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Tod am Nussbaum: Waldviertel-Krimi
Tod am Nussbaum: Waldviertel-Krimi
Tod am Nussbaum: Waldviertel-Krimi
eBook237 Seiten3 Stunden

Tod am Nussbaum: Waldviertel-Krimi

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Über dieses E-Book

In Klein Schiessling herrscht Aufregung. Das frisch vermählte Paar Marie und Franz Oberer finden den Gemeinderat Huberbauer am Tag ihrer Hochzeit auf dem Nussbaum erhängt. Kaum beginnt die Polizei mit ihren Ermittlungen, wird der nächste Gemeinderat in der Kirche mit einem Hirschfänger erstochen. Die Einwohner sind überzeugt: ein Politikermörder geht um. Wieder ermitteln der cholerische Inspektor Julius Schreiner und der besonnene Sepp Tauber - zwei Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

SpracheDeutsch
HerausgeberFederfrei Verlag
Erscheinungsdatum14. März 2016
ISBN9783903092235
Tod am Nussbaum: Waldviertel-Krimi
Autor

Lore Macho

Lore Macho lebt mit ihrem Mann seit 1987 in dem kleinen Weinort Straning, nahe Eggenburg (NÖ), wo Wein- und Waldviertel ineinander übergehen. Nach dem Besuch der Handelsschule und einigen Jahren der Tätigkeit als Sekretärin absolvierte sie 1974 die Sommerakademie für Malerei in Sirmione und ist seit dieser Zeit freischaffende Malerin. Neben dem Malen gilt ihre große Freude dem Schreiben. Bisher wurden von ihr drei Bücher zum Thema Malen veröffentlicht sowie ihre Dorfkrimis im Verlag federfrei.

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    Buchvorschau

    Tod am Nussbaum - Lore Macho

    Kapitel 1

    Es ist ein herrlicher Sommertag Anfang August, gekrönt von blauem, wolkenlosem Himmel. In den Bauerngärten duften berauschend üppig blühende Rosen. Die reich mit Blumen geschmückte barocke Dorfkirche aus dem 18. Jahrhundert ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Kein einziger der Klein Schiesslinger Dorfbewohner lässt sich dieses Großereignis, die Hochzeit von Marie Strasserburger und Franz Oberer, entgehen. Hat ohnehin lange gedauert, bis sie sich ihre gegenseitige Liebe gestanden haben. Aber gut Ding braucht eben Weile.

    Nachdem das zu Herzen gehende »Ave Maria«, das der örtliche Kirchenchor durch die Halle geschmettert hat, verklungen ist, das Brautpaar vor dem Altar steht, die Klänge der kürzlich restaurierten Orgel von allen Besuchern intensiv wahrgenommen werden, kommt der Pfarrer zur Sache.

    »Ich frage Sie, Franz Oberer, sind Sie gewillt, die hier anwesende Marie Strasserburger zu Ihrer Frau zu nehmen, sie zu lieben und zu ehren, bis dass der Tod euch scheidet, dann sagen Sie Ja.«

    »Ja!«

    »Ich frage Sie, Marie Strasserburger …« Der Rest geht in den lauten Orgelklängen unter. »… dann sagen Sie Ja.«

    »Ja!«

    Die Trauung in der überfüllten Kirche von Klein Schiessling, das eingebettet in Weinberge im österreichischen Weinviertel liegt, wurde vom örtlichen Dorfpfarrer Miroslav Jankovic höchst feierlich vollzogen. Örtlich ist vielleicht nicht ganz richtig, weil eigentlich stammt ja Hochwürden aus Tschechien, aber das gesamte Dorf hat ihn in Ermangelung eines einheimischen Kirchenmannes sehr schnell ins Herz geschlossen und vertraut ihm alles an. Alle kleinen und großen Sünden, alle Neugeborenen zwecks Taufe, alle Toten und dazwischen jene, die glauben, den Bund fürs Leben schließen zu müssen, wie heute Franz und Marie.

    Endlich, denke ich bei mir und freue mich! Jetzt haben die zwei sich auch offiziell gefunden. Es ist eine Freude, sie anzuschauen. Marie und Franz sind ein schönes Paar. Das weiße Brautkleid und der kurze Schleier mit dem Blütenkranz im blond gelockten Haar bilden einen herrlichen Kontrast zum Bräutigam in seinem dunkelblauen Anzug mit hellblauem Hemd und dunkelblauem Mascherl. Die Brauteltern, Bräutigameltern gibt es leider keine mehr, die sind vor einigen Jahren verstorben, ebenso im festlichen Gewand sind stolz auf ihre Tochter. Nun steht einer glücklichen Zukunft nichts mehr im Wege.

    Nachdem die reich und festlich geschmückte Hochzeitstafel im Gemeindegasthaus der Wirtsleute Herrn und Frau Krügerl fast zur Gänze geplündert wurde, warten die Fotografen vor der Gasthaustür auf das jungvermählte Paar, um für die örtlichen Lokalblätter einige Aufnahmen zu schießen. Man braucht ja immer wieder Neuigkeiten für seine Leser. Und wenn schon einmal zwei heiraten, die weder »verwandt noch verschwägert« sind, also Hoffnung auf geistig gesunden Nachwuchs besteht, ist dies um so bemerkens- und natürlich auch berichtenswerter. Draußen vor dem Lokal wirft Marie traditionell kleinschiesslingerisch ihren Brautstrauß aus weißen Rosen in die Dörflermenge hinter sich. Geschickt fängt der Bürgermeister von Klein Schiessling, Alfons Pummerl, ihn auf. Der lässt doch wirklich nichts aus, wo es was umsonst zu holen gibt. Jedenfalls hält er den Brautstrauß frisch-fröhlich in die Höhe und winkt damit allen anwesenden Dörflern hocherfreut und siegessicher zu. Sein rundliches Gesicht mit der roten Nase passt sehr gut zu seiner pummeligen Gestalt, und seine tief liegenden Äuglein vervollständigen das Äußere des Dorfbosses, der sich heute makellos mit Sakko und Krawatte präsentiert. Meist trifft man ihn ja mit kleineren und auch größeren Toilettenfehlern an, aber daran hat die Bevölkerung von Klein Schiessling sich im Laufe seiner verantwortungsvollen Amtszeit längst gewöhnt. Man kann schließlich nicht alles haben. Und ein vollgekleckerter Bürgermeister ist immer noch besser als gar keiner. Aber heute, zu Ehren des Brautpaares, ist er rundherum sauber!

    Das glückliche, frischvermählte Paar wird von den Brauteltern im Auto zum Franz seinem Haus, gleich hinter der Dorfkirche, gefahren, wo die beiden vorhaben, in Zukunft gemeinsam zu leben. Dort angekommen, steigen alle aus. Franz will grad seine Marie aufheben, um sie über die Haustürschwelle zu tragen, da schreit hinter ihnen die Mutter der Marie, Valerie Strasserburger, wie am Spieß. Alle drehen sich nach ihr um. Sie steht mit offenem Mund und riesigen Augen da und starrt auf den großen Nussbaum, der gegenüber dem Haus des Bräutigams mitten in der Botanik steht.

    Da hängt doch mitten im schönen grünen Nussbaum der erst kürzlich in die Gemeinde gekommene Gemeinderat Kirlian Huberbauer, und seine langen Haxen baumeln sanft im Wind. Eigentlich müsste er ja Kilian heißen, aber beim Eintrag in das Geburtenregister wurde sein Vorname seinerzeit falsch geschrieben, und das hat er bis zu seinem abrupten Ableben auf dem Nussbaum nicht geändert. Der dicke Strick um seinen Hals lässt deutlich erkennen, dass er einmal Gemeinderat der Klein Schiesslinger Dorfbewohner gewesen ist. Jetzt weilt er nicht mehr unter ihnen. Er hat sich mit diesem Abgang höflich aus dem öffentlichen Dienst verabschiedet und kann nun für seine Gemeinde keine guten Taten mehr vollbringen.

    Nachdem Gerhard Strasserburger seine zitternde und sprachlose Frau Gemahlin nach dem markanten Schrei in die Arme genommen und sie ein klein wenig beruhigt hat, schreitet der frischvermählte Franz Oberer zur Tat und verständigt die Polizei. Wer soll denn heute an diesem schönen Tag, noch dazu in Festtagskleidung, auf den Baum klettern und den Kirlian abschneiden? Das lässt man doch lieber die Polizei erledigen.

    »Am Nussbaum hängt der Huberbauer und ist tot!«, schreit er aufgeregt in sein Handy, nachdem der Polizist Sepp Tauber sich gemeldet hat.

    »Wo? Was? Auf welchem Nussbaum? Und wer spricht überhaupt?«

    »Ja, da ist der Oberer Franz aus Klein Schiessling, und der Tote hängt am Nussbaum hinter der Kirche. Komm halt her. Aber schnell!«

    »Erhängt?«

    »No na! Erschossen wird er sich haben, wenn er am Baum hängt.«

    »Ist ja schon gut. Beruhig dich, wir sind gleich dort.«

    Franz ist mit Sepp schon seit längerer Zeit befreundet, und immer wenn sie sich treffen, gehen sie auf einen ausgiebigen Tratsch entweder zum Krügerl oder zu einem der gerade geöffneten Heurigen. Daraus wird aber jetzt nichts. An der Hochzeit konnte Sepp leider auch nicht teilnehmen, weil er zum Dienst eingeteilt war.

    Nach diesem Telefonat sieht Franz sich um. Seine Schwiegermutter hängt in den Armen seines Schwiegervaters, und Marie schüttelt unentwegt den hübschen Kopf, dass der kurze Brautschleier nur so wackelt. Er legt ihr den Arm um die Schultern und redet beruhigend auf sie ein, obwohl er im Moment selbst einen guten Zuspruch bitter nötig hätte. Keiner der vier Erwachsenen traut sich, auch nur einen Schritt zu machen. Sie stehen wie angewurzelt da und glotzen den Baum an, an dem der einstige Gemeinderat baumelt.

    Vorige Woche hat er noch in der Gemeinderatssitzung heftig dafür plädiert, dass man den Steinbruchbesitzer Giselbert Knaller nach der erfolgreichen Abtretung des Gemeindewaldes dazu bringen muss, für die doch sehr naheliegende und gerechtfertigte Umbenennung des Ortes Klein Schiessling in »Klein Schiessling am Knallerbruch« eine regelmäßige und deftige Werbeabgabe an die Gemeinde zu entrichten. Das sei seiner Meinung nach nur verständlich und mehr als gerechtfertigt. De facto leben die Dorfbewohner ja jetzt ehrenvoll und beneidenswert direkt an diesem Steinbruch und dürfen alle seine Auswirkungen genießen. Eine Umbenennung des Ortes mit dem Hinweis auf den Steinbruch wäre zweifellos eine riesige Werbung für den Großbetrieb, und die dafür erhaltenen zusätzlichen Einnahmen könnte die Gemeinde gut gebrauchen. Wenn Knaller schon seinen Arbeitsbereich erweitern will, so soll er dafür auch ordentlich blechen. Das war die Meinung des Gemeinderates Huberbauer in der letzten offiziellen Sitzung, der alle anwesenden Gemeinderatsmitglieder einschließlich Bürgermeister hocherfreut und in Erwartung auf das große Geld zustimmten.

    Und nun das!

    Jetzt hängt er am Nussbaum und baumelt im Wind.

    Wie immer halt. Auf Politiker ist kein Verlass!

    Sepp Tauber trifft in seinem Streifenwagen mit Blaulicht und Sirene nach kurzer Zeit am Ort des Geschehens ein. Er fährt immer, wenn’s nur geht, mit Blaulicht und Sirene, auch wenn kein Schwein auf der Straße unterwegs ist. Das macht einfach viel mehr Spaß. Wie er aus dem Auto steigt, sieht er zunächst nur vier Menschen in Festtagskleidung auf einen großen Nussbaum starren. Er hebt seinen Blick, und dann nimmt auch er das Malheur wahr. Langsam nähert er sich dem Schauplatz. Franz dreht sich wie in Trance zu ihm um.

    »Gut, dass du da bist, Sepp«, flüstert er, »schau dir das einmal an.« Und dabei zeigt er ganz verstört auf den Nussbaum.

    »Aufgehängt hat er sich«, meint Sepp lakonisch, nimmt sein Dienstkapperl vom Kopf und kratzt sich umständlich seine braunen, kurz geschnittenen Haare.

    Sepp ist über vierzig Jahre alt, schlank, groß und hat immer ein verschmitztes Lächeln in seinem braun gebrannten Gesicht. Eingehend schaut er sich um, grüßt freundlich in die Runde, was aber keiner der festlich gekleideten Anwesenden wahrnimmt, geht daraufhin zum Auto und ruft über Funk seine Dienststelle an.

    »Der Tatort muss gesichert und genau untersucht werden«, sagt er zum Franz, nachdem er sein Gespräch beendet hat. Währenddessen reißt das Ehepaar Strasserburger sich von dem schaurigen Anblick los und geht ins Haus. Valerie muss sich unbedingt hinsetzen, und Gerhard braucht einen Schnaps.

    »Vielleicht sollten S’ der Marie und dem Franz auch einen einschenken«, meint Sepp fürsorglich. Auch er hätte ja im Prinzip nichts gegen ein Stamperl einzuwenden, aber er ist im Dienst. Und Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps!

    Also nichts mit dem Stamperl, aber vielleicht kriegt er ja ein Glas Mineralwasser, weil ihm in der Uniform ganz schön heiß geworden ist, obwohl der ausladende Nussbaum kühlen Schatten spendet. Aber genau unter den Baum kann er sich nicht stellen. Erstens sind ihm die Haxen vom Kirlian im Weg, und zweitens muss er den Tatort sichern. So holt er aus dem Dienstwagen die Absperrbänder und spannt diese zunächst einmal rund um den Baum. Den Rest können dann die Techniker der Tatortgruppe erledigen.

    Zum Glück laufen keine Schaulustigen herum. Das hätte Sepp Tauber gerade noch gefehlt. Denn es gibt nichts Lästigeres, als Neugierige im Zaum zu halten. Schon öfter hat er sich bei einer solchen Gelegenheit statt der dämlichen Absperrbänder einen elektrischen Weidezaun gewünscht, der ihm allerdings von seiner Dienststelle bis heute nicht bewilligt wurde.

    Die Besucher der Trauung, die nach dem Wurf des Brautstraußes wieder im Dorfwirtshaus verschwunden sind, unterhalten sich währenddessen rege über das soeben stattgefundene Großereignis. Die weibliche Bevölkerung redet über das herrliche Brautkleid der Marie, und die Männer bedauern Franz, der nun auch, wie sie selbst, unter den Pantoffel gekommen ist. Dabei sprechen alle den alkoholischen Getränken reichlich zu. Schließlich muss man die Feste feiern, wie sie fallen!

    Das laute Tatütata, mit dem die Techniker und Inspektor Julius Schreiner sich dem Tatort nähern, ist im ganzen Ort nicht zu überhören, und es ist fraglich, ob die Spurensicherung ungestört arbeiten und der Inspektor die paar Anwesenden ohne lästige Zaungäste befragen kann.

    Interessieren würde es den Sepp allerdings, ob Kirlian Huberbauer sich selber erhängt oder ob ein lieber Zeitgenosse dabei ein bisserl nachgeholfen hat. Es ist merkwürdig, dass nichts vorhanden ist, auf das der Lebensmüde hätte steigen können, um an den hohen Ast zu gelangen. Kein Baumstumpf, kein umgefallener Sessel, keine Leiter, nichts! Für Sepp Tauber ist dies ein dringliches Indiz dafür, dass es sich nicht um Selbstmord, sondern um Mord handeln muss. Wem hat der Gemeinderat so zugesetzt, dass der keinen anderen Ausweg gefunden hat, als solche drastischen Maßnahmen zu ergreifen? Auch die Frage, warum gerade auf diesem Nussbaum die Sache vollzogen wurde, beschäftigt Sepp Tauber eingehend. Gibt es doch im nahe gelegenen Wald, der zwar jetzt dem Knaller gehört, aber noch nicht zur Gänze gerodet wurde, genügend Bäume, die dafür geeignet gewesen wären. Bevor er sich allerdings weiteren Überlegungen hingeben kann, muss er der Spurensicherung hilfreich unter die Arme greifen.

    Nachdem Inspektor Schreiner den Tatort genau besichtigt und das frischvermählte Brautpaar sowie die Brauteltern eingehend ausgefragt hat, was ihn aber keineswegs schlauer gemacht hat, wendet er sich jetzt an den Amtsarzt. Dieser ist gerade im Begriff, mithilfe der Männer der Spurensicherung den Huberbauer vom Nussbaum zu holen und einstweilen ins Gras zu legen. Nach dem Entfernen des Stricks wird dieser von den Sachverständigen eingepackt und zur weiteren Untersuchung mitgenommen. Unterdessen bestaunt der Arzt die roten Striemen am Hals des Toten. Einige Druckstellen an den Oberarmen deuten darauf hin, erklärt er dem Inspektor, dass der Tote von jemandem fest gepackt und in die Schlinge gehoben wurde. Näheres dazu und auch über den Todeszeitpunkt wird er ihm nach der Obduktion schriftlich zukommen lassen. Damit gibt der Amtsarzt die Leiche frei zum Abtransport, und die Techniker verabschieden sich.

    Unter dem Nussbaum kehrt wieder Ruhe ein.

    Herr und Frau Strasserburger trauen sich ganz kurz aus dem Haus, um den Nussbaum ohne Huberbauer zu betrachten, und Franz ist damit beschäftigt, für Marie einen starken Kaffee zu kochen und sich selbst und seinen Schwiegereltern noch einen Schnaps einzuschenken. Inzwischen ist die Sonne hinter einer dicken Wolke verschwunden, und vom Dorfwirtshaus dröhnt lautes Gegröle bis zu ihnen herauf. Nicht einmal das laute Tatütata der Polizei konnte die sonst doch sehr neugierigen Dörfler vom Genuss ihres geliebten Grünen Veltliners ablenken.

    Kapitel 2

    Die Routine auf der Polizeidienststelle in der Bezirkshauptstadt Horn beginnt zu laufen. Techniker in den Labors und Mediziner der Gerichtsmedizin sind damit beschäftigt, den Tathergang zu rekonstruieren, die Leiche zu untersuchen und die Spuren am Tatort auszuwerten, um dem zuständigen Inspektor Schreiner alle wichtigen Details liefern zu können, die zur Aufklärung des Todesherganges führen können.

    Der Inspektor ist mittleren Alters, klein, schlank, mit leichter Glatze am Hinterkopf, stets korrekt gekleidet und äußerst cholerisch. Weiß er einmal nicht weiter, was meistens der Fall ist, haut er mit der Faust auf den Tisch und brüllt lautstark seine Beamten an. Aus diesem Grund ist er bei seinen Leuten auch nicht sonderlich beliebt. Nur sein Chef, Chefinspektor Christian Fuchs, wird mit ihm fertig. Der ist groß, schlank, weit über fünfzig Jahre alt, meistens lässig in Jeans gekleidet, markantes, aber nicht gerade hübsches Gesicht. Was für einen Mann auch nicht unbedingt erforderlich ist, sagt doch Tante Jolesch so treffend: »Alles, was ein Mann schöner ist als ein Aff, ist ein Luxus!«

    Seine phlegmatische und ruhige Seele hat stets die Kontrolle über die ihm anvertraute Polizeistation. Und wenn er nicht gerade Urlaub an einem Nudistenstrand auf Mallorca macht, hat er seine Leute, auch den Schreiner, fest im Griff. Wenn man die zwei beschreiben müsste, könnte man sagen, der Chef erzählt Witze, und der Schreiner geht dazu in den Keller lachen. Doch irgendwie ergänzen sie sich hervorragend.

    Über Nacht verbreitet sich das makabere Ereignis wie ein Lauffeuer im ganzen Ort. Verantwortlich dafür ist wieder einmal Annerl Passer, die örtliche Dorftratschen. Über siebzig Jahre alt, ist sie unermüdlich damit beschäftigt, alle Neuigkeiten so schnell wie möglich unter die Dörfler zu bringen. Valerie Strasserburger rief Annerl noch am Abend an, nachdem sie sich von ihrem Schock erholt hat, und schilderte ihr in den schrillsten Farben, wie der Huberbauer am Nussbaum gehängt ist und was die Polizei alles unternommen hat. Und vor allem, wie sie erschrocken ist, als ihr die huberbauerischen Haxen fast ins Gesicht gebaumelt sind. »Der Schlag hätte mich fast getroffen, so schockiert war ich.« Ihre Sprache hat sie verloren und fast auch das Gleichgewicht. »Zum Glück hat Gerhard mich mit seinen starken Armen festgehalten, während Marie und Franz unentwegt auf den Nussbaum und die baumelnden Haxen vom Kirlian gestarrt haben.« Ungläubig hätten sie ihre Köpfe geschüttelt. Diese ausführliche, zum Teil auch übertrieben dargestellte Schilderung saugt Annerl auf wie ein Schwamm. Sie wird quicklebendig, wie sie das erfährt, und ganz gierig auf weitere Einzelheiten. Dieser Tod ist für sie ein großes Fressen nach der viermonatigen Pause, die auf den Mordfall des Vogelnarren folgte.

    Endlich ist wieder was Aufregendes passiert!

    Viel zu lang war diese Durststrecke für unsere Klein Schiesslinger Dorftratschen.

    Ich stehe im Garten und schaue über meinen Holzzaun die Straße hinauf in Richtung Sportplatz, da sehe ich Annerl kommen. Sie

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