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Historical Saison Band 70
Historical Saison Band 70
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eBook532 Seiten7 Stunden

Historical Saison Band 70

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Über dieses E-Book

ENTFÜHREN SIE MICH, MYLORD! von LOUISE ALLEN
Ohnmächtig stürzt ein Fremder direkt vor Cleo in den Wüstensand! Als er seine tiefblauen Augen öffnet, ringt sie nach Atem. Sinnliche Gefühle entflammen in ihr und brennen heißer als die ägyptische Sonne. Cleo ahnt nicht, was er im Schilde führt - und dass sie sich besser nicht auf ihn einlassen sollte!

DIE PIKANTE WETTE DES MARQUESS von LAURA MARTIN
Eine wagemutige Wette: Das nächste Mädchen, das er auf dem Jahrmarkt sieht, will der Marquess of Essex zur perfekten Debütantin machen. Die Auserwählte ist jedoch ein temperamentvoller Wildfang! Wird er diese unzähmbare Schönheit wirklich zum Saisonauftakt als anmutige Ballkönigin in seinen Armen halten?

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum4. Feb. 2020
ISBN9783733749620
Historical Saison Band 70
Autor

Louise Allen

Louise Allen lebt mit ihrem Mann – für sie das perfekte Vorbild für einen romantischen Helden – in einem Cottage im englischen Norfolk. Sie hat Geografie und Archäologie studiert, was ihr beim Schreiben ihrer historischen Liebesromane durchaus nützlich ist.

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    Buchvorschau

    Historical Saison Band 70 - Louise Allen

    Melanie Hilton, Laura Martin

    HISTORICAL SAISON BAND 70

    IMPRESSUM

    HISTORICAL SAISON erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL SAISON

    Band 70 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

    © 2014 by Melanie Hilton

    Originaltitel: „Beguiled By Her Betrayer"

    erschienen bei: Originalverlag

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Svenja Tengs

    © 2017 by Laura Martin

    Originaltitel: „An Unlikely Debutante"

    erschienen bei: Mills & Boon, London

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Vera Möbius

    Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

    Veröffentlicht im ePub Format in 02/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733749620

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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    Entführen Sie mich, Mylord!

    1. KAPITEL

    Anfang April, 1801 – Oberägypten

    Dort unten war Schatten, auf den Wasserkrügen bildeten sich kühlende Tropfen und das Grün begann sich von der Wüste zu den Ufern des Nils auszubreiten. Es war zu früh . Quin lag flach auf dem heißen Sand des Dünenrückens. Um sich vom Durst, der Hitze und dem pochenden Schmerz in seinem linken Arm abzulenken, richtete er seine Aufmerksamkeit auf das Zelt weiter unten.

    Zelt war vielleicht ein allzu bescheidenes Wort. Vielmehr war es ein Lager, das aus mehreren Innenräumen bestand, die von schattigen Bereichen aus Pfählen und Stoffplanen umgeben waren. Vermutlich wurden sie abends abgebaut.

    Es war ein makellos sauberes und gut organisiertes Feldlager, obwohl nirgends ein Diener zu sehen war. Auf einer Seite gab es einen Unterstall mit einem Trog und einer Stange zum Anbinden von Vieh und auf der anderen ein Schilfdach über einer Kochstelle. Eine dünne Rauchfahne stieg von den Feuerkohlen auf, kein Esel war an die Stange gebunden und der einzige Bewohner schien ein Mann in Hemdsärmeln zu sein, der im Schatten unter einer Plane an einem Tisch saß und ohne Unterlass mit seiner Schreibfeder auf Papier kritzelte.

    Mit zusammengekniffenen Augen schaute Quin gegen das staubige Sonnenlicht. Mitte fünfzig, stämmig, grau meliertes braunes Haar: Das war auf jeden Fall der Mann, den er jagte, oder zumindest einer von ihnen. Sir Philip Woodward, Baronet, Antiquar, Gelehrter, nachlässiger Ehemann, selbstsüchtiger Witwer und Vater und – sehr wahrscheinlich – ein Verräter.

    Aus dem Augenwinkel nahm Quin wallende Gewänder in der sanften Brise wahr. Jemand näherte sich. Er wandte den Blick in Richtung der gewaltigen Tempelsäulen von Kom Ombo, die aus den weiten Sandflächen ragten und gegen die die Lehmhütten des kleinen Fischer- und Bauerndorfes dahinter winzig erschienen. Die Person, die einen Esel führte, musste sich in der Region auskennen, denn sie würdigte den großen Ruinen keines Blickes. Es war eine Frau, erkannte Quin, als sie näher kam. Sie war in das weite Gewand eines dunkelblauen Tob sebleh gekleidet, doch wie die meisten Frauen in Oberägypten trug sie keinen Schleier. War sie eine Dienerin oder die andere Person, die er finden sollte?

    Madame Valsac, Witwe von Kapitän Thierry Valsac von der napoleonischen Orientarmee, Tochter von Sir Philip Woodward und vielleicht ebenfalls eine Verräterin. Doch im Gegensatz zu ihrem Vater, dessen Wohlergehen Quins Auftraggebern gleichgültig war, sollte Madame Valsac aus Ägypten geholt und in die Obhut ihres Großvaters gebracht werden – unabhängig davon, ob ihr das gefiel oder auf wessen Seite sie stand.

    Hunderte Meilen von der Küste und der einfallenden britischen Armee entfernt, könnte sich das als schwierig erweisen. Sie könnten den gefürchteten, mit Frankreich verbündeten Mamelucken in die Hände fallen, die nach Norden ziehen sollten. Zudem war wieder die Pest in Ägypten ausgebrochen. Das alles hatte die Herren in Gibraltar nicht gekümmert. Quin war ein Diplomat mit Französisch- und Arabischkenntnissen und wusste genug über Antiquitäten, um sich als ein französischer Savant ausgeben zu können – einer der Gelehrten, die Napoleon zurückgelassen hatte, um Ägypten unter dem Schutz seiner unterbezahlten, kranken und schlecht ausgestatteten Armee zu erkunden. Die Herren in Gibraltar glaubten jedenfalls, dass sein Wissen ausreichen würde.

    Klassische Antiquitäten, Mylord, hatte Quin gesagt. „Über Ägypten weiß ich im Grunde gar nichts. Noch habe ich Erfahrung darin, Frauen zu entführen, hätte er beinahe hinzugefügt.

    „Auf der Überfahrt nach Alexandria werden Sie jede Menge Zeit haben, sich Wissen darüber anzulesen, hatte sein Vorgesetzter schroff erwidert. „Vergessen Sie nur nicht, dass der Duke of St. Osyth seine Enkelin zurückhaben will – egal, ob sie das Bett mit dem halben französischen Regiment geteilt hat. Um ihren Vater schert sich niemand, doch wenn er ein Verräter ist, müssen wir alle Einzelheiten darüber in Erfahrung bringen. Anschließend können Sie ihn unschädlich machen.

    „Ich bin kein Mörder, Mylord", hatte Quin mit Nachdruck geantwortet. Auch wenn er ehrgeizig war, war bei Mord für ihn eine Grenze erreicht.

    „Dann führen Sie ihn zu einem hungrigen Krokodil oder setzen Sie ihn in der Wüste aus."

    Quin blinzelte, um besser sehen zu können, und stellte fest, dass die schwarzen Punkte vor seinen Augen keine Fliegen waren.

    Die Frau und der Esel waren jetzt in der Nähe. Sie sagte etwas, als sie an dem Mann unter dem Vordach vorbeikam, doch er antwortete nicht. Also war sie eine Dienerin.

    Sie hielt den Esel an und begann, die Wasserkrüge vom Rücken des Tiers zu heben. Dabei hielt sie die Kraftanstrengung möglichst gering – wie jemand, der an körperliche Arbeit gewöhnt war. Sie füllte den Eimer des Esels und schüttete mehr Wasser in große Vorratskanister. Anschließend trug sie eine Kanne zu einem schattigen Bereich, der an einer Seite offen war und zur Düne, auf der Quin lag, hinausging.

    Aufgrund des hartnäckigen Pochens in seinem Kopf brauchte er eine Minute, um zu begreifen, was sie vorhatte. Die Frau zog ihr weites Tob sebleh aus Baumwolle über den Kopf, löste das gewundene Tuch aus ihrem Haar und band die Schärpe um ihre Taille los. Erst in diesem Moment erkannte er, dass sie honigbraunes, welliges Haar hatte, das mit Sicherheit nicht das Haar einer Ägypterin war. Sie stand kurz davor, ihre Untertunika auszuziehen und sich zu waschen.

    Quin war kein Mensch, der Frauen beim Baden begaffte wie ein Voyeur oder lästige Baronets an Krokodile verfütterte. Er stand auf – erstaunt darüber, wie rutschig sich der Sand unter seinen Füßen anfühlte. Es war an der Zeit, seinen Plan – so einfach er auch war – in die Tat umzusetzen.

    Als er einen Schritt den Abhang hinunterging, wusste er, dass er sich nicht wegen des Bodens wackelig auf den Beinen fühlte. Verdammt, ich bin krank, dachte er, während er auf seine Schritte achtete und die Düne halb hinunterglitt, halb rannte. Als er unten auf den Boden stürzte, durchzuckte ihn ein heftiger Schmerz im Rücken, doch er stand auf und ging torkelnd sechs Schritte auf die Frau zu. Sie rührte sich nicht und gab keinen Laut von sich, sondern stand nur da. Die Hände auf den Knoten ihrer Schärpe gelegt, starrte sie ihn an.

    Quin blieb eine Armeslänge von ihr entfernt stehen. „Bonjour, war alles, was er zustande brachte, bevor die Knie unter ihm nachgaben und er auf den Boden fiel. „Mada…

    Für einen Moment betrachtete Cleo den in eine staubige Dschallabija gekleideten Mann ohne Kopfbedeckung, der vor ihr auf dem Boden lag. Dann seufzte sie und rief: „Vater!"

    „Ich arbeite. Ist schon Essenszeit?"

    „Nein. Hier ist ein Mann, bewusstlos."

    „Lass ihn." Ihr Vater klang verärgert über die Unterbrechung und schien sich nicht im Geringsten für den Fund seiner Tochter zu interessieren. Der zusammengesackte Körper vor ihr war weder eine Tempelruine noch Inschrift oder eine Freske, sondern ein Mensch, weshalb das mangelnde Interesse ihres Vaters nicht unerwartet kam.

    „Er wird sterben und dann wird es stinken", erwiderte Cleo. Nur wenn ihr Vater sich in seiner Behaglichkeit gestört fühlte, würde er etwas unternehmen, das wusste sie ganz genau.

    Sie hörte einen unterdrückten Fluch, bevor ihr Vater zu ihr kam. Er stupste den besinnungslosen Mann mit der Stiefelspitze an, woraufhin der Fremde sich leicht rührte. „Nicht tot. Und kein Ägypter. Zweifellos ein Franzose. Wo willst du ihn haben?"

    „Ich will ihn nirgendwo haben, aber wenn es sein muss, leg ihn auf das zweite Bett in meinem Gemach." Cleo ging darauf zu, schob die Wandbehänge beiseite und nahm die überschüssige Bettwäsche und ein paar Kleidungsstücke von dem besagten Bett, sodass nur noch die dünne Baumwollunterlage und der Überwurf darauf lagen. Als sie zurückkam, hatte ihr Vater den Mann unter den Achseln hochgehoben und zog ihn über den Boden. Das Gesicht des Fremden zeigte dabei nach unten.

    Ihr kam eine unangenehme Möglichkeit in den Sinn. „Gibt es Schwellungen?"

    „Was?" Ihr Vater ließ den reglosen Körper fallen, sodass er auf den Boden prallte.

    Cleo zuckte zusammen. Jetzt musste sie sich auch noch um eine blutende Nase kümmern. „In seinen Achseln. Wenn er die Pest hat, sind sie geschwollen."

    „Nein. Aber er hat Fieber." Ihr Vater machte sich wieder daran, den Mann ins Innere zu ziehen. Cleo packte die langen Beine des Fremden, als ihr Vater das Bett erreicht hatte. Gemeinsam hoben sie den Fremden hoch und drehten ihn auf den Rücken. Auf wundersame Weise war seine markante Nase nicht gebrochen.

    „Dann wohl ein Hitzschlag, diagnostizierte Cleo. Auf seinem linken Ärmel war ein dunkler trockener Fleck. „Und eine Wunde. Ihr Vater wandte sich bereits ab. „Ich muss ihn ausziehen."

    „Du warst eine verheiratete Frau. Du schaffst das schon", erklang die Stimme ihres Vaters hinter den Vorhängen. Bis zum Essen würde er sich wieder in seine Briefe vertiefen.

    „Ich war vielleicht verheiratet, murmelte Cleo, während sie ihren Handrücken auf die breite, heiße Stirn des Mannes hielt, „aber nicht mit dem hier. Sie zog ihm die Sandalen aus, was noch einfach war. Dann drehte sie den reglosen, schweren Körper hin und her und zerrte an dem Baumwollgewand, bis sie es ihm über den Kopf gestreift hatte. Dabei riss die Schnur, die seine dünne Baumwollhose zusammenhielt, weshalb Cleo sie ebenfalls auszog. Um seine Taille war ein Gürtel mit einer schweren Ledertasche voller Münzen geschnallt. Sie legte sie beiseite, bevor sie einen Schritt zurückmachte, um das Ausmaß des Problems zu erfassen.

    Es war nicht gerade klein. Der Mann hatte eine große Statur, breite Schultern und war blond und schlank. Er erweckte den Eindruck, als hätte er vor Kurzem die wenigen Fettreserven verloren, die er vielleicht gehabt hatte. Seine Bauchmuskeln traten so deutlich hervor, als wären sie von einem meisterhaften Bildhauer geformt. Er war auf jeden Fall ein Prachtstück von einem Mann. Der Bildhauer hätte ihn vielleicht mit einem großen Feigenblatt bedecken sollen, wenn er schon einmal dabei gewesen war.

    Sie war vielleicht verwitwet, aber sicherlich nicht so abgebrüht, dass der Anblick eines nackten Fremden sie unberührt gelassen hätte. Nicht bei einem Mann mit diesem Aussehen. Cleo richtete den Blick auf seinen Arm, wo sich eine tiefe, offene Wunde von der Schulter bis zum Ellbogen zog. Sie schüttelte sich leicht und besann sich auf das, was nun zu tun war.

    Die Wunde stammte von einem Schuss, nicht von einem Messer, wie sie feststellte, als sie den entzündeten Rand der roten, nässenden Verletzung betrachtete. Beim Ausziehen war sie erneut aufgerissen, war jedoch offenbar nie sauber verheilt. Zuerst musste Cleo ihm etwas Wasser einträufeln, anschließend seine Temperatur messen und dann überlegen, was sie mit seinem Arm tun sollte. Es gab keinen Arzt in der kleinen französischen Militäreinheit, die am anderen Ende des nächstgelegenen Dorfes ihr Lager errichtet hatte. Von dort konnte sie keine Hilfe erwarten.

    Der Mann trank gierig aus der Tasse, die sie ihm an die Lippen hielt, während sie ihm mit der anderen Hand den Kopf stützte. Das Wasser schien ihn ein wenig zu beleben.

    „Langsam. Sie dürfen nicht zu viel auf einmal trinken", sagte sie, bevor sie sich daran erinnerte, dass er vor seinem Zusammenbruch auf Französisch gesprochen hatte. „Lentement."

    Er warf den Kopf hin und her, als sie das Wasser wegstellte, doch die Augen öffnete er nicht. Jetzt musste sie ihn abkühlen und zudecken. Sie würde seinen Arm versorgen, sobald sie ihrem Vater sein Essen vorgesetzt hatte.

    „Sie, Monsieur, sagte Cleo auf Französisch, als sie ein Laken ausschüttelte und in einen Eimer Wasser tauchte, „kommen mir überhaupt nicht gelegen. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, wäre das Letzte, das ich mir wünschen würde, mich um noch einen Mann zu kümmern. Sie holte das tropfende Laken aus dem Eimer und legte es über den verwirrenden nackten Körper. „So ist es besser." Zumindest für mich.

    Im Halbschlaf überkam ihn seine Lieblingsfantasie. Es war ein angenehmer und zugleich erregender Traum, in dem er mit einer vollkommenen Frau verheiratet war. Er nahm das Rascheln eines Rocks, das leise Tappen von Füßen und gelegentlich – wenn sie sich in der Nähe bewegte – die schwache Note eines weiblichen Dufts wahr. Gleich würde er aufwachen und sie würde an sein Bett treten und ihn anlächeln. Ihre blauen Augen wären warm und liebevoll und ihr Gesicht … Er konnte es sich genau vorstellen: süß, mit schönen weichen Zügen und einem sanften, rosafarbenen Mund.

    „Caroline." Er würde die Arme ausstrecken und sie würde ihre langen blonden Locken lösen und sich mit unschuldig-aufreizenden Bewegungen ausziehen, sodass er vor Sehnsucht verging, noch bevor sie sich berührt hätten.

    Wenn sie sich zu ihm legte, würde sie sich mit ihrem kurvenreichen Körper an ihn schmiegen, so als ob sie für ihn geschaffen wäre. „Oh, Quin", würde sie flüstern und mit den Händen über seine Brust streicheln und dann tiefer …

    Der Geruch von Braten stieg ihm in die Nase. Was dachte sich das Hauspersonal dabei, Küchengerüche bis in sein Schlafgemach dringen zu lassen? Er war Botschafter, verdammt. Die Finger seiner Traumfrau glitten nach unten, erkundeten ihn. Er konnte es sich nicht erklären, dass sich ihre blonden Locken auf seiner Brust nass anfühlten, doch sie lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf sich, als sie sein Gesicht mit ungestümen Küssen bedeckte. Sein Körper reagierte auf vorhersehbare Art und Weise. Er spürte, wie erregt er war. Schon bald würde er in sie eindringen, sie lieben und sie bis zum Rausch der Sinne liebkosen. Danach würden sie tiefsinnige und intelligente Gespräche führen. Sie würden sich für die Gedanken des anderen interessieren und Respekt für die Meinung des anderen haben. Es wäre friedlich und harmonisch.

    „Verdammt noch mal!" Da war zwar eine Frau, aber das war schon alles, was mit seinem Traum übereinstimmte. Ein Schwall an arabischen Kraftausdrücken bestätigte, dass es sich nicht um eine Dame handelte.

    Quin stellte fest, dass er wach war, Schmerzen und riesigen Durst hatte und gründlich durcheinander war. „Was …?", krächzte er. Er konnte kaum seine verfluchten Augen öffnen, doch zum Glück wurde ihm eine Tasse an die Lippen gedrückt.

    „Langsam", sagte eine Stimme auf Französisch. Es war die gleiche Frauenstimme – klar, rau und auf keinen Fall verführerisch, vielmehr unsympathisch. Das Wasser wurde weggestellt.

    „Danke, brachte Quin zustande und blinzelte durch müde Lider zu ihr auf. Und das ist auf keinen Fall die Frau meiner Träume, dachte er froh darüber, dass ihn sein Humor trotz dieser Notlage nicht verlassen hatte. Sie war groß, schlank, braunhaarig und hatte eine lange gerade Nase. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie ihre Ungeduld kaum zurückhalten konnte. Bestimmt war sie intelligent. Aber nicht anschmiegsam, süß und kurvenreich. „Mehr?, fragte er hoffnungsvoll. „Äh … encore?" Er musste den Mund halten, wenn er nicht gerade trank, bis er wieder klar denken konnte.

    „Sie sollten für einige Minuten kein Wasser mehr trinken. Das ist bei großem Durst gefährlich. Sie sind kein Franzose."

    Also musste er schon jetzt anfangen zu denken. „Amerikaner. Können Sie das glauben?", fragte er.

    „Tatsächlich?" Offenbar tat sie es. Zwar ließ sie die Augenbrauen in die Höhe schnellen, schien die Idee jedoch nicht anzuzweifeln. Die Amerikaner waren natürlich Verbündete Frankreichs.

    „Es ist lange her, dass ich Boston gesehen habe", fuhr Quin fort. Zumindest war es lange her, dass er seine Vettern im gleichnamigen Hafen des englischen Lincolnshire besucht hatte. Gelegentlich zog er für sein Land in den Kampf – das war unvermeidlich –, doch nach Möglichkeit vermied er es zu lügen. In der Regel war eine kleine Irreführung ausreichend. Die Lider fielen ihm zu, doch er riss sie wieder auf, als er bemerkte, dass sein Körper nicht nur schmerzte, sondern ihm auch sehr warm war.

    „Wer hat mich ausgezogen?" Er lag nackt unter einem nassen Laken, das von der Brust bis zu den Zehen reichte.

    „Ich, entgegnete seine widerwillige Pflegerin in spitzem Ton. „Ich bitte Sie, fügte sie hinzu, als er unwillkürlich das obere Ende des Lakens umklammerte. „Sie müssen nicht rot anlaufen. Ich bin eine Witwe und kann Ihnen versichern, dass ein Mann für mich wie der andere aussieht."

    Quin hörte auf, die Zähne aufeinanderzupressen. Verdammt, er war nicht rot angelaufen. „Ich kann Ihnen versichern, Madame, dass eine Frau für mich nicht wie die andere aussieht."

    „Wäre es Ihnen lieber, wenn ich Sie hätte sterben lassen? Ich habe keine Vergleiche angestellt. Sie können also ganz beruhigt sein. Jetzt war sie belustigt, auch wenn sie nicht lächelte. Er konnte es an der Art und Weise erkennen, wie sie die Augen zusammenkniff, und auf ihrer Wange bildete sich ein leichtes Grübchen. Dann ließ sie den Blick über seinen zugedeckten Körper wandern. Er würde doch noch rot anlaufen. „Dieses Laken ist gleich trocken. Ich sollte es wechseln, bevor ich mich um Ihren Arm kümmere.

    Er hörte, wie sie etwas in Wasser tauchte, wie ihre Röcke raschelten, wenn sie sich bewegte. Quin hielt den Saum seines Lakens fest umklammert, erstaunt über seine Schamhaftigkeit. Wassertropfen fielen auf sein Gesicht, als sie das durchtränkte Laken über ihm ausbreitete. „Halten Sie das obere fest", wies sie ihn an und zog mit einem kräftigen Ruck das untere Laken vom Fuß des Bettes weg. Er blieb bedeckt, doch das nasse Laken schlug gegen seine Männlichkeit.

    Quin biss die Zähne zusammen, um nicht das Wort auszusprechen, das ihm auf der Zunge lag, und lockerte seinen eisernen Griff um den Saum. Als er flüchtig an sich hinabsah, erkannte er missmutig, dass er genauso gut mit weißer Farbe hätte bedeckt sein können, so wie sich der feuchte Stoff an seinen Körper schmiegte. Was um alles in der Welt war nur los mit ihm? Er verfügte über ausreichend Erfahrung mit Frauen und hätte nicht wie eine Jungfrau erröten dürfen, nur weil eine ihren Blick über seinen Körper schweifen ließ.

    Andererseits war die Frau, die jetzt auf ihn zuging – einen Becher und einige unangenehm scharf aussehende Gegenstände in der Hand, wohl kaum eine quirlige Dirne.

    „Sie können noch etwas Wasser trinken, bevor ich Ihren Arm säubere." Sie setzte sich neben ihn auf einen Hocker, und Quin griff schnell nach dem Becher, bevor sie ihn an seine Lippen führen konnte.

    „Es ist nur ein Kratzer von einer Kugel."

    „Es ist eine klaffende Wunde, in die ich meinen Finger legen könnte, und sie ist entzündet. Ich habe keine große Lust, Ihnen den Arm zu amputieren."

    „Nur über meine Leiche!" Quin gelang es gerade noch, sich nicht am Wasser zu verschlucken. Zur Hölle mit dieser Frau. Er konnte sich gut vorstellen, dass sie dazu imstande wäre und ihr schreiendes Opfer ans Bett fesseln würde.

    „Ihre Entscheidung." Sie zuckte mit den Schultern.

    „Also gut." Quin reichte ihr den Becher und schob das Laken von seinem linken Arm. Er hatte sich aufrichten wollen, doch nach einem Blick auf die eitrige Wunde war er froh, auf dem Rücken zu liegen. Das würde alles andere als angenehm werden, und er wollte dieser Frau nicht die Genugtuung geben, vor ihr in Ohnmacht zu fallen.

    2. KAPITEL

    Madame Valsac scheint sich auszukennen, dachte Quin. Sie verfügte über eine Auswahl an unangenehm scharfen und sauberen Instrumenten, warmes Wasser sowie Schwämme und Tücher. Als sie sich umdrehte und ihn betrachtete, war er für einen kurzen Moment abgelenkt und überlegte, welche Augenfarbe sie hatte. Grau oder grün oder grünlich? Grün-grau … Verstohlen umfasste er mit der anderen Hand das Bettgestellt und musterte ihr rechtes Ohr. Es war ein hübsches Ohr. Ihr Haar hatte sie dahintergeklemmt. Es war schön und elegant geformt – verdammt!

    „Wie heißen Sie?"

    Sie stellt ihrem Patienten Fragen, um ihn abzulenken, dachte Quin und hielt den stechenden Schmerz im Stillen aus. „Quintus Bredon, antwortete er, als er wieder Luft holen konnte. „Sie können mich Quin nennen. Es war gut, einen Teil seines echten Namens zu nutzen. So geschahen weniger Fehler. „Und Sie?" Er wusste genau Bescheid, denn bei Woodward konnten nicht zwei Frauen ihres Alters leben, doch die Frage war nötig, um die Farce aufrechtzuerhalten. Außerdem hatte man ihm nicht ihren Vornamen genannt. Da sie ihn splitternackt ausgezogen hatte, sollte doch bereits ein gewisses Maß an Vertrautheit zwischen ihnen entstanden sein.

    „Madame Valsac. Sie können mich Madame nennen."

    Vielen Dank, Madame!

    Als sie sich seiner Wunde zuwandte, wurde ihm schwarz vor Augen, doch dann minderte sich der schlimmste Schmerz plötzlich. „So, das ist jetzt sauber. Wie ist das passiert?"

    „Ich stellte mich in die Schusslinie einer Gruppe Beduinenräuber. Quin ahmte die gleichgültige Höflichkeit ihres Tons nach. „Es war leichtsinnig von mir, aber als ich wieder aufwachte, hatten sie meine Kamele und alle meine Sachen mitgenommen.

    „Das war tatsächlich leichtsinnig. Sie begann, einen Verband um seinen Arm zu legen. „Waren Sie allein? Was hat ein Amerikaner in Ägypten zu suchen?

    „Ich war mit einer kleinen Gruppe von Ingenieuren unterwegs, doch ich wollte weiter südlich reisen, um den Flussverlauf zu erforschen, und die anderen wollten noch ein paar Tage an einem anderen Ort bleiben. Ich interessiere mich für den Bau von Staudämmen." Es führte kein Weg darum herum, ihr eine Geschichte darüber zu erzählen, was ihn nach Ägypten verschlagen hatte. Während der Überfahrt hatte er sorgfältig Bücher gelesen, die von Pharaonen, seltsamen Gottheiten, unlesbaren Hieroglyphen und abstrusen Theorien handelten. Einen Gelehrten könnte er in Bezug auf seinen Wissensstand nicht täuschen. Es war besser, ein Fachgebiet zu nennen, das er zumindest auf Englisch besprechen könnte.

    „Ich wusste nicht, dass unter den Savants des Kaisers auch Amerikaner sind. Zielstrebig band sie einen Knoten und bettete seinen schmerzenden Arm wieder auf die Matratze. „Es wird Sie freuen zu hören, dass sich eine kleine Truppe in Shek Amer aufhält, direkt südlich von uns. Sie würden bestimmt gern Ihre Bekanntschaft machen.

    „Zweifellos." Verdammt, das hatte ihm gerade noch gefehlt. Der Plan sah vor, Woodward und seine Tochter davor zu warnen, dass die Mamelucken aus dem Süden vordrangen. Das entsprach tatsächlich der Wahrheit, obwohl er nicht vorhatte, ihnen die restlichen Fakten mitzuteilen, nämlich dass sie die Franzosen unterstützten, die in Kairo von den verbündeten Briten und Türken belagerten wurden. Niemand – französischer Verbündeter hin oder her – würde sich in den Weg der tödlichen Reitermilizen der Mamelucken unter Murad Bey stellen wollen. Quin hatte Woodward und Madame Valsac davon überzeugen wollen, ein Schiff gen Norden zu nehmen, ohne ihnen zu sagen, dass sie den Briten direkt in die Arme laufen würden.

    Jetzt musste er sich mit französischen Soldaten herumschlagen, die wissen würden, dass es keine Ingenieure in der Region gab, und die vielleicht sogar die Nachricht erhalten hatten, dass General Abercrombie dabei war, die Franzosen aus Alexandria zu vertreiben. Zudem würden sie höchstwahrscheinlich ebenfalls wissen, dass es keine Amerikaner in dem bunt gemischten Kreis aus Gelehrten, Wissenschaftlern, Ingenieuren und Künstlern gab. Vor zwei Jahren hatte ihr geliebter Napoleon sie im Stich und bei der Armee gelassen. Napoleon war nach Frankreich zurückgekehrt und hatte den Staatsstreich durchgeführt, der ihm absolute Macht verliehen hatte. Seine Generale hatte das gleiche Schicksal wie die Gelehrten ereilt.

    Quin musterte die Frau, die er immer mehr als seine Gegnerin betrachtete, während sie neben ihm stand und anfing, ihre Utensilien zu reinigen. Sie war eine Frau, die sich nichts vormachen ließ, und anscheinend unbeirrbar, wenn nicht gar gefühlskalt. Es wäre nicht leicht, sie in Angst und Schrecken zu versetzen und zur Flucht anzustiften. Im schlimmsten Fall müsste er ein Schiff stehlen, sie entführen und ihren Vater allein zurücklassen.

    Madame Valsac blieb an der Tür stehen und schaute über die Schulter. Sie stand im Licht, sodass die Silhouette ihrer Figur unter dem leichten Stoff ihres Gewands zu sehen war. Seinem Körper schien die Gefahr durch die nahe stationierten französischen Truppen, der Hitzeschlag, das Fieber und seine Gefühle bezüglich des Charakters dieser Frau nichts auszumachen, denn er regte sich wie von selbst unter dem schweren nassen Laken.

    „Stimmt etwas nicht?, fragte sie. „Ich dachte, ich hätte Sie stöhnen gehört. Ich habe Opium, wenn der Schmerz sehr schlimm ist. Ihr Ton legte nahe, dass sie ihn am liebsten besinnungslos geschlagen hätte, damit er ihr nicht noch mehr Mühe bereitete.

    „Nein, alles gut, log Quin, die Augen geschlossen. „Es ist alles in Ordnung. Hierfür bin ich nicht in den diplomatischen Dienst gegangen …

    Tatsächlich hatte er eine Diplomatenlaufbahn eingeschlagen, weil er sich nicht auf seinem Titel als fünfter und überaus ungewollter Sohn eines Marquess hatte ausruhen wollen, auch wenn er über ein bescheidenes Anwesen und ein ebenso bescheidenes Einkommen verfügte. Seine vier älteren Brüder – alles Wunschkinder mit richtigen Namen – nahmen alle ihre Rollen ein. Henry war der Erbe, der gerade lernte, ein Marquess zu sein. James, der Zweitgeborene, übte in der verbleibenden Zeit, die rechte Hand eines Marquess zu sein, und hatte einen straffen Zeitplan voller Termine mit Dirnen, Spielen und körperlicher Betätigung. Charles war Oberst bei der Leibgarde und sah in seiner Uniform so gut aus, dass man vergaß, dass er nichts im Kopf hatte. George war ein Geistlicher, der sich in der kirchlichen Hierarchie mit unchristlicher Entschlossenheit seinen Weg nach oben kämpfte, um eines Tages den Bischofsthron zu besetzen.

    „Für dich kommt nur die Marine infrage, Quintus", hatte Lord Deverall, Marquess of Malvern, an Quins vierzehntem Geburtstag verkündet. Es war eine praktische Idee gewesen, seinen Fünftgeborenen nach einer Zahl zu benennen. So konnte er sich immer an seinen Namen erinnern.

    „Nein, Mylord. Er war es nicht gewöhnt, dem Marquess zu widersprechen, weil der Mann es nach Möglichkeit vermied, mit dem Kuckucksei, das ihm ins Nest gelegt worden war, zu reden. Die Gelegenheit ergab sich daher nur sehr selten. „Ich bin nicht gut in Mathematik und das ist sehr wichtig für einen Marineoffizier, erklärte er.

    Der Marquess of Malvern funkelte ihn wütend an. Er hatte eine stattliche, schlanke Figur, rotblondes Haar und eine stolze Haltung. Henry, James, Charles und George kamen alle nach ihm. Quintus war groß und blond und dem Liebhaber seiner Mutter – Viscount Hempstead – unangenehmerweise wie aus dem Gesicht geschnitten. Kühn erwiderte er den strengen Blick des Marquess. „Was zum Teufel soll ich sonst mit dir machen?", fragte der Marquess.

    „Ich bin gut in Sprachen, entgegnete Quin. „Ich werde Diplomat. So war es auch gekommen. Der Marquess hatte ihm einen entsprechenden Privatlehrer gestellt, seinen Abschluss in Oxford unterstützt und im Auswärtigen Amt Gefallen eingefordert, damit er sich nicht mehr um Lord Quintus Bredon Deverall kümmern musste. Quin war genau da gewesen, wo er hatte sein wollen: Wenn er es richtig anstellte, sah seine Laufbahn einen Botschafterposten oder eine hohe Stellung in der Regierung vor. Er würde über seinen eigenen Titel verfügen und könnte sich vollkommen unabhängig von seiner Familie eine Existenz aufbauen.

    Jetzt bin ich hier, mitten in dieser gottverlassenen Wüste. Im Norden und Süden herrscht Krieg, und die Pest plagt das Land von geradezu biblischem Ausmaß. Wenn ich Soldat hätte sein wollen, hätte ich besser schießen gelernt. Wenn ich Arzt hätte sein wollen, hätte ich in Naturwissenschaften besser aufgepasst, und wenn ich tagelang durch die Wüste hätte streifen wollen, wäre ich ein Kamel geworden. Dann grinste er. Trotz allem war es eine interessante Abwechslung zu den endlosen Verhandlungen, diplomatischen Abendessen und dem Entschlüsseln von Briefen in sechs Sprachen. Madame Valsac war ihm ein Dorn im Auge, doch er war zuversichtlich, dass er mit Woodward umgehen konnte. Wie schwierig konnte es sein, einen Gelehrten, aus dem ein unfähiger Spion geworden war, in die Irre zu führen?

    „Nein, sagte Sir Philip geradeheraus, ohne von dem Brief aufzusehen, den er gerade las. „Du wirst dich jetzt nicht herumtreiben, um mit Offizieren zu kokettieren. Wer soll sich um den verdammten Mann kümmern? Du hast ihn heute anscheinend den ganzen Tag gepflegt. Wer wird mein Abendessen kochen? Außerdem muss ich mir Notizen machen, wenn ich den Innenhof des Tempels ausmesse.

    „Ich gehe ins nächste Dorf, nicht nach Kairo, Vater. Ich will gar nicht mit französischen Offizieren kokettieren – einer hat mir gereicht. Ich werde rechtzeitig zurück sein, um dein Abendessen zuzubereiten, denn ich will gleich nach dem Frühstück aufbrechen. Wenn Mr. Bredon morgen noch nicht aufstehen kann, werde ich ihm Wasser und Essen ans Bett stellen."

    Sicherlich würde es ihm in vierundzwanzig Stunden schon besser gehen, und sie würde ihr Schlafgemach wieder für sich allein haben. Es war anstrengend gewesen, jede Stunde aufzustehen, um ihm das Gesicht zu waschen und ihm Wasser einzuflößen. Trotz ihrer Müdigkeit war es ihr danach jedes Mal seltsam schwergefallen, wieder einzuschlafen. Die Anwesenheit von Mr. Quin Bredon, wie er sich nannte, war verwirrend, auch wenn er sich im Dämmerzustand befand und Fieber hatte. Wer weiß, wie er wäre, wenn er wieder ganz bei Kräften war. Die Aussicht auf eine weitere Nacht mit ihm erschien ihr nicht sonderlich erfreulich.

    Cleo fegte die letzten Sandkörner von der Matte, auf dem der Klapptisch ihres Vaters stand, und legte seine Unterlagen in eine Blechschachtel. Bald würde er sein Abendessen haben wollen, doch es gab noch Reste des Zickleinbratens, Fladenbrot und Datteln und es würde nicht lange dauern, das aufzuwärmen. Wenn er sich mit einem Buch in sein Bett zurückzog, würde sie aufräumen, dem Esel wieder etwas zu trinken und zu fressen geben, die Zeltplanen einholen, nach ihrem Patienten sehen und schließlich ebenfalls ins Bett gehen.

    „Mr. Bredon kann die Offiziere selbst besuchen", bemerkte eine tiefe, leicht heisere Stimme. Cleo ließ den Deckel der Schachtel los, der ihr beinahe auf die Fingerspitzen gefallen wäre. Der Amerikaner lehnte, nachlässig in eine Art Toga gekleidet, gegen den Zeltpfeiler. Er hatte Augenringe, und mit der rechten Hand stützte er sein linkes Handgelenk, doch seine blauen Augen waren klar, und seine Haut hatte ein gesundes Aussehen.

    „Entschuldigen Sie, Sir, aber es war mir noch nicht möglich, Madame Valsac nach Ihrem Namen zu fragen", fuhr er so gewandt und höflich fort, als hätte er gerade einen Salon betreten.

    Cleo riss sich zusammen. Die Situation wurde etwas unüberschaubar und das gefiel ihr nicht. Mr. Bredon sollte im Bett liegen, damit sie wusste, wo er war und was er tat. Wenn er dafür sorgte, dass sich sein Zustand verschlechterte, würde sie ihn nur noch länger pflegen müssen. „Das ist Mr. Quintus Bredon, der im Bett sein sollte, Vater. Mr. Bredon lächelte leicht. „Er ist Amerikaner und wurde von Beduinenräubern überfallen, erinnerte sie ihn. „Mr. Bredon, das ist mein Vater, Sir Philip Woodward."

    „Sir Philip. Dem verdammten Kerl gelang es sogar, sich auf annehmbare Art und Weise zu verbeugen, während er seine Toga festhielt. „Ich muss Ihnen für Ihre Gastfreundschaft danken. Gestatten Sie mir die Frage, welcher Tag heute ist?

    „Sie sind gestern in etwa um diese Uhrzeit angekommen, erwiderte Cleo, während sie den Besen nahm. „Seitdem hatten Sie Fieber. Ich schlage vor, Sie legen sich wieder hin.

    Räuspernd deutete ihr Vater auf den anderen Klappstuhl. „Unsinn. Er ist jetzt auf den Beinen, nicht wahr? Sind Sie ein Gelehrter, Sir? Was wissen Sie über diesen Stein, der vor achtzehn Monaten in Rosetta ausgegraben worden sein soll? Ich bekomme von niemandem eine stichhaltige Information und konnte ihn mir in Kairo nicht ansehen."

    „Natürlich habe ich davon gehört, Sir Philip, aber ich habe ihn in Kairo auch nicht zu Gesicht bekommen. Eine Augenbraue hochgezogen, sah Bredon Cleo an und zeigte auf den Stuhl. Sie schüttelte den Kopf, machte eine unwirsche Handbewegung und bedeutete ihm Platz zu nehmen. Er war zu schwer, als dass sie ihn vom Boden hätte hochheben können, wenn er wieder in Ohnmacht gefallen wäre. Stirnrunzelnd nahm er Platz. „Ich bin Ingenieur. Leider weiß ich nichts darüber und auch nicht über Hieroglyphen-Symbole.

    „Ja, aber sind es denn Symbole?"

    Cleo verdrehte die Augen und ging weg, sodass ihr Patient allein mit ihrem Vater zurechtkommen musste. Er war gewiss nicht in der Lage, einen strategischen Rückzug anzutreten – so wie Thierry es immer getan hatte, wenn er militärische Angelegenheiten vorgeschoben hatte. Sie hatte nicht die Zeit zu warten, während ihr Vater seinem neuen Opfer Vorträge hielt. Abgesehen davon sollte sie wohl seine Kleidung waschen und ausbessern, wenn er schon aufgestanden war. Bei der Vorstellung, wie Mr. Bredon wie ein moderner Julius Caesar nur in eine Toga gekleidet das französische Lager betrat, hätte sie beinahe innegehalten. Es war ein lustiger Gedanke, aber vielleicht nicht zweckdienlich.

    Sie warf die Dschallabija und seine Baumwollhose in den Waschbottich, gab etwas ihres kostbaren Seifenvorrats hinein und wusch sie so lange, bis sie sauber waren. Anschließend hängte sie die Kleidung über eine Zeltstange, wo sie innerhalb von einer Stunde trocknen würde. Dann fand sie eine neue Schnur für die Hose und ein Stück weiße Baumwolle, das als Turban dienen würde. Offenbar wusste Mr. Bredon nicht, dass er im gleißenden Sonnenlicht seinen Kopf bedecken musste.

    „Magische Symbole …, hörte sie die Stimme ihres Vaters von der anderen Seite des Zeltlagers. „Das sehe ich anders. Offenbar ist es eine geheime Priesterschrift …

    Beinahe hätte sie Mitleid mit Mr. Bredon gehabt. Beinahe. Cleo zog sein Bettgestell in die hinterste Ecke des Zelts und stellte es schließlich neben die Staukästen. Wenn es ihm gut genug ging, um sich mit ihrem Vater zu unterhalten, musste sie sich zum Glück nicht die ganze Nacht in ihrem Schlafgemach um ihn kümmern. Sie entfernte die nasse Baumwolldecke, auf der er gelegen hatte, und bezog das Bett neu. Anschließend ging sie wieder in ihr Gemach, um aufzuräumen. Unordnung hasste sie mehr als alles andere. Und Sand. Am meisten Sand.

    „Chinesisch?" Das war Mr. Bredon. Vater musste ihm seine Theorie, dass die ägyptische Schrift vom Chinesischen abstammte, erklärt haben. Oder war es umgekehrt?

    Cleo gab dem Esel wieder zu trinken und warf ihm die letzten welken Grasbüschel hin, die sie am Morgen am Ufer gepflückt hatte. Am kommenden Tag würde sie auf dem Rückweg vom Militärlager mehr holen. Ihr Rücken schmerzte, und sie lehnte sich einen Moment an das graue Hinterteil des kleinen Tiers, um es am Rücken zu streicheln – so wie der Esel es mochte. „Deine Arbeit ist für heute getan", informierte sie ihn. Jetzt war es Zeit für das Abendbrot.

    Quin sah, wie Madame Valsac Honig von einem Glas auf einen Teller schöpfte. Sie wirkte konzentriert und erschöpft zugleich, schien jedoch alles mit viel Liebe zum Detail zu erledigen. Seine Kleidung hatte er sauber und von der Sonne getrocknet vorgefunden, seine Unterwäsche war ausgebessert worden und seine Sandalen lagen neben einem Turbanstoff ordentlich auf seinem Bett, das sie allein in das andere Zimmer gezogen haben musste und frisch bezogen hatte.

    Der Esel mampfte zufrieden die letzten Reste seines Futters. Das Zeltlager war in jeder Hinsicht sauber, und der Klapptisch war für ein einfaches Abendessen gedeckt. Quin hatte in der letzten Stunde nichts anderes getan, als Sir Philips Vortrag über ägyptische Antiquitäten zuzuhören und zu versuchen, in der abendlichen Hitze wach zu bleiben.

    Er kleidete sich um, band sich eine Schlinge aus Stoff um den Arm und ging wieder hinaus, während er gegen die flüchtigen Schwindelanfälle ankämpfte und seine Kurzatmigkeit verfluchte. Am anderen Ende des Tisches stand ein Korb voller Besteck mit Elfenbeingriffen und er begann, mit einer Hand den Tisch zu decken.

    „Das müssen Sie nicht tun. Sie sollten sich ausruhen." Ihre kühle, sachliche Stimme wies auf keinerlei Müdigkeit hin, doch sie versuchte nicht, ihm den Korb abzunehmen.

    „Ich habe mich während der Unterhaltung mit Sir Philip ausgeruht."

    „Ich bezweifele, dass es eine Unterhaltung war. Neue Zuhörer kommen ihm immer sehr gelegen. Hier, setzen Sie sich." Sie füllte zwei Trinkbecker, schob einen über den Tisch in seine Richtung und nahm so vorsichtig Platz, als würden ihr die Knochen wehtun.

    So ist es wahrscheinlich auch. Wie alt sie wohl ist? Quin bedankte sich für das Getränk und setzte sich ihr gegenüber, während er versuchte, sich an seine Einweisung zu erinnern. Erst dreiundzwanzig. Er nahm einen Schluck. „Das schmeckt gut."

    „Granatapfelsaft. Sie saß eine Zeitlang reglos da, die Finger um den Trinkbecher geschlossen, als hätte sie vergessen, wozu er da war. Dann nahm sie einen großen Schluck und rief: „Vater! Abendessen. Sie senkte die Stimme. „Es braucht mehrere Aufforderungen, bevor er kommt. Bis dahin haben Sie Ihre Ruhe." Wieder war flüchtig ein leichtes Grübchen auf ihrer weichen, sonnengebräunten Wange zu sehen, und

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