Liebe hat einen Namen: Mami 2032 – Familienroman
Von Gisela Reutling
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Sie hatten im China-Restaurant zu Abend gegessen, nun saßen sie entspannt auf der Dachterrasse bei einem Glas Wein. Unten schimmerten die Lichter der Stadt, über ihnen die Sterne. Nadja seufzte zufrieden. Die Sendung war gut gelaufen, die sie moderierte. Sie konnte ihren freien Abend genießen. »Gut haben wir's, nicht wahr?« Keine Frage, eine Feststellung. »Ja«, sagte Clemens und dachte, heute muß es sein. »Weißt du, daß du der einzige Mann bist, der mich noch nie genervt hat?« Nadja verschränkte die Arme hinterm Kopf. »Du klammerst nicht, bist nicht launisch und hast noch nie versucht, mir irgend was an- oder abzugewöhnen…« Sie lebten seit drei Jahren unter einem Dach. Nadja in der exclusiven Penthouse-Wohnung im 12. Stock, Clemens fünf Etagen tiefer. Es war ein Zusammenleben ohne Ecken und Kanten. Nie würden sie Druck aufeinander ausüben. Keine bohrenden Fragen, keine Eifersüchteleien, nichts, was andere Partnerschaften früher oder später scheitern ließ. Ein angenehmes Leben, um das mancher sie bendeidete. Wenn einer von ihnen gestreßt war, weil alles nicht so lief, wie es sollte – was bei ihrer beider Berufe nicht selten vorkam –, zog er sich in seine eigenen vier Wände zurück und machte die Sache ab, ohne den anderen zu belasten.
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Buchvorschau
Liebe hat einen Namen - Gisela Reutling
Mami
– 2032 –
Liebe hat einen Namen
Benjamin gewinnt Nadjas Herz im Sturm
Gisela Reutling
Sie hatten im China-Restaurant zu Abend gegessen, nun saßen sie entspannt auf der Dachterrasse bei einem Glas Wein. Unten schimmerten die Lichter der Stadt, über ihnen die Sterne.
Nadja seufzte zufrieden. Die Sendung war gut gelaufen, die sie moderierte. Sie konnte ihren freien Abend genießen.
»Gut haben wir’s, nicht wahr?« Keine Frage, eine Feststellung.
»Ja«, sagte Clemens und dachte, heute muß es sein.
»Weißt du, daß du der einzige Mann bist, der mich noch nie genervt hat?« Nadja verschränkte die Arme hinterm Kopf. »Du klammerst nicht, bist nicht launisch und hast noch nie versucht, mir irgend was an- oder abzugewöhnen…«
Sie lebten seit drei Jahren unter einem Dach. Nadja in der exclusiven Penthouse-Wohnung im 12. Stock, Clemens fünf Etagen tiefer. Es war ein Zusammenleben ohne Ecken und Kanten. Nie würden sie Druck aufeinander ausüben. Keine bohrenden Fragen, keine Eifersüchteleien, nichts, was andere Partnerschaften früher oder später scheitern ließ.
Ein angenehmes Leben, um das mancher sie bendeidete. Wenn einer von ihnen gestreßt war, weil alles nicht so lief, wie es sollte – was bei ihrer beider Berufe nicht selten vorkam –, zog er sich in seine eigenen vier Wände zurück und machte die Sache ab, ohne den anderen zu belasten. Clemens konnte morgens muffeln, und Nadja um halb sieben Gymnastik treiben oder im Park nach Herzenslust joggen.
»Heute morgen bin ich dem alten Herrn mit seinem Hund begegnet«, bemerkte sie in leichtem, heiterem Plauderton. »Na, Frolleinchen, wieder so früh auf den Beinen, winkte er mir zu. Er ist sicher schon neunzig, und sein Hund wahrscheinlich nicht viel jünger, wenn man es nach Hundejahren berechnet.« Nadja lachte und nahm einen Schluck aus ihrem Glas, über dessen Rand hinweg sie Clemens ansah. Jetzt erst fiel es ihr auf, daß er noch nicht viel gesagt hatte, seit sie hier saßen. Er war doch sonst nicht so einsilbig. – »Müde?« fragte sie.
Clemens straffte sich. »Ich muß dir etwas sagen, Nadja…«
»Ich höre!« Sie neigte nur den Kopf ein wenig, ihre Miene blieb unbefangen und heiter.
»Es handelt sich um meine Sekretärin Birgit Peters…« Wiederum stockte er, ließ den Blick ziellos schweifen. Wann wäre es ihm, dem erfolgreichen Rechtsanwalt Dr. Clemens Lansing je passiert, daß ihm die Worte nicht flüssig über die Lippen kamen! Aber hier saß er ja auch nicht vor einem Klienten oder stand vor Gericht, sondern ihm gegenüber war die Frau, mit der er seit Jahren sein Leben teilte.
Nadja zog die Augenbrauen hoch. »Sag nur, daß sie wieder einen sorgfältig mißglückten Selbstmordversuch unternommen hat!« entfuhr es ihr in beinahe scherzhaftem Ton.
Wobei das natürlich nicht zum Scherzen gewesen war, damals vor einem Jahr. Aber sie war überzeugt, daß es Birgit Peters nicht ernst damit war. Sie wollte bestimmt nicht sterben, sondern nur ihre Umwelt in einen heillosen Schrecken versetzen, vor allem wahrscheinlich dem Mann, der sie verlassen hatte. Auch wenn er sich nach Amerika abgesetzt hatte, würde man es ihm zugetragen haben.
»Nein«, sprach Clemens langsam, »das hat sie nicht. Sie erwartet ein Kind.« Er beugte sich vor und nahm eine Zigarette aus dem Kästchen, das auf dem Tisch stand und ließ das Feuerzeug aufschnappen.
»Ah ja«, kam es mäßig interessiert zurück. Nadja wunderte es ein wenig, daß es ziemlich bedeutungsvoll geklungen hatte. Aber es fiel ihr ein, daß Clemens dann mal eine Zeitlang auf seine tüchtige und gut eingearbeitete Sekretärin würde verzichten müssen.
»Wann kommt es denn?« erkundigte sie sich angelegentlich.
»In drei Monaten.« Der Mann nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette und blies den Rauch von sich, bevor er hinzufügte: »Das Kind ist von mir.«
Nadjas Lider zuckten. Sie war es gewohnt, rasch und präzise zu denken. Aber das mußte sie erst in sich einsinken lassen: DAS KIND IST VON MIR. Ihr Mund verzog sich andeutungsweise zu einem spöttischen Lächeln.
»Der Chef und seine Sekretärin – was für eine banale Geschichte.«
»Wenn du so willst? Es ist keine tiefergehende Beziehung. Daß eine schwache Stunde Folgen haben könnte, daran hätte ich nie gedacht.«
»Du wolltest sie nur trösten.« Nadjas Stimme troff von Sarkasmus. »Sie wird es darauf angelegt haben.«
»Das glaube ich nicht.« Clemens schüttelte den Kopf. »Sie wollte die Schwangerschaft abbrechen. Ich war dagegen. Aber damit habe ich natürlich nun auch eine gewisse Verantwortung übernommen.«
»Natürlich. – Und was weiter?«
»Weiter nichts.« Er drückte seine Zigarette aus. »Du solltest es nur wissen, der Fairness halber. Du bist eine moderne, großzügig denkende Frau. Es muß sich deshalb zwischen uns nichts ändern.«
Nadja heftete ihren Blick auf sein männliches, scharfgeschnittenes Gesicht. »Erstaunlich«, sagte sie.
»Was ist erstaunlich?«
»Wie cool du es nimmst!«
Er hob die Schultern. »Ich kann nicht sagen, daß es mich zutiefst berührt. Ärgerlich wäre es nur, wenn du diese Angelegenheit überbewerten würdest. Du stehst doch weit über einer Birgit Peters, so sehr ich sie als Arbeitskraft auch schätze.«
»Vielen Dank«, sagte Nadja trocken. Sie nahm den Schal, den sie hinter sich auf die Lehne gelegt hatte, und hüllte sich hinein. Ein Nachtwind war aufgekommen, er wehte über die Terrasse, die das Flachdach des Hochhauses einnahm. Auch Clemens griff nach seiner leichten Jacke.
»Ja, es ist spät geworden. Ich habe morgen früh um neun meinen ersten Klienten.« Aufstehend, beugte er sich leicht vor und hauchte ihr einen Kuß auf die Wange. »Bleib sitzen, ich finde allein hinaus. Gute Nacht, Nadja.«
In einem Gefühl seltsamer Betäubung blieb Nadja zurück. Daß es sie doch so getroffen hatte…
O ja, man war modern und großzügig. Einer ließ dem anderen seine Freiheit. Aber das bedeutete doch nicht, daß man einander untreu war!
Treue. Das war auch so ein altmodisches Wort. ICH BIN DIR TREU. Man hätte es lächerlich gefunden, dies zu schwören. Klang es nicht wie aus einer Seifenoper, über die man als Intellektuelle sowieso erhaben war?
Doch irgend etwas daran stimmte nicht.
Warum hätte sie sonst nicht achselzuckend darüber hinweggehen können, daß Clemens mit seiner Sekretärin geschlafen hatte.
Warum?
Weil sie ihn liebte!
Weil sie – Freiraum hin oder her – das normale Empfinden jeder Frau hatte, für den geliebten Mann die einzige sein zu wollen, die er umarmte. Das war wohl seit Menschengedenken so, und sie, Nadja Korff, machte dabei keine Ausnahme. Diese Erkenntnis erschütterte sie einigermaßen.
Nadja stand auf, sie trat an die Brüstung, zog den Schal enger um sich.
Von Liebe war zwischen Clemens und ihr nur selten die Rede. Sie waren ein Paar, sie traten in der Öffentlichkeit gemeinsam auf, gehörten für die Gesellschaft zusammen. Wozu sich mit Worten beteuern, was wie zu einer abgegriffenen Münze geworden war, handelte doch kein Lied, kein Schlager, keine Unterhaltungssendung im Fernsehen von einem anderen Thema als dem von Liebe.
Der Gedanke an eine Heirat lag ihnen fern. Sie brauchten keinen Siegel vom Standesamt. Ehe, das bedeutete aneinandergekettet zu sein. Jeder dritte wurde sowieso geschieden, wer wußte das besser als der Anwalt Clemens Lansing. Ebenso hatte sie es vor Augen, in der Fernsehwelt.
Kinder wollten sie nicht.
Familie, Kinder, das hieß weitgehend Verzicht auf ein Eigenleben. Eine Horrorvorstellung!
Ihre Mutter war da freilich anderer Meinung.
»Was ihr jungen Frauen euch nur denkt. Karriere, frei sein, das erscheint euch als das Erstrebenswerteste. Als ob es nicht die natürlichste Bestimmung der Frau ist, Mutter zu sein.«
»Laß gut sein, Mama. Es gibt genug Frauen, die Kinder haben wollen. Ein bißchen stolz bist du ja doch auf deine Töchter, auch wenn sie dir noch nicht die ersehnten Enkelkinder gebracht haben.«
Nadja spielte damit auch auf ihre Schwester Vanessa an, die mit achtundzwanzig Jahren die jüngste Kreuzfahrt-Direktorin