Glück aus Tränen geboren: Sophienlust 278 – Familienroman
Von Aliza Korten
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Draußen rann der Regen. Ab und zu schlug ein Zweig gegen das Fenster, denn die Windstöße, die sich in unregelmäßigen Abständen wiederholten, waren heftig. Oliver Holtau fand keinen Schlaf. Seit Wochen war das schon so. Tagsüber konnte er sich durch intensive Arbeit von seinem Schmerz ablenken, doch in den Nächten quälte ihn die Erinnerung an Christas grausame Krankheit – an ihren Tod. Sie war zu jung gewesen, um zu sterben, erst vierundzwanzig. Die Ärzte hatten gesagt, er müsse ihr das Ausruhen von ihren Schmerzen gönnen. Ihr Leiden sei unheilbar gewesen. Es habe keine Rettung für sie gegeben. Er aber sehnte sich nach seiner geliebten Frau. Auch Kathrin fragte immer wieder nach ihrer Mutti. Oliver schaltete die Lampe am Bett ein und stand auf. Die Uhr zeigte auf zwei. Im Bademantel ging Oliver ins Wohnzimmer und setzte sich an seinen Schreibtisch. Einer Eingebung dieser nächtlichen Stunde folgend, wollte er endlich Christas persönliche Papiere durchsehen, die in einer ledernen Mappe verschlossen waren. Bisher hatte er sich dazu nicht aufraffen können. Jetzt fühlte er plötzlich den Wunsch, die letzte Botschaft seiner Frau kennenzulernen, sofern sich in den Papieren eine solche finden sollte. Oliver nahm die Mappe aus der Schublade und öffnete das kleine Schloss. Den Schlüssel hatte Christa stets bei sich getragen. Nachdem er den Deckel der Mappe aufgeschlagen hatte, zögerte er.
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Buchvorschau
Glück aus Tränen geboren - Aliza Korten
Sophienlust
– 278–
Glück aus Tränen geboren
Wie Oliver, Moni und Kathrin doch noch eine Familie wurden …
Aliza Korten
Draußen rann der Regen. Ab und zu schlug ein Zweig gegen das Fenster, denn die Windstöße, die sich in unregelmäßigen Abständen wiederholten, waren heftig.
Oliver Holtau fand keinen Schlaf. Seit Wochen war das schon so. Tagsüber konnte er sich durch intensive Arbeit von seinem Schmerz ablenken, doch in den Nächten quälte ihn die Erinnerung an Christas grausame Krankheit – an ihren Tod.
Sie war zu jung gewesen, um zu sterben, erst vierundzwanzig. Die Ärzte hatten gesagt, er müsse ihr das Ausruhen von ihren Schmerzen gönnen. Ihr Leiden sei unheilbar gewesen. Es habe keine Rettung für sie gegeben. Er aber sehnte sich nach seiner geliebten Frau. Auch Kathrin fragte immer wieder nach ihrer Mutti.
Oliver schaltete die Lampe am Bett ein und stand auf. Die Uhr zeigte auf zwei. Im Bademantel ging Oliver ins Wohnzimmer und setzte sich an seinen Schreibtisch. Einer Eingebung dieser nächtlichen Stunde folgend, wollte er endlich Christas persönliche Papiere durchsehen, die in einer ledernen Mappe verschlossen waren. Bisher hatte er sich dazu nicht aufraffen können. Jetzt fühlte er plötzlich den Wunsch, die letzte Botschaft seiner Frau kennenzulernen, sofern sich in den Papieren eine solche finden sollte.
Oliver nahm die Mappe aus der Schublade und öffnete das kleine Schloss. Den Schlüssel hatte Christa stets bei sich getragen. Nachdem er den Deckel der Mappe aufgeschlagen hatte, zögerte er. Es war unendlich schmerzlich, ihre saubere, klare Schrift zu lesen. Christa Holtau – Urkunden und persönliche Dokumente, hatte sie auf das erste Blatt geschrieben. Die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen. Er strich sich über die Stirn.
Die Leute redeten so viel. Das Leben geht weiter – das war eine Redensart, die er schon bis zum Überdruss gehört hatte. aber für ihn war alles stehen geblieben seit Christas Tod.
Im Hause hatte sich kaum etwas verändert. Christas Schwester war geblieben, Monika, so hieß Christas Schwester, hatte seinerzeit als Krankenschwester gekündigt und die Pflege von Christa übernommen. Auch um Kathrin hatte sie sich gekümmert – und sie tat dies bis zum heutigen Tage, rührend und aufopfernd. Moni führte den Haushalt und sorgte dafür, dass die kleine Kathrin das Lachen nicht verlernte. Es war gut und tröstlich, die blonde Moni um sich zu haben. Sie besaß eine starke Ähnlichkeit mit der Verstorbenen. Fast war es, als gehe Christa auch jetzt noch durch das Haus.
Keine Frage, Moni würde bis auf Weiteres bei ihm bleiben. Vielleicht tat sie es nicht sosehr um seinetwillen als wegen des Kindes. Kathrin hing mit abgöttischer Liebe an Moni. Schon während der Krankheit ihrer Mutter war Moni für sie unmerklich an deren Stelle gerückt. Christa und Moni flossen für Kathrin zu einer einzigen geliebten Gestalt zusammen. Oliver war dafür dankbar. So brauchte wenigstens sein Töchterchen nicht zu leiden.
Über die weitere Zukunft hatte Oliver sich bisher keine Gedanken gemacht. Ihm fehlte dazu die Kraft. Ein einziges Mal hatte Wulf Gerhardt, Architekt wie Oliver und sein Partner, angedeutet, dass er zu späterer Zeit wohl Moni heiraten würde, er aber hatte diese Möglichkeit weit von sich gewiesen.
Jetzt fiel Olivers Blick auf Christas Bild. Es war eine Aufnahme aus glücklichen, gesunden Tagen. Das Herz tat ihm weh. Wieder einmal bäumte er sich gegen das unbegreifliche Schicksal auf, das ihm die Frau und der kleinen Kathrin die Mutter entrissen hatte. Wie immer hatte Moni frische Blumen neben das Bild gestellt. Sie verbreiteten einen schwachen, süßen Duft.
Oliver seufzte und begann die Blätter in die Mappe zu sichten. Christa hatte ihre Schulzeugnisse aufbewahrt, Impfbescheinigungen, sowie alle sämtlichen Papiere. Auch fand Oliver einige, rührende Erinnerungsstücke, wie ihre Heiratsanzeige und auch die hübsche Karte, auf der sie Kathrins Geburt allen Verwandten und Freunden mitgeteilt hatten. Das war vor etwas mehr als vier Jahren gewesen. Wie hätten sie ahnen sollen, dass ihr schattenloses Glück nur so kurze Zeit währen sollte?
Oliver entdeckte auch einige Briefe, die er selbst an Christa geschrieben hatte. Viele waren es nicht, denn er und Christa waren kaum getrennt gewesen. Auf die bittere Frage, warum er Christa verlieren mußte, gab es keine Antwort.
Im untersten Fach der Mappe lag ein versiegelter Umschlag. Er war an Oliver adressiert. Für den Fall meines Todes stand darauf. Olivers Herz schlug rascher. Also hatte Christa ihm doch einen letzten Gruß hinterlassen. Hatte sie gewusst, dass sie sterben musste?
Mit der großen Schere auf seinem Schreibtisch schnitt Oliver den Umschlag auf. Zwei eng beschriebene Bogen fielen ihm in die Hand.
Mein über alles geliebter Oliver! Wenn Du diese Zeilen liest, bin ich nicht mehr bei Dir und Kathrin. Ich habe gestern gehört, wie der Professor mit unserem Doktor sprach. Die beiden glaubten wohl, dass ich schlafe. Nun weiß ich, dass ich nicht mehr lange zu leben habe. Schon seit einiger Zeit spüre ich, dass meine Kräfte nachlassen. Eigentlich ahnte ich es gleich zu Beginn der Krankheit, aber dann habe ich doch wieder gehofft.
Es soll also nicht sein, Oliver. Ich darf nicht bei Dir und Kathrin bleiben. Das große Glück unserer Liebe war nur eine geliehene Gabe. Ich möchte jedoch nicht von Euch gehen, ohne Dir zu gestehen, was mich in diesen Jahren bedrückt hat – meine Schuld. Wenn ich nicht mehr bei Euch bin, darf die Lüge nicht für alle Ewigkeit zwischen uns stehen. Es handelt sich um Kathrin.
Du wirst Dich erinnern, dass ich mich als siebzehnjährige Schülerin in den Geiger Jan Konstantin glühend verliebt hatte. Ich habe Dir ein paarmal davon erzählt. Er war damals schon ein Frauenheld und hat mich bitter enttäuscht, während ich seine Treueschwüre für bare Münze nahm. Als ich Dich kennen- und liebenlernte, mein Oliver, glaubte ich, dass Jan keine Macht mehr über mich hätte. Doch ich hatte mich getäuscht. Kurz vor unserer Hochzeit traf ich ihn zufällig wieder. Er bat mich um ein Wiedersehen, sprach davon, dass er mir bitteres Unrecht zugefügt habe. Noch einmal erlag ich seinem Charme. Ich vertraute ihm blind und war entschlossen, meine Verlobung mit Dir zu lösen. Jan Konstantin versprach mir die Ehe, doch er belog mich, als er das tat. Er wollte, was er immer gewollt hatte – eine Nacht voller Leidenschaft. Schon am nächsten Morgen erfuhr ich, dass er verheiratet war. Ich hörte ihn mit seiner Frau telefonieren, hörte, dass er zärtliche, liebevolle Worte zu ihr sagte, die eben noch mir selbst gegolten hatten. Es war ein schlimmes Erwachen. Nie werde ich diesen unseligen Morgen vergessen.
Ich floh zu Dir, um Dir alles zu gestehen. Du nahmst mich in die Arme und fragtest nicht, warum ich weinte. Plötzlich wusste ich, dass ich nur Dich wirklich liebte. Ich hatte entsetzliche Angst, Dich zu verlieren. So schwieg ich.
Schon am Hochzeitstag wusste ich, dass die Nacht mit Jan Konstantin nicht ohne Folgen geblieben war. Da ich Deine hohe Auffassung von Moral nur zu gut kannte, brachte ich nicht den Mut auf, dir die Wahrheit zu bekennen. So musstest Du Kathrin für Dein eigenes Töchterchen halten. Auch wurdest Du amtlich als ihr Vater eingetragen. Ich war froh darüber, denn ich wollte verhindern, dass jemals eine Verbindung zwischen meinem Kind und seinem gewissenlosen Vater entstand. Zugleich quälte es mich, dass ich Dich belogen hatte.
Ich kann und will diese Lüge nicht mit in die Ewigkeit nehmen. Du weißt nun, dass Kathrin das Kind des Geigers ist. Doch ich vertraue auf unsere Liebe und bin sicher, dass du Kathrin nicht verstoßen wirst. Sie braucht Dich, wenn sie keine Mutter mehr haben wird. Nie soll sie erfahren, wer ihr Vater ist. Darum bitte ich Dich von ganzem Herzen.
Mir bleibt nur, Dir für deine Liebe zu danken, Oliver. Jeder Tag an Deiner Seite war für mich erfüllt von Glück. Verzeih mir, dass ich zu schwach war, um mich Dir anzuvertrauen. Lass es Kathrin nicht entgelten. Das Kind ist ohne Schuld.
Oliver las nicht weiter. Sein Verstand weigerte sich, das Ungeheuerliche zu begreifen. Kathrin war das Kind eines anderen! Christa hatte ihn hintergangen und belogen – all die Jahre hindurch – jeden einzelnen Tag ihrer Ehe.
Jäh schlug sein Schmerz um die Verstorbene in Anklage um. Zu groß war der Schock. Ja, Christa hatte vor längerer Zeit einmal über den Geiger Jan Konstantin gesprochen und von ihrer jugendlichen Schwärmerei für ihn erzählt. Auch von ihrer Enttäuschung war die Rede gewesen. Sie hatte damals sehr harte Worte gebraucht. Offenbar hatte der berühmte Künstler ein gewissenloses Spiel mit der Siebzehnjährigen getrieben. Dass es jedoch kurz vor ihrer Hochzeit erneut eine Verbindung zwischen Konstantin und Christa gegeben hatte, war erschreckend.
In seiner Enttäuschung bedachte Oliver nicht, wie leicht es für Christa gewesen wäre, für immer zu schweigen. Sein Zorn ließ ihn nichts anderes sehen als die Tatsache, dass er hintergangen worden war. Er fühlte sich gedemütigt wie nie zuvor in seinem Leben.
Bisher war ihm alles nach Wunsch gegangen. Er hatte den Beruf seiner Wahl ergreifen und Architektur studieren können. Gemeinsam mit seinem Freund und Partner hatte er als freischaffender Architekt begonnen. Von Anfang an war ihnen Erfolg beschieden gewesen. Als er Christa kennengelernt hatte, war er bereits in der Lage gewesen, das schöne Einfamilienhaus zu bauen,