Kinder, die nicht mehr weinen müssen: Mami 2014 – Familienroman
Von Lisa Simon
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Über dieses E-Book
Wenn sich Beatrix Gutenberg im letzten Augenblick nicht bewußt geworden wäre, daß sie eine elegante sechsunddreißigjährige Fabrikantengattin war, hätte sie überschwenglich den Arzt umarmt, der ihr soeben verraten hatte, daß sie schwanger war. »Ich kann es noch gar nicht glauben«, stammelte sie aufgeregt. »Nach so vielen Jahren – mein Mann und ich haben schon längst die Hoffnung auf ein Baby aufgegeben.« Der Arzt lächelte verständnisvoll. »Die Natur sorgt manchmal für die schönsten Überraschungen, Frau Gutenberg.« Mit neuem Termin und einem Mutterpaß in der Tasche verließ Beatrix wenig später die Praxis. Auf dem Gehsteig atmete sie tief ein und schloß für ein paar Sekunden die Augen. Acht Jahre waren sie und Raimund verheiratet, hatten sich bereits damit abgefunden, niemals fröhliches Kinderlachen in der großen Villa am Stadtrand von München hören zu dürfen. An diesem sonnigen Nachmittag fuhr Beatrix besonders vorsichtig, unter allen Umständen wollte sie vermeiden, daß sie ihr ungeborenes Kind gefährdete. Sie malte sich Raimunds Überraschung aus, wenn sie ihm am Abend von der freudigen Neuigkeit erzählte – er wußte nichts von dem Arzttermin, seine Frau hatte ihm sogar ihren Verdacht verschwiegen. Zu oft waren sie und Raimund in den letzten Jahren enttäuscht gewesen, wenn sich die Hoffnung einmal mehr als Irrtum herausgestellt hatte. Die Gründerzeitvilla lag inmitten eines schön angelegten, parkähnlichen Gartens in einer ruhigen Seitenstraße. Mit einem Blick zur Doppelgarage stellte Beatrix fest, daß Raimund noch nicht zu Hause war – das gab ihr etwas Spielraum, sich frisch zu machen und eine kleine Rede einzustudieren. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem zärtlichen Lächeln. Endlich gab es etwas, das Raimund nicht mehr nächtelang in seiner Firma halten würde. Die von seinem Vater vererbte Elektrogeräte-Firma lief gut, brachte allerdings für den Inhaber eine Menge Arbeit mit sich. Von der Küche her duftete es nach Rosis Schweinebraten, den es zum Abendessen geben sollte. Die mütterliche Haushälterin kam sogleich geeilt, als sie die Haustür klappen hörte. »Der Herr Direktor ist noch nicht da, gnädige Frau«
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Rezensionen für Kinder, die nicht mehr weinen müssen
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Buchvorschau
Kinder, die nicht mehr weinen müssen - Lisa Simon
Mami
– 2014 –
Kinder, die nicht mehr weinen müssen
Überraschung in der Villa Sternenhof
Lisa Simon
Wenn sich Beatrix Gutenberg im letzten Augenblick nicht bewußt geworden wäre, daß sie eine elegante sechsunddreißigjährige Fabrikantengattin war, hätte sie überschwenglich den Arzt umarmt, der ihr soeben verraten hatte, daß sie schwanger war.
»Ich kann es noch gar nicht glauben«, stammelte sie aufgeregt. »Nach so vielen Jahren – mein Mann und ich haben schon längst die Hoffnung auf ein Baby aufgegeben.«
Der Arzt lächelte verständnisvoll. »Die Natur sorgt manchmal für die schönsten Überraschungen, Frau Gutenberg.«
Mit neuem Termin und einem Mutterpaß in der Tasche verließ Beatrix wenig später die Praxis. Auf dem Gehsteig atmete sie tief ein und schloß für ein paar Sekunden die Augen. Acht Jahre waren sie und Raimund verheiratet, hatten sich bereits damit abgefunden, niemals fröhliches Kinderlachen in der großen Villa am Stadtrand von München hören zu dürfen.
An diesem sonnigen Nachmittag fuhr Beatrix besonders vorsichtig, unter allen Umständen wollte sie vermeiden, daß sie ihr ungeborenes Kind gefährdete. Sie malte sich Raimunds Überraschung aus, wenn sie ihm am Abend von der freudigen Neuigkeit erzählte – er wußte nichts von dem Arzttermin, seine Frau hatte ihm sogar ihren Verdacht verschwiegen. Zu oft waren sie und Raimund in den letzten Jahren enttäuscht gewesen, wenn sich die Hoffnung einmal mehr als Irrtum herausgestellt hatte.
Die Gründerzeitvilla lag inmitten eines schön angelegten, parkähnlichen Gartens in einer ruhigen Seitenstraße. Mit einem Blick zur Doppelgarage stellte Beatrix fest, daß Raimund noch nicht zu Hause war – das gab ihr etwas Spielraum, sich frisch zu machen und eine kleine Rede einzustudieren.
Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem zärtlichen Lächeln. Endlich gab es etwas, das Raimund nicht mehr nächtelang in seiner Firma halten würde. Die von seinem Vater vererbte Elektrogeräte-Firma lief gut, brachte allerdings für den Inhaber eine Menge Arbeit mit sich.
Von der Küche her duftete es nach Rosis Schweinebraten, den es zum Abendessen geben sollte. Die mütterliche Haushälterin kam sogleich geeilt, als sie die Haustür klappen hörte.
»Der Herr Direktor ist noch nicht da, gnädige Frau«, sagte Rosi. »Es wäre ein Jammer, wenn er heute wieder später nach Hause käme zu seinem Lieblingsessen.«
Beatrix stellte ihre Handtasche auf das Garderobentischchen und richtete sich über dem darüber hängenden Kristallspiegel die Haare. »Mein Mann hat mir in die Hand versprochen, heute pünktlich hier zu sein.«
Die Haushälterin, die sich auch um die Küche kümmerte, verschwand wieder zu ihren Töpfen. Am liebsten hätte Beatrix der treuen Seele von der Schwangerschaft erzählt, doch zuerst mußte es Raimund erfahren.
Er kam, als sich seine Frau gerade fertig für das Abendessen umgezogen hatte, warf sein Jackett achtlos über einen Stuhl und seufzte. »Heute war wieder der Teufel los. Seit wir den Großauftrag aus Norwegen haben, könnte ich gut und gerne noch zwanzig weitere Arbeiter einstellen.«
Sie wandte ihm den Rücken zu, damit er ihr die Bernsteinkette im Nacken schließen konnte, und sagte: »Dann tu’s doch. Bei den vielen Arbeitslosen heutzutage wirst du bestimmt schnell fähige Kräfte finden.«
»Ich habe schon mit dem Arbeitsamt gesprochen.« Er küßte sanft ihren Nacken. »Eigentlich bin ich undankbar. Da habe ich eine bezaubernde Frau und ein florierendes Unternehmen, und ich habe nichts anderes zu tun, als mich zu beschweren.«
Beatrix zögerte. Sie fand plötzlich den Zeitpunkt perfekt, um von dem Nachwuchs zu erzählen. »Ich bin auch der Meinung, daß wir zufrieden sein können. Zu unserem Glück fehlt uns nur noch ein Kind, nicht wahr?«
Er stöhnte leise auf. »Fang bitte nicht wieder davon an, Trixi. Es ist eben unser Schicksal, daß wir keine Kinder haben sollen.«
Sie trat zu ihm und ignorierte seine verblüffte Miene, als sie ihre Arme um seinen Nacken schlang. »Du irrst dich, das Schicksal hat doch noch ein Einsehen mit uns gehabt. Raimund…, wir bekommen ein Baby.«
Sekundenlang starrte er sie an, suchte in ihrem Gesicht nach einem Anzeichen dafür, daß sie nichts anderes als einen Scherz hatte machen wollen. Doch in ihren Augen war nichts weiter als Seligkeit zu erkennen.
Schließlich hatte er sich soweit in der Gewalt, daß er leise fragte: »Könntest du deine letzten Worte noch einmal wiederholen?«
Unter Freudentränen erwiderte sie: »Du hast richtig gehört. In ungefähr einem halben Jahr werden wir zu dritt sein.«
»Das… grenzt an ein Wunder«, stammelte er bewegt, mühsam um seine Fassung ringend. »Ist sich der Arzt denn völlig sicher? Wenn sich alles wieder als ein Irrtum herausstellen sollte, dann…«
Sie löste sich von ihm, eilte zum Frisiertisch und schwenkte triumphierend den hellblauen Mutterpaß. »Hier kannst du alles schwarz auf weiß lesen. Dr. Frey hätte mir den Paß bestimmmt nicht ausgestellt, wenn er Zweifel an der Schwangerschaft haben würde.«
Mit bebenden Händen griff Raimund nach dem kostbaren Dokument und murmelte dabei. »Es ist unglaublich – wir bekommen tatsächlich ein Kind.«
Beatrix strich sich vorsichtig über den noch flachen Bauch. »Zu wissen, daß dort ein neues Leben heranwächst, ist faszinierend.«
An diesem Abend gab es für das Fabrikantenehepaar Gutenberg natürlich nur ein einziges Thema. Beide gaben irgendwann zu, daß die jahrelang währende ungewollte Kinderlosigkeit eine Belastung für ihre Ehe gewesen war, auch wenn diese Belastung nur schleichend zugenommen hatte.
Als Raimund Gutenberg seine zukünftige Frau kennengelernt hatte, war er noch der Juniorchef und sie Büroleiterin in seinem Betrieb. Noch bevor sie geheiratet hatten, stand für beide fest, daß sie Kinder haben wollten, so viele wie möglich!
Doch es war alles andes gekommen, von Jahr zu Jahr waren sie mutloser geworden. Selbst Dr. Freys Aussagen, daß man Geduld haben mußte, konnte die Gutenbergs nicht darüber hinweg täuschen, daß die biologische Uhr unerbittlich tickte und die Chance, ein Kind zu bekommen, mit jedem Monat sank.
Doch an diese schwere Zeit erinnerten sich Raimund und Beatrix an diesem Abend nur am Rande. Statt dessen schmiedeten sie voller Hoffnung Zukunftspläne. Das Kinderzimmer war bereits seit Jahren eingerichtet, Beatrix hatte es zu einer Zeit unternommen, als sie noch glaubte, schwanger zu werden wäre nur eine Frage von Monaten.
*
Wie die meisten werdenden Mütter hatte Beatrix in den Folgewochen mit morgendlicher Übelkeit zu kämpfen. Der Arzt konnte ihre Ängste zerstreuen und sie davon überzeugen, daß die unangenehme Seite einer Schwangerschaft sich schnell wieder geben würde und das Baby kerngesund sei.
Doch Beatrix machte sich dennoch Sorgen. Sie hatte wenig Appetit, ihr wurde oft vom Essensgeruch schon übel; zudem nahm sie ab statt zu.
»Wenn Dr. Frey die Meinung vertritt, daß alles in Ordnung ist«, sagte Raimund, »dann solltest du ihm ruhig glauben. Immerhin ist er eine Kapazität auf seinem Gebiet.«
Unlustig stocherte Beatrix in ihrem Endiviensalat herum. »Trotzdem bin ich besorgt. Das Baby braucht doch Nahrung, aber wovon ernährt es sich, wenn ich nichts esse?«
Es waren sechs Wochen nach ihrem ersten Termin bei Dr. Frey vergangen, und Beatrix fühlte sich elend und ausgehöhlt. Ihre helle, feine Haut sah wächsern aus, und unter ihren