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Maigret auf Reisen
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eBook173 Seiten2 Stunden

Maigret auf Reisen

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Über dieses E-Book

Colonel Ward, dreifach geschiedener englischer Milliardär, liegt tot in der Badewanne seiner Suite im Pariser Hôtel George V. Blutergüsse an seinen Schultern deuten auf einen Mord hin. Als Maigret den Fall übernimmt, findet er sich plötzlich in höchst illustren Kreisen wieder: Schauspieler und Schriftsteller geben sich im George V die Klinke in die Hand. Maigret fühlt sich mehr als unwohl. Und dann muss er auch noch der Geliebten des Colonels hinterherreisen, einer gewissen Comtesse Paverini, die nach ihrem Selbstmordversuch in der Mordnacht, fluchtartig aus Paris verschwunden ist.
SpracheDeutsch
HerausgeberKampa Verlag
Erscheinungsdatum25. Feb. 2021
ISBN9783311701941
Maigret auf Reisen
Autor

Georges Simenon

Georges Simenon, geboren am 13. Februar 1903 im belgischen Liège, ist der »meistgelesene, meistübersetzte, meistverfilmte, mit einem Wort: der erfolgreichste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts« (Die Zeit). Seine erstaunliche literarische Produktivität (75 Maigret-Romane, 117 weitere Romane und über 150 Erzählungen), seine Rastlosigkeit und seine Umtriebigkeit bestimmten sein Leben: Um einen Roman zu schreiben, brauchte er selten länger als zehn Tage, er bereiste die halbe Welt, war zweimal verheiratet und unterhielt Verhältnisse mit unzähligen Frauen. 1929 schuf er seine bekannteste Figur, die ihn reich und weltberühmt machte: Kommissar Maigret. Aber Simenon war nicht zufrieden, er sehnte sich nach dem »großen« Roman ohne jedes Verbrechen, der die Leser nur durch psychologische Spannung in seinen Bann ziehen sollte. Seine Romane ohne Maigret erschienen ab 1931. Sie waren zwar weniger erfolgreich als die Krimis mit dem Pfeife rauchenden Kommissar, vergrößerten aber sein literarisches Ansehen. Simenon wurde von Kritiker*innen und Schriftstellerkolleg*innen bewundert und war immer wieder für den Literaturnobelpreis im Gespräch. 1972 brach er bei seinem 193. Roman die Arbeit ab und ließ die Berufsbezeichnung »Schriftsteller« aus seinem Pass streichen. Von Simenons Romanen wurden über 500 Millionen Exemplare verkauft, und sie werden bis heute weltweit gelesen. In seinem Leben wie in seinen Büchern war Simenon immer auf der Suche nach dem, »was bei allen Menschen gleich ist«, was sie in ihrem Innersten ausmacht, und was sich nie ändert. Das macht seine Bücher bis heute so zeitlos.

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    Buchvorschau

    Maigret auf Reisen - Georges Simenon

    1

    Was im George-V geschah, während es in Paris regnete, Maigret schlief und ein paar Leute ihr Bestes taten

    »Die verzwicktesten Fälle sind jene, die anfangs so banal wirken, dass man ihnen keine Bedeutung beimisst. Ein bisschen wie bei Krankheiten, die schleichend beginnen, mit leichtem Unwohlsein. Wenn man sie dann endlich ernst nimmt, ist es oft schon zu spät.«

    Das hatte Maigret einmal zu Janvier gesagt, als sie eines Abends über den Pont Neuf zurück zum Quai des Orfèvres gingen.

    Doch in dieser Nacht enthielt sich Maigret einer Einschätzung der Ereignisse, denn er schlief tief und fest neben Madame Maigret in seiner Wohnung am Boulevard Richard-Lenoir.

    Selbst wenn er geahnt hätte, dass es Scherereien geben würde, hätte er sie nicht im Hôtel George-V erwartet, das häufiger in den Klatschpalten der Zeitungen als in den Lokalnachrichten auftauchte, sondern eher von der Tochter eines Abgeordneten, die er in sein Büro hatte vorladen müssen, um ihr nahezulegen, in Zukunft ein paar extravagante Gewohnheiten bleiben zu lassen. Obwohl er in väterlichem Ton mit ihr gesprochen hatte, war sie empört gewesen. Allerdings hatte sie auch erst vor Kurzem ihren achtzehnten Geburtstag gefeiert.

    »Sie sind nichts als ein unbedeutender Beamter. Ich werde dafür sorgen, dass man Sie rauswirft!«

    Um drei Uhr morgens fiel ein kaum sichtbarer Sprühregen und überzog die Straßen mit einem feinen Film, der, wie Tränen in den Augen, die Lichter stärker glänzen ließ.

    Um halb vier läutete es im dritten Stock des George-V, in dem Raum, in dem ein Hausdiener und ein Zimmermädchen vor sich hin dösten. Sie schlugen die Augen auf. Der Hausdiener sah als Erster, dass die gelbe Lampe aufleuchtete, und sagte:

    »Für Jules.«

    Es bedeutete, dass jemand nach dem Kellner geklingelt hatte, der jetzt einem Gast ein dänisches Bier brachte.

    Das Zimmermädchen und der Hausdiener nickten wieder ein, jeder auf seinem Stuhl. Eine Weile war alles still, dann klingelte es erneut, gerade als der über sechzigjährige Jules, der wie immer den Nachtdienst versah, mit dem leeren Tablett zurückkehrte.

    »Ja, ja. Komme ja schon«, knurrte er zwischen den Zähnen.

    Ohne Hast ging er zur 332, wo über der Tür eine Lampe angegangen war, klopfte und wartete kurz. Da keine Antwort kam, öffnete er vorsichtig die Tür. In dem dunklen Salon war niemand. Vom Schlafzimmer drang ein schwacher Lichtschein herüber, und der Kellner hörte leises, anhaltendes Wimmern wie von einem Tier oder einem Kind.

    Auf dem Bett lag die kleine Comtesse, die Augen halb geschlossen, die Lippen leicht geöffnet, die Hände aufs Herz gepresst.

    »Wer ist da?«, ächzte sie.

    »Der Kellner, Madame.«

    Er kannte sie gut. Auch sie kannte ihn gut.

    »Ich sterbe, Jules. Aber ich will nicht sterben. Holen Sie einen Arzt, schnell. Gibt es im Hotel einen?«

    »Um diese Zeit nicht, Madame, aber ich lasse die Krankenschwester rufen.«

    Vor gut einer Stunde hatte er eine Flasche Champagner, eine Flasche Whisky, Sodawasser und einen Eiskübel gebracht.

    Im Salon standen noch die Flaschen und Gläser, bis auf eine Champagnerflöte, die nun auf dem Nachttisch lag.

    »Hallo! Schnell, die Krankenschwester!«

    Mademoiselle Rosay, die Telefonistin, wunderte sich nicht, sondern steckte einen Stöpsel in eine der Buchsen der Anlage, dann einen zweiten.

    Jules hörte ein entferntes Klingeln, dann eine verschlafene Stimme: »Hier Mademoiselle Genévrier.«

    »Kommen Sie bitte sofort in die 332 herunter!«

    »Ich sterbe, Jules …«

    »Keine Angst, Sie werden nicht sterben, Madame.«

    Er wusste nicht, was er tun sollte. Er ging in den Salon, knipste die Lampen an und stellte fest, dass die Champagnerflasche leer, die Whiskyflasche dagegen noch zu einem Viertel gefüllt war.

    Die Comtesse Palmieri wimmerte immer noch, die Hände über der Brust verkrampft.

    »Jules …«

    »Ja, Madame?«

    »Wenn es zu spät ist …«

    »Mademoiselle Genévrier ist schon unterwegs.«

    »Wenn es zu spät ist, sagen Sie ihnen, ich habe mich vergiftet, aber ich will nicht sterben.«

    Nachdem sie der Form halber leise an die Tür geklopft hatte, betrat die Krankenschwester die Suite. Sie hatte graues Haar und ein fahles Gesicht und roch unter ihrem weißen Kittel noch nach Schlaf. Sie hielt ein bräunliches Fläschchen mit Gott weiß was in der Hand und hatte sich die Taschen ihres Kittels mit Medikamentenschachteln vollgestopft.

    »Sie sagt, sie hat sich vergiftet.«

    Mademoiselle Genévrier sah sich um, entdeckte den Papierkorb, holte ein Tablettenröhrchen heraus und las das Etikett.

    »Sagen Sie der Telefonistin, sie soll Doktor Frère anrufen. Es ist dringend.«

    Jetzt, da sich jemand um sie kümmerte, schien die Comtesse sich in ihr Schicksal zu ergeben, denn sie versuchte nicht mehr zu sprechen, und ihr Wimmern wurde leiser.

    »Hallo! Rufen Sie Doktor Frère an, schnell … Aber nein! Das kommt nicht von mir! Die Krankenschwester braucht ihn.«

    In Luxushotels und gewissen Pariser Vierteln kommt Derartiges so häufig vor, dass, wenn in der Notrufzentrale nachts ein Anruf zum Beispiel aus dem 16. Arrondissement eingeht, die erste Frage fast immer lautet:

    »Gardénal?«

    Der Name des Schlafmittels ist jedem ein Begriff. Man spricht von »einem Gardénal«, so wie man von einem »Bercy« spricht, wenn man einen Betrunkenen meint, den man beim Quai de Bercy aus dem Wasser gefischt hat.

    »Holen Sie warmes Wasser.«

    »Abgekocht?«

    »Egal, Hauptsache warm …«

    Mademoiselle Genévrier hatte der Comtesse den Puls gemessen und ihre Lider angehoben.

    »Wie viele Tabletten haben Sie genommen?«

    Mit der Stimme eines kleinen Mädchens antwortete sie:

    »Ich weiß nicht. Ich weiß es nicht mehr … Lassen Sie mich nicht sterben.«

    »Natürlich nicht, meine Liebe. Hier, trinken Sie.«

    Sie legte ihr den Arm um die Schultern, stützte sie und hielt ihr ein Glas an die Lippen.

    »Steht es schlimm?«

    »Trinken Sie!«

    Ganz in der Nähe, in der Avenue Marceau, zog sich Doktor Frère in aller Eile an, schnappte sich seine Tasche, verließ das in tiefem Schlaf liegende Haus und stieg in seinen Wagen, der am Straßenrand stand.

    Die Marmorhalle des George-V war menschenleer, bis auf den Mann am Empfang, der hinter der Mahagonitheke eine Zeitung las, und den Concierge, der gar nichts tat.

    »332«, sagte der Arzt im Vorbeigehen.

    »Ich weiß.«

    Die Telefonistin hatte ihm Bescheid gegeben.

    »Soll ich einen Krankenwagen rufen?«

    »Mal sehen.«

    Doktor Frère kannte die meisten Zimmer und Suiten des Hotels. Wie die Krankenschwester klopfte er sozusagen symbolisch an, trat ein, legte den Hut ab und ging ins Schlafzimmer.

    Jules hatte sich, nachdem er einen Topf warmes Wasser gebracht hatte, in eine Ecke zurückgezogen.

    »Eine Vergiftung, Herr Doktor. Ich habe ihr …«

    Sie wechselten ein paar Worte im Telegrammstil, die an einen Geheimcode denken ließen, während die Comtesse, immer noch von der Schwester gestützt, heftigen Schluckauf bekam und sich dann übergab.

    »Jules!«

    »Ja, Herr Doktor.«

    »Das Amerikanische Krankenhaus in Neuilly soll einen Krankenwagen schicken.«

    Das alles war nicht weiter ungewöhnlich. Die Telefonistin, Kopfhörer über den Ohren, wandte sich an eine Kollegin, die drüben in Neuilly Nachtdienst hatte.

    »Meine Liebe, ich weiß auch nichts Genaues. Es geht um die Comtesse Palmieri, der Arzt ist bei ihr oben.«

    In der 332 klingelte das Telefon. Jules nahm den Hörer ab und wiederholte:

    »Der Krankenwagen ist in zehn Minuten hier.«

    Der Arzt legte die Spritze, mit der er der Comtesse eben eine Injektion gegeben hatte, wieder in seine Tasche.

    »Soll ich sie anziehen?«

    »Wickeln Sie sie in eine Decke, das wird reichen. Wenn Sie irgendwo einen Koffer sehen, packen Sie ihr ein paar Sachen ein. Sie wissen besser als ich, was sie braucht.«

    Eine Viertelstunde später trugen zwei Sanitäter die kleine Comtesse hinunter und hievten sie in den Krankenwagen. Doktor Frère setzte sich in sein eigenes Auto.

    »Ich werde mit Ihnen ankommen.«

    Er kannte die Sanitäter, und sie kannten ihn. Er kannte auch die Dame am Empfang des Krankenhauses, mit der er kurz sprach, und den diensthabenden jungen Arzt. Diese Leute redeten nur wenig, in ihrem eigenen Code, da sie oft zusammenarbeiteten.

    »Zimmer 41 ist frei.«

    »Wie viele Tabletten?«

    »Sie erinnert sich nicht mehr. Das Röhrchen war leer.«

    »Hat sie sich übergeben?«

    Die Krankenschwester hier war Doktor Frère genauso vertraut wie die im George-V. Während sie sich um die Patientin kümmerte, konnte er sich endlich eine Zigarette anzünden.

    Magenspülung. Puls. Noch eine Spritze.

    »Jetzt können wir sie nur noch schlafen lassen. Messen Sie jede halbe Stunde ihren Puls.«

    »Ja, Doktor.«

    Er fuhr mit einem Fahrstuhl hinunter, der genauso aussah wie der im Hotel, und gab der Dame am Empfang Anweisungen, die sie sich notierte.

    »Haben Sie die Polizei benachrichtigt?«

    »Noch nicht.«

    Er sah auf die schwarz-weiße Wanduhr. Halb fünf.

    »Verbinden Sie mich bitte mit dem Kommissariat in der Rue de Berry.«

    Dort standen Fahrräder vor der Tür, im Schein der Straßenlaterne. Drinnen spielten zwei junge Polizisten Karten, und ein Brigadier machte sich Kaffee auf einem Spirituskocher.

    »Hallo? Kommissariat Rue de Berry … Doktor wie? … Doktor Frère? … Wie Bruder? … In Ordnung. Ich höre … Einen Augenblick.«

    Der Brigadier nahm einen Bleistift und schrieb die Meldung auf einen Zettel.

    »Ja … Ja … Ich füge hinzu, dass Sie Ihren Bericht noch schicken. Ist sie tot?«

    Er legte auf und sagte zu den beiden anderen, die ihn fragend ansahen:

    »Ein Gardénal im George-V.«

    Für ihn bedeutete das bloß mehr Arbeit. Seufzend nahm er den Hörer ab:

    »Zentrale! … Hier Kommissariat Rue de Berry … Bist du’s, Marchal? … Na, wie läuft’s bei euch? … Hier ist alles ruhig … Du meinst die Schlägerei? … Nein, wir haben sie nicht dabehalten. Einer von denen kennt einen Haufen Leute, verstehst du? Ich musste den Kommissar anrufen, und der hat gesagt, ich soll sie laufen lassen.«

    Es ging um eine Schlägerei in einem Nachtlokal in der Rue de Ponthieu.

    »Nun gut! Ich hab hier noch was. Ein Gardénal. Schreibst du mit? … Comtesse … Ja, eine Comtesse … Echt oder falsch, was weiß ich? Palmieri. P wie Paula, A wie Anton, L wie Ludwig, M wie … Ja, Palmieri. Hôtel George-V. Suite 332 … Doktor Frère … Das Amerikanische Krankenhaus in Neuilly … Ja, sie hat was gesagt. Sie wollte sterben, dann hat sie’s sich doch anders überlegt. Die alte Leier.«

    Um halb sechs befragte Inspektor Justin vom 8. Arrondissement den Concierge des George-V, machte sich ein paar Notizen, sprach dann mit Jules, dem Kellner, und begab sich anschließend zum Krankenhaus in Neuilly, wo ihm mitgeteilt wurde, dass die Comtesse schlafe und außer Lebensgefahr sei.

    Um acht Uhr morgens nieselte es immer noch, aber der Himmel war klar. Lucas, der etwas erkältet war, setzte sich an seinen Schreibtisch am Quai des Orfèvres, wo ihn die Meldungen der vergangenen Nacht erwarteten.

    Dabei stieß er auf die in knappen Worten festgehaltene Schlägerei in der Rue de Ponthieu, las von einem guten Dutzend aufgegriffener Mädchen, von Betrunkenen, einer Messerstecherei in der Rue de Flandre und anderen, nicht unüblichen Zwischenfällen.

    Außerdem informierten ihn sechs Zeilen über den Suizidversuch der Comtesse Palmieri, geborene La Salle.

    Maigret, den die Sache mit der Tochter des Abgeordneten beunruhigte, kam um neun Uhr.

    »Hat der Chef schon nach mir gefragt?«

    »Nein, noch nicht.«

    »Ist etwas Wichtiges dabei?«

    Lucas zögerte kurz, entschied dann, dass ein Suizidversuch, selbst einer im George-V, kein wichtiges Ereignis war, und antwortete:

    »Nein.«

    Er ahnte nicht, dass er damit einen Fehler beging, der Maigret und der ganzen Kriminalpolizei noch das Leben schwer machen sollte.

    Als die Klingel im

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