Begegnungen auf der Via Veneto
Von Lee Wilkinson
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Als Annabel den einflussreichen Andrew in Rom wiedersieht, stürzt sie sich in eine leidenschaftliche Affäre mit ihm. Doch dann erfährt sie von seiner Beteiligung an der Trennung zwischen Ihr und ihrem Verlobten. Liebt Andrew sie so sehr?
Lee Wilkinson
Lee Wilkinson wuchs im englischen Nottingham als einziges Kind sehr liebevoller Eltern auf. Nach dem Abschluss auf einer reinen Mädchenschule versuchte sie sich in verschiedenen Berufen, u.a. war sie Model für Schwimmbekleidung. Mit 22 traf sie Denis. Sie heirateten ganz traditionell in Weiß, verbrachten ihre Flitterwochen in Italien und führen eine ausgesprochen glückliche Ehe. Ihre beiden Kinder sind erwachsen, und Lee und Denis haben vier wunderbare Enkel. Bevor Lee Romances verfasste, schrieb sie Kurzgeschichten und Serien, die in Zeitschriften erschienen. Bis heute hat sie 20 Liebesromane geschrieben, die bei Mills & Boon erschienen sind. In ihrer Freizeit liest sie viel, gärtnert, geht spazieren und kocht. Aber ihre größte Leidenschaft ist reisen. Zusammen mit ihrer Tochter und deren amerikanischem Ehemann sind Lee und Denis ein Jahr lang um die Welt gereist. Sie waren in Indien, China, Australien, Neuseeland und den USA. Letztes Jahr hat Lee einen Palazzo in Venedig gemietet und von dort aus eine Fahrt mit dem Orient-Express gemacht. Im Moment spart sie, um sich einen großen Traum zu erfüllen: Sie will unbedingt nach Japan! Lee und Denis leben in einem 300-Jahre-altem Cottage im malerischen Derbyshire, das praktisch jeden Winter durch Schnee und Glatteis von der Umwelt abgeschlossen ist.
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Begegnungen auf der Via Veneto - Lee Wilkinson
IMPRESSUM
Begegnungen auf der Via Veneto erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 1997 by Lee Wilkinson
Originaltitel: „First-Class Seduction"
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA
Band 1222 - 1998 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Beatrice Walker
Umschlagsmotive: ThinkstockPhotos_boggy22
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733776572
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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1. KAPITEL
Die Mittagszeit war fast vorbei, trotzdem saßen in dem ruhigen, in einer Seitenstraße gelegenen Restaurant noch viele Gäste.
Bel Grant hatte gerade ihre Rechnung bezahlt und wollte aufbrechen, als sie Mortimer Harmen, den Leiter der Finanzabteilung ihrer Firma, an einem Ecktisch sitzen sah und sich schnell abwandte. Sie konnte Harmen nicht leiden und mied ihn nach Möglichkeit, zumal sie ihm auch nicht traute.
Frauen, die für starke, muskulöse Männer schwärmten, fanden ihn gut aussehend. Bel gehörte nicht zu ihnen. Ihr war sein Lächeln zu siegesgewiss, seine ganze Art zu arrogant. Offensichtlich hielt er sich für unwiderstehlich. Vor ihm grauste es ihr.
Wenn sie geschäftlich miteinander zu tun hatten und er sie mit seinen blassblauen Augen anschaute, hatte sie jedes Mal das Gefühl, er würde sie mit Blicken ausziehen. Falls er sie hier entdecken sollte, bliebe ihr nichts anderes übrig, als sich von ihm zur Firma zurückbegleiten zu lassen. Eine schreckliche Vorstellung!
Bei einem verstohlenen Blick in seine Richtung stellte sie fest, dass er eine Tasse Kaffee vor sich hatte und sich angeregt mit seinem Gegenüber unterhielt, einem dunkelhaarigen Mann, der ihr den Rücken zugewandt hatte.
Bel griff nach ihrer Tasche und ging zur Tür, als sie aus dem Augenwinkel bemerkte, dass Harmen aufstand. Er schien in ihre Richtung zu schauen. „Verflixt!", schimpfte sie leise vor sich hin und flüchtete schnell in die Damentoilette.
Während sie darauf wartete, unbemerkt zu entkommen, betrachtete sie sich kritisch im Spiegel. Eine schlanke Geschäftsfrau in dunkelgrauem Kostüm und weißer Bluse sah ihr entgegen. Das seidige, aschblonde Haar ordentlich zu einem Chignon hochgesteckt, die grünen Augen leicht mandelförmig, das ebenmäßige, ovale Gesicht mit den dichten Augenbrauen und den dunklen Wimpern ungeschminkt.
Sie arbeitete zwar in der Kosmetikfirma ihres Vaters, verwendete selbst jedoch nur Make-up, wenn sie abends ausging oder tagsüber etwas Besonderes vorhatte.
Nachdem sie einige Minuten ungeduldig abgewartet hatte, kam Bel wieder heraus. Wenn sie noch mehr Zeit verlieren würde, käme sie noch zu spät zur Aufsichtsratssitzung, die für vierzehn Uhr angesetzt worden war.
An Harmens Tisch saß niemand mehr, und Harmen war nirgends zu sehen. Bel atmete erleichtert auf und eilte zum Ausgang. Auf dem Weg prallte sie mit einem großen, muskulösen Mann zusammen und strauchelte.
Der Mann umfasste sofort ihre Schultern, um ihr Halt zu geben. Bel schaute in seine blaugrauen Augen und war plötzlich atemlos.
Das kommt vom Zusammenprall, redete sie sich ein und sagte stockend: „Ent… Entschuldigen Sie bitte."
Er betrachtete sie nur schweigend, in seinen Augen leuchtete es auf.
Bel überlief ein Schauer der Erregung, als sie – wie hypnotisiert – seinen Blick erwiderte.
Dann verschwamm plötzlich alles vor ihren Augen, denn der Unbekannte küsste sie unvermittelt.
Ihre Lippen hatten sich nur flüchtig berührt, und doch war Bel völlig durcheinander, als sie sich befreite und hinauseilte, ohne sich noch einmal umzusehen.
Ein unbefangener Betrachter hätte sie für Liebende halten können, die sich voneinander verabschiedeten, nicht für Fremde, die einander noch nie zuvor begegnet waren.
Bel war wütend, weil sie so heftig auf seine männliche Ausstrahlung reagiert hatte. Schnell durchquerte sie den Hyde Park, um auf kürzestem Weg zum Bürogebäude der Grant Filey Cosmetics zu kommen, das in einer ruhigen Sackgasse in der Nähe des Parks lag. Das Blattwerk der Bäume war staubig, der Rasen teilweise vertrocknet, denn es war ein trockener Sommer gewesen, der sich langsam dem Ende zuneigte.
„Du hast es gerade noch geschafft, begrüßte sie die junge Sekretärin am Empfang. „Die anderen sind schon im Konferenzraum.
„Danke, Rosie." Bel lächelte ihr zu, betrat das Sitzungszimmer und setzte sich.
Es war ein heißer Spätsommertag, und Harmen, der bereits am Tisch saß, fuhr sich mit einem bunt gemusterten Einstecktuch über das rote Gesicht.
Ein nett aussehender Mann mit grauem Haar erhob sich von seinem Sessel am Kopf des Konferenztisches, um die außerordentliche Aufsichtsratssitzung zu eröffnen. Es war Peter Grant, Bels Vater.
„Wir befinden uns in einer möglicherweise kritischen Situation. Irgendjemand hat einen großen Teil unser Aktien aufgekauft, die sich im Privatbesitz befunden haben, und will weitere Aktienpakete erwerben. Alles deutet auf einen feindlichen Übernahmeversuch hin."
Bel, die rechts neben ihrem Vater saß, war bereits von ihm ins Vertrauen gezogen worden. Sie wusste auch, dass er sich Vorwürfe machte, nicht eher etwas zum Schutz seiner Firma unternommen zu haben.
Am Abend zuvor hatte er Bel mit seinen braunen Augen besorgt angeschaut und gesagt: „Es war ein Fehler, Ellen zu erlauben, das Aktienpaket zu behalten."
Ellen war eine blonde, naive und arglose Schönheit in Bels Alter, die bis vor kurzem mit Peter verheiratet gewesen war.
Als Peter sich von seiner zweiten Frau scheiden ließ, steckte er in finanziellen Schwierigkeiten. Deshalb hatte er zugestimmt, dass Ellen das Aktienpaket als Abfindung behalten dürfte. Nun allerdings bereute er den Schritt, denn inzwischen waren die Aktien sehr wichtig für den Erhalt der Firma geworden.
Bel hatte versucht, ihren Vater zu beruhigen. „Sie würde die Aktien doch bestimmt nicht ohne deine Zustimmung verkaufen", hatte sie gesagt.
Die Ehe war einvernehmlich geschieden worden, Ellen zählte nach wie vor zum Freundeskreis der Grants. Leider hatte sie keine Ahnung vom Geschäft, und wahrscheinlich würde sie sich nichts dabei denken, ihr Aktienpaket an einen Dritten zu verkaufen.
„Wenn ich mir dessen nur sicher sein könnte. Peter Grant hatte geseufzt. „Mir wäre wohler, wenn ich mit ihr sprechen könnte. Aber ich kann sie nirgends erreichen.
„Wie lange wollte sie denn fortbleiben?"
„Keine Ahnung. Sie hat eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen, um mir mitzuteilen, dass sie sich auf einen Kurzurlaub in Paris freue. Sie wolle sich später wieder bei mir melden."
Bel betrachtete ihren Vater besorgt und seufzte. Die Firma steckte seit über einem Jahr in finanziellen Schwierigkeiten. Und nun auch noch das!
Nach einiger Zeit konnte sie sich nicht mehr auf die Sitzung konzentrieren. Ihre Gedanken kreisten um die ungewöhnlichen blaugrauen Augen, in die sie vor kurzem geschaut hatte.
Der Blick war sinnlich und verlangend gewesen, und sie hatte instinktiv darauf reagiert. Allein bei der Erinnerung durchlief sie ein Schauer der Erregung.
Dabei wusste sie von dem Mann nur, dass er groß und muskulös war. Und er hatte sie geküsst, als wollte er klarstellen, dass sie ihm gehörte. So eine Frechheit!
Das ist ja albern, sagte sie sich. Wahrscheinlich ist er nur einem Impuls gefolgt, hat eine Chance gesehen und sie genutzt. Aber war es nicht unglaublich, dass ein völlig Fremder eine so heftige Reaktion bei ihr hervorrufen konnte?
Bel versuchte, die Erinnerung an den Vorfall zu verdrängen, und betrachtete ihren Verlobungsring mit dem Brillanten. Roderick würde kein Verständnis für ihre Gefühle haben.
Erst vor kurzem hatte er bedauernd gelächelt, als sie seine Annäherungsversuche abgeblockt hatte. „Fällt es dir gar nicht schwer, so kühl und unbeteiligt zu bleiben?", hatte er gefragt.
Schuldbewusst hatte sie sich eingestehen müssen, dass es ihr überhaupt nicht schwer fiel. Ganz im Gegenteil. Fast fiel es ihr sogar ein wenig zu leicht, unbeteiligt zu bleiben. Besorgt hatte sie ihn gefragt: „Du hältst mich doch nicht für kühl und berechnend, oder?"
„Natürlich nicht, mein Schatz! Dazu ist dein Mund viel zu sinnlich – wie geschaffen zum Küssen. Ich glaube, du weißt um die Tugend der Keuschheit, um es mal ganz altmodisch auszudrücken. Jedenfalls macht es dich nur noch interessanter und begehrenswerter."
Es gelang Bel, sich eine Weile in Gedanken auf ihren Verlobten zu konzentrieren, doch schon bald musste sie wieder an den beunruhigenden Fremden denken. Die nachhaltige Wirkung der flüchtigen Begegnung machte ihr Angst, und sie war froh, dem Mann niemals wieder begegnen zu müssen.
Als die Aufsichtsratssitzung schließlich zu Ende war und die Direktoren den Konferenzraum verlassen hatten, wandte Bel sich ihrem Vater zu, der zurückgeblieben war. „Sag mal, willst du es dir nicht anders überlegen und doch übers Wochenende mit nach Kent kommen?", fragte sie.
„Nein, ganz bestimmt nicht. Er strich ihr beruhigend über die Hand und fügte hinzu: „Ich möchte lieber in London bleiben, falls Ellen versuchen sollte, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Holt Roderick dich ab?
„Er ist auf Geschäftsreise. Sowie ich geduscht und mich umgezogen habe, werde ich losfahren."
„Schön, dann solltest du dich langsam auf den Heimweg machen, sonst bleibst du noch im Feierabendverkehr stecken, wenn du nach Kent fährst."
„Versprich mir, dir nicht das ganze Wochenende über Sorgen zu machen."
„Keine Angst, antwortete er betont unbekümmert. „Solange Ellen ihre Aktien behält, gibt es kaum Grund zur Besorgnis.
„Sagst du mir Bescheid, wenn du etwas von ihr hörst?"
„Natürlich."
Nach einem fünfzehnminütigen Fußweg schloss Bel die Haustür auf. Sie wohnte im Erdgeschoss eines Hauses, das man in drei Eigentumswohnungen umgebaut hatte. 10, Clorres Place lautete die Adresse des an einer Grünanlage gelegenen Hauses mit dem schmiedeeisernen Zaun. Sie hatte Pflanzkübel mit orangeroter Kapuzinerkresse aufgestellt, die den Eingang verschönerten. Nun betrat sie die kleine Wohnung und streifte sich die eleganten Pumps ab.
Nach einer kühlen, belebenden Dusche schlüpfte sie in ein dunkelblaues ärmelloses Kleid und zog flache Sandaletten an. Ihr Haar ließ sie offen.
Seit sie mit Roderick liiert war, trug sie fast ausschließlich Schuhe mit flachen Absätzen. Sie war einen Meter siebzig groß, und Roderick war kaum größer. Gleich zu Beginn ihrer Freundschaft war ihr bewusst geworden, wie sehr es ihm missfiel, wenn andere Menschen ihn überragten.
Bel griff nach dem Koffer fürs Wochenende, den sie bereits am Morgen gepackt hatte, und verließ das Haus. Nach kurzem Fußweg erreichte sie ihren weißen BMW, den sie in einer Seitenstraße geparkt hatte. Nur Anwohner mit Berechtigungsschein durften ihre Wagen dort abstellen.
Glücklicherweise entging sie dem Feierabendverkehr gerade noch. Schon bald hatte sie London hinter sich gelassen und war auf dem Weg nach Kent. Während der Fahrt dachte sie über das bevorstehende Wochenende nach.
Der Banker Roderick Bentinck war der einzige Sohn einer wohlhabenden Familie. Er besaß zwar eine Junggesellenwohnung in London, verbrachte aber jede freie Minute auf dem Landsitz seiner Eltern, weil ihm das Stadtleben nicht zusagte.
Seine Eltern freuten sich immer sehr, Bel zu sehen, und sie war ihnen jederzeit willkommen. Nach der Verlobung mit Roderick hatte sie ihn auch fast ausnahmslos begleitet, wenn er seine Eltern besuchte.
Sogar ihr Vater hatte sich einige Male überreden lassen, ein Wochenende in friedlicher, entspannter Atmosphäre auf dem Landsitz zu verbringen, zumal er hier immer einen Tennispartner fand.
An diesem Wochenende würde es allerdings etwas förmlicher zugehen. Die Bentincks feierten nämlich ihren vierzigsten Hochzeitstag und hatten etliche Einladungen verschickt. Das Fest sollte am Freitagabend mit einer Party beginnen, um Verwandte und Freunde willkommen zu heißen.
Bel hatte sich seit Tagen auf das Wochenende gefreut, doch nun war ihre Stimmung durch die Schwierigkeiten in der Firma getrübt.
Sobald der Wagen vor dem mit Efeu bewachsenen