Der Fall Andreas
Von Hans Heidsieck
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Buchvorschau
Der Fall Andreas - Hans Heidsieck
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Das blasse Fräulein in der Leihbücherei kann kaum den Andrang bewältigen.
„Den ‚Fall Andreas‘, bitte! — „Mir auch!
— „Nein, mir, ich war zuerst da!" schwirrt es wirr durcheinander.
„Sofort, gnädige Frau — ich muß erst — —"
„Sie müssen gar nichts! Geben Sie mir das Buch!"
„Ich will es auch haben!" schreit eine hagere Dame mit einem Lorgnon dazwischen.
„Ja — Sie bekommen es alle. Wir haben zehn Exemplare neu eingestellt. Sie sind eben gekommen. Die Nachfrage ist so enorm — —"
„Sagen Sie, ist es wahr, daß die Handlung des Buches auf Wahrheit beruht? Mir wurde sogar gesagt, Ihr Chef soll — — —"
„Natürlich! wirft eine andere Kundin dazwischen, „Herr Grau ist mit dem Ermordeten gut befreundet gewesen.
„Machen Sie schneller, Fräulein, wenn ich schon bitten darf!"
„Und der Mörder soll hier bei Ihnen gelesen haben?"
Das Fräulein nickt. „Ja, das stimmt schon."
„Natürlich nur Kriminalromane!" meint ein schmächtiges Männchen und schauert zusammen.
Zwei neue Kunden betreten die Bücherei. „Den Fall Andreas, Fräulein!"
„Sagen Sie mal, meint ein älterer Herr mit ergrautem Haar, „die Handlung spielt in einem Kapitel sogar hier in diesem Geschäft, wie ich hörte?
Das kleine, schwindsüchtig aussehende Fräulein kommt sich sehr wichtig vor. „Allerdings, Herr Schreiber!" sagt es und hustet trocken.
Plötzlich erscheint Herr Grau, der Inhaber selber. Er wird mit Fragen bestürmt. Seine klugen, lebhaften Augen leuchten. „Lesen Sie, meine Herrschaften, lesen Sie! Alles ist in diesem Buche beschrieben, bis zur Verhaftung. Das Urteil kennen Sie ja aus der Zeitung. Heute sollte die Hinrichtung sein."
„Ach, — Verzeihung —, mischt sich Herr Schreiber ein, „ich habe da eine besondere Bitte — vielleicht etwas spleenig, aber bei mir spricht sehr die Umgebung mit. Sie haben dort ein Büro — — ich will Ihnen gerne die Licht- und Heizungskosten bezahlen. Erfüllen Sie meine Bitte und lassen Sie mich das Buch gleich hier lesen!
„Gewiß doch, erwidert Herr Grau mit einer höflichen Neigung des Kopfes, „Sie können sofort beginnen. Stört Sie das Radio?
„Nein, durchaus nicht. So leise wie jetzt eingestellt, regt die Musik geradezu an bei solcher Lektüre."
Herr Grau hat den Kunden in das Hinterzimmer geführt. Er rückt einen Stuhl zurecht, stellt ihm die Lampe auf. Der Herr beginnt unverzüglich zu lesen:
Der Fall Andreas.
Es klingelt. Frau Martha Behnke, Zimmervermieterin ihres Zeichens, schlurft an die Tür. Schaut mißtrauisch durch das Guckloch. „Wer ist da?"
Ein Herr steht draußen. Sie kann das Gesicht nicht erkennen.
Die Schwarzwälder Uhr mit dem Kuckuck schlägt gerade acht. So früh kommt sonst niemand. Sie ist auch noch gar nicht recht angezogen. Was wollte der Fremde da draußen?
Da tönt eine freundliche Baßstimme: „Öffnen Sie bitte, Frau Behnke. Ich möchte Sie sprechen. Es handelt sich um Herrn Feldmann."
Die Stimme klingt wirklich vertrauenerweckend. Und wenn es Herrn Feldmann betraf — da war sie ganz voller Spannung.
Sie öffnet also. Der Herr tritt ein. Es ist eine große, stattliche, sportlich gestählte Erscheinung. Ein Mann in den Dreißigern, tadellos angezogen. Unter der auffallend hohen Stirn blicken zwei schwarze Augen, als ob sie alles betasten wollten. Ein Zug um den Mund, der ein wenig von Spottsucht spricht, verrät gleichzeitig äußerste Energie. Die Ebenmäßigkeit seiner Züge wird nur wenig durch die Backenknochen gestört, die etwas zu scharf in Erscheinung treten.
„Gestatten Sie, daß ich mich erst einmal vorstelle, sagt der Herr mit der wohltönend vollen Stimme, „mein Name ist Kirchner, Inspektor Kirchner von der Secura-Versicherung.
„Ah — sehr erfreut — sagt Frau Behnke und wischt sich, bevor sie Herrn Kirchner die Hand reicht, an einer schmutzigen Schürze die Finger ab, „treten Sie näher! Sie müssen entschuldigen, daß ich vorhin erst so mißtrauisch fragte. Es hat seine Gründe. Man kann sich jetzt gar nicht mehr sicher fühlen. Vorgestern hat man bei Schulzens erst eingebrochen. Die wohnen hier gegenüber. Und dann überhaupt — seit Herr Feldmann so plötzlich verschwunden ist — —
„Ja, Feldmann — — wie war das denn eigentlich? schneidet Herr Kirchner den Wortschwall der Alten ab, „gerade das möchte ich wissen.
Frau Behnke rückt eine Photographie zurecht, die auf dem Tisch steht. Ein Goldzahn leuchtet protzig aus ihrem Mund. Die Unterlippe hängt lappenförmig über das Doppelkinn. In den kleinen, zusammengekniffenen Augen zeigt sich ein Blinzeln, das Klugheit und Pfiffigkeit vortäuschen möchte.
„Die Sache erscheint mir geheimnisvoll! meint sie. „Herr Feldmann ist immer ein ruhiger, freundlicher Herr gewesen. Er machte nie Schwierigkeiten. Wir waren — ich kann wohl sagen: wir waren gewissermaßen befreundet. Oft saßen wir plaudernd zusammen — in allen Ehren natürlich — und er erzählte von seiner Tochter, die seit dem Tode der Frau bei seinem Bruder —
„Frau Behnke — entschuldigen Sie — meine Zeit ist nur kurz bemessen. Wir wollen zur Sache kommen. Es handelt sich schließlich doch darum, daß Feldmann verschwunden ist."
„Ja, verschwunden. Das ist wohl der richtige Ausdruck. Spurlos verschwunden. Das heißt, er hat mir da etwas aufgeschrieben —"
„Das interessiert mich. Was schrieb er?"
„Bitte, Sie können den Zettel lesen. Sie kramt in der Schürzentasche. „Hier ist er.
Kirchner betrachtet das fettige Stück Papier. Hastig liest er:
„Verehrte Frau Behnke!
Ich muß leider plötzlich verreisen und gebe noch weitere Nachricht. Die Sachen heben Sie bitte auf. Mit bestem Gruß
Günther Feldmann."
Frau Behnke rückt unruhig hin und her. „Er ist, sagt sie stockend mit einer Stimme, die nahe ans Weinen kommt, „eigentlich ist er doch niemals davongegangen, ohne mir regelrecht Lebewohl zu sagen. Und nun auf einmal — bei Nacht und Nebel — da stehe ich morgens auf — — und der Mann ist verschwunden. Das geht mir zu hoch, Herr Inspektor!
Kirchner zieht bedächtig ein Zigarettenetui aus der Tasche. „Darf ich hier rauchen?"
„Gewiß, ja — natürlich. Hier steht auch ein Aschenbecher."
„Ich danke verbindlich. Tja — also — — Sie wissen, daß Feldmann für unsere Lebensversicherung tätig war?"
„Als Agent. Ja, natürlich. Er war immer äußerst gewissenhaft."
„Nun kam da das furchtbare Autounglück, bei dem der Herr Ziegeleibesitzer Andreas verbrannt ist. Wir wollten gern Näheres wissen. Herr Feldmann hatte Andreas bei uns versichert. Wir schrieben also an Feldmann. Die Post kommt zurück — was soll man da denken?"
„Ich habe für alle Fälle die Post zurückgehen lassen, wenigstens, was die eingeschriebenen Briefe betrifft."
„Das war sehr vernünftig, Frau Behnke. Sonst hätten wir gar nicht erfahren — — was denken Sie eigentlich über die Sache? Vor allem: hat Feldmann vor seiner so plötzlichen Abreise irgendwie wichtige Post erhalten?"
„Das weiß ich nicht. Einmal — das war wohl so zwei Tage vorher, erhielt er noch einen eingeschriebenen Brief — ich glaube aus Leipzig."
„Von wem? Das können Sie mir wohl nicht sagen?!"
„Das weiß ich nicht."
„Na — vielleicht wird er ebenso plötzlich, wie er verschwunden ist, wieder erscheinen. Wir brauchen uns wohl nicht so aufzuregen. Er mußte schon triftige Gründe haben."
„Gestatten Sie eine Frage — das heißt — — ich meine ja nur — man kommt auf die sonderbarsten Gedanken — — er hat doch nichts ausgefressen?"
Inspektor Kirchner lacht herzlich auf: „Nein, Frau Behnke, da können Sie ruhig sein. Feldmann ist immerhin schon zehn Jahre lang bei uns tätig gewesen, der steht wie ein Turm da. Bei diesem Gedanken kann ich nur lachen. — Entschuldigen Sie, — aber nun muß ich doch gehen. Es gibt noch mehr für mich zu erledigen."
Um neun läßt sich Kirchner auf dem Polizeipräsidium melden. Kommissar Lippmann, ein kleines, gedrungenes Männchen mit klugen Augen, empfängt ihn.
„Ich bitte sehr, nehmen Sie Platz, Herr Inspektor! Sie kommen wohl in der Sache Andreas?"
„Ganz richtig."
„Wir hatten darüber ja korrespondiert. Die Angelegenheit geht in Ordnung."
„Es ist eine Formsache, daß ich noch komme, Herr Kommissar — das heißt, die Gesellschaft — Sie werden verstehen — — wenn es sich um hunderttausend Mark handelt, ist Vorsicht geboten!"
Der Kommissar nickt seinem Besucher zu. „Ja, natürlich. Das ist doch kein Pappenstiel. Aber Sie können beruhigt sein. Alles wurde gewissenhaft untersucht."
„Ein Selbstmord ist ausgeschlossen?"
„Wir haben nicht den geringsten Anhalt gefunden. Im Gegenteil, alles wies deutlich und klar auf den Unfall hin."
Kirchners Blick ist ein wenig fragend auf Lippmann gerichtet. „Andreas ist also im Wagen verbrannt, wie uns mitgeteilt wurde. — Konnte er sich denn nicht retten?"
„Wir hatten uns auch gewundert, doch schienen sich mehrere mißliche Umstände gegen den Ärmsten verschworen zu haben."
„Es handelte sich um einen geschlossenen Wagen?"
„Jawohl. Unvorsichtigerweise hatte Andreas dicht neben dem Führersitz eine Kanne Benzin stehen. Die vordere Scheibe war offen. Bei dem Vergaserbrand schlug eine Stichflamme in den Benzintank, der explodierte, die Flamme griff rasend schnell um sich. Dann ist auch die Kanne in Brand geraten, Andreas verbrannte."
„Das alles ist protokollarisch festgelegt worden?"
„Natürlich. Wir sandten die Abschrift des Protokolls. Übrigens — warum schickten Sie niemand, der bei der Untersuchung zugegen sein konnte?"
„Ich hatte sofort an Herrn Feldmann, der diesen Bezirk hier bearbeitet und früher bei uns schon als Rechercheur tätig war, telegrafiert und geschrieben. Ein unglückseliger Zufall indessen machte mir einen Strich durch die Rechnung. Wir dachten, daß Feldmann berichten werde, — bis plötzlich die Nachricht kam, daß er verreist sei. Ich habe mich daraufhin — allerdings sehr verspätet — selbst auf den Weg gemacht. Übrigens sind wir Kollegen."
„Sie arbeiten also im Kriminaldienst, wenn ich Sie recht verstehe?"
„Ganz richtig. Ich muß alle Fälle prüfen. Sie werden begreifen, warum ich Sie heute belästigt habe. Nun bleibt mir kein Zweifel, daß alles in Ordnung geht. Nur eine Frage noch, wenn ich bitten darf: Herr Andreas war Ziegeleibesitzer. Hatte er — was das Geschäftliche angeht — größere Schwierigkeiten?"
„Auch diese Frage prüften wir gründlich. Sein Unternehmen steht aber — gerade für heutige Zeiten — immer noch gut da. Natürlich war auch Andreas nicht gerade auf Rosen gebettet. Doch Schwierigkeiten bestanden nicht."
„Und der Ruf des Mannes?"
„War ohne Makel."
„Ich danke Ihnen, Kollege. Ich werde nachher zu der Witwe gehen."
„Ja, tun Sie das. Diese Frau kann mir leid tun."
„Sind Kinder vorhanden?"
„Nur eine Tochter. Sie ist jetzt neunzehn. — Na, wenn die Frau erst das Geld bekommt, bleibt sie ja vor dem Schlimmsten bewahrt!"
„Ich werde ihr heute schon eine Teilsumme geben. Der Rest geht ihr später nach meinem Bericht von unserer Direktion zu."
„Natürlich — der heilige Bürokratius muß doch nun auch noch auf seine Kosten kommen."
Kirchner empfiehlt sich mit einem verbindlichen Lächeln.
*
Herr Neumann, Mitinhaber des Bankhauses Neumann & Co. in der Zentralstadt, das sich vorwiegend mit größeren, allerdings nicht stets einwandfreien Kreditgeschäften befaßt, wiegt sich, die Hände reibend, in seinem eleganten Mercedeswagen. Der Schofför hat Befehl, nach der Vorstadt zu fahren, Sternstraße 24. Dort wohnt die Witwe des Ziegeleibesitzers Andreas, mit der er sehr wichtige Dinge zu regeln hat.
Die Angelegenheit, die jetzt zum Abschluß kommt, fußt auf einer Beleihung, die vor drei Jahren getätigt wurde. Er, Neumann, war damals mit seinem Bruder Kurt scharf aneinandergeraten. Ihm kam diese Sache ein wenig riskant vor, — doch Kurt hatte, alle Beredsamkeit aufbietend, zugeraten. Es handelte sich um den Wunsch des in Not geratenen Herrn Andreas, ihm einen Kredit von zwölftausend Mark zu gewähren, mit dem er die etwas herabgewirtschaftete Ziegelei wieder flott machen wollte.
Herr Moritz Neumann entsinnt sich noch heute genau der Verhandlungen, wie er mit Kurt aneinanderkam. Dieser meinte:
„Die Ziegelei ist noch immer den zehnfachen Preis wert. Wir machen die Sache und werden das ganze Werk an uns reißen. Andreas — natürlich, der muß sich an seinen Zinsen verbluten. Mit Damnum und Risikoprämie und was drum und dran hängt, knöpfen wir ihm zirka zwanzig Prozent ab. Das kann er gar nicht herauswirtschaften, und wenn er sich noch so sehr anstrengt."
„Wenn er uns aber anzeigt? warf Moritz ein. Kurt fuchtelte mit beiden Armen vor seinem Gesicht herum. „Anzeigt? Na, laß ihn doch! Kann er uns etwas wollen? Die Zinsen, die offiziell im Vertrag stehen — was willst du? Laß mich nur machen!
„Wir richten den Mann ja zu Grunde!"
„Na wenn schon — verdient er es anders? Er braucht nicht so üppig zu leben! Zwei Autos — und jedes Jahr große Reisen — — bei den paar Steinen!"
„Verzeih — aber du sagtest doch eben noch — —"
„Was sagte ich? Quatsch nicht immer dazwischen! Schalte mal deine verdammte Moral aus! Andreas darf für uns gar kein Mensch sein; er ist ein Objekt. Weiter nichts. Eine Spekulation. Damit basta."
Kurzum, das Geschäft ist zustande gekommen. Im Hintergrunde stand lockend die Ziegelei. Es war zu erwarten, daß sie doch über kurz oder lang zur Versteigerung kommen würde. Dann konnte man sie für ein Butterbrot haben. Das war erst das große Geschäft dabei!
Kurt schien auch recht zu behalten. Die Zinsenzahlungen kamen ins Stocken. Ein Ultimatum wurde an Herrn Andreas gesandt. Die Hypothek war verfallen. Bis zum bestimmten Termin waren das Kapital und die aufgelaufenen Zinsen zu zahlen. Sonst kam die Versteigerung unerbittlich.
Der Umstand, daß Herr Andreas plötzlich verunglückt war, steigerte Neumanns Erwartungen um ein Erhebliches. Sicherlich konnte die Witwe, dem Nichts gegenüber, sich gar nicht helfen. Die Ziegelei wuchs vor Neumanns Augen zu einem Götzen, vor dem er anbetend niederkniete.
Heute ist also der große Tag, der Tag der Entscheidung. Nur schade, daß Kurt jetzt nicht mitfahren konnte. Der Bruder war abgehalten. Man hatte ein neues Opfer gefunden. Ein Seifenfabrikant mußte eingeseift werden. Das konnte der Bruder am besten. Moritz war dazu ausersehen, der „Ziegeleiwitwe" den Strick um den Hals zu drehen.
Die Villen der Vorstadt gleiten vorüber, still und vornehm in ihre Gärten zurückgezogen. Sie nehmen keine Notiz von Herrn Neumann und blinzeln mit abgeblendeten Fenstern der Sonne zu.
Kinder spielen um einen Brunnen. Sie schürfen Sand in das Becken und jubeln laut.
Irgendwo schießt ein erregter Hund auf das Auto zu. Doch kommt er zu spät, schon ist es vorüber. Dort steht die Villa Andreas. Ein stolzer Bau, mit einem sehr hohen und steilen Dach und einer gedeckten Terrasse, die Stufen zum Garten hat.
Herr Moritz Neumann bewegt sich dem Tore zu. Es ist ein herrliches, schmiedeeisernes Gitter, ein Filigranwerk von hoher Kunst, außerordentlich unmodern, — aber vielleicht gerade deshalb so vornehm wirkend.
Ein Mädchen öffnet. „Sie wünschen?"
Herr Neumann macht eine Bewegung, als ob er alles hinter ihm Liegende abstreifen müsse. Dann sagt er mit einer Stimme, die imponieren soll:
„Melden Sie bitte der gnädigen Frau: Herr Neumann wünscht sie zu sprechen!"
Das Mädchen betrachtet ihn mißtrauisch wie einen Bettler. Herablassend sagt es, er möchte doch näher treten. Dann wird er in einen Salon geführt. Hier fällt ihm sofort eine große Vitrine mit venezianischem Glas auf. Die war ihm schon einmal — vor Jahren — ins Auge gesprungen. Plötzlich knirscht eine Tür wie ein bellendes Hündchen. Er fährt zusammen, als habe man ihn bei einer unrechten Handlung ertappt. Im nächsten Augenblick aber lächelt er dreist und kühn der Dame des Hauses entgegen.
Frau Betty Andreas, in Schwarz gekleidet, kommt hoheitsvoll auf ihn zu. Sie trägt ein kleines Couvert in der Rechten.
„Behalten Sie Platz, Herr Neumann! Sie wurden von mir schon erwartet."
Vergeblich sucht er im Klang ihrer Stimme Verlegenheit zu erlauschen. Die hohe, schlanke Figur der Frau flößt ihm Ehrfurcht ein. Sie war eine Schönheit; sie ist es auch heute noch. Doch er darf sich nicht fangen lassen; jetzt gilt es, die