Ein Kind geht auf die Reise U: Mami 1964 – Familienroman
Von Myra Myrenburg
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»Setzen wir unsere Hüte auf?« fragte Muriel. »Natürlich«, sagte Florian, »wir wollen doch keinen Sonnenstich riskieren. Denk immer dran, deinen Kopf mußt du schützen, egal was du tust.« Damit nahm er zwei Hüte vom Garderobenhaken, einen kleinen aus blauem Jeansstoff und einen großen aus geflochtenem Stroh. Florian war groß und hager. Muriel war klein und zierlich. Er war fünfunddreißig Jahre alt. Sie war gerade fünf geworden. Er hatte dunkelbraunes Haar und dunkelbraune Augen. Sie war blondlockig und blauäugig. Er ging voran, sie folgte ihm durch die grünen Schluchten zwischen hohen Bohnenstangen, durch die lichteren Pfade zwischen halbhohen Erbsenreisern, vorbei an sorgfältig zusammengebundenen Beerensträuchern und knospenden Schwertlilien, bis zum Regenfaß, das wie ein leuchtend blauer Turm neben einem aus Pfählen gefügten Gartenhaus aufragte. Schmetterlinge flatterten, Bienen summten, kleine Vögel zirpten im dichten Gebüsch aus Hainbuchen, Flieder und wilden Rosen. Florian tauchte zuerst die kleine, rote, dann die große grüne Gießkanne in die Regentonne, zog sie schwer mit Wasser gefüllt wieder heraus und stellte sie ab. Dann schob er seinen Hut in den Nacken, warf einen Blick zum wolkenlos blauen Himmel hinauf und sagte zweifelnd: »Sieht nicht so aus, als könnten wir morgen aus dem vollen schöpfen, was?« »Dann müssen wir den Schlauch nehmen«, erwiderte Muriel, die Gärtnerin, verständig und besonnen, bückte sich nach ihrer roten Gießkanne und fragte: »Wo fangen wir an?« »Bei den Bohnen. Nimm gleich den Korb mit, wir können schon ein paar pflücken.«
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Rezensionen für Ein Kind geht auf die Reise U
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Buchvorschau
Ein Kind geht auf die Reise U - Myra Myrenburg
Leseprobe:
Die andere Frau
LeseprobeAls die Sonne sich im Osten über die karstige Spitze des Bacher schob, lag das schmale Seitental noch im dichten Nebel. Leise und weit entfernt drang das kratzige Lied eines Rotschwanzes durch den Dunst wie eine verlorene, vergessene Melodie. So erschien es Alexander von Jost jedenfalls in seiner weltabgeschiedenen Einsamkeit. Der ehemalige Diplomat seufzte. Wie war es nur dazu gekommen, wie hatte er sich in eine solch verflixte Lage bringen können? Noch immer erschien ihm seine Situation wie ein schlechter Traum. Er öffnete den Reißverschluss seiner Wetterjacke, denn mit der steigenden Sonne wurde es allmählich wärmer. Er hatte eine empfindlich kalte Oktobernacht hinter sich und fühlte sich völlig steifgefroren. Doch es empfahl sich nicht unbedingt, dies mittels einiger Freiübungen zu ändern. Sein verstauchter Fuß war nicht zu gebrauchen, stark angeschwollen und schmerzte bei der kleinsten Bewegung höllisch. Der schlanke, große Mann mit den klaren, rehbraunen Augen blickte sich aufmerksam um. Der Nebel löste sich allmählich auf, Konturen wurden sichtbar, das Vogelkonzert intensivierte sich. Die Lärchen am gegenüberliegenden Berghang leuchteten in tiefem Gold, dazwischen das intensive Grün der Bergkiefern. Graues Geröll, das sich im Bachbett am Fuß des Hanges fortsetzte, bildete dazu einen aparten Kontrast. Die Natur in den schmalen und oft abgelegenen Tälern rund um den Wörthersee hatte auch im Herbst ihren besonderen Reiz. Aus diesem Grund war er am Vortag zu einer längeren Wanderung gestartet, einem gut beschilderten Steig gefolgt und allmählich wieder mit sich selbst und der Welt in Einklang gekommen. Doch er hatte sich verschätzt, was die Entfernungen anging. Und er hatte nicht berücksichtigt, wie früh die Sonne im Oktober sank und die Dämmerung kam. An einer unübersichtlichen Stelle war er im abendlichen Zwielicht gestolpert und einen Hang hinabgestürzt. Nachdem Alexander den ersten Schrecken überwunden hatte, war ihm bewusst geworden, dass er seinen rechten Fuß nicht benutzen konnte.
Mami
– 1964 –
Ein Kind geht auf die Reise U
Ein kleines Mädchen und ein großes Abenteuer
Myra Myrenburg
»Setzen wir unsere Hüte auf?« fragte Muriel.
»Natürlich«, sagte Florian, »wir wollen doch keinen Sonnenstich riskieren. Denk immer dran, deinen Kopf mußt du schützen, egal was du tust.«
Damit nahm er zwei Hüte vom Garderobenhaken, einen kleinen aus blauem Jeansstoff und einen großen aus geflochtenem Stroh. Dann gingen sie über das alte Fliesenmuster – weiße Sterne auf dunkelrotem Grund – zur Hintertür, die weit offen stand, kraulten den träge ausgestreckten Mischlingshund namens Momo am Hals und betraten das Zauberreich: den Garten
Florian war groß und hager. Muriel war klein und zierlich. Er war fünfunddreißig Jahre alt. Sie war gerade fünf geworden. Er hatte dunkelbraunes Haar und dunkelbraune Augen. Sie war blondlockig und blauäugig.
Er ging voran, sie folgte ihm durch die grünen Schluchten zwischen hohen Bohnenstangen, durch die lichteren Pfade zwischen halbhohen Erbsenreisern, vorbei an sorgfältig zusammengebundenen Beerensträuchern und knospenden Schwertlilien, bis zum Regenfaß, das wie ein leuchtend blauer Turm neben einem aus Pfählen gefügten Gartenhaus aufragte. Schmetterlinge flatterten, Bienen summten, kleine Vögel zirpten im dichten Gebüsch aus Hainbuchen, Flieder und wilden Rosen.
Florian tauchte zuerst die kleine, rote, dann die große grüne Gießkanne in die Regentonne, zog sie schwer mit Wasser gefüllt wieder heraus und stellte sie ab.
Dann schob er seinen Hut in den Nacken, warf einen Blick zum wolkenlos blauen Himmel hinauf und sagte zweifelnd: »Sieht nicht so aus, als könnten wir morgen aus dem vollen schöpfen, was?«
»Dann müssen wir den Schlauch nehmen«, erwiderte Muriel, die Gärtnerin, verständig und besonnen, bückte sich nach ihrer roten Gießkanne und fragte: »Wo fangen wir an?«
»Bei den Bohnen. Nimm gleich den Korb mit, wir können schon ein paar pflücken.«
»Erbsen auch?«
»Sieh nach, ob die Schoten groß genug sind.«
»Darf ich sie roh essen?«
»Klar. Solange sie jung sind, schmecken sie am besten.«
Muriel trabte den sonnenwarmen Pfad entlang. Betäubender Duft stieg aus dem Kräuterbeet auf, wo Schnittlauch und Petersilie in dicken Büscheln wuchsen, Salbei und Thymian blühten, Bohnenkraut emporschoß, Liebstöckel, Lattich und Dill, so hoch, so hoch…
Am Pfad entlang ein Saum von Kapuzinerkresse mit unzähligen orangeroten Blüten, so schön, so schön…
Eine Schnecke bewegte sich langsam von rechts nach links, stolz aufgereckt der kleine Kopf mit den winzigen Hörnern, das kleine Haus auf ihrem Rücken kunstvoll geformt.
Momo trottete heran, blicklos, schnaufend. Würde er?
Muriel hielt den Atem an, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde. Nein, auf Momo war Verlaß. Nie würde er eine seiner dicken Pfoten auf die Schnecke setzen. Auch die Kühe, wenn sie auf die Weide gingen, taten das nicht. »Hier ist eine Schnecke!« rief Muriel. »Wo soll ich sie hintun?«
»Auf den Kompost«, antwortete Florian, der schon wieder die große Gießkanne füllte, »da findet sie soviel zu fressen, daß sie mir nicht an die Gurken zu gehen braucht. Kannst du sie anfassen?«
»Ja, sicher.«
Es war elf Uhr vormittags. Aber darauf kam es nicht an, nicht hier, im Zauberreich der Wurzeln und Stengel, der Blätter und Blüten, der Ranken und Schößlinge, der Schnecken und Käfer, der Amseln und Zaunkönige.
Hier herrschte Zeitlosigkeit, keine kleinliche Einteilung in Stunden und Minuten, und wenn überhaupt etwas gemessen wurde, dann war es die Temperatur, der Luftdruck und die Luftfeuchtigkeit. All dies konnte man ablesen von einem schwarz lackierten Gerät, das unter dem Vordach des Gartenhäuschens angebracht war und gelegentlich von den Vögeln bekleckert wurde. Sofern man sich damit auskannte, sofern man Zahlen lesen und in dieser Anordnung, in diesem komplizierten Zusammenhang deuten konnte.
Muriel lernte es gerade, und zwar von Florian, der mehr wußte als die meisten anderen Menschen, nicht nur, weil er Lehrer war. Sondern weil er sich die Zeit nahm, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Muriel kannte niemanden außer ihm, der das tat. Selbst ihre Mami brachte es nicht fertig, nicht einmal in ihren besten Stunden. Weil sie, wie Florian manchmal bemerkte, einfach nie zur Ruhe kam. Innerlich.
Das hatte mit ihrem Temperament zu tun, seiner Ansicht nach, aber sie selbst sagte immer, es liege einzig und allein an ihrem Beruf. Aber das stimmte nur halb, denn beides war untrennbar miteinander verbunden, Mamis Wesen und Mamis Schauspielkunst.
Leider störte sie gelegentlich die Zauberkreise, indem sie wie ein Wirbelwind in die Parallelwelt einbrach, die jenseits ihrer eigenen Wirklichkeit existierte.
Wie gerade jetzt, in diesem Moment, als die Schnecke nach der Zwangsumsiedlung auf ein Salatblatt im säuberlich eingefaßten Kompost ihre Fühler endlich