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Historical Saison Band 90
Historical Saison Band 90
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eBook534 Seiten7 Stunden

Historical Saison Band 90

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Über dieses E-Book

MISS HENLEYS SINNLICHES ERWACHEN von JULIA JUSTISS
Auch nach der fünften Saison ist Miss Emma Henley nicht verheiratet! Was ihr sehr entgegenkommt, zumal sie finanziell unabhängig ist. Und doch verspürt sie den heimlichen Wunsch nach Leidenschaft. Soll sie Lord Theo Collington, dem man in der Liebe große Erfahrung nachsagt, einen wagemutigen Vorschlag machen: eine Affäre?

DIE SCHÖNE BÄCKERIN VON BATH von JENNI FLETCHER
Bath, 1806. Als Captain Delaney ihre exklusive Konditorei betritt, löst sein Lächeln in Annabelle Fortini ein ungeahnt erregendes Gefühl aus. Wie gern würde sie den Helden von Trafalgar erhören – aber behandelt ihn wegen seines Adelstitels kühl! Schließlich war es ein Aristokrat, der das Leben ihrer Mutter zerstörte …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum24. Mai 2022
ISBN9783751511391
Historical Saison Band 90
Autor

Julia Justiss

Julia Justiss wuchs in der Nähe der in der Kolonialzeit gegründeten Stadt Annapolis im US-Bundesstaat Maryland auf. Das geschichtliche Flair und die Nähe des Meeres waren verantwortlich für zwei ihrer lebenslangen Leidenschaften: Seeleute und Geschichte! Bereits im Alter von zwölf Jahren zeigte sie interessierten Touristen das historische Annapolis, das für kurze Zeit sogar die Hauptstadt der sich von der Kolonialmacht England abspaltenden Vereinigten Staaten war. Verheiratet ist sie mit einem Offizier zur See, den sie auf einer der anderen Attraktionen von Annapolis kennengelernt hat: der Marineakademie. Mit ihm verbrachte sie viel Zeit in Tunesien und Europa. Bevor sie Tunesien, wo sie für die amerikanische Botschaft gearbeitete hatte, verließ erfüllte sie sich einen Traum: einen Regency-Roman zu vollenden. Seitdem hat sie 14 weitere Romane 3 Erzählungen und eine online-Serie veröffentlicht. Mit Preisen für ihre Werke wie dem Golden Quill, National Readers Choice, Romantic Times und All About Romance’s Favorite Book of the Year, wird sie nur so überschüttet. Zur Entspannung sieht Julia sich gern Spielfilme an oder arbeitet im Garten ihres wunderschönen, im englischen Stil erbauten Hauses im östlichen Texas.

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    Buchvorschau

    Historical Saison Band 90 - Vera Möbius

    Julia Justiss, Jenni Fletcher

    HISTORICAL SAISON BAND 90

    IMPRESSUM

    HISTORICAL SAISON erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL SAISON, Band 90 05/2022

    © 2019 by Janet Justiss

    Originaltitel: „The Awakening of Miss Henley"

    erschienen bei: Mills & Boon, London

    in der Reihe: HISTORICAL

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Vera Möbius

    © 2020 by Jenni Fletcher

    Originaltitel: „An Unconventional Countess"

    erschienen bei: Mills & Boon, London

    in der Reihe: HISTORICAL

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Maria Fuks

    Abbildungen: Lee Avison / Trevillion Images, alle Rechte vorbehalten

    Veröffentlicht im ePub Format in 05/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783751511391

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, TIFFANY

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    Miss Henleys sinnliches Erwachen

    1. KAPITEL

    Wer, sagten Sie, besucht uns?" Emma Henley sah zu ihrer Zofe auf, die sie bei der Lektüre eines hochinteressanten Reiseberichts störte. Dieses Buch hatte ihr erst vor Kurzem eine gute Freundin geliehen – Temperance Lattimar, neuerdings die Countess of Fensworth.

    „Den Namen habe ich nicht verstanden, Miss. Jedenfalls muss es eine wichtige Person sein, weil Lady Henley mir befohlen hat, Sie zu holen."

    Nur sekundenlang überlegte Emma, ob sie ihrer Mutter den Gehorsam verweigern sollte. Dann legte sie das Buch bedauernd beiseite. Eine wichtige Person. Warum besteht Mama bei allen Besuchen auf meiner Anwesenheit?

    Da sie bereits ihre fünfte Saison erlebte, hatten alle gesellschaftlich bedeutsamen Matronen reichlich Muße gefunden, sie zu besichtigen. Und welche wichtige Person würde so früh am Vormittag erscheinen? Wie auch immer, Emma gab sich geschlagen, weil sie keine Wahl hatte.

    „Also gut, Marie, sagen Sie Mama, ich komme gleich."

    „In diesem neuen türkisfarbenen Kleid und mit den hochgesteckten Löckchen sehen Sie besonders hübsch aus, Miss, betonte Marie, um auf das Ergebnis ihrer Dienste hinzuweisen. „Sie können gewiss wichtige Personen beeindrucken.

    „Ja, selbstverständlich – ich weiß Ihre Bemühungen zu schätzen", beteuerte Emma lächelnd.

    Voller Stolz knickste die Zofe und verließ das Zimmer. Emma schaute ihr seufzend nach. Trotz aller Fehlschläge sah die liebe, gute Marie die Heiratschancen ihrer Herrin so optimistisch wie eh und je.

    Genauso beharrlich wie Mama, obwohl Emma nach fünf Jahren auf dem Heiratsmarkt immer noch ledig war … Nicht, dass es ihr an Gelegenheiten gemangelt hätte! Sie trat vor den Spiegel, ergriff eine verirrte Haarnadel und steckte sie in das Lockengebilde. Doch sie hatte die Ehe ihrer Eltern lange genug beobachtet, um diese Lebensform ziemlich skeptisch zu betrachten. Schon seit langer Zeit ging jeder seine eigenen Wege. Papa gab sich mit seinen Clubs und wechselnden Geliebten zufrieden, Mama mit ihren Bewunderern und einem großen Freundeskreis.

    Zu allem Überfluss hatte nur Emmas ältere Schwester die gefeierte Schönheit der Mutter geerbt. Sie selbst war eher unscheinbar und etwas zu groß, allerdings unabhängig dank des Vermögens, das eine Tante ihr hinterlassen hatte. Deshalb musste sie nicht heiraten. Glücklicherweise konnte sie ebenso wählerisch sein wie ihre bildschönen Rivalinnen.

    Kein einziges Mal war sie versucht gewesen, einen der diversen Heiratsanträge anzunehmen. Solche wenig verlockenden Angebote erhielt laut ihrer Mutter nur ein Mädchen, das „nicht hübsch genug ist, um einen Lebemann zu betören, und nicht reich genug, um einen Glücksritter zu begeistern". Cecilia, die ältere Tochter, hatte einen Duke bezaubert. Aber wie Emma nur zu gut wusste, würde sie mit ihrer hochgewachsenen, schlanken Figur, dem schmalen, ovalen blassen Gesicht, der etwas zu prägnanten Nase und dem langweiligen braunen Haar in keinem Mann glutvolle Lust erregen. Dennoch würde sie sich niemals in das traditionelle Schicksal einer reizlosen Ehefrau fügen, die sich mit Haushalt und Kindern begnügte, während der Gemahl attraktiven Liebhaberinnen nachjagte.

    Nein, dachte sie auf dem Weg zur Treppe und glättete den Spitzenbesatz an ihren Ärmeln. Sie wünschte sich ein interessanteres Leben. Nur einen Haushalt führen, Dienstboten und Kindermädchen beaufsichtigen, lärmenden Nachwuchs großziehen – einfach unerträglich! Oder sie müsste ihre Tage mit Besuchen und Einkaufsbummeln füllen, die Abende mit endlosen Dinnerpartys, musikalischen Soireen oder Bällen, dabei jahraus, jahrein dieselben Leute treffen, die immer das Gleiche taten. Auf keinen Fall!

    In der letzten Saison hatte ihre Freundin Temperance sie mit Lady Lyndlington und deren Frauenkomitee bekannt gemacht. Diese Damen schrieben Briefe an Parlamentarier, um Lady Lyndlingtons Gemahl zu unterstützen, der zusammen mit seiner liberalen Gruppe bedeutsame Reformen durchzusetzen versuchte. Nun glaubte Emma, sie hätte endlich ihre Berufung gefunden. Frauen durften zwar noch nicht wählen oder im Parlament sitzen, aber als Mitglied des Frauenkomitees konnte sie etwas zur Verbesserung ihres Landes beitragen.

    Darum würde sie die Bürden von Ehe und Mutterschaft nur akzeptieren, wenn ihr Mann ebenso wie Lord Lyndlington ehrenwerte Ziele anstrebte und die Mithilfe seiner gleichberechtigten Gattin förderte. Leider musste sie sich eingestehen, dass sie einen solchen Heiratskandidaten wohl kaum finden würde. Doch sie konnte Mama von der sinnlosen Jagd nach einem zweiten Schwiegersohn abbringen. Und das wollte Emma spätestens nach dieser Saison tun. Eine sechste Saison würde sie nicht hinnehmen, stattdessen in ein eigenes Heim ziehen und gemeinsam mit gleichgesinnten Freundinnen für die politischen Ziele kämpfen, an die sie so leidenschaftlich glaubten.

    Im Erdgeschoss angekommen, steuerte sie den vorderen Salon an. Doch der Butler Haines versperrte ihr den Weg. „Nicht hier, Miss. Auf Lady Henleys Wunsch sollen Sie in den Grünen Salon gehen."

    „In den Grünen Salon?, wiederholte sie. „Sind Sie sicher?

    „O ja, Miss, darauf hat Ihre Ladyschaft bestanden."

    Verwirrt schüttelte Emma den Kopf. Normalerweise empfing Mama „wichtige Personen" im offiziellen vorderen Salon. Der kleinere Grüne Salon im Hintergrund des Hauses, mit Aussicht auf den Garten, war für Besuche von Verwandten und guten Freunden reserviert.

    Emma stockte der Atem, als sie im Grünen Salon weder Mama noch eine Busenfreundin antraf, sondern Mr. Paxton Nullford, der nervös vor dem Kamin auf und ab lief.

    Erbost und schockiert fuhr sie herum, wollte sofort flüchten, doch der Gentleman eilte zu ihr und hielt sie am Arm fest. „Bitte, darf ich mit Ihnen sprechen, Miss Henley?"

    „Nicht nötig! Entrüstet riss sie sich los. „Ich nehme an, meine Mutter hat Ihnen gut zugeredet. Nun, vielleicht entsinnen Sie sich, wie oft ich Ihnen erklärt habe …

    „Ich weiß, ich weiß, unterbrach er sie. „Würden Sie mir trotzdem zuhören? Möglicherweise – schätzen Sie falsch ein, was ich zu sagen habe.

    Aus einem ersten Impuls heraus wollte sie ihn anherrschen, keine seiner Äußerungen würde sie auch nur annähernd interessieren. Dann erregte der ernsthafte, flehende Ausdruck seiner wasserblauen Augen ihr Mitleid. Mochte er auch ein unansehnlicher, untersetzter, nicht besonders intelligenter Langweiler sein – er hatte es bis zu diesem Moment niemals gewagt, sie ungebührlich zu behandeln, war stets höflich und wohlmeinend gewesen. Deshalb brachte sie es nicht übers Herz, ihn rüde wegzuschicken, und kapitulierte.

    „Also gut, Sir. Emma mied das Sofa, auf dem er sich neben ihr hätte niederlassen können, und sank in einen der Ohrensessel vor dem Kamin. „Nehmen Sie Platz, und sagen Sie, was ich unbedingt hören muss.

    Sichtlich erleichtert, setzte er sich in den Sessel ihr gegenüber. „Besten Dank, Miss Henley. Ich weiß, während ich um Sie warb, waren Sie nicht bereit, mich auch nur ein kleines bisschen zu ermutigen."

    „Genauer ausgedrückt, ich habe Sie stets entmutigt."

    „Zweifellos", gab er zu. „Nun hat Lady Henley mir Ihre außergewöhnliche – Abneigung gegen die Ehe erklärt. Ebenso wie ich glaubt sie allerdings, früher oder später würden Sie als wohlerzogene, gebildete junge Dame erkennen, dass Ihnen nur die Ehe eine komfortable Zukunft sichern kann. Oder beabsichtigen Sie etwa, einen – Beruf auszuüben? Möchten Sie eine Gouvernante oder Gesellschafterin werden?"

    „Nein!", fauchte Emma wütend. Wieso erörtert Mama so private Dinge mit einem Mann, dem ich keinerlei Hoffnungen gemacht habe? „Wie meine Mutter Ihnen offensichtlich verschwiegen hat, muss ich keinen Beruf ergreifen. Aufgrund eines Erbes bin ich imstande, meinen eigenen Haushalt zu finanzieren."

    „Da irren Sie sich, diese Pläne hat Ihre Mutter erwähnt. Die Konsequenzen eines solchen Entschlusses haben Sie wohl kaum ernsthaft erwogen, Miss Henley. Eine junge Lady, die allein in ihrem Haus wohnt, mit einer Gesellschafterin! Was würde man von Ihnen halten? Ich nehme an, Ihre Familie würde Sie weiterhin empfangen, doch ein Großteil der Londoner Hautevolee würde Sie schneiden. Was Lady Henley und ich befürchten … Wenn Sie älter werden und Ihre nächsten Verwandten das Zeitliche segnen, könnten Sie sich allmählich isoliert fühlen, ohne Freundeskreis."

    Obwohl Emma davon überzeugt war, ihr Leben auch allein erfüllend und befriedigend gestalten zu können, meldete sich ein leiser Zweifel und ließ sie zögern.

    Diese Pause nutzte Mr. Nullford, um eifrig fortzufahren: „Ich weiß, meine Gesellschaft fasziniert Sie nicht besonders, Miss Henley. Gleichwohl finden Sie mich nicht direkt – abstoßend?"

    „Natürlich nicht, Sir, erwiderte sie lächelnd. „Wenn Sie mir keine Heiratsanträge mehr machen, würde ich Sie sogar mögen.

    „Immerhin ein Anfang … Ich glaube, wir beide würden ein sehr angenehmes Leben miteinander führen. Dass ich weder attraktiv noch intellektuell oder witzig bin, weiß ich genauso gut wie Sie. Aber im Gegensatz zu den meisten hübschen, ledigen Mädchen, die ich kenne, haben Sie mir nie Ihre Geringschätzung gezeigt. Und obgleich Sie viel klüger sind als ich, lehnen Sie nur eine Heirat ab – nicht den Bewerber", ergänzte er bedeutsam.

    Schuldbewusst suchte Emma nach Worten. Niemals hatte sie ihm zu verstehen gegeben, sie würde ihn verachten. Nur in Gedanken nannte sie ihn „Mr. Null" – unscheinbar, ohne gewinnende Persönlichkeit, kein bisschen geistreich. Andererseits hatte sie sich von einer Gesellschaft losgesagt, die Schönheit wichtiger fand als Güte und Charakterstärke. Und plötzlich empfand sie unerwünschte Sympathie für den ernsthaften Mann, der ihr gegenübersaß. Verstört schwieg sie, und er sprach weiter.

    „Der ton würde mich nicht für reich halten. Nichtsdestoweniger kann ich Ihnen eine stilvolle Existenz bieten – Saisons in London, Sommermonate auf meinem Landsitz, zudem meinen Respekt, unerschütterliche Treue, die Umwelt, in der Sie aufwuchsen, Ihren Familien- und Freundeskreis."

    Unvermittelt erhob er sich. Zu Emmas Entsetzen sank er vor ihr auf ein Knie und ergriff ihre Hand.

    „Miss Henley, niemals werden wir beide irgendwen zu leidenschaftlicher Glut inspirieren. Weil wir vernünftig genug sind, verstehen wir das, und wir würden ein ruhiges, angenehmes gemeinsames Leben aufbauen."

    Abrupt verflog die Sympathie, und Emma wusste nicht, ob sie niedergeschlagen war – oder wütend. Eine „ruhige, angenehme Ehe mit jemandem, der bestenfalls Mitleid und lauwarmen Respekt in ihr weckte, erschien ihr genauso trist wie das Schicksal vernachlässigter Gemahlinnen begehrenswerter Männer. Und dass sie nicht hübsch genug war, um „leidenschaftliche Glut zu inspirieren, wusste sie schon sehr lange. Darauf hätte Mr. Nullford sie nicht hinweisen müssen.

    „Also schlagen Sie eine Ehe ohne Leidenschaft vor?", fragte sie tonlos.

    „Nun, nicht direkt. Natürlich wäre ich bereit … Unsicher verstummte er, sein Gesicht färbte sich feuerrot. „… eh – für Nachwuchs zu sorgen.

    Zumindest hatte er halbwegs akzeptabel umschrieben, worüber man mit unverheirateten jungen Damen nicht sprach. Aber da Emma einen Großteil ihres Lebens auf einem Landgut verbracht hatte, von zahlreichen Tieren umgeben, konnte sie sich ausmalen, was beim Vollzug einer Ehe passierte. Und solche Intimitäten mit einem Mann zu teilen, für den sie nichts empfand – unvorstellbar! Insbesondere, weil in ihrer Fantasie jedes Mal, wenn sie an Leidenschaft dachte, ein ganz bestimmtes Bild erschien.

    Entschlossen verdrängte sie die Erinnerung an Lord Theo Collingtons hinreißendes Gesicht und bezähmte den albernen Impuls, Mr. Nullford die Augen auszukratzen.

    Sie entzog ihm ihre Hand und stand auf, sodass er ihrem Beispiel folgen musste. „Wenn ich Ihren Antrag auch zu würdigen weiß, Sir, begann sie, „ich kann ihn unmöglich annehmen. Meine Mutter hätte Sie über meine wahren Wünsche informieren sollen. Statt die normale weibliche Rolle zu übernehmen, die Führung eines Haushalts und die Mutterschaft, habe ich mich für politische Aktivitäten entschieden. Zum Beispiel kämpfe ich für die Abschaffung von Kinderarbeit und das Frauenwahlrecht. Um mich dafür einzusetzen, schreibe ich Briefe an Parlamentarier – mit einem Enthusiasmus, den ich niemals für eine Ehe aufbringen würde.

    „Politische Aktivitäten?", japste Mr. Nullford entgeistert. „Briefe an Parlamentarier?"

    „O ja! Eine solche Frau möchten Sie wohl kaum heiraten, Sir. Ebenso wenig wie jeder andere Gentleman. Und da ich schon zweiundzwanzig bin, wird mich meine Tätigkeit endgültig zur alten Jungfer stempeln. Mehr gibt es wohl nicht zu sagen. Nur eins noch …, fügte sie hinzu, bevor sie auf die Tür wies. „Wenn Sie Ihre Heiratspläne mit der nötigen Ausdauer verfolgen, müssten Sie irgendwann eine andere reizlose Frau kennenlernen, die eine respektable, konventionelle Zukunft keineswegs so entschieden ablehnen wird wie ich. Leben Sie wohl, Mr. Nullford.

    Schockiert und verwirrt verneigte sich der verschmähte Bewerber und suchte das Weite.

    Immer noch empört, rang sie nach Luft, als das Türschloss klickte. Oft genug hatte Mama sie mit unpassenden Verehrern verkuppeln wollen. Aber so peinlich wie diesmal war es noch nie gewesen. Ausgerechnet Mr. Null zu einem beleidigenden Heiratsantrag anzustacheln! Jetzt reichte es endgültig!

    Emma wartete, bis sie die Haustür hinter dem unwillkommenen Besucher ins Schloss fallen hörte. Dann eilte sie in die Halle und die Treppe hinauf, zu erbost, um ihrer Mutter zu begegnen. In ihrem Zimmer angekommen, fühlte sie sich so rastlos, dass sie die Lektüre ihres Buchs nicht fortsetzen wollte. Erst einmal brauchte sie ein Ventil für ihre Wut – am besten Bewegung an der frischen Luft. Am frühen Vormittag würde sie noch keine Mitglieder des ton im Hyde Park antreffen. Sie ging zum Glockenstrang, wollte nach Marie läuten, die ihr helfen sollte, das Morgenkleid mit einem Reitkostüm zu vertauschen.

    Marie … Auf halbem Weg hielt Emma inne. Hatte die Zofe sie nicht gedrängt, das neue Kleid anzuziehen, und sie besonders fashionabel frisiert? Und Haines! Der Butler hatte genau gewusst, wer sie im Grünen Salon erwarten würde. Nämlich nicht ihre Mutter!

    Offenkundig hatte sich der ganze Haushalt verbündet, um sie diesem grässlichen Heiratsantrag auszuliefern. Neuer Zorn stieg in ihr auf. Hoffentlich würde der Reitknecht sein schnellstes Pferd satteln. Denn sie plante einen rasanten Galopp.

    2. KAPITEL

    Lord Theo Collington strich über seine Bartstoppeln und lenkte den Wallach zu einem der Wege nahe der Rotten Row. Erst am frühen Morgen heimgekehrt, war er zu aufgewühlt gewesen, um ins Bett zu sinken, und hatte sich zu einem Ritt durch den Hyde Park entschlossen. Um diese frühe Stunde würde er keine Bekannten treffen, musste vor niemandem die allmählich ermüdende Rolle des Bonvivants mimen und konnte ungestört nachdenken.

    Nicht dass er realisierbare Alternativen zu Abenden mit Freunden in Spielsalons, in der Oper oder Theatern gesehen hätte – oder zu anderen, in seinen Kreisen üblichen Amüsements. Aber in letzter Zeit irritierte ihn ein vages Unbehagen. Diese Aktivitäten genügten ihm nicht mehr. Und allmählich ließ sich das Gefühl nicht mehr unterdrücken, es müsste etwas mehr in seinem Leben geben.

    Allerdings nicht das, was seine Mama ihm ständig einreden wollte – er sollte heiraten und eine Familie gründen. Obwohl er gewisse weibliche Reize durchaus schätzte, war er noch keiner Frau begegnet, die ihn außerhalb des Bettes nicht langweilte.

    Nun, einer würde das vielleicht gelingen. Lächelnd erinnerte er sich an seine anregenden Wortgefechte mit Miss Emma Henley, auf diversen Feten. Zum Glück war diese junge Lady genauso wenig wie er selbst an einer Heirat interessiert. Also musste er keine unliebsamen Konsequenzen fürchten, wenn er mit ihr plauderte.

    Was Frauen betraf, stand immerhin ein Ergebnis seiner Überlegungen fest. Nach dem Zwischenfall am letzten Abend in der Oper war seine Liaison mit Lady Belinda Ballister beendet. Um diese naheliegende Entscheidung zu treffen, hatte er an diesem Morgen frische Luft und Bewegung gebraucht.

    Gewiss, der Verzicht auf Belindas sensationelle, einfallsreiche Liebeskünste, die er monatelang genossen hatte, fiel ihm nicht leicht. Da er dennoch dazu entschlossen war, verdiente er eine Belohnung. Deshalb wollte er sich vor seiner Heimkehr einen aufmunternden Galopp gönnen. Er nahm die Zügel in beide Hände. Was der leichte Stiefeldruck in den Flanken bedeutete, verstand der Wallach sofort und sprengte dahin. Das Herz des Reiters jubelte, raste im selben Rhythmus wie das wilde Stakkato der Hufschläge. Nichts wird jemals an dieses spezielle Vergnügen heranreichen, dachte Theo, während das Rauschen des Windes die letzten Brandy-Nebel aus seinem Gehirn wehte. Solche Lustgefühle fand er fast genauso befriedigend wie ein Rendezvous mit der unermüdlichen Belinda. Vielleicht sollte er an Pferderennen teilnehmen …

    Über diese alberne Idee grinste er, als er um eine Kurve bog, und beinahe mit einem Reiter zusammengestoßen wäre, der geradewegs auf ihn zugaloppierte.

    Beide Pferde scheuten, glücklicherweise an gegenüberliegenden Wegrändern. Bis Theo seinen verwirrten Wallach unter Kontrolle gebracht und gezügelt hatte, dauerte es ein paar Sekunden. Dann musterte er den anderen Reiter.

    Die Reiterin, wie ein flatternder Reitrock bekundete. Eine ausgezeichnete Reiterin, die ihr verschrecktes Pferd erstaunlich schnell beruhigt hatte. Sie rückte ihren verrutschten Tschako zurecht – anscheinend das einzige Ungemach, das sie erduldete – und spähte über den Pfad hinweg.

    „Ah, Lord Theo … Ein sarkastischer Unterton verdarb die melodische Stimme. „Das hätte ich ahnen müssen. Wer sonst sollte mich im Hyde Park fast niederreiten?

    „Herzlichen Dank für Ihre fürsorgliche Frage, Miss Henley", konterte er lächelnd, sofort in bester Laune. „Nein, weder meinem Pferd noch mir ist etwas geschehen – vom Schreck abgesehen, den sie uns mit dem knapp vermiedenen Zusammenprall zugemutet haben. Dass Sie die tollkühne Reiterin sind, hätte ich ahnen müssen. Welche andere Lady sollte wie ein wahnwitziger Jockey den Park unsicher machen?"

    „Und Sie, Lord Theo? Die Brauen hochgezogen, inspizierte sie ihn. „Offensichtlich haben Sie gar nicht ins Bett gefunden. Schon wieder eine durchzechte Nacht?

    „Wie man’s vom berühmtesten Junggesellen des ton erwartet." Sein Lächeln vertiefte sich.

    Eine einzigartige Frau, dachte er, wieder einmal von ihren intensiven goldbraunen Augen gefesselt. Jede andere Lady in seinem Bekanntenkreis hätte ihm lockende Blicke zugeworfen, kokett mit den Wimpern geklimpert. Aber Emma Henley schaute ihn einfach nur prüfend an.

    „Wenn ich näher zu Ihnen reite – würde ich nicht nur das Pferd, sondern auch das Parfüm Ihrer neuesten Geliebten riechen?", fragte sie gedehnt.

    „Wie indiskret Sie sind! Grinsend drohte er ihr mit einem Zeigefinger. „Das wissen Sie doch. Über gewisse Dinge spricht ein Gentleman nicht.

    Den Kopf schief gelegt, musterte sie ihn wieder, und er spürte erneut ihre sinnliche Anziehungskraft. Beim ersten Mal war er verblüfft gewesen, weil diese unauffällige Frau, von der Elite „die hässliche Miss Henley genannt, solche Gefühle in ihm weckte. Aber wenn sie sich auch nicht mit ihrer Schwester messen konnte, der „bildschönen, unvergleichlichen Miss Henley, strahlte sie irgendetwas aus, das ihn erregte – eine rastlose, leidenschaftliche Antriebskraft, die er unter ihrer ruhigen Fassade spürte. Mindestens so verführerisch wie äußerliche Schönheit …

    Bedauerlicherweise war es ihm verwehrt, diese Reize zu erproben. Ein Gentleman durfte sich mit bereitwilligen verheirateten Ladys amüsieren, niemals mit einer Unschuld. Also musste er sich mit intellektuellen Kontakten begnügen. Darin war Miss Henley genauso talentiert wie seine einstige Geliebte in erotischer Kurzweil.

    „Dann will ich Ihnen keine Einzelheiten entlocken, Sir, erwiderte Miss Henley, „und schicke Sie ins Bett …

    Täuschte er sich, oder erschien ein rosiger Hauch in den blassen Wangen? Stellte sich die jungfräuliche junge Dame – ebenso wie er – bei dem Wort „Bett" vor, was dort zwischen zwei erhitzten, nackten Körpern passieren mochte?

    Da er schwieg, in berauschende Visionen versunken, fügte sie hinzu: „Nun werde ich meinen Galopp fortsetzen."

    Tatsächlich – ihr Gesicht rötete sich, in den ausdrucksvollen goldbraunen Augen glühte etwas Feurigeres als das übliche angriffslustige Temperament. Noch etwas war höchst ungewöhnlich. Miss Henley ritt ganz allein durch den Park. Im Allgemeinen befolgte sie die Regeln der Konvention, die es respektablen, ledigen jungen Damen verboten, sich ohne Begleitung irgendwohin zu begeben.

    „Heute Morgen ist was vorgefallen, nicht wahr?" fragte Theo.

    Ihr Kinn spannte sich an und strafte das Kopfschütteln Lügen.

    „Sagen Sie mir, was los ist!, verlangte er. „Ihr Reitknecht lässt sich nicht blicken. Also müssen Sie ihm davongaloppiert sein. Und nicht einmal der stets so aufmerksame Mr. Null beschützt Ihren Leumund.

    Ihre Wangen färbten sich noch dunkler. „Natürlich war’s nicht nett von mir, ihn so zu nennen. Und Sie hätten mir den Spitznamen nicht entlocken dürfen!"

    „Ah, der ist so originell, dass er von mir stammen könnte."

    „Sie sollten Mr. Nullford nicht verspotten, Sir!, zischte sie. „Nur weil er nicht so attraktiv und klug ist wie Sie und nicht so unwiderstehlich auf Frauen wirkt! Gleichwohl ist er ein ehrbarer Gentleman.

    „Ich wollte ihn keineswegs verspotten, wehrte er sich, verblüfft über ihren heftigen Tadel. „Ich dachte, er missfällt Ihnen. Wieso verteidigen Sie ihn plötzlich? Hat er doch noch Ihr Herz erobert?

    „Unsinn …" Miss Henley warf den Kopf zurück, versetzte ihren Rappen in leichten Trab und folgte der Richtung, in die sie herangaloppiert war.

    „So leicht werden Sie mich nicht los!, rief Theo, wendete den Wallach und lenkte ihn an ihre Seite. „Wenn Sie kein sonderbares amouröses Faible für Mr. Nullford entwickelt haben – warum sorgen Sie sich um ihn? Hat Ihre Mama Sie endlich dazu überredet, seinen Heiratsantrag anzunehmen?

    „Selbstverständlich nicht!, fauchte sie. „Falls Sie es unbedingt wissen müssen – heute Morgen bat er mich um meine Hand, und ich wies ihn ab.

    „Ah", murmelte er, auf unerklärliche Weise erleichtert. „Deshalb der Morgenritt! Sie weichen einem Wutanfall Ihrer Mama aus, nach einer weiteren verschmähten Bewerbung? Wie viele Anträge haben Sie inzwischen abgelehnt?"

    „Gewiss eine bescheidene Zahl, verglichen mit der riesigen Menge der Frauen, die Sie verführt haben."

    Theo lachte. „Mag sein. Wie ich jedoch betonen muss – alle betreffenden Ladys wollten verführt werden."

    „Großer Gott, sagte sie und seufzte, „warum animieren Sie mich immer wieder zu Bemerkungen, die ich nicht aussprechen dürfte? Andererseits … Sie warf ihm einen boshaften Blick zu. „Meistens verdienen Sie meine freimütigen Äußerungen. Zum Beispiel, als Sie sich zum ersten Mal dazu herabließen, mit mir zu reden."

    Stöhnend verdrehte er die Augen. „Damals haben Sie mich ganz schön beschämt. Was sehr unfreundlich von Ihnen war!"

    „Sie hätten nicht vorgeben sollen, Sie würden sich an mich erinnern – eine infame Lüge."

    „Niemals darf ein höflicher Gentleman einer Dame verraten, er würde sich nicht an sie erinnern."

    „Auf keinen Fall!, höhnte Miss Henley. „Stattdessen mimten Sie den Mann von Welt, der eine blendende Schönheit beeindrucken und ihr weismachen will, er würde ihre hässliche Freundin kennen.

    „Nun ja – trotzdem war’s nicht nett von Ihnen, mich vor der blendend schönen Miss Lattimar zu blamieren."

    Wieder einmal lud ihn ihr warmes, sanftes Lachen ein, ihr Amüsement zu teilen, sogar auf seine eigenen Kosten. „Das geschah Ihnen ganz recht, Sir."

    „Vielleicht. Aber es war eine grausame Strafe, da ich doch nur galant sein wollte …"

    „Wenn ich so ein ungeheures Ärgernis bin – warum suchen Sie ständig meine Gesellschaft und belästigen mich? Wieso ignorieren Sie mich nicht einfach?"

    „Führen Sie mich nicht in Versuchung! Aber jedes Mal, wenn ich Ihnen die kalte Schulter zeigen will, was Sie verdienen würden, erinnere ich mich an Ihre außergewöhnliche Persönlichkeit. Sie sind die einzige junge Lady in den gehobenen Kreisen, die nie ein Blatt vor den Mund nimmt – ganz egal, ob sie gegen die Regeln der Oberschicht verstößt. Und die Einzige, die nicht mit mir flirtet, die anscheinend immun gegen meinen berühmten Charme ist. Und so suche ich immer wieder Ihre Nähe, um herauszufinden, ob Sie zur Besinnung kommen werden."

    „Damit Sie mich in den Harem Ihrer Bewunderinnen aufnehmen können?" Verächtlich schüttelte sie den Kopf. „Niemals werde ich mich zum Anhängsel eines Mannes erniedrigen. Doch nun stellte sich die Frage, warum Sie nach einer Nacht voller Wonnen einen so wilden Galopp nötig hatten?"

    Theo zögerte. Sicher wäre es besser zu schweigen. Dennoch empfand er das Bedürfnis, sich der einzigen Person anzuvertrauen, die nun schon seit Monaten unbegreiflicherweise den Eindruck erweckte, er könnte seine Fassade vergessen und ihr stets die Wahrheit sagen.

    „Los, reden Sie!, drängte sie. „Schamvolles Schweigen passt nicht zu Ihnen. Und nachdem Sie mir mein Geheimnis entlockt haben, ist es mein gutes Recht, Ihres zu erfahren. Also? Worum geht’s? Beginnen die Reize der schönen Belinda zu verblassen?

    Die Stirn gefurcht, rügte er: „Für eine unschuldige junge Dame wissen Sie viel zu viel über diskrete gesellschaftliche Kontakte."

    „Papperlapapp! Sogar Unschuldslämmer schwatzen schon in ihrer ersten Saison über Lord Theo Collingtons Eroberungen. Außerdem kann man Ihre aktuelle Liaison wohl kaum diskret nennen. Erst neulich erzählte die hinreißende Belinda auf Lady Ingrahams Ball, Sie seien so ein leistungsstarker und treu ergebener Liebhaber."

    „Tatsächlich?, stieß er wütend hervor. Schon vor Wochen hätte er der verdammten Frau den Laufpass geben sollen. „Also haben Sie noch nicht gehört, was gestern Abend in der Oper geschehen ist.

    Miss Henleys hinterhältiges Lächeln erlosch. In echter Besorgnis musterte sie sein Gesicht. „Oh, das klingt unheilvoll. Hat sie den Bogen überspannt?"

    Nach kurzem Zögern nickte er. „Wahrscheinlich hätte ich Lady Belinda viel früher an die Kandare nehmen sollen. Eine Zeitlang war ich amüsiert, wenn sie behauptete, sie habe mich eingefangen. Ich dachte, sie würde scherzen, wir beide würden die Liaison angenehm finden, ohne ernsthaftes Engagement. Aber gestern … Lord Ballister entschloss sich zu einem seiner seltenen Auftritte in der Öffentlichkeit und besuchte die Oper. In der Pause hatte Belinda nichts Besseres zu tun, als ihren Ehemann zu verlassen und in die Loge zu eilen, die ich mit Freunden teilte. Ostentativ umschlang sie meinen Hals und wollte mich sogar küssen – vor den Augen ihres Gemahls und eines neugierigen Publikums."

    „Ach, du meine Güte, wie peinlich …", meinte Emma Henley mitfühlend.

    „Verständlicherweise hat sie einen um dreißig Jahre älteren, kränklichen Mann ohne große Begeisterung geheiratet. Trotzdem würde man nur eine diskrete Affäre stillschweigend tolerieren. Und Lord Ballister, ein ehrenwerter Gentleman, hat es sicher gewiss nicht verdient, in aller Öffentlichkeit als Hahnrei bloßgestellt zu werden."

    „Allerdings nicht. Aber es überrascht mich, wie lange es gedauert hat, bis Ihnen Lady Belindas schamloses Verhalten auffiel. Schon seit Monaten verkündet sie prahlerisch, es sei ihr gelungen, Ihren Liebhaber total zu versklaven."

    „War ich wirklich so blind? Theo atmete tief durch. „In Zukunft muss ich besser aufpassen.

    Miss Henley lächelte süffisant. „Inzwischen habe ich oft genug bemerkt, dass der Scharfsinn eines Gentlemans umso schneller verfliegt, je schöner die begehrte Lady ist."

    „Und Frauen sind scharfsinniger?"

    „Ja – und nein. Kein Gentleman hat jemals so viel zu verlieren wie eine Frau. Und sie hat weniger Möglichkeiten, ihre Zukunft zu sichern, abgesehen von der normalen Methode einer Ehe. Deshalb übersieht sie eventuell gewisse – Mängel eines Bewerbers. Dazu bin ich nicht bereit. Statt zu heiraten, werde ich Gutes tun."

    „Wollen Sie sich etwa diesen langweiligen Calvinisten anschließen, die alle Sünder vor Feuer, Schwefel und Vernichtung warnen?"

    „O nein, statt Moral zu predigen, werde ich einer nützlichen Beschäftigung nachgehen. Im Gegensatz zu jemandem, der es für ein erfülltes Leben hält, alberne Frauen zu verführen, andere Männer unter den Tisch zu trinken und Kartenspiele zu gewinnen."

    „Wen Sie meinen, weiß ich, entgegnete er grinsend. „Aber außerdem bin ich ein hervorragender Reiter. Und sie sollten mal sehen, wie ich einen Phaeton mit extrem hohem Sitz steuere.

    „Wunderbar! Dann können Sie eine Stellung beim Königlichen Postdienst annehmen, wenn Sie Ihr ganzes Geld verschleudert haben."

    Theo lachte schallend. „Und mein Charme? Ist der zu gar nichts nütze?"

    „Vielleicht doch, wenn Sie unvorsichtige junge Damen umgarnen möchten. Was mich anbelangt – ich bin zu gewitzt, um drauf reinzufallen."

    Herausfordernde Blicke trafen sich, und erneut begann etwas unbestreitbar Sinnliches zwischen ihnen zu knistern.

    „Das sind Sie nicht", murmelte er und bedauerte ihren unschuldigen, ledigen Status mehr denn je.

    Ihr blasses Gesicht rötete sich wieder, und sie schaute rasch weg. „Genug geplänkelt … Sie zügelte ihr Pferd, und er folgte ihrem Beispiel. „Danke, dass Sie mir geholfen haben, mein inneres Gleichgewicht wiederzufinden, Sir. Jetzt werde ich heimreiten, die Vorwürfe meiner Mutter erdulden und ihr klarmachen, dass ich genug vom Gesellschaftsleben habe. Für mich ist diese Saison beendet. Meine allerletzte!

    Skeptisch schüttelte er den Kopf. „Welch ein nobler Entschluss! Mal sehen, wie lange es dauern wird, bis Ihre Mama Sie kleinkriegt."

    „Wie nett Sie mir Mut zusprechen … Guten Tag, Lord Theo."

    „Auch Ihnen wünsche ich einen guten Tag, Miss Henley."

    Sie wendete den Rappen, und er sah sie davonreiten, ihrem verspäteten Reitknecht entgegen. Lächelnd dachte er an die Ursache ihres rasanten Galopps und dankte dem Himmel, weil sie sich so entschieden weigerte, in die vorgesehene weibliche Rolle zu schlüpfen. Und weil die meisten Männer so dumm waren, sich von strahlenden Schönheiten des ton blenden ließen und dieses unauffällige Juwel übersahen. Also würde vermutlich kein Mann um Miss Henley werben, den sie akzeptieren würde.

    Andererseits – wenn sie gezwungenermaßen mit jemandem wie Mr. Null verheiratet wäre, der sie langweilte … Theo erinnerte sich an jene lockenden Momente, die auf Emma Henleys geheime Leidenschaft hinzuweisen schienen. Würde er herausfinden müssen, ob tatsächlich ein süßes Feuer in ihr loderte? Oder würde er vernünftig sein und ihr aus dem Weg gehen?

    3. KAPITEL

    Vor dem Gespräch mit Mama musste Emma ihre schluchzende Zofe trösten, die ihr half, das Reitkostüm mit einem Tageskleid zu vertauschen. Wortreich bat Marie sie um Verzeihung, nachdem sie ihr Mr. Nullfords Anwesenheit im Grünen Salon verschwiegen hatte. Nur damit ihre liebe, gute Herrin einen netten Ehemann bekomme, versicherte sie. Einen, der für sie sorge und ihr ein glückliches Leben ermögliche. So wie Lady Henley stets betonte, genau das sei es, was ihre Tochter brauche.

    Erst nachdem Emma beteuerte, sie würde der Zofe nicht zürnen und sie wegen solcher Bagatellen niemals entlassen, versiegte die Tränenflut. Erleichtert knickste das Mädchen und kehrte ins Dienstbotenquartier zurück.

    Emma wandte sich zu der Uhr auf dem Kaminsims. So früh am Vormittag würde Mama noch im Bett liegen. Sollte sie ins Zimmer ihrer Mutter gehen und nach der Szene mit Marie einen weiteren Tränenausbruch verkraften? Gewiss, Mama würde sich für das Täuschungsmanöver mit Mr. Nullford entschuldigen. Aber danach? Wie üblich würde sie weinen und untröstlich jammern. Was mochte aus ihrer armen, unscheinbaren Tochter werden, die – bereits in der fünften Saison – jeden respektablen Verehrer abwies?

    Sollte Emma sich das noch einmal anhören? Nein. Was sie wirklich anstrebte, verstanden weder ihre Mutter noch Marie. Und so beschloss sie, sich mit einem Lakaien aus dem Haus zu schleichen. Bevor Mama von meiner Heimkehr erfährt … In der Buchhandlug Hatchards würde sie Nachrichten schreiben und zwei Schulfreundinnen schicken, die sie zu einem Eisbecher im Gunter’s treffen wollte. Nachher würden sie Lady Lyndlington besuchen, obwohl dies nicht der Tag war, an dem normalerweise die wöchentliche Zusammenkunft stattfand.

    Eine weitere gemeinsam abgefasste, schroff formulierte, an Parlamentarier gerichtete Beschwerde über das fortgesetzte Elend der Kinderarbeit … Ja, das müsste Emmas Problem in die richtige Perspektive rücken und ihr zu der Gelassenheit verhelfen, die sie für die Diskussion mit ihrer Mutter brauchte.

    Etwa eine Stunde später erreichte sie das Gunter’s am Berkeley Square, setzte sich an einen Tisch und wartete auf ihre besten Freundinnen, Olivia Overton und Sara Standish.

    Zuerst erschien Olivia in der Tür. Lächelnd winkte sie Emma zu, ein großes, gertenschlankes Mädchen mit länglichem, unscheinbarem Gesicht und hellbraunem Haar. In Mrs. Axminsters Academy for Young Ladies hatte sie scheue Außenseiterinnen unter ihre Fittiche genommen.

    Emmas und Saras Interesse an Büchern war ihr angenehm aufgefallen, ebenso die Abneigung der beiden gegen das Geschwätz der meisten anderen Schülerinnen über ihre ersten Saisons und die Jagd nach Ehemännern. Deshalb schlug sie ihnen einen Dreierbund vor, der ihnen helfen würde, die Unbilden der Schule zu überstehen. Bald wurden sie unzertrennlich. Gemeinsam entdeckten sie Mary Wollstonecrafts feministische Schriften und Thomas Paines Forderungen nach Demokratie sowie Sozialreformen. Da hatten sie beschlossen, ihre Zukunft edlen, humanen Bestrebungen zu widmen. Keinesfalls wollten sie sich am Konkurrenzkampf auf dem Heiratsmarkt beteiligen oder ihren eigenen Wert an der Menge von Heiratsanträgen messen.

    Als Emma und Olivia einander begrüßten und umarmten, kam Sara Standish ins Gunter’s. Strahlend lächelte sie über ihr ganzes pausbäckiges Gesicht. Klein, weizenblond und mollig, stellte sie das genaue Gegenteil ihrer beiden Freundinnen dar.

    „So froh bin ich, dass ihr trotz der kurzfristigen Nachricht gekommen seid!", sagte Emma, nachdem sie sich gesetzt und die Eisbecher bestellt hatten.

    „Mein faszinierendes Buch kann ich auch später weiterlesen", erklärte Olivia.

    „Ich habe mit meiner Tante vereinbart, ich würde sie widerstandslos zu gesellschaftlichen Ereignissen begleiten, wenn ich nur zweimal pro Woche langweilige Besuche machen muss. Sara verdrehte die Augen. „Glücklicherweise ist heute nichts dergleichen geplant. Zu Emma gewandt, fragte sie: „Nun? Was ist los? Warum müssen wir uns so dringend treffen?"

    In knappen Worten schilderte Emma den abgelehnten Heiratsantrag Mr. Nullfords und die Szene mit der tränenüberströmten Zofe. Beides habe sie bewogen, einer ähnlichen, noch drastischeren Konfrontation mit ihrer Mutter zu entrinnen.

    Den Morgenritt im Park erwähnte sie nur nebenbei und verschwieg die Begegnung mit Lord Theo. Nicht dass die Freundinnen sie seinetwegen gehänselt oder Einzelheiten verlangt hätten. Aber sie grollte sich selbst, weil sie den Mann anziehend fand, obgleich er genau den Typ verkörperte, den sie verachtete – zu hübsch, zu charmant, zu leichtfertig, zu verantwortungslos. Verdammt, ich muss aufhören, an ihn zu denken …

    Dabei half Olivia ihr, die sich erkundigte: „Also bist du geflüchtet, bevor deine Mama dich wegen des verschmähten Heiratsantrags ausschimpfen konnte?"

    „Ja. Ich rannte ins Hatchards, wo ich Papier kaufte. Freundlicherweise lieh man mir eine Feder, und ich durfte auf dem Ladentisch die Nachrichten an euch schreiben."

    „Da der Bewerber Mr. Nullford war …, begann Sara nachdenklich. „Glaubst du wirklich, deine Mama war ganz furchtbar enttäuscht?

    „Allerdings, weil sie ihn ermutigt hat. Mit der Hilfe meiner Zofe und des Butlers arrangierte sie, dass ich mit diesem Gentleman allein in einem Zimmer war. Und ich ertrug es nicht, zum millionsten Mal ihre Vorwürfe und ihr Gejammer zu hören. Wann werde ich denn begreifen, wie notwendig eine Heirat ist? Jede andere Frau weiß das. Was soll aus mir werden? Vor dieser Diskussion brauchte ich etwas Zeit, um mich zu beruhigen. Nun hoffe ich, nach dem peinlichen Zwischenfall mit Mr. Nullford wird Mama meine unkonventionellen Zukunftswünsche akzeptieren – nach einer langen, mühsamen Diskussion mit Wutanfällen und verzweifeltem Schluchzen."

    „Wenigstens weißt du, wie sehr sie sich um dich sorgt, wie viel du ihr bedeutest, wandte Sara ein, „selbst wenn sie dich nicht versteht.

    Über den Tisch hinweg drückte Olivia die Hand der Freundin. Saras Mutter hatte sich nach der Geburt auf ihr Sofa zurückgezogen und behauptet, ihre angegriffene Gesundheit verbiete ihr jede weitere Teilnahme am Gesellschaftsleben. Seither weigerte sie sich, das Haus zu verlassen, und empfing nur Besuch von ausgewählten klatschsüchtigen Freundinnen sowie Ärzten und Apothekern, die diverse jeweilige Beschwerden behandelten. „Die gesamte Verantwortung für die Tochter hatte sie Lady Patterson übertragen, ihrer Schwester."

    „O ja, und ich weiß es zu schätzen, erwiderte Emma. „Nur deshalb habe ich die fünfte Saison erduldet. Jetzt will ich endlich selbständig werden.

    „Was leider problematisch ist, meinte Olivia seufzend. „Wir drei sind über einundzwanzig und berechtigt, unser Vermögen zu nutzen und einen eigenen Hausstand zu gründen. So einfach, wie wir’s uns in der Schule vorgestellt haben, ist es bedauerlicherweise nicht. Wann immer ich daheim verkünde, ich würde gern ein Haus mieten, fällt Mama in Ohnmacht.

    „Sogar wir müssen einsehen, was wir unseren Familien mit exzentrischen, feministischen Ideen zumuten, ergänzte Sara. „Wegen solcher eigenwilligen Töchter müssen sie die Verachtung oder das Mitleid der Gesellschaft ertragen.

    Emma nickte. „Darauf weist Mama mich immer wieder hin. Dieser emotionalen Belastung können wir Frauen nicht entkommen, wenn unsere Interessen zu familiären Konflikten führen."

    „Jedenfalls werde ich nicht heiraten, um die Gefühle meiner Familie zu schonen, fauchte Olivia. „Soll ich mich an einen Mann binden, der mir bestenfalls Respekt zollt? Der mich zugunsten einer viel schöneren Geliebten vernachlässigt? Der mich verspottet, weil ich meine Intelligenz nutze und für politische Ziele kämpfe? Niemals!

    „Nur um dem gesellschaftlichen Druck nachzugeben, will ich auch nicht heiraten", versicherte Emma. „Ich befürchte nur, es wird noch eine Weile dauern, bis wir uns von gesellschaftlichen Konventionen lossagen, so leben und arbeiten können, wie wir es

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