Ein Unglück kommt nicht immer allein: Dr. Laurin 155 – Arztroman
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Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
Der Himmel schien auch mit geplagten Chefärzten Mitleid zu haben, denn ein warmer Wind hatte alle Wolken fortgeblasen. Blau und klar war die Luft, und die Farben der Blumen leuchteten in den hellsten Tönen.
Es war ein Tag wie aus dem Bilderbuch, und es gab sehr viele Menschen, die in ihren Werkstätten, in den Werkshallen und Büros hockten und dann und wann einen sehnsüchtigen Blick zum Fenster hinauswarfen. Wenn das gute Wetter doch nur bis zum Wochenende anhalten würde, mochten sie wohl denken.
Dr. Leon Laurin, der angesehene Chefarzt der Prof.-Kayser-Klinik, ein gut aussehender, stattlicher und erfolgsgewohnter Mann, verspürte solche Sehnsucht nicht, denn an diesem Nachmittag fand ja keine Sprechstunde in der Klinik statt, und da es außerdem momentan keine dringenden Fälle gab, konnte er es sich sogar leisten, mal alle viere von sich zu strecken und die friedliche Stille zu genießen, die ihn umgab.
Er saß auf der Terrasse des hübschen Hauses, das die Laurins in einem waldreichen Münchener Vorort bewohnten, ließ sich von der Sonne wärmen und dachte an gar nichts. Er schaute der Hausamsel zu, wie sie über den Rasen lief und nach Regenwürmern suchte, er blickte einem Flugzeug nach, das soeben in Riem gestartet war und sich nun röhrend und donnernd immer höher in den blauen Himmel erhob, und er dachte, dass er mit seinem bisherigen Leben mehr als zufrieden sein konnte.
Dazu hatte er auch allen Grund.
Die Arbeit in der Prof.-Kayser-Klinik, die er von seinem Schwiegervater übernommen hatte, machte ihm, obwohl sie sehr anstrengend war, viel Freude. Er hatte
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Dr. Norden
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Buchvorschau
Ein Unglück kommt nicht immer allein - Patricia Vandenberg
Dr. Laurin
– 155 –
Ein Unglück kommt nicht immer allein
In der Prof.-Kayser-Klinik herrscht der Ausnahmezustand
Patricia Vandenberg
Der Himmel schien auch mit geplagten Chefärzten Mitleid zu haben, denn ein warmer Wind hatte alle Wolken fortgeblasen. Blau und klar war die Luft, und die Farben der Blumen leuchteten in den hellsten Tönen.
Es war ein Tag wie aus dem Bilderbuch, und es gab sehr viele Menschen, die in ihren Werkstätten, in den Werkshallen und Büros hockten und dann und wann einen sehnsüchtigen Blick zum Fenster hinauswarfen. Wenn das gute Wetter doch nur bis zum Wochenende anhalten würde, mochten sie wohl denken.
Dr. Leon Laurin, der angesehene Chefarzt der Prof.-Kayser-Klinik, ein gut aussehender, stattlicher und erfolgsgewohnter Mann, verspürte solche Sehnsucht nicht, denn an diesem Nachmittag fand ja keine Sprechstunde in der Klinik statt, und da es außerdem momentan keine dringenden Fälle gab, konnte er es sich sogar leisten, mal alle viere von sich zu strecken und die friedliche Stille zu genießen, die ihn umgab.
Er saß auf der Terrasse des hübschen Hauses, das die Laurins in einem waldreichen Münchener Vorort bewohnten, ließ sich von der Sonne wärmen und dachte an gar nichts. Er schaute der Hausamsel zu, wie sie über den Rasen lief und nach Regenwürmern suchte, er blickte einem Flugzeug nach, das soeben in Riem gestartet war und sich nun röhrend und donnernd immer höher in den blauen Himmel erhob, und er dachte, dass er mit seinem bisherigen Leben mehr als zufrieden sein konnte.
Dazu hatte er auch allen Grund.
Die Arbeit in der Prof.-Kayser-Klinik, die er von seinem Schwiegervater übernommen hatte, machte ihm, obwohl sie sehr anstrengend war, viel Freude. Er hatte eine Schar von tüchtigen Mitarbeitern um sich versammelt, und es war jeden Tag aufs Neue eine wahre Wohltat, mit ihnen arbeiten zu können.
Vor allem aber hatte Leon Laurin die beste Frau, die er sich nur wünschen konnte – Dr. Antonia Laurin, eine ehemalige Ärztin, die ihren Beruf an den Nagel gehängt hatte, nachdem sie mit Leon vor den Traualtar getreten war.
Antonia hatte diesen Schritt nie bereut, denn sie ging in ihrer Familie ganz auf, und außerdem gab es genug für sie zu tun.
Dass sie nur selten zur Ruhe kam, dafür sorgten schon ihre vier prächtigen Kinder.
Ja, dachte Dr. Laurin und stieß einen wohligen Seufzer aus, ich habe es gut angetroffen in meinem Leben. Ich habe eine Arbeit, die mich befriedigt, und ich habe eine Familie, in der ich ganz und gar aufgehen kann.
Ruhe herrschte im Haus.
Die Haushälterin Karin war mit der kleinen Kyra bei den Kaysers zum Kaffee eingeladen worden.
Antonia hatte auch eine Einladung zum Kaffee trinken bei einer langjährigen Bekannten. Nur schweren Herzens hatte sie sich entschlossen, dieser Einladung Folge zu leisten, weil sie ja wusste, dass Leon an diesem Nachmittag daheim sein würde.
»Geh nur, meine Liebe«, hatte Dr. Laurin aber gesagt. »Du kannst Frau Strohte nicht vor den Kopf stoßen, und mir tut es auch mal gut, wenn ich von euch nichts höre und nichts sehe und ungestört vor mich hinstieren kann.«
»Du schickst mich also weg?«, hatte Antonia gelächelt.
»Das tue ich nur, damit ich mich auf dein Heimkommen freuen kann«, antwortete Leon Laurin.
Kaja und Konstantin hockten in ihren Zimmern und waren mit den Hausaufgaben beschäftigt. Dabei hörten sie laute Rockmusik.
Dr. Laurin überlegte gerade, was die Familie wohl am kommenden Wochenende anfangen sollte, als er hörte, dass die Hausglocke anschlug.
Da weder Konstantin und Kaja reagierten, erhob sich der Arzt und ging ins Haus, um die Tür zu öffnen.
Jürgen Polmann stand draußen.
Jürgen war einer von Kajas und Konstantins Klassenkameraden, ein netter Junge, dessen Vater Direktor eines größeren Werkes war. Jürgen war rotblond und hatte eine Menge Sommersprossen im Gesicht.
»Guten Tag, Herr Doktor«, grüßte er wohlerzogen. »Ist vielleicht Konstantin zu sprechen?«
»Guten Tag, Jürgen, komm nur herein. Konstantin sitzt in seinem Zimmer. Du kennst ja den Weg.«
»Ja, kenne ich«, nickte der Junge.
Dr. Laurin schloss die Tür hinter ihm und ging auf die Terrasse zurück. Er ließ sich wieder auf seinem Gartensessel nieder, faltete die Hände über dem Bauch und schloss ein wenig die Augen.
Nach ungefähr einer knappen Stunde hörte er im Haus Türen klappen. An den Geräuschen und Stimmen erkannte er, dass Konstantin seinen Freund Jürgen zur Haustür begleitete. Jürgen ging also schon wieder.
Ein paar Augenblicke später trat Konstantin auf die Terrasse. Er strahlte über das ganze Gesicht.
»Wie geht es dir, Papi?«, fragte er in bester Laune.
»Danke der Nachfrage, ich kann nicht klagen.«
»Ich auch nicht«, äußerte der Junge. Er setzte sich neben den Vater. »Erinnerst du dich, dass wir übermorgen eine Mathearbeit schreiben?«
»Du hast es erwähnt.«
Konstantin machte eine großzügige, überlegen wirkende Handbewegung.
»Ich weiß schon jetzt, dass ich eine Eins bekommen werde«, verkündete er.
»Wieso denn das?«, wunderte sich der Vater. »Von dir sind wir doch höchstens eine Drei gewöhnt.«
»Diesmal breche ich alle Rekorde.«
»Das musst du mir mal näher erklären, mein Lieber. Hast du heute Nacht etwa auf deinem Mathematikbuch geschlafen?«
»Ich bin ja nicht blöd«, lachte Konstantin. »Ich habe ein viel besseres Mittel in der Hand.«
Dr. Laurin lächelte und winkte ab.
»Diese Scherze sind nicht mehr neu«, meinte er. »Du hast dir wahrscheinlich Spickzettel angefertigt, wie? Sie sind eine gute Hilfe, nur haben sie einen entscheidenden Fehler: Meistens hat man gar nicht darauf geschrieben, was man später während der Arbeit wirklich braucht.«
»Diesmal werde ich es wirklich brauchen, Papi.«
»Bist du so sicher?«
»Absolut.« Konstantin lachte. »Jürgen Polmann ist ein toller Hecht«, erklärte er.
»Wieso denn das?«
»Heute Vormittag hatten wir Mathematik«, erläuterte der Junge. »Zwischendurch ist der Hohlkörper zum Direktor gerufen worden.«
»Wer, bitte?«
»Der Hohlkörper.«
»Ich verstehe immer noch nicht.«
»Der Lehrkörper, der Lehrer«, grinste Konstantin.
Leon Laurin lachte. »Bei mir fällt der Groschen manchmal etwas spät«, erklärte er. »Also schön, ihr wart ein paar Minuten lang euch selbst überlassen. Und was weiter?«
»Jürgen Polmann hat es verstanden, einen Blick in die Tasche von unserem Lehrer zu werfen, die dieser neben seinem Pult hat stehen lassen. Da sah Jürgen ein Bündel mit Blättern, und weil Jürgen gleich etwas ahnte, hat er eins von diesen Blättern herausgezogen.«
Dr. Laurin nickte. »Jetzt verstehe ich alles«, meinte er. »Es handelt sich bei diesen Blättern um die Aufgaben für eure Klassenarbeit.«
»Genau so ist es«, triumphierte Konstantin. »Jürgen Polmann ist gleich nach dem Mittagessen zu einem Jungen gerast, der in der Unterprima sitzt und ein Mathegenie ist. Er hat sich von ihm die Aufgaben erklären und lösen lassen, und von dort ist er direkt zu mir gekommen. Jürgen und ich – wir haben die Klassenarbeit schon in der Tasche, Papi.«
»Fabelhaft! Auch dieser Trick ist nicht neu und könnte euch Strafe einbringen. Was ist mit Kaja? Habt ihr sie auch eingeweiht?«
»Nee«, grinste Konstantin.
»Warum nicht? Sie besucht dieselbe Klasse wie ihr und ist deine Schwester.«
»So was ist nichts für Mädchen«, behauptete Konstantin. »Die können nämlich nicht dichthalten und werden immerfort rot, so lange, bis es auffällt. Und außerdem kann sie Mathe ja sowieso viel besser als ich.«
»Trotzdem würde ich sie nicht ausschließen.«
Konstantin wollte etwas erwidern, aber da erhob sich plötzlich Kajas Stimme hinter ihren Rücken.
»Mich kann er ruhig ausschließen, Papi«, sagte sie nämlich, »denn ich habe wegen der Arbeit keine Sorgen.«
Die Köpfe des Vaters und des Sohnes ruckten herum. Kaja stand in der Tür zum großen Wohnzimmer und blickte sie befriedigt an. Es sah ganz so aus, als habe sie alles mit angehört.
Konstantin machte eine verlegene Bewegung.
»Wenn du es schon weißt«, murmelte er, »kann ich dir das Zeug ja auch geben.«
»Vielen Dank«, erwiderte Kaja schnippisch. »Denn ich bin ja ein Mädchen und kann nicht dichthalten. Außerdem möchte ich mir keine Sechs einhandeln.«
»Wieso denn eine Sechs?«, fragte Konstantin verblüfft.
»Glaubst du vielleicht, unser Mathehohlkörper ist auf den Kopf gefallen?«, fragte sie. »Wenn mathematische Schwachköpfe, wie du und Jürgen Polmann es seid, auf einmal eine fehlerlose Arbeit auf den Tisch legen,