte sie ihm in Erinnerung gerufen. „Wo ich mit …

    Wo sie mit Lionel gelebt hatte, ihrem Gatten, dem Armeeoffizier.

    „Lionel lebt nicht mehr, hatte George sanft geantwortet. „Es wird Zeit, dass du dein Leben wieder genießt. Beende den Pachtvertrag für die Dover Street und fang an, dich wieder zu amüsieren, das ist mein Rat an dich. Kauf dir neue Kleider, geh auf Gesellschaften und alles, was du sonst gern tust. Ach ja, und ich weiß, du wirst deine kleinen Mildtätigkeiten fortsetzen wollen, über die du und deine Freundinnen ständig redet.

    „Liebster George, das sind keine kleinen Mildtätigkeiten! Meine Freundinnen und ich versuchen, armen Kindern eine Ausbildung zu geben, damit sie sich eine bessere Zukunft erkämpfen können. Aber ich danke dir von ganzem Herzen für das Haus und für alles andere. Du bist ein Schatz."

    Armer George. Seit dem Tod ihres Vaters vor einigen Jahren nahm er seine Pflichten als Haupt der Familie ausgesprochen ernst. Oft wünschte Serena, er würde stattdessen auf seinen eigenen Rat hören und sich ein wenig mehr amüsieren.

    Also begab sie sich wieder in die Londoner Gesellschaft – als dreiundzwanzigjährige Witwe mit einem wunderschönen, wenn auch seltsam eingerichteten Haus in Mayfair und dem Glauben, dass sie bereits einige der härtesten Lektionen erlernt hatte, die einem das Leben erteilen konnte. Doch heute Abend hatte sie erkannt, dass sie bei Weitem noch nicht genug gelernt hatte. Silas Mort und Raphael Lefevre. Wer von beiden stellte die größere Gefahr dar?

    Nach ihrem heißen Bad half Martha ihr in ein elfenbeinfarbenes Satinnachtgewand. Aber die ganze Zeit über hörte Serena nur Raphael Lefevres spöttische Bemerkungen. Ihr Heiligenschein ist wirklich in Gefahr, was?

    „Hier, Mylady. Martha redete noch immer fröhlich weiter. „Dass Sie es geschafft haben, so nass zu werden, also wirklich!

    Doch endlich ließ sie ihre Herrin in einem Sessel neben dem Kamin zurück, eine Tasse heiße Schokolade neben sich auf dem Tisch und Mary Wollstonecrafts Buch „Die Verteidigung der Frauenrechte" in einer Hand. Aber Serena musste feststellen, dass ihr nicht danach zumute war. Vielmehr verspürte sie das Verlangen, sich gründlich auszuweinen. Sie holte ihr Taschentuch hervor und betupfte sich ungeduldig damit die Augen.

    Sie hatte ein so behütetes Leben geführt. Ihre Kindheit auf dem Familiengut in Yorkshire war idyllisch gewesen. Wenn sie auch Momente großer Trauer erlebt hatte, denn ihre Mutter war gestorben, als Serena gerade vierzehn Jahre alt gewesen war. Ihr Vater hatte sich niemals von diesem Verlust erholt und war seiner geliebten Frau nur drei Jahre später ins Grab gefolgt. Und so war George im Alter von einundzwanzig der neue Earl of Stainsby geworden, während Serena dank eines Nachlasses von ihrer Mutter über ihr eigenes Vermögen verfügen konnte.

    Als sie neunzehn wurde, war George mit ihr ins große Stadthaus der Familie in der Clarges Street umgesiedelt, wo sie ihre erste Saison genießen konnte. Obwohl George sich nicht viel aus London machte, war er entschlossen, seine Pflicht zu erfüllen und einen guten Ehemann für seine kleine Schwester zu finden. Armer George, noch einer seiner Pläne, der gescheitert war. Serena verliebte sich, oder glaubte es zumindest, in einen fünfundzwanzigjährigen Armeeoffizier namens Lionel Willoughby, den dritten Sohn eines Viscounts.

    Sie ließ sich von seinem Charme verzaubern und lauschte ehrfürchtig seinen Geschichten über die Länder, in denen er mit seinem Regiment gewesen war. Doch in den ersten zwei Jahren ihrer Ehe war er in London stationiert und erfüllte eine wichtige Stellung in den Kasernen in Knightsbridge, was bedeutete, wie er ihr erklärt hatte, dass er oft bis spät in den Abend hinein arbeiten musste. Serena hatte ihm geglaubt – bis sie entdeckte, dass sein sogenannter Dienst eine Lüge war, die seine Spielleidenschaft und seine Trinkgelage in verrufenen Schenken und Spielhöllen in den zwielichtigen Gegenden Londons verbergen sollte.

    Lionel war nichts weiter als ein vergnügungssüchtiger Lebemann gewesen, genau wie Raphael Lefevre – doch sie hatte sich unwiderstehlich zu dem gutaussehenden jungen Offizier hingezogen gefühlt. Als sie die Wahrheit erkannte, schämte sie sich so sehr, dass sie niemandem ihren Fehler eingestand. Vor der Welt gab sie weiterhin vor, ihre Ehe wäre glücklich, doch ihre Liebe für Lionel war erloschen. Ihr Bruder hatte seinen Schwager von Anfang an abgelehnt und sogar versucht, die Heirat zu verbieten, doch Serena hatte sich durchgesetzt.

    Kurz nachdem sie erkannt hatte, dass es besser gewesen wäre, auf George zu hören, wurde Lionels Regiment nach Indien geschickt, wo er vor zwei Jahren in einer Schlacht gefallen war. Er hatte den Heldentod erlitten, hatte man ihr versichert, und Serena hatte sich für die Zeit ihrer Trauer aufs Familiengut in Yorkshire zurückgezogen. Alle waren davon ausgegangen, dass sie gramerfüllt war vom Tod ihres Gatten, doch Serena hatte die Zeit genutzt, um sich vorzubereiten. Um Kraft zu finden. Sie war entschlossen gewesen, keine Fehler mehr zu begehen, und schwor sich, nie wieder willentlich ihre Freiheit aufzugeben.

    Lionels Vergangenheit sollte sie jedoch erneut heimsuchen. Tatsächlich war es wegen Lionel, dass sie heute gezwungen gewesen war, sich mit Silas Mort zu treffen.

    Vor einer Woche war sie mit Martha im Park spazieren gegangen, als ein in Lumpen gekleideter Mann mit vernarbtem Gesicht auf sie zu hinkte. „Geld für einen armen, alten Soldaten, Mylady?, hatte er gejammert. Martha wollte ihn schon fortscheuchen, aber der Mann war näher gekommen und hatte geflüstert: „Ich habe Ihnen etwas über Ihren Mann zu sagen, Lady Serena. Es wäre klug von Ihnen, mir zuzuhören.

    Und so, Böses ahnend, hörte Serena dem Mann zu.

    Er hieß Silas Mort und war vor zwei Jahren unter dem Befehl ihres Mannes als Soldat in Indien gewesen. „Es heißt, er ist als Held gestorben, als er gegen den Sultan von Mysore und seine Männer kämpfte", sagte Mort. „Aber ich muss Ihnen sagen, Mylady, sobald der Sultan das Feuer auf unsere Männer eröffnete, geriet Ihr Gatte in Panik und rannte um sein Leben. Man konnte vor lauter Rauch von den Gewehren und Kanonen kaum etwas sehen, und so machte er den Fehler, auf eine Gruppe Männer des Sultans zuzulaufen, die darauf warteten, unsere Flanke anzugreifen. Natürlich schossen sie ihn nieder. Später hieß es dann, er hätte sie mutig angegriffen. Den Teufel hat er getan! Er lief um sein Leben, und dank des Rauchs haben seine Offiziersfreunde es nicht bemerkt, aber

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