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Maigret und das Gespenst
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eBook161 Seiten2 Stunden

Maigret und das Gespenst

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Über dieses E-Book

Inspektor Lognon, auch bekannt als Inspektor Griesgram, ist wahrlich vom Pech verfolgt. Mit einer ständig kranken Frau verheiratet und trotz harter Arbeit nach wie vor Bezirkspolizist im 18. Arrondissement, wurde er nun auch noch angeschossen und liegt im Koma. Besonders rätselhaft ist das letzte Wort, das Lognon, ehe er das Bewusstsein verlor, einem Concierge zugeraunt hat: »Gespenst«. Maigret fühlt sich vom Schicksal seines Kollegen persönlich betroffen und nimmt die Ermittlungen auf. Dank der Vorarbeit des Pechvogels kommt er unerwartet noch in einem anderen Fall auf eine ganz heiße Spur.
SpracheDeutsch
HerausgeberKampa Verlag
Erscheinungsdatum21. Jan. 2021
ISBN9783311701873
Maigret und das Gespenst
Autor

Georges Simenon

Georges Simenon, geboren am 13. Februar 1903 im belgischen Liège, ist der »meistgelesene, meistübersetzte, meistverfilmte, mit einem Wort: der erfolgreichste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts« (Die Zeit). Seine erstaunliche literarische Produktivität (75 Maigret-Romane, 117 weitere Romane und über 150 Erzählungen), seine Rastlosigkeit und seine Umtriebigkeit bestimmten sein Leben: Um einen Roman zu schreiben, brauchte er selten länger als zehn Tage, er bereiste die halbe Welt, war zweimal verheiratet und unterhielt Verhältnisse mit unzähligen Frauen. 1929 schuf er seine bekannteste Figur, die ihn reich und weltberühmt machte: Kommissar Maigret. Aber Simenon war nicht zufrieden, er sehnte sich nach dem »großen« Roman ohne jedes Verbrechen, der die Leser nur durch psychologische Spannung in seinen Bann ziehen sollte. Seine Romane ohne Maigret erschienen ab 1931. Sie waren zwar weniger erfolgreich als die Krimis mit dem Pfeife rauchenden Kommissar, vergrößerten aber sein literarisches Ansehen. Simenon wurde von Kritiker*innen und Schriftstellerkolleg*innen bewundert und war immer wieder für den Literaturnobelpreis im Gespräch. 1972 brach er bei seinem 193. Roman die Arbeit ab und ließ die Berufsbezeichnung »Schriftsteller« aus seinem Pass streichen. Von Simenons Romanen wurden über 500 Millionen Exemplare verkauft, und sie werden bis heute weltweit gelesen. In seinem Leben wie in seinen Büchern war Simenon immer auf der Suche nach dem, »was bei allen Menschen gleich ist«, was sie in ihrem Innersten ausmacht, und was sich nie ändert. Das macht seine Bücher bis heute so zeitlos.

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    Buchvorschau

    Maigret und das Gespenst - Georges Simenon

    1

    Die seltsamen Nächte des Inspektor Lognon und Solanges Leiden

    Es war kurz nach ein Uhr nachts, als das Licht in Maigrets Büro ausging. Der Kommissar, dem vor Müdigkeit fast die Augen zufielen, öffnete die Tür zum Büro der Inspektoren, in dem der junge Lapointe und Bonfils Dienst taten.

    »Gute Nacht, Kinder«, murmelte er.

    In dem breiten Flur fegten die Putzfrauen, und er winkte ihnen rasch zu. Wie immer um diese Zeit zog es hier, und das Treppenhaus, durch das er mit Janvier hinunterging, war eisig und feucht.

    Es war Mitte November. Den ganzen Tag hatte es geregnet. Seit acht Uhr morgens war Maigret nicht aus seinem überheizten Büro herausgekommen, und ehe er den Hof betrat, schlug er seinen Mantelkragen hoch.

    »Soll ich dich irgendwo absetzen?«

    Ein telefonisch bestelltes Taxi wartete vor dem Portal am Quai des Orfèvres.

    »An irgendeiner Metrostation, Chef.«

    Es regnete in Strömen, und das Wasser spritzte vom Pflaster hoch. Der Inspektor stieg am Châtelet aus.

    »Gute Nacht, Chef.«

    »Gute Nacht, Janvier.«

    Es war ein Augenblick, wie sie ihn schon Hunderte von Malen zusammen erlebt hatten, ein Augenblick, in dem sie beide die gleiche ein wenig trübe Befriedigung spürten.

    Wenige Minuten später ging Maigret leise die Treppe am Boulevard Richard-Lenoir hinauf, holte den Schlüssel aus seiner Tasche, drehte ihn vorsichtig im Schloss und hörte gleich darauf, wie Madame Maigret sich im Bett umdrehte.

    »Bist du’s?«

    Auch das hatte er schon Hunderte oder gar Tausende Male erlebt: Wenn er mitten in der Nacht nach Hause kam, stellte sie ihm mit verschlafener Stimme diese Frage, tastete nach dem Schalter der Nachttischlampe, setzte sich im Nachthemd auf und warf ihrem Mann einen Blick zu, um zu sehen, wie seine Laune war.

    »Ist es vorbei?«

    »Ja.«

    »Der Junge hat endlich ausgepackt?«

    Er nickte.

    »Hast du Hunger? Soll ich dir nicht etwas zu essen machen?«

    Er hatte seinen feuchten Mantel an den Garderobenständer gehängt und löste seine Krawatte.

    »Ist noch Bier im Kühlschrank?«

    Beinahe hätte er das Taxi an der Place de la République halten lassen, um in einer noch geöffneten Brasserie ein Bier zu trinken.

    »War es so, wie du gedacht hast?«

    Ein banaler Fall, soweit man einen Fall, der das Schicksal mehrerer Menschen betrifft, banal nennen kann. Die Zeitungen hatten eine Sensation daraus gemacht, unter der Schlagzeile Die Motorradgang.

    Beim ersten Mal hatten am helllichten Tag in der Rue de Rennes zwei Motorräder vor einem Juwelier gehalten. Zwei Männer waren vom ersten und einer vom zweiten abgestiegen; sie hatten sich rote Schals vors Gesicht gebunden, waren in dem Laden verschwunden und wenige Augenblicke später, jeder eine Pistole in der Hand, mit Schmuckstücken und Uhren herausgekommen, die sie im Schaufenster und auf der Theke zusammengerafft hatten.

    Die Menge draußen hatte zunächst nicht reagiert, und als ein paar Autofahrer, nachdem sie sich von dem ersten Schock erholt hatten, die Verfolgung aufnahmen, war es zu einem solchen Verkehrschaos gekommen, dass die Täter hatten flüchten können.

    »Sie werden es noch mal versuchen«, hatte Maigret vorausgesagt.

    Die Beute war mager gewesen, denn in dem Geschäft, das von einer Witwe geführt wurde, gab es nur Billigware.

    »Die wollten ihre Methode erproben.«

    Nie zuvor waren Motorräder bei einem Überfall zum Einsatz gekommen.

    Der Kommissar täuschte sich nicht. Denn schon drei Tage später spielte sich die gleiche Szene ab. Diesmal bei einem Luxusjuwelier am Faubourg Saint-Honoré. Das Resultat war das gleiche, mit dem Unterschied, dass die Banditen Schmuck im Wert von mehreren Millionen alter Franc ergatterten, im Wert von zweihundert Millionen, wie die Zeitungen schrieben, während die Versicherung den Schaden auf hundert Millionen schätzte.

    Allerdings hatte einer der Diebe auf der Flucht seinen Schal verloren, und man verhaftete ihn zwei Tage später in einer Schlosserei in der Rue Saint-Paul, wo er arbeitete.

    Am selben Abend saßen alle drei hinter Schloss und Riegel. Der Älteste war zweiundzwanzig Jahre alt, der Benjamin, Jean Bauche, genannt Jeannot, hatte gerade erst das achtzehnte Lebensjahr erreicht. Ein blonder, langhaariger Junge, Sohn einer Putzfrau aus der Rue Saint-Antoine, und ebenfalls in der Schlosserei beschäftigt.

    »Wir haben uns den ganzen Tag abgelöst, Janvier und ich«, sagte Maigret mit mürrischer Stimme zu seiner Frau, während er Bier trank und Sandwiches aß.

    ›Hör mal, Jeannot. Du markierst hier den starken Mann. Sie haben dir eingeredet, du seist einer. Aber die Idee mit den Überfällen ist nicht von dir und auch nicht von deinen beiden Kumpels. Da steckt jemand anders dahinter, jemand, der das alles eingefädelt hat und darauf bedacht war, sich die Finger nicht schmutzig zu machen. Er ist vor zwei Monaten aus dem Gefängnis Fresnes entlassen worden und will nicht wieder dahin zurück. Gib zu, er war ganz in der Nähe, in einem gestohlenen Auto, und hat eure Flucht gedeckt, indem er absichtlich ungeschickt durch den dichten Verkehr manövriert hat …‹

    Maigret zog sich aus, trank hin und wieder einen Schluck Bier und erstattete seiner Frau in knappen Worten Bericht.

    »Solche Burschen sind sehr zäh … Man hat ihnen ein besonderes Ehrgefühl eingeimpft …«

    Er hatte drei Wiederholungstäter verhaften lassen, darunter einen gewissen Gaston Nouveau. Wie nicht anders zu erwarten, hatte der ein stichhaltiges Alibi: Zwei Personen gaben an, zum Zeitpunkt des Überfalles habe Nouveau sich in einer Bar in der Avenue des Ternes aufgehalten.

    Stundenlange Gegenüberstellungen hatten nichts ergeben. Der älteste der drei Motorradfahrer, Victor Sidon, wegen seiner Körperfülle der Dicke genannt, blickte den Kommissar spöttisch an, während Saugier, Kanone genannt, unter Tränen beteuerte, er wisse von nichts.

    »Janvier und ich haben uns auf den jungen Bauche konzentriert. Wir haben seine Mutter kommen lassen. Sie hat ihn angefleht:

    ›So gesteh doch, Jeannot! Du siehst ja, dass die Herren dir nichts Böses wollen. Sie verstehen, dass man dich da in etwas hineingezogen hat …‹«

    Zwanzig unangenehme Stunden, in denen sie dem Jungen unbarmherzig zugesetzt hatten. Mindestens ebenso unangenehm war es gewesen, seinen Widerstand plötzlich zusammenbrechen zu sehen.

    ›Na gut, ich werde alles sagen. Ja, es ist Nouveau, der uns im Lotus aufgetan und für seinen Plan gewonnen hat …‹

    Eine kleine Bar in der Rue Saint-Antoine, wo junge Männer und Mädchen den Klängen der Musikbox lauschten.

    ›Wenn ich aus dem Gefängnis herauskomme, werden mich seine Leute umbringen, und das nur Ihretwegen.‹«

    Nun denn, das Tagwerk war vollbracht. Maigret legte sich mit schwerem Kopf schlafen.

    »Wann musst du im Büro sein?«

    »Um neun.«

    »Kannst du nicht etwas länger schlafen?«

    »Weck mich um acht.«

    Es gab sozusagen keinen Übergang. Er hatte das Gefühl, überhaupt nicht geschlafen zu haben. Ihm war, als hätte es, nur wenige Minuten nachdem er die Augen geschlossen hatte, an der Wohnungstür geklingelt und seine Frau wäre aus dem Bett geschlüpft.

    Im Flur wurde geflüstert. Er glaubte die Stimme zu erkennen, sagte sich aber, er träume gewiss, und vergrub seinen Kopf im Kissen.

    Wieder die Schritte seiner Frau, die sich dem Bett näherten. Wollte sie sich noch einmal hinlegen? Hatte sich jemand in der Tür geirrt? Nein. Sie berührte ihn an der Schulter, zog die Vorhänge auf. Ohne dass er die Augen aufzuschlagen brauchte, merkte er, dass es heller Tag war. Mit pappiger Stimme fragte er: »Wie spät ist es?«

    »Sieben.«

    »Ist jemand gekommen?«

    »Lapointe wartet im Esszimmer auf dich.«

    »Was will er?«

    »Ich weiß nicht. Bleib noch einen Moment im Bett. Ich mache dir eine Tasse Kaffee.«

    Warum sprach seine Frau mit ihm, als gäbe es schlechte Neuigkeiten? Warum hatte sie gezögert, seine Frage zu beantworten? Es war ein grauer Tag, und es regnete immer noch.

    Maigrets erster Gedanke war, dass Jean Bauche sich nach seinem Geständnis in der Zelle erhängt hatte. Ohne auf den Kaffee zu warten, erhob er sich, schlüpfte in seine Hose, fuhr sich mit dem Kamm durchs Haar und öffnete, noch ganz benommen, die Tür zum Esszimmer.

    Lapointe stand in einem schwarzen Mantel am Fenster, einen dunklen Hut in der Hand, das Gesicht mit Bartstoppeln bedeckt, da er die ganze Nacht Dienst gehabt hatte.

    Maigret blickte ihn nur fragend an.

    »Entschuldigen Sie, dass ich Sie geweckt habe, Chef … Heute Nacht ist etwas passiert … Es geht um jemanden, den Sie sehr mögen.«

    »Janvier?«

    »Nein … Niemand vom Quai.«

    Madame Maigret brachte zwei große Tassen Kaffee.

    »Lognon …«

    »Ist er tot?«

    »Schwer verletzt. Man hat ihn ins Krankenhaus Bichat gebracht. Seit drei Stunden operiert ihn Professor Mingault … Ich wollte nicht früher kommen. Nach dem Tag gestern und dem Abend brauchen Sie Ruhe … Am Anfang sah es auch nicht so aus, als würde er durchkommen.«

    »Was ist geschehen?«

    »Zwei Kugeln, eine in den Bauch, die andere in den Rücken, etwas unterhalb der Schulter…«

    »Wo?«

    »In der Avenue Junot, auf dem Gehsteig …«

    »War er allein?«

    »Ja. Seine Kollegen vom 18. Arrondissement haben die Ermittlungen aufgenommen.«

    Der Kaffee schmeckte Maigret nicht so gut wie sonst.

    »Ich habe gedacht, Sie möchten vielleicht bei ihm sein, wenn er wieder zu sich kommt. Der Wagen steht unten.«

    »Weiß man Näheres über die Sache?«

    »Kaum etwas. Man weiß nicht mal, was Lognon in der Avenue Junot gemacht hat. Eine Concierge hat die Schüsse gehört und die Polizei informiert. Eine Kugel ist durch ihren Fensterladen gedrungen, hat die Scheibe zerschlagen und ist dann in der Wand über ihrem Bett stecken geblieben.«

    »Ich ziehe mich rasch an.«

    Er ging ins Badezimmer, während Madame Maigret den Tisch für das Frühstück deckte.

    Lapointe hatte seinen Mantel ausgezogen und wartete.

    Inspektor Lognon gehörte zwar nicht, wie er es sich gewünscht hätte, zum Quai des Orfèvres, aber Maigret hatte doch ziemlich oft mit ihm zu tun gehabt, fast jedes Mal, wenn im 18. Arrondissement ein größerer Fall aufzuklären war.

    Er war ein sogenannter Zivilist, einer der zwanzig Inspektoren in Zivil, die ihr Büro in der Mairie von Montmartre, an der Ecke Rue Caulaincourt und Rue du Mont-Cenis hatten.

    Manche nannten ihn Inspektor Griesgram, seiner mürrischen Miene wegen. Maigret nannte ihn Inspektor Pechvogel, und tatsächlich könnte man sagen, dass der arme Lognon die Gabe hatte, alles nur denkbare Unglück auf sich zu ziehen.

    Er war klein und mager und das ganze Jahr über erkältet, weshalb er immer eine rote Nase und die tränenden Augen eines Trinkers hatte, und dabei war er gewiss der enthaltsamste Polizeibeamte von allen.

    Er war mit einer kranken Frau geschlagen, die sich nur mühsam von ihrem Bett zu einem Sessel am Fenster schleppen konnte, sodass Lognon nach Dienstschluss die Wohnung

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