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Maigret in der Liberty Bar
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eBook150 Seiten2 Stunden

Maigret in der Liberty Bar

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Über dieses E-Book

Kommissar Maigret soll an der Côte d'Azur den Mord an einem reichen Australier aufklären. William Brown, der erstochen in seinem Garten in Antibes gefunden wurde, arbeitete für den französischen Geheimdienst, lebte mit zwei Frauen zusammen und unterhielt Verbindungen zu einer dubiosen Kneipe in Cannes, der Liberty Bar. Das milde Mittelmeerklima versetzt Maigret in träge Urlaubsstimmung. Erst als er ein Foto des Toten sieht, beginnt er sich für den Fall zu interessieren: Denn der sieht ihm selbst verblüffend ähnlich ...
Maigrets 17. Fall spielt in Antibes und Cannes an der Côte d'Azur.
SpracheDeutsch
HerausgeberKampa Verlag
Erscheinungsdatum24. Juni 2019
ISBN9783311700654
Maigret in der Liberty Bar
Autor

Georges Simenon

Georges Simenon, geboren am 13. Februar 1903 im belgischen Liège, ist der »meistgelesene, meistübersetzte, meistverfilmte, mit einem Wort: der erfolgreichste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts« (Die Zeit). Seine erstaunliche literarische Produktivität (75 Maigret-Romane, 117 weitere Romane und über 150 Erzählungen), seine Rastlosigkeit und seine Umtriebigkeit bestimmten sein Leben: Um einen Roman zu schreiben, brauchte er selten länger als zehn Tage, er bereiste die halbe Welt, war zweimal verheiratet und unterhielt Verhältnisse mit unzähligen Frauen. 1929 schuf er seine bekannteste Figur, die ihn reich und weltberühmt machte: Kommissar Maigret. Aber Simenon war nicht zufrieden, er sehnte sich nach dem »großen« Roman ohne jedes Verbrechen, der die Leser nur durch psychologische Spannung in seinen Bann ziehen sollte. Seine Romane ohne Maigret erschienen ab 1931. Sie waren zwar weniger erfolgreich als die Krimis mit dem Pfeife rauchenden Kommissar, vergrößerten aber sein literarisches Ansehen. Simenon wurde von Kritiker*innen und Schriftstellerkolleg*innen bewundert und war immer wieder für den Literaturnobelpreis im Gespräch. 1972 brach er bei seinem 193. Roman die Arbeit ab und ließ die Berufsbezeichnung »Schriftsteller« aus seinem Pass streichen. Von Simenons Romanen wurden über 500 Millionen Exemplare verkauft, und sie werden bis heute weltweit gelesen. In seinem Leben wie in seinen Büchern war Simenon immer auf der Suche nach dem, »was bei allen Menschen gleich ist«, was sie in ihrem Innersten ausmacht, und was sich nie ändert. Das macht seine Bücher bis heute so zeitlos.

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    Buchvorschau

    Maigret in der Liberty Bar - Georges Simenon

    Kampa

    1

    Der Tote und seine beiden Frauen

    Es begann mit einem Gefühl von Urlaub. Als Maigret aus dem Zug stieg, war der Bahnhof von Antibes zur Hälfte in Sonnenlicht getaucht, so strahlend hell, dass sich die Leute darin wie Schatten bewegten. Schatten mit Strohhüten, weißen Hosen und Tennisschlägern. Die Luft vibrierte. Palmen und Kakteen säumten den Bahnsteig, und hinter der Lampisterie erstreckte sich ein Streifen blaues Meer.

    Sofort kam jemand auf ihn zugeeilt.

    »Kommissar Maigret, nehme ich an? Ich kenne Ihr Foto aus der Zeitung! Inspektor Boutigues.«

    Boutigues! Allein der Name klang wie ein Scherz. Er hatte sich Maigrets Koffer bereits geschnappt und zog ihn mit sich zur Unterführung. Er trug einen perlgrauen Anzug, eine dunkelrote Nelke im Knopfloch und Stoffschuhe mit knöchelhohem Schaft.

    »Sind Sie zum ersten Mal in Antibes?«

    Maigret wischte sich den Schweiß von der Stirn und versuchte seinem Cicerone zu folgen, der sich zwischen den Leuten hindurchdrängte und jeden überholte.

    Schließlich standen sie vor einer Droschke mit cremefarbenem Leinenverdeck, von dem kleine Troddeln herunterbaumelten.

    Auch das ein Erlebnis, lange vergessen: das Knirschen der Federung, das Peitscheknallen des Kutschers, das Hufgeklapper des Pferdes, gedämpft vom weichen Asphalt …

    »Erst mal gehen wir was trinken … Doch, doch! Bitte zum Café Glacier, Kutscher!«

    Es war ganz in der Nähe. Der Inspektor erklärte:

    »Die Place Macé … Das Zentrum von Antibes.«

    Ein hübscher Platz mit einer Grünfläche, gelben und orangefarbenen Markisen an allen Häusern. Maigret musste sich auf eine Terrasse setzen und einen Anis trinken. Gegenüber ein Schaufenster mit Sportbekleidung, Badeanzügen, Bademänteln, links ein Fotogeschäft. Einige sehr schöne Wagen entlang des Gehsteigs …

    Wirklich wie im Urlaub.

    »Möchten Sie zuerst die Verhafteten sehen oder lieber das Haus, in dem das Verbrechen begangen wurde?«

    Und Maigret antwortete, ohne nachzudenken, als hätte man ihn gefragt, was er gerade trank:

    »Das Haus.«

    Das Urlaubsgefühl setzte sich fort. Maigret rauchte eine Zigarre, die der Inspektor ihm angeboten hatte. Das Pferd trabte am Meer entlang. Rechts zwischen Pinien versteckte Villen, links einige Felsen, dann das blaue Meer, getüpfelt von zwei, drei weißen Segeln.

    »Wissen Sie, wo wir jetzt sind? Antibes liegt hinter uns. Hier beginnt das Cap d’Antibes, wo es nur noch Villen gibt, sehr luxuriöse Villen.«

    Maigret nickte einfältig. Die Sonne, die Wärme, all das machte ihn ganz benommen, und er blinzelte zu Boutigues’ purpurner Nelke hinüber.

    »Boutigues war der Name, richtig?«

    »Ja. Ich bin aus Nizza. Ich stamme von dort.«

    Mit anderen Worten, ein waschechter, hochprozentiger Nizzaer.

    »Beugen Sie sich ein wenig vor! Sehen Sie die weiße Villa? Das ist sie.«

    Es war ihm nicht bewusst, aber Maigret betrachtete das alles etwas ungläubig. Es gelang ihm nicht, sich in eine Arbeitsstimmung zu versetzen, sich davon zu überzeugen, dass er hier war, um ein Verbrechen aufzuklären.

    Dabei hatte er klare Anweisungen bekommen:

    »Ein gewisser Brown ist am Cap d’Antibes ermordet worden. Die Zeitungen interessieren sich sehr dafür. Es wäre gut, möglichst kein Aufsehen zu erregen. Nur keine Geschichten!«

    »Verstanden.«

    »Brown hat während des Krieges für den Auslandsnachrichtendienst gearbeitet.«

    »Auch das verstanden.«

    Sie waren da. Die Droschke hielt. Boutigues zog einen kleinen Schlüssel aus seiner Tasche, öffnete das Gittertor und betrat den Kiesweg entlang der Auffahrt.

    »Das Anwesen ist nicht einmal eines der schönsten am Cap!«

    Aber hässlich war es wahrlich nicht. Mimosen erfüllten die Luft mit einem süßen Duft. An einigen kleinen Bäumen hingen noch goldgelbe Orangen. Und überall blühten seltsame Blumen, die Maigret nicht kannte.

    »Das Haus gegenüber gehört einem Maharadscha. Er dürfte im Augenblick da sein … Fünfhundert Meter weiter links lebt ein Mitglied der Akademie. Und dann gibt es da noch die berühmte Tänzerin, die mit einem englischen Lord …«

    Soso. Maigret hatte nicht übel Lust, sich auf die Bank vor dem Haus zu setzen und ein Stündchen zu schlafen. Schließlich war er die ganze Nacht unterwegs gewesen.

    »Ich werde Ihnen kurz das Notwendigste erklären.«

    Boutigues hatte die Haustür geöffnet, und sie betraten eine kühle Halle mit Fenstern zum Meer.

    »Seit etwa zehn Jahren wohnt Brown hier.«

    »Hat er gearbeitet?«

    »Nein. Er muss von seinen Zinsen gelebt haben. Es hieß immer: Brown und seine beiden Frauen.«

    »Zwei?«

    »In Wirklichkeit war nur eine seine Geliebte, die Tochter. Eine gewisse Gina Martini.«

    »Ist sie im Gefängnis?«

    »Ja, wie die Mutter. Sie haben hier zu dritt gelebt. Ohne Dienstmädchen.«

    In Anbetracht der zweifelhaften Sauberkeit im Haus war das nicht verwunderlich. Es standen zwar einige schöne Dinge herum, wertvolle Möbel, prächtige Gegenstände, die einmal geglänzt haben mochten.

    Aber jetzt wirkte alles verdreckt und unordentlich. Es gab viel zu viele Wandbehänge, Stoffe, die über die Sessel gebreitet waren.

    »Weiter zu den Fakten: Es gibt eine Garage gleich neben der Villa«, erklärte der Inspektor weiter. »Dort stellte Brown sein altes Auto unter, das er selbst fuhr. Er benutzte es vor allem, um Besorgungen in Antibes zu machen.«

    »Verstehe«, seufzte Maigret. Er beobachtete einen Fischer, der mit einem Schilfrohr den Grund des klaren Wassers nach Seeigeln absuchte.

    »Aber dann stand das Auto plötzlich drei Tage und Nächte auf der Straße. Hier kümmern sich die Leute wenig umeinander, deshalb hat sich niemand Gedanken darüber gemacht. Erst am Montagabend …«

    »Verzeihung, heute ist doch Donnerstag? Gut.«

    »Am Montagabend kam der Fleischer mit seinem Lieferwagen zurück und bemerkte, dass die alte Kiste losfuhr. Sie werden seine Aussage ja lesen. Er kam von hinten und hat zunächst geglaubt, Brown sei betrunken, denn der Wagen fuhr Schlangenlinien. Dann ein Stück geradeaus … Allerdings so sehr geradeaus, dass er an der Straßenbiegung, dreihundert Meter weiter, voll auf den Felsen prallte. Noch ehe der Fleischer reagieren konnte, waren zwei Frauen ausgestiegen. Als sie das Geräusch des Motors hörten, liefen sie fort, Richtung Stadt.«

    »Hatten sie Gepäck bei sich?«

    »Drei Koffer. Es wurde schon dunkel, und der Fleischer wusste nicht, was er tun sollte. Er ist zur Place Macé gefahren. Dort steht, wie Sie gesehen haben, ein Polizist Wache. Der hat die Verfolgung der beiden Frauen aufgenommen und sie schließlich entdeckt. Sie waren auf dem Weg zum Bahnhof, aber nicht zum Bahnhof von Antibes, sondern zu dem von Golfe-Juan, drei Kilometer entfernt.«

    »Hatten sie immer noch die Koffer dabei?«

    »Einen waren sie unterwegs losgeworden. Man hat ihn gestern in einem Tamariskenwäldchen gefunden. Die beiden waren ganz durcheinander und sagten, sie hätten eine kranke Verwandte in Lyon besuchen wollen. Der Polizist war so schlau, sie die Koffer öffnen zu lassen. Er hat darin einen Haufen Wertpapiere gefunden, solche, die den Inhaber zur Einlösung berechtigen, dazu einige Hundertpfundnoten und verschiedene andere Dinge … Inzwischen hatten sich viele Leute angesammelt, es war nämlich gerade Zeit für den Aperitif. Die haben die beiden Frauen erst zum Kommissariat und dann zum Gefängnis begleitet.«

    »Wurde die Villa durchsucht?«

    »Am nächsten Tag, gleich frühmorgens. Man hat zuerst nichts gefunden. Die beiden Frauen behaupteten, sie wüssten nicht, was mit Brown sei. Gegen Mittag hat ein Gärtner gesehen, dass die Erde im Garten an einer Stelle frisch umgegraben war. Unter einer nur fünf Zentimeter dicken Erdschicht hat man dann die Leiche von Brown entdeckt. Vollständig bekleidet.«

    »Und die beiden Frauen?«

    »Was sie dann sagten, klang schon ganz anders. Drei Tage zuvor hätten sie gesehen, wie das Auto auf der Straße abgestellt wurde, und sich gewundert, dass Brown es nicht in die Garage fuhr. Er ist dann schwankend durch den Garten gegangen. Gina hat ihn vom Fenster aus beschimpft, weil sie meinte, er sei betrunken. Dann ist er auf der Treppe zusammengebrochen …«

    »Und war natürlich tot!«

    »Mausetot! Im Rücken, genau zwischen den Schulterblättern, hatte er einen Messerstich.«

    »Und dann wollen sie drei Tage mit dem Toten im Haus verbracht haben?«

    »Ja! Sie können keinen plausiblen Grund dafür angeben. Sie behaupten, Brown hätte schreckliche Angst gehabt vor der Polizei und allem, was damit zusammenhängt.«

    »Also haben sie ihn begraben und sind mit dem Geld und den wertvollsten Gegenständen auf und davon. Jetzt verstehe ich, warum das Auto drei Tage lang auf der Straße stand. Gina kann wahrscheinlich nicht gut fahren und hat es darum nicht gewagt, das Auto in die Garage zu manövrieren. Ach, übrigens – gab es Blutspuren im Wagen?«

    »Nein. Sie schwören, dass sie das Blut selbst beseitigt haben.«

    »Ist das alles?«

    »Ja, das ist alles. Die beiden toben vor Wut und verlangen, entlassen zu werden.«

    Draußen wieherte das Droschkenpferd. Maigret wagte nicht, seine Zigarre wegzuwerfen, mochte sie aber auch nicht zu Ende rauchen.

    »Wie wär’s mit einem Whisky?«, sagte Boutigues, auf einen Likörschrank deutend.

    Nein, das hatte wirklich gar nichts von einer Tragödie. Maigret bemühte sich vergeblich, die Angelegenheit ernst zu nehmen. Lag es an der Sonne, den Mimosen, den Orangen oder an dem Fischer, der das glasklare Wasser nach Seeigeln absuchte?

    »Können Sie mir die Hausschlüssel geben?«

    »Selbstverständlich. Jetzt, wo Sie die Ermittlung in die Hand nehmen …«

    Maigret leerte das Glas Whisky, das ihm der Inspektor gereicht hatte, betrachtete die Platte, die auf dem Grammophon lag, drehte mechanisch an den Knöpfen des Radioapparats, und man hörte:

    »Getreidebörse … November …«

    Dann entdeckte er hinter dem Apparat ein Foto, nahm es von der Wand und sah es sich an.

    »Ist er das?«

    »Ja. Lebend habe ich ihn nie gesehen, aber ich erkenne ihn wieder.«

    Maigret stellte das Radio ab, mit einem Schlag hellwach. Plötzlich hatte es gefunkt. War es Interesse? Mehr als das!

    Ein verworrenes, übrigens recht unangenehmes Gefühl. Bis zu diesem Zeitpunkt war Brown einfach Brown gewesen, ein Unbekannter, höchstwahrscheinlich ein Ausländer, der unter mehr oder weniger mysteriösen Umständen ums Leben gekommen war. Niemand hatte sich gefragt, was für ein Mensch er

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