Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

3 Herren von Scotland Yard
3 Herren von Scotland Yard
3 Herren von Scotland Yard
eBook238 Seiten3 Stunden

3 Herren von Scotland Yard

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Der Staatsanwalt Tully wird ermordet. Drei Beamte von Scottland Yard, die stets zusammenarbeiten, sollen den Fall lösen. Kommissar Housmann, Inspektor Walling und Seargant Lional. Doch der Fall erweist sich als komplexer, als es zunächst den Anschein hatte. Tully war es gewöhnt, durch seine kurzfristigen Ausflüge in die Unterwelt Schuldige zu überführen. Er kaufte gebrauchte Autos, versah den Kotflügel mit einer Kamera, drehte Schwarz-Weiß-Filme mit potenziellen Verbrechern und entpuppte sich als eine Art altmodischer James Bond. Die drei Scotland-Yard.Beamte versuchen mithilfe des Filmmaterials herauszufinden, nach wem Tully gesucht hat, doch man kann sich nicht einigen. Zur Auswahl stehen der "Regenpfeiffer", der Chinese und ein Unbekannter aus einem der Filme. Kann die schöne Jenny oder die Tänzerin Stella Auskunft geben?-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum11. Apr. 2016
ISBN9788711508527
3 Herren von Scotland Yard

Mehr von Hans Heidsieck lesen

Ähnlich wie 3 Herren von Scotland Yard

Ähnliche E-Books

Fiktion für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für 3 Herren von Scotland Yard

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    3 Herren von Scotland Yard - Hans Heidsieck

    Gegenwart

    Das abendliche Gewitter ist ebenso rasch, wie es kam, vorübergezogen. Die Wolkendecke riß auf, der Mond kam zum Vorschein und beleuchtete ein gespenstiges Bild.

    Irgendwo grollte es noch. Ein Köter kläffte. An den geborstenen Mauern der niedergebrannten Lampenfabrik brach sich der Widerhall entfernten Straßenverkehrs. Ratten huschten vorüber, haschten einander und verschwanden in Kellerlöchern. Es roch brenzlig. Ueberall ragten verkohlte Balken hervor und reckten sich wie flehende Arme gen Himmel.

    Der weite Hof stand voller Wasserlachen, in denen sich das Mondlicht spiegelte. Aus der verzackten, halb niedergebrochenen Front des langen Fabrikgebäudes gähnten leere Fensterhöhlen. Ueberall gab es zersplittertes Glas und verbogene Eisenteile, einige schwere Träger waren wie Streichhölzer eingeknickt.

    Hinter den Mauern sah es noch wüster aus. Da war alles in sich zusammengefallen. Unter Mauerresten und Schutt lagen Maschinenteile, Kolben, Schwungräder, zerfetzte Treibriemenstücke. Ein Gewirr von Stangen und Drähten schien durch dieses Chaos geflochten zu sein.

    Das große Hoftor stand offen; es war aus den Angeln gehoben. Jeder, den es danach gelüstete, konnte in diese Stätte der Vernichtung Einblick nehmen.

    Im Schatten der Abgrenzungsmauer, vor einem Schutthaufen, lag eine dunkle Masse. Wasser floß glucksend und gurgelnd um sie herum. Durch das Tor huschte eine Gestalt, etwas vorgeneigt hielt sie vorsichtig Umschau. Vor dem Schutthaufen blieb sie stehen und stutzte. Ein verhaltener, unartikulierter Laut war zu vernehmen. Der Chinese Jun Fu beugte sich nieder, betastete scheu den vor ihm liegenden leblosen Körper, schüttelte ihn, sagte etwas, was in seiner Sprache ‚tot‘ heißen mußte, und untersuchte die Taschen des Toten nach Geld.

    Er fand nur einige Silberstücke.

    Als er sich, den Rückzug antretend, abwendete und auf das Tor zuschritt, stieß er mit einem Wächter zusammen. Der Wächter war über die plötzlich vor ihm auftauchende Gestalt so erschrocken, daß er eine Sekunde zu spät nach dem Chinesen griff, der sich ihm rasch entwandt und gleich darauf wie ein Schatten um die Ecke verschwunden war.

    „Hallo! Mörder, Räuber! Ueberfall!" schrie der Wächter und setzte dem Flüchtenden nach. Hoch spritzte das Wasser aus den Pfützen auf, in die er trat.

    In dem verschwommenen Schein einer Laterne erkannte er einen Policeman, der ihm bereits entgegenkam. Der Wächter schrie noch immer; „Räuber! Ueberfall!"

    Von dem Chinesen war nichts mehr zu sehen. Der Bobby ließ sich den Vorfall erklären, wobei er eine hoheitsvoll-gönnerhafte Miene aufsetzte, „Wo war das? Am Eingang der abgebrannten Lampenfabrik?"

    „Jawohl! Kommen Sie mit!"

    *


    Eine halbe Stunde später war die Mordkommission da. Man untersuchte den Toten, photographierte ihn. Keine Ausweise, kein Geld. Nichts. Wer war der Mann? Wer war der Mörder? Was ist hier überhaupt geschehen?

    Der Arzt hatte einen Einschuß an der Schläfe entdeckt. Eine Schleifspur, die sich mit Regenwasser gefüllt hat, ist unverkennbar.

    Kommissar Housman strahlt das verzerrte, blasse Gesicht des Toten mit seiner Lampe an. Housman starrt lange in dieses Gesicht, und es ist ihm, als müsse er es irgendwo schon einmal gesehen haben.

    Sergeant Lionel, Housmans unentbehrlicher Helfer und seine ‚rechte Hand‘, ein hagerer, schlanker Mensch, dessen scharfes Gesicht nur aus Muskeln und Sehnen gebildet war, wandte sich an den Wächter.

    „Sie haben also einen Chinesen erkannt?"

    Der Wächter wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Jawohl, Sir. Mit Bestimmtheit. Eine grinsende Fratze. Schlitzaugen."

    „Wie war das? griff Housman ein, „Sie wollten hier auf den Platz?

    „Ja. Als ich das Tor durchschritten hatte, prallte ich mit dem Kerl zusammen."

    „Können Sie sagen, aus welcher Richtung er kam?"

    „Natürlich. Von hier. Er muß der Mörder gewesen sein. Die Leiche ist ja auch, wie Sie eben selbst sagten, ausgeraubt worden."

    „Hm. — Sie kennen den Toten nicht?"

    „Nein."

    Housman zog den rechten Mundwinkel etwas nach unten, eine Gewohnheit, die man bei ihm stets beobachten konnte, wenn er nachdenklich wurde.

    Lionel untersuchte noch einmal sämtliche Taschen des Toten. Er fand ein zusammengeknülltes Kinobillet, das sich in einen Zipfel der Westentasche verkrümelt hatte. ‚Belgravia- Lichtspiele‘ — las der Kommissar und kniff die Augen zusammen. Merkwürdig — Belgravia-Licht-spiele! Seiner Kleidung nach sah der Tote gar nicht so aus, als ob es zu seinen Gepflogenheiten gehörte, in diesem vornehmen Wohnviertel Lichtspielhäuser aufzusuchen.

    Man hörte eine Kirchenuhr schlagen. Mitternacht. Dumpf und schwer hallten die Schläge, aufdringlich laut. Der Himmel hatte sich wieder völlig bezogen, ein neues Gewitter rückte heran. Es wetterleuchtete schon. Der blasse Schein spiegelte sich in den verglasten Augen des Ermordeten. Abermals setzte Regen ein.

    Im Torweg erschien eine Frauengestalt, hastete näher, schob die Herren der Kommission zur Seite und warf sich mit einem Aufschrei über den Toten.

    Lionel riß die Frau zurück und starrte in ein schreckensbleiches Gesicht. Auch Housmann erkannte das Mädchen sofort.

    Es war Jenny. ‚Die schöne Jennny‘ — wie sie in Unterweltskreisen genannt wurde.

    *


    Der Chinese ist einige Straßen weitergelaufen und dann in einer Passage verschwunden. Auf einer anderen Straße kam er zum Vorschein und bestieg einen Autobus, mit dem er nach Whitechapel fuhr. Sein breites, knochiges Gesicht war rot angelaufen. Er rückte unruhig auf seinem Sitz hin und her und blickte sich immer wieder aus seinen zusammengekniffenen Schlitzaugen ängstlich um, ob nicht doch noch irgendein Verfolger hinter ihm wäre.

    Als er am Ziel angelangt war, stieg er aus und schlich eine lange, erbärmliche, vor Schmutz starrende Gasse hinunter, die in ein schwarzes Nichts zu verlaufen schien. Die Häuser, rechts und links schattenhaft aufragend, waren hier nur Baracken.

    Er schritt durch eine windschiefe Tür, überquerte einen morastischen Hof und gelangte in eine Wohnung, die ein zivilisierter Mensch nur als dumpfe Höhle bezeichnen konnte.

    Eine kleine, gedrungene Frau mit unendlich vielen Falten in dem porösen Gesicht, trat ihm entgegen. „Jun Fu, fragte sie, „hast du gute Beute gemacht?

    Der Chinese warf das Geld auf den Tisch „Da — nimm!"

    Die Frau starrte das Silber an. „Oh — so viel Geld!"

    „Ja."

    „Woher?"

    „Geht dich nichts an! murrte Jun Fu und trat vor den Eisenherd, um in die Töpfe zu schauen. „Hast du noch Reis für mich?

    Sie nahm einen Teller und stellte ihn auf den Boden in einer Ecke, in der nur ein zerfetzter Teppich lag. Jun Fu hockte sich mit übereinandergekreuzten Beinen hin, nahm zwei Stäbchen und begann zu essen. Dabei schmatzte er laut.

    Sein Lieblingskind, die siebenjährige Tochter Li Hai, hockte sich neben ihn, um ihm Gesellschaft zu leisten.

    Die anderen vier Kinder schliefen bereits. Sie waren alle kleiner als ihre Schwester Li Hai, das jüngste hatte vor einem halben Jahr das Licht der Welt erblickt. Es lag friedlich schlummernd in einem alten Wäschekorb, der neben dem Herd stand. Die drei anderen ruhten zusammen auf einer Matratze in der anderen Ecke des breiten Raumes, die durch einen durchlöcherten Vorhang abgetrennt worden war.

    Eine an der Decke hängende, trübe Petroleumlampe beleuchtete das klägliche Bild.

    „Hast du mir etwas mitgebracht, Papa? fragte Li Hai ihren Vater. Er war mit Essen fertig, rülpste laut und stand auf. „Nein, laß mich! Er trat ans Fenster und beobachtete, wie es erneut zu regnen begann.

    Seine Frau stieß ihn in die Seite. „Wo hast du den Karren, Jun Fu?"

    Jun Fu trat vom Fenster zurück. Er gab keine Antwort.

    Seine Finger verkrampften sich um einen goldenen Ring, den er in der Tasche trug.

    *


    Der Wecker klingelte. Mrs. Manson erhob sich und klopfte bei ihrem Bruder an. Das übliche, meist noch sehr verschlafen klingende: Ja — ich komme gleich! blieb aus. Mrs. Manson klopfte noch einmal. Als wieder nichts zu vernehmen war, trat sie ein. Das Schlafzimmer war leer. Das Bett unberührt.

    Wo ist Tully geblieben? Gestern Abend wollte er in den Klub gehen. Er war auch gegangen. Er ist nicht zurückgekehrt. Das Telephon blieb stumm.

    Mrs. Manson ging in die Küche, wo das Mädchen das Frühstück bereitete.

    „Anna — wissen Sie, wo der Herr steckt?"

    Es war eine dumme Frage. Anna machte ein blödes Gesicht. „Nein, Madam."

    Mrs. Manson eilte zum Fernsprecher. Sie rief den Klub an. Ja, der Herr Staatsanwalt Tully war gestern Abend um neun gekommen, er ist um zehn weggegangen.

    Um zehn weggegangen? Wohin?

    Vielleicht hatte er mit Freunden die Nacht durchbummelt. Warum aber hatte er dann nicht noch angerufen?

    Irgend etwas stimmte da nicht. Gerade Tully war sehr gewissenhaft. Er tat selten etwas, was aus dem Rahmen fiel. Er fand sich auf seinem Amt immer pünktlich morgens um neun zum Dienst ein.

    Bis neun wartete Mrs. Manson noch, ohne gefrühstückt zu haben. Sie rief beim Gericht an. Ließ sich mit Tullys Zimmer verbinden. Es war zehn Minuten nach neun.

    Ein Sekretär meldete sich. „Staatsanwalt Tully? Nein. Bedaure, er ist noch nicht da."

    Nach zwei weiteren vergeblichen Anrufen benachrichtigte Mrs. Manson die Polizei.

    *


    Die schöne Jenny wurde nach Scotland Yard gebracht.

    Kommissar Housman trat durch das Fabriktor und fragte: „Was ist das hier für ein Karren?"

    Lionel sah sich den Handkarren näher an. Es lagen drei leere Säcke darauf. „Merkwürdig! meinte er näselnd, „vielleicht — —

    „Was vielleicht?" fragte Housman und strich sich über den kurzen Bart.

    „Vielleicht hat der Chinese damit die Leiche fortschaffen wollen!" fuhr Lionel fort und setzte eine wichtige Miene auf, während er sein Regenkape enger um die Schultern zusammenzog.

    „Der Wagen ist sicherzustellen!" bestimmte Housman und winkte einem anderen Beamten zu.

    Vor dem Fabriktor hatten sich, durch das Erscheinen der beiden Wagen der Mordkommission angelockt, mehrere Leute versammelt und harrten hier trotz des wieder einsetzenden Regens aus, um näheres zu erfahren. Doch sie sahen bloß, wie eine Frau abgeführt wurde und wie man später eine Leiche abtransportierte. Die Beamten schwiegen sich aus.

    Housman fuhr mit Lionel in seinem Wagen zuerst davon. Während der Fahrt rekapitulierte er, was Jenny bei der ersten kurzen Vernehmung angesichts des Toten ausgesagt hatte.

    „Wer ist dieser Mann?"

    Jenny schluchzte verzweifelt. Sie konnte vor Schlucken zuerst kein Wort über die Lippen bringen. Man ließ ihr ein paar Sekunden Zeit, sich zu sammeln. Dann stammelte sie einen Namen. „Anthony" — verstand Housman.

    „Wer ist Anthony?" fragte der Kommissar weiter.

    „Mehr weiß ich auch nicht von ihm."

    Housman blickte das Mädchen mißtrauisch an. „Mehr weißt du nicht?"

    „Nein. Wahrhaftig nicht."

    „Aber du kannst mir wohl sagen, wer ihn erschossen hat?"

    „Er suchte jemand."

    „Was heißt das?"

    „Oh — Herr Kommissar — — ich habe gefühlt, daß es so kommen mußte. Alles war so verworren, so unheimlich — — oh — —"

    Wieder schluchzte sie herzerweichend.

    Es begann stärker zu regnen. Housman wollte die Vernehmung an Ort und Stelle nicht weiter durchführen. Deshalb bestimmte er, daß das Mädchen nach Scotland Yard gebracht wurde. Bis dahin würde es sich wohl etwas beruhigt haben.

    *


    Nun stand Jenny im Amtszimmer vor dem Kommissar. Mittlerweile ist es ein Uhr geworden.

    Housman will noch Gewißheit über den Toten haben, soweit diese jetzt zu erlangen ist.

    Jenny blickte ihn aus ihren großen, schönen Augen verzweifelt an. Sie kannte den Kommissar schon seit langem, hatte öfter mit ihm zu tun gehabt. Ihr Strafregister ist nicht sehr belastet. Sie gehörte zu jenen Geschöpfen der Unterwelt, die sich darauf beschränken. Mitwisser und Hehler zu sein und hie und da kleine Dienste zu leisten. Sie hatte auch für die Polizei schon gearbeitet, wenn sie eine entsprechende Belohnung dafür erhielt.

    Housman bot ihr eine Zigarette an und reichte ihr eigenhändig Feuer. „So, Jenny, sagte er, einen gemütlichen Ton anschlagend, „nun erzähle mir mal, was du alles über Anthony weißt. Du behauptetest vorhin, ihn nicht näher zu kennen. Deinem ganzen Gebahren nach muß er dir aber recht nahe gestanden haben.

    „Wir waren befreundet, Sir."

    „Wann und wo hast du ihn kennen gelernt?"

    „Es mag jetzt ein halbes Jahr her sein. „Im Brandy-Keller."

    Der Brandy-Keller war ein verrufenes Verbrecherlokal. Housman machte sich eine Notiz. „Was tat er da?" fragte der Kommissar weiter.

    „Er suchte sich mit verschiedenen Leuten anzufreunden. Alle tranken auf seine Kosten. Auch ich mußte an seinen Tisch kommen. Schon gleich an diesem Abend hatten wir uns ineinander verliebt."

    Der Kommissar strich seine Zigarre ab. „Hm. — wohnst du denn nicht mehr mit dem Regenpfeifer zusammen?"

    ‚Regenpfeifer‘ war der Spitzname eines Gannoven, der sich im Schmierestehen bei Villeneinbrüchen schon öfter erfolgreich betätigt hatte und Vogelstimmen — als Warnungsrufe — vorzüglich nachahmen konnte.

    „Den habe ich laufen lassen, erklärte Jenny mit matter Stimme, „er wurde mir zu brutal. Nachdem er sich an dem Raubmord in Wandsworth beteiligt hatte — —

    Der Kommissar horchte auf. „Wie — bitte? An diesem schweren Verbrechen ist er beteiligt gewesen?"

    Jenny nickte. „Ja. Damals ging ich kurzerhand von ihm weg."

    „Und wo ist er geblieben?"

    „Das weiß ich nicht. Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen."

    „Er wohnt also nicht mehr am Viktoria-Dock?"

    „Nein. Dort brauchen Sie gar nicht zu suchen, Herr Kommissar."

    Housman zog den rechten Mundwinkel nach unten. „Hm. Könnte er nicht auch — — ich meine: aus Eifersucht — —?"

    Jenny schreckte auf. „Meinen Sie wirklich? Ich dachte eher — —"

    „Was dachtest du?"

    „Anthony hatte irgend einen geheimnisvollen Feind in der Unterwelt, den er suchte."

    „Richtig. Das deutetest du mir schon an. Wer war dieser Feind?"

    „Ich weiß es nicht, Kommissar. Er hat mir nur einmal ein Bild gezeigt."

    „Wer? Anthony?"

    „Jawohl. Eine Photographie. Wenn ich den Menschen entdeckte, sagte er zu mir, wollte er tausend Pfund zahlen."

    „Donnerwetter. Wo befindet sich denn das Bild?"

    „Er hatte es in der Brieftasche."

    „Wie sah der Mann auf dem Bilde aus?"

    „Sehr dunkel. Er muß schwarze, funkelnde Augen haben. So hat ihn Anthony mir auch beschrieben."

    „Ein Chinese war es jedenfalls nicht?"

    „Was? Ein Chinese? fragte das Mädchen verblüfft, „wie kommen Sie darauf?

    „Weil ein Chinese im Verdacht steht, Anthony ermordet zu haben."

    „Das verstehe ich nicht."

    „Auch mir ist alles vorläufig noch einigermaßen unverständlich, gab Housman zu, „ich hoffte durch deine Aussagen wenigstens in Bezug auf den Toten Klarheit zu gewinnen. Angeblich kannst du mir aber auch nicht viel sagen.

    „Angeblich? begehrte Jenny auf, „Herr Kommissar — Sie beleidigen mich! Wenn ich mehr wüßte, würde ich es Ihnen bestimmt verraten. Ich habe das größte Interesse daran, daß man den Mörder Anthonys erwischt. So eine gemeine Tat! Er wollte mich in ein besseres Leben emporziehen, ja, er sprach schon davon, mir ein kleines Geschäft einrichten zu wollen.

    „Dabei wußtest du noch nicht einmal, wer er war?"

    „Nein, Sir. Ein Verbrecher war er bestimmt nicht."

    „Wo wohnte er denn?"

    „Auch das kann ich nicht sagen. Wir trafen uns immer im Brandy-Keller."

    Housman stellte noch viele Fragen. Der einzige Anhaltspunkt, den er gewinnen konnte, war ein goldener Ring, auf den ein Totenkopf eingraviert war, und den, wie Jenny behauptete, Anthony als Talisman immer am kleinen Finger der linken Hand trug.

    *


    Der Architekt Oliver Dell blickte bestürzt in die Zeitung. Was stand da? Ein Unbekannter von einem Unbekannten ermordet und ausgeraubt?

    Dell überflog die Zeilen. Irgend etwas gab ihm dabei einen Ruck. Er strich verwirrt mit der flachen Hand über sein Borstenhaar, stand auf und begab sich in sein Büro, das zu ebener Erde an die Villa angebaut war. Vom Garten her gab es hier einen besonderen Zugang. Durch ein kleines Tor konnte man auch nach hinten auf eine andere Straße gelangen.

    Der Architekt durchschritt sein Privatkontor und öffnete die Tür zu einem kleinen Ankleideraum, der neben einer Toilette lag. Hier hielt er Umschau und zog betreten die Stirn in Falten, als er einen eleganten Straßenanzug auf einem Bügel am Schrank hängen sah.

    Dell überlegte. Was sollte er tun? Eine beängstigende Vermutung ließ ihm jetzt keine Ruhe mehr.

    Hastig suchte er seine Frau auf. Mrs. Kitty kam eben vom Einkaufen zurück. Sie blickte starr in sein blasses Gesicht. „Was hast du?"

    Er erklärte ihr seinen Argwohn. Zeigte das Zeitungsblatt. „Ich weiß nicht, sagte er, „eigentlich habe ich keinen Anhaltspunkt — oder doch?

    „Du bist ja ganz verwirrt, Oliver. — Was für einen Anhaltspunkt hast du denn?"

    „Sein guter Anzug hängt in der kleinen Garderobe."

    Mrs. Kitty erschrak. „Wahrhaftig? Mein Gott — — und nun meinst du, er ist der Ermordete?"

    „Der Mörder bestimmt nicht!" gab Dell zynisch zurück.

    „Ruf doch mal an!"

    „Wo?"

    „Nun — bei ihm am Gericht natürlich. Dort müßte er doch jetzt sein."

    „Richtig. Das werde ich machen. Dell hatte den Hörer schon in der Hand. Die Nummer wußte er. Nach einigen Rückfragen wurde er mit dem richtigen Zimmer verbunden. Tullys Sekretär meldete sich. „Nein, der Herr Staatsanwalt ist heute noch nicht gekommen.

    Dell hängte verlegen ein. „Nicht da!" sagte er tonlos.

    „Dann ruf auch noch in der Wohnung an."

    Mrs. Manson meldete sich mit verweinter Stimme. „Wer ist dort? Architekt Dell?"

    „Jawohl. Ich wollte nur hören, Madam — — Ihr Herr Bruder — —"

    „Ja?" rief Mrs. Manson atemlos,

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1