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Der Gegenspieler
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eBook239 Seiten3 Stunden

Der Gegenspieler

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Über dieses E-Book

Bei der Speditionsfirma Rosas & Co in Pernambuco wird eingebrochen. Bevor der Einbruch jedoch überhaupt registriert wird, findet man zunächst einen Toten. Der Prokurist Machado. Die Schlüssel zum Tresorraum hat er in der Tasche, doch dieser ist leer. Der Kassierer Silva erscheint nicht zum Dienst und Rosas Tochter, Nina, ist verschwunden. Einen Zusammenhang zwischen all diesen Absonderlichkeiten scheint es nicht zu geben, denn das Naheliegende erweist sich für den Kommissar Vallos als rätselhaft. Der Prokurist ist an einem Herzinfarkt gestorben. Vallos sucht nach einem Gegenspieler. Einem, der alle Fäden in Händen hält. Da gibt es den Chinesen Pei Long – doch dieser schweigt wie ein Grab ...
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum22. Mai 2017
ISBN9788711508565
Der Gegenspieler

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    Buchvorschau

    Der Gegenspieler - Hans Heidsieck

    Gegenwart.

    Jorge Lorrendo betrat wie gewöhnlich als erster das hohe Verwaltungsgebäude der Expeditionsfirma Rosas & Co.

    Als er, überall Umschau haltend, ins Zimmer des Prokuristen kam, fuhr er mit einem leisen Aufschrei zurück.

    Zögernd nur trat er näher. „Senhor Machado! rief er, zunächst verhalten, dann dringlicher: „Senhor Machado!

    Der Angerufene hörte ihn nicht — konnte ihn nicht mehr hören. Denn Senhor Machado war tot. In sich zusammengesunken saß er im Sessel vor seinem Arbeitsplatz. Sein rechter Arm lag auf dem Schreibtisch, der linke Arm hing schlaff herunter, sein Kopf war auf das aufgeschlagene dicke Hauptbuch gesunken. Beim ersten Anblick konnte man glauben, er schlafe nur.

    Jorge, der zweite Buchhalter, trat an den Prokuristen heran. Vorsichtig, ja, fast ängstlich, faßte er ihn bei der Schulter.

    „Senhor Machado! Aber so hören Sie doch!"

    Machado rührte sich nicht. Stocksteif hockte er da, wie angefroren.

    Jorge berührte die Hand des Mannes. Die Hand war kalt.

    Schritte nahten.

    Dona Jaquina kam, das ältliche Mädchen mit dem sauersüßen Gesicht, das die Kartothek führte und in Jorge Lorrendo verliebt war. Auch andere kamen, die ganze Bürobelegschaft erschien nach und nach.

    Es entstand ein Tumult. Alle drängten sich in das Zimmer des Prokuristen, der einsam und kalt und durch den Tod von der Welt abgesondert vor seinem Schreibtisch kauerte.

    Ein erschütterndes Bild.

    „Ich kam eben herein, sagte Jorge, „jawohl. So hockte er da. Er ist tot.

    „Tot!" wiederholte eine zaghafte Stimme.

    Ein Murmeln ging um. Dona Jaquina bekreuzigte sich.

    Der erste Buchhalter keuchte heran. Er schob Jorge beiseite. „Was ist hier los?"

    Seine laute, polternde Stimme kam allen wie eine Entweihung des Raumes vor, in den der Tod seinen Einzug gehalten hatte.

    Er faßte den Prokuristen am Arm, schüttelte ihn, suchte den Kopf des Mannes zu heben. „Man muß einen Arzt rufen, sagte er, „rasch, einen Arzt!

    „Ein Arzt kann ihm auch nicht mehr helfen, behauptete Jorge achselzuckend, „aber natürlich —

    „Was?"

    „Die Todesursache muß festgestellt werden."

    Der erste Buchhalter verteilte die Rollen. „Sie, sagte er zu der kleinen schmächtigen Stenotypistin, die eben ins Zimmer trat, „holen den nächsten Arzt herbei. Sie, Dona Jaquina, telephonieren den Chef an, und Sie, Lorrendo — hm — meinen Sie, daß wir auch die Polizei benachrichtigen sollen?

    Bei dieser Frage drängte er alle übrigen aus dem Zimmer hinaus. „Los! An die Arbeit! Was gafft ihr noch?"

    Jorge zupfte an seiner Krawatte. „Ich weiß nicht, erwiderte er, „eigentlich glaube ich kaum, daß die Polizei hier etwas zu suchen hat.

    Der Herr vom Abfertigungsschalter trat auf den ersten Buchhalter zu. „Eine Zahlungsanweisung, Cavalheiro, sagte er, „wollen Sie das bitte erledigen?

    Der Buchhalter nahm ihm die Anweisung ab, warf einen Blick darauf und fragte erstaunt: „Ist der Kassierer noch nicht da?"

    „Nein."

    „Wo bleibt er denn? Ich kann doch nicht an die Kasse heran."

    „Aber der Herr Prokurist hatte doch auch die Schlüssel. Sehen Sie in seiner Tasche mal nach!"

    „Ich soll in den Taschen des Toten herumkramen? Hm — na ja."

    Die Schlüssel fanden sich in der Rocktasche. Der erste Buchhalter ging in den Kassenraum. Man durfte die Kundschaft nicht unnötig warten lassen.

    „Kommen Sie mit!" winkte er Jorge zu.

    Etwas umständlich, da er damit noch nicht recht Bescheid wußte, schloß er den Schrank auf.

    Beide Männer prallten zurück.

    Der Kassenschrank war vollständig leer.

    *


    Senhor Rosas wollte soeben das Haus verlassen und sich zu seiner Firma begeben, als ihm seine Frau zitternd und bebend entgegentrat.

    „Julio, stammelte sie, „weißt du, wo Nina stecken könnte? Sie ist heute nacht nicht nach Hause gekommen.

    Rosas, schon an der Tür stehend, fuhr herum. „Wie? Was? Unsere Tochter — nicht nach Hause gekommen?"

    „Ich wollte sie eben zum Frühstück rufen, ging auf ihr Zimmer und — ihr Bett war noch unberührt. Ich verstehe das nicht. Ich bin außer mir."

    Ohne ein Wort zu erwidern, schritt Rosas zu Ninas Zimmer hinauf. Dona Joana folgte ihm. Er durchmaß den Raum, blickte sich überall kopfschüttelnd um.

    „Schöne Bescherung! murmelte er, „also wird sie bei Rablos geblieben sein. Eine andere Lösung gibt es wohl nicht.

    Nina war am vergangenen Abend mit Mirja Rablo und deren Bruder, die das Mädchen abgeholt hatten, zum Theater gefahren.

    „Ich werde bei Rablos gleich einmal anfragen", sagte Senhora Rosas und eilte zum Telephon.

    Mirja meldete sich. „Wie? Nicht nach Hause gekommen? Aber das ist ja — das verstehe ich nicht! Wir, mein Bruder und ich, haben sie doch noch gemeinsam nach Hause gebracht."

    „Hierher zu uns?"

    „Ja — natürlich!"

    „Sie ist also nicht noch mit zu Ihnen gekommen und dort geblieben?"

    „Nein. Und jetzt sagen Sie —?"

    „Ich bitte Sie, Mirja — kommen Sie doch sofort einmal her!"

    „Gerne, Dona Joana. Ich komme sofort!" —

    „Was ist los? fragte Rosas betreten. „Sie ist nicht dort?

    Dona Joana wiederholte ihm das Gespräch.

    Das Telephon klingelte. Mit zitternder Hand nahm Rosas den Hörer auf. Vielleicht war es Nina!

    Nein. Dona Jaquina sprach mit erregter Stimme. „Kommen Sie bitte sofort, Cavalheiro — Senhor Machado — oh, es ist furchtbar! Kommen Sie gleich!"

    „Was ist mit Machado?"

    „Er ist tot, Senhor! Als Senhor Lorrendo kam —"

    „Tot?"

    „Ja."

    „Ich komme!"

    *


    „Herzschlag!" sagte der Arzt, als er die Untersuchung beendet hatte.

    Der erste Buchhalter stand neben ihm. „Könnte nicht auch — hm!" Er räusperte sich.

    „Was?"

    „Eine gewaltsame Todesursache — halten Sie das für ausgeschlossen, Herr Doktor?"

    Der Arzt blickte den Buchhalter verwundert an. „Ich verstehe nicht recht — wie kommen Sie darauf?"

    „Weil — hm — der Kassenschrank ist nämlich ausgeraubt worden und — der Tote hat die Schlüssel in seiner Tasche gehabt."

    „Donnerwetter ja — aber — irgendeine Verletzung ist an ihm nicht zu entdecken."

    Jorge, neben seinem Kollegen, deutete auf ein Glas, das auf dem Tisch stand. „Vielleicht —?"

    Der Arzt nahm das Glas hoch und betrachtete die darin befindliche Flüssigkeit. Es schien Wasser zu sein. „Wir werden das untersuchen lassen, bemerkte er. „Ist die Polizei schon verständigt worden?

    „Jawohl, erwiderte der erste Buchhalter, „ich habe eben telephoniert. — Hallo, Dona Jaquina — ist der Kassierer immer noch nicht gekommen?

    „Nein. Aber der Chef muß gleich da sein."

    „Ich bleibe noch", sagte der Arzt.

    An den Tischen im Hauptbüro saßen die Angestellten vor ihren Pulten und flüsterten miteinander.

    Der Kunde, der die Zahlungsanweisung vorgelegt hatte, wurde mit einer Entschuldigung fortgeschickt. Aber er drückte sich noch im Vorraum herum. Was? Im Augenblick sei der Betrag nicht flüssig? Lumpige dreitausend Milreis? Da stimmte doch etwas nicht!

    Der erste Buchhalter saß über dem Kassenbuch. „Jorge! rief er, „sehen Sie doch mal hier — kann das stimmen? Wir haben achtundachtzig Contos (achtundachtzigtausend Milreis) von Rüstrow & Sohn in der Kasse gehabt, die morgen nach Bahia abgeschickt werden sollten?

    Jorge nickte. „Jawohl — Senhor Silva hat mir die Buchung gestern gezeigt."

    „Teufel ja! Wo mag Silva nur bleiben? Ich begreife das nicht!"

    Man vernahm Rosas’ erregte Stimme. Zwei Angestellte erstatteten ihm hastig Bericht. Er trat auf die beiden Buchhalter zu. „Wo ist er? Wo ist er?"

    „In seinem Zimmer, Senhor. Der Arzt ist noch da. Wir haben auch die Polizei angerufen."

    „Polizei? Polizei? Was soll die Polizei hier? Sind Sie verrückt geworden?"

    „Nein, Senhor — aber —"

    „Was aber? Warum sehen Sie mich so verdattert an? Ist Machado etwa ermordet worden?"

    „Das weiß man noch nicht. Die Kasse —"

    „Reden Sie, Mensch! Was ist mit der Kasse?"

    „Die Kasse ist vollständig leer."

    Rosas mußte sich an einen Türpfosten lehnen. Sein Blick war wirr. „Wie — die Kasse? Leer? Aber das ist ja unmöglich!"

    „Es verhält sich so, wie ich sagte, Senhor."

    Rosas schritt wankend in das Zimmer des Prokuristen, trat an den Toten heran. Der Arzt begrüßte ihn ehrerbietig. Rosas nickte ihm flüchtig zu. Lange blieb er wie gebannt vor Machado stehen. Dann wandte er sich an den Arzt. „Und was meinen Sie, Doktor?"

    „Ich habe nur einen Herzschlag feststellen können. Irgendwelche äußeren Verletzungen sind an dem Toten nicht zu entdecken."

    „So! Na, wir werden ja sehen. — Wo steckt der Kassierer?"

    Jorge trat zum Chef. „Senhor Silva ist noch nicht gekommen", bemerkte er, während der erste Buchhalter das Glas prüfend gegen das Licht hielt.

    Rosas wußte nicht, wie ihm geschah. Es war ihm, als erhalte er einen Keulenschlag nach dem anderen. Er trat von dem Toten zurück. „Wie? Noch nicht gekommen? Er ist doch sonst immer die Pünktlichkeit selbst!"

    Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war acht. Um sieben begann der Betrieb. Während der größten Mittagshitze war die Firma geschlossen.

    Kopfschüttelnd begab er sich in den Kassenraum. Starrte den leeren Safe an. Verkrampfte die Finger. Er zitterte.

    Eine dumpfe Ahnung beschlich ihn. — Aber konnte das möglich sein?

    Er wandte sich dem ersten Buchhalter zu, der betreten neben ihm stand. „Wieviel Geld hat sich in der Kasse befunden?"

    „Das habe ich noch nicht genau feststellen können", antwortete der Befragte.

    Man hörte Schritte und laute Stimmen. Die Polizei kam.

    *


    Rosas taumelte in sein Privatbüro und rief seine Frau an. „Ist Nina gekommen?"

    „Nein, Julio. Ich bin verzweifelt. Überall habe ich herumtelephoniert. Ob man sich an die Polizei wenden soll?"

    „Polizei? Rosas lachte dumpf auf, „das hätte ich einfach. Sie befindet sich gerade hier.

    „Wer? Die Polizei?"

    „Ja. — Auch hier geht alles drunter und drüber. Machado ist tot, die Kasse beraubt — Silva ist nicht gekommen. Das ist etwas viel auf einmal, nicht wahr?"

    „Julio! Um Gottes willen — die Kasse —?"

    „Jawohl. Das war die dritte Überraschung, als ich hierherkam. Vielleicht ist Machado ermordet worden."

    „Erschossen?"

    „Nein. Eine Verwundung weist er nicht auf. Es ist alles so seltsam, so sinnlos, so — unverständlich. Der Inhalt des Glases, aus dem er getrunken hat, soll untersucht werden. — Aber entschuldige bitte. Der Polizeikommissar tritt eben ein und möchte mich sprechen. Ich rufe nachher wieder an."

    Kommissar Vallo trat an den Tisch. Rosas forderte ihn mit einer höflichen Geste auf, Platz zu nehmen. Doch Vallo blieb stehen.

    „Wir haben alles genau untersucht, begann er, „bis auf den Inhalt des Glases. Das konnte hier natürlich nicht gleich geschehen und wird im Laboratorium nachgeholt werden.

    „Na — und?" fragte Rosas und drehte nervös eine Zigarre zwischen den Fingern.

    Vallo zupfte an seinem Bart. „Hm — da ist schwer etwas zu sagen. Jedenfalls ist der Schrank nicht erbrochen, sondern mit den passenden Schlüsseln geöffnet worden. Der Tote weist keine Verletzung auf. — Wie ich hörte, ist der Kassierer noch nicht gekommen?"

    „Nein. Ich verstehe nicht —"

    „Kann man den Herrn telephonisch erreichen?"

    „Ich glaube kaum."

    „Dann möchte ich Ihnen empfehlen, jemanden hinzuschicken. Vielleicht ist er mit dem Geld durchgegangen."

    „Was? Silva —? Aber das ist doch unmöglich! Ich habe nie einen treueren, zuverlässigeren Menschen gekannt."

    Der Kommissar unterdrückte ein Lächeln. „Man täuscht sich oft in den Leuten", bemerkte er.

    „Hören Sie, Kommissar, sagte Rosas, sich von seinem Stuhl erhebend. „Ich muß Ihnen noch etwas mitteilen. Es läßt mir doch keine Ruhe mehr. Meine Tochter ist gestern abend mit einer Freundin und deren Bruder ins Theater gegangen. Sie wurde von den beiden nach Hause gebracht, — und seitdem ist sie verschwunden.

    Der Kommissar horchte auf. „Wie? Sie wurde nach Hause gebracht — und trotzdem —?"

    „Als meine Frau heute morgen ins Zimmer kam, war es leer und das Bett unberührt."

    „Gestatten Sie mir eine Frage, Senhor. Sie dürfen mir diese Frage nicht übel nehmen. Sie ist mehr privater Natur, aber sie könnte uns vielleicht Aufschluß geben."

    „Fragen Sie nur!"

    „Hat Ihre Tochter mit dem Kassierer irgendwelche Beziehungen unterhalten?"

    Rosas fuhr entrüstet zusammen. „Nein — wieso? Wie kommen Sie darauf?"

    „Es wäre doch immerhin möglich — gerade, wenn Sie erzählen —"

    „Sie glauben —? Nein, nein. Das ist einfach undenkbar!"

    „Es wäre also ein Zufall, daß Ihre Tochter auch gerade verschwunden ist. Mag sein. Wir Kriminalisten sind allerdings immer geneigt, weniger an Zufälligkeiten, als an gewisse Zusammenhänge zu glauben."

    „Dann müßte der Tod meines Prokuristen also auch damit irgendwie im Zusammenhang stehen!"

    „Nicht ausgeschlossen. Überlegen Sie doch: Die Kasse ist ausgeplündert — der Kassierer erscheint nicht — Machado ist tot, — und Ihre Tochter ist plötzlich verschwunden. Sollten das wirklich alles nur nebeneinander bestehende Zufälligkeiten sein? So viele Zufälle auf einmal gibt es doch überhaupt nicht. Natürlich muß man zunächst das Nichterscheinen des Kassierers mit der Beraubung der Kasse in Zusammenhang bringen."

    Rosas sträubte sich wieder. „Ich sagte Ihnen doch schon, daß der Kassierer Silva ein grundehrlicher Mensch ist."

    Vallo machte eine ärgerliche Bewegung. „So kommen wir nicht weiter, brummte er und wandte sich der Tür zu. „Geben Sie mir die Adresse des Mannes an. Ich werde sofort nach ihm suchen lassen.

    „Die Adresse kann Ihnen mein Buchhalter sagen. Wenden Sie sich bitte an den!"

    „Gut. Und ich bitte Sie, mich sofort zu benachrichtigen, falls sich irgend etwas Neues ereignen sollte."

    „Natürlich. — Werden Sie auch nach meiner Tochter forschen?"

    „Ja. Auch das werde ich tun."

    *


    Mirja Rablos trat erregt auf Dona Joana zu. „Ist es tatsächlich wahr? Nina ist nicht ins Haus gekommen? Aber wir brachten sie doch bis zum Tor!"

    Dona Joana lief hin und her. Blieb am Fenster stehen. Blickte hinaus, kehrte zurück, schritt um den Tisch herum und sah Mirja verständnislos an. Endlich erwiderte sie: „Ihr Zimmer war leer, als ich sie heute morgen zum Frühstück holen wollte."

    „Sie hat auch nicht angerufen? Hat nichts von sich hören lassen?"

    „Nichts." Dona Joana wischte sich eine Träne ab.

    „Aber das ist ja — das verstehe ich einfach nicht! Demnach wäre sie gar nicht ins Haus gekommen."

    „Wahrscheinlich nicht. Jedenfalls hat sie niemand gehört. Ich befragte soeben das Personal."

    „Sie hatten nicht mehr auf sie gewartet?"

    „Nein. Da wir das Kind ja bei Ihnen und Ihrem Bruder in guter Obhut wußten, sind wir, mein Mann und ich, um elf schlafen gegangen, zumal wir vom Abend vorher noch recht müde waren."

    „Ja — richtig — Sie hatten einen Ball mitgemacht. — Aber uns trifft wirklich nicht die geringste Schuld, Dona Joana. Wie ich schon mehrmals erklärte, brachten wir Nina noch bis ans Tor. Wie konnten wir annehmen, daß sie dann auf dem kurzen Weg durch den Garten zum Hause verschwinden könnte."

    Dona Joana hatte sich endlich niedergesetzt. Sie rückte nervös eine Kristallschale hin und her. „Nehmen Sie Platz, Mirja! Ich glaube es Ihnen ja. Natürlich trifft Sie keinerlei Schuld. Aber hören Sie, was noch alles geschehen ist — die Kasse der Firma ist ausgeraubt, der Kassierer verschwunden, der Prokurist tot."

    „Wie, bitte?" Mirja sperrte in maßlosem Staunen den Mund auf. Entgeistert starrte sie Dona Joana an.

    „Ja, ja, fuhr Dona Joana fort, „das hat mein Mann mir am Telephon gesagt. Ein Unglück kommt eben selten allein.

    „Die Kasse beraubt — der Kassierer — um Gottes willen!"

    „Warum starren Sie mich so an, Kind?"

    Um Mirjas Mund ging ein krampfhaftes Zucken. „Ich weiß nicht, stammelte sie, „Nina hatte mir mehrmals gesagt — sie stockte.

    „Was hatte Ihnen Nina gesagt?" drängte Dona Joana.

    „Oh — ich weiß nicht — ich möchte Ihnen doch lieber nicht —"

    „Doch, doch, reden Sie, Kind! Ich kann alles ertragen. Ich bin auf alles gefaßt."

    „Nina hat öfter von dem Kassierer geschwärmt. Aber sie sagte auch gleich, daß Ihr Gatte niemals zugeben werde —"

    „Das hat sie wahrhaftig gesagt?"

    „Ja. Nun ist es heraus. Bitte verzeihen Sie —"

    „Da ist nichts zu verzeihen. Im Gegenteil. Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie so offen sind. Nun sehe ich schon etwas klarer. Oh — es ist furchtbar. Immer hatte ich schon meinen stillen Kummer mit ihr. Aber ich durfte meinem Mann nichts davon sagen. Er hält große Stücke auf sie. Er ist wie vernarrt in das Mädel. Aber ich kenne sie besser. Ich habe mir nie etwas vorgemacht. Hätten wir damals doch nur nicht — aber lassen wir das! Nun ist ja doch nichts mehr zu ändern. Und auch der Charakter eines Menschen ist nicht zu ändern."

    „Mir fällt noch etwas ein, Dona Joana. Gestern abend, im Foyer des Theaters —"

    „Was war da?"

    „Da drängte ein Herr sich an sie heran. Es war mir, als habe er ihr etwas zugesteckt. Aber ich kann es nicht

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