Schönes Märchen – oder Albtraum?: Dr. Norden 109 – Arztroman
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Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
»Sind die anderen Passagiere schon an Bord?«, erkundigte sich Dr. Daniel Norden bei dem Mann, der ihn, seine Frau Felicitas und die Zwillinge Dési und Jan über das Rollfeld geleitete. Der Horizont flimmerte, das fahle Blau des Himmels vermischte sich mit dem schmutzigen Gelb der Wüste. Die Luft brannte vor Hitze und machte der Familie das Atmen schwer. »Es gibt keine anderen Passagiere, Herr Doktor«, erklärte der Mann freundlich lächelnd. »Sie sind unsere einzigen Fluggäste.« Trotz der Hitze rann ein eisiger Schauer über Fees Rücken. Wieder dachte sie an die beiden Männer, die erst vor einigen Tagen überraschend vor ihrer Haustür aufgetaucht waren, um die Hilfe des über die Landesgrenzen hinaus bekannten Arztes Dr. Norden zu bitten. Der einzige Sohn des Scheichs Ahmed, Prinz Hasher, litt an einer geheimnisvollen Krankheit, die kein Arzt bisher zu heilen oder wenigstens zu lindern vermocht hatte. Die große Hoffnung des Scheichs ruhte nun auf Daniel. Selbstverständlich hatte Felicitas keine Sekunde gezögert und sich bereit erklärt, ihren Mann auf die Reise in den unbekannten Orient zu begleiten. Zwei ihrer fünf Kinder, die Zwillinge Janni und Dési, begleiteten sie. »Ein schönes Flugzeug«, lobte Daniel in die Gedanken seiner Frau hinein. Inzwischen freute er sich auf das Abenteuer, auf das exotische Land mit den fremden Bräuchen und Sitten, auf die unbekannten Menschen und ihre Lebensart. »Der Traum eines jeden Mannes!«, erwiderte der Mann und lächelte Janni zu, der aufgeregt von einem Fuß auf den anderen hüpfte.
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Familie Dr. Norden
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Buchvorschau
Schönes Märchen – oder Albtraum? - Patricia Vandenberg
Dr. Norden
– 109 –
Schönes Märchen – oder Albtraum?
Patricia Vandenberg
»Sind die anderen Passagiere schon an Bord?«, erkundigte sich Dr. Daniel Norden bei dem Mann, der ihn, seine Frau Felicitas und die Zwillinge Dési und Jan über das Rollfeld geleitete.
Der Horizont flimmerte, das fahle Blau des Himmels vermischte sich mit dem schmutzigen Gelb der Wüste. Die Luft brannte vor Hitze und machte der Familie das Atmen schwer.
»Es gibt keine anderen Passagiere, Herr Doktor«, erklärte der Mann freundlich lächelnd. »Sie sind unsere einzigen Fluggäste.«
Trotz der Hitze rann ein eisiger Schauer über Fees Rücken. Wieder dachte sie an die beiden Männer, die erst vor einigen Tagen überraschend vor ihrer Haustür aufgetaucht waren, um die Hilfe des über die Landesgrenzen hinaus bekannten Arztes Dr. Norden zu bitten. Der einzige Sohn des Scheichs Ahmed, Prinz Hasher, litt an einer geheimnisvollen Krankheit, die kein Arzt bisher zu heilen oder wenigstens zu lindern vermocht hatte. Die große Hoffnung des Scheichs ruhte nun auf Daniel. Selbstverständlich hatte Felicitas keine Sekunde gezögert und sich bereit erklärt, ihren Mann auf die Reise in den unbekannten Orient zu begleiten. Zwei ihrer fünf Kinder, die Zwillinge Janni und Dési, begleiteten sie.
»Ein schönes Flugzeug«, lobte Daniel in die Gedanken seiner Frau hinein. Inzwischen freute er sich auf das Abenteuer, auf das exotische Land mit den fremden Bräuchen und Sitten, auf die unbekannten Menschen und ihre Lebensart.
»Der Traum eines jeden Mannes!«, erwiderte der Mann und lächelte Janni zu, der aufgeregt von einem Fuß auf den anderen hüpfte. »Ich wünsche Ihnen einen guten Flug.« Er sah dabei zu, wie die Familie die Gangway hinaufstieg und im Inneren des Jets verschwand.
»Wo sollen wir uns hinsetzen?«, fragte Dési und sah sich mit glänzenden Augen im Inneren des Luxusflugzeugs um, das wie ein Wohnzimmer aussah.
Bequeme, breite Zweier-Ledersessel mit Tischen dazwischen luden zum Verweilen ein.
Die Familie hatte sich kaum gesetzt und sich unter den kritischen Blicken eines Flugbegleiters angeschnallt, als der Pilot auch schon die Motoren anließ und die Maschine zum Start rollte.
»Die anderen haben jetzt Schule!« Janni drückte sich zufrieden in die weichen Polster.
»Außerdem ist es daheim eiskalt«, fügte Dési grinsend hinzu und drückte die Stupsnase am Fenster platt. »Die anderen müssen ganz schön frieren.«
Als der Jet beschleunigte und mühelos vom Boden abhob, kribbelte es in ihrem Magen. Beim Anblick des Wolkenmeeres unter dem gleißend blauen Himmel, das sich vor ihren Augen ausbreitete, vergaß Désirée dieses Gefühl jedoch schnell und starrte gebannt nach draußen.
»Frieren und lernen«, kicherte Janni vergnügt.
»Aber ihr dürft nicht glauben, dass ihr nicht zur Schule gehen müsst«, mischte sich Fee in die Unterhaltung ihrer jüngsten Sprösslinge ein. »Dieser Abdul hat uns versprochen, dass ihr auf jeden Fall Unterricht bekommen werdet«, erinnerte sie sich an das Versprechen des Mannes, den der Scheich geschickt hatte. »Schließlich weiß kein Mensch, wie lange wir im Reich von Scheich Ahmed bleiben werden.«
»Ich frage mich nur, wer die beiden unterrichten soll«, erwiderte Daniel nachdenklich. »So weit ich weiß, gibt es im Sultanat keine deutsche Schule.«
Fee schickte ihrem Mann einen besorgten Blick. Die Bildung ihrer Kinder lag ihr sehr am Herzen, und der Unterricht der beiden war eine ihrer Bedingungen gewesen, dass die Zwillinge mitkommen konnten.
»Es gibt doch sicher eine Internationale Schule dort. Das wäre mir sogar lieber, weil der Unterricht an solchen Schulen auf Englisch stattfindet«, dachte Fee laut nach und griff nach seiner Hand.
Beide ahnten, dass sie sich auf ein echtes Abenteuer eingelassen hatten. Doch sie hatten keine Wahl gehabt. Wen der Sultan einmal im Visier hatte, den ließ er nicht mehr so einfach gehen. Das war auch der Grund, warum sie seiner Bitte um Hilfe schließlich gefolgt waren.
Schweigend saß das Ehepaar Seite an Seite nebeneinander, erschöpft von der langen Reise. Fee hatte die Augen geschlossen, als der Steward nach überraschend kurzem Flug aus seiner Kabine und auf die Fluggäste zutrat.
»Würden Sie sich bitte anschnallen?«, bat er höflich lächelnd. »Wir beginnen jetzt mit dem Landeanflug.«
*
Als Dr. Nordens Assistentin Wendy den Blindenstock sah, der sich durch die Praxistür schob, sprang sie sofort vom Stuhl auf und eilte, um der Patientin die Tür zu öffnen.
»Vielen Dank, das ist sehr freundlich von Ihnen«, lächelte die junge Frau mit den braunen halblangen Haaren und der dunklen Sonnenbrille im aparten Gesicht. An ihren beiden Knien klaffte die Jeans auseinander. Ein großer Fleck färbte den hellen Stoff dunkel und glänzte feucht.
Wendy starrte entsetzt darauf.
»Du liebe Zeit, Frau Bohde, das sieht ja furchtbar aus!«, entfuhr es ihr. Fürsorglich nahm sie die blinde junge Frau am Arm und führte sie zu einem Stuhl vor dem Wartezimmer. »Bitte nehmen Sie Platz. Ich sage dem jungen Doktor sofort Bescheid.«
»Junger Doktor?«, lächelte Tatjana und tastete vorsichtig nach der Sitzfläche, ehe sie sich niederließ. »Ich hab Dr. Norden ja noch nie gesehen. Aber ehrlich gesagt macht er keinen so jugendlichen Eindruck auf mich«, bemerkte sie keck.
Wendy lachte erleichtert. Wenn Tatjana der Schalk noch im Nacken saß, konnte ihre Verletzung nicht so schlimm sein, wie sie aussah.
»Dr. Norden ist auf unbestimmte Zeit verreist. Sein Sohn hat die Praxisvertretung gemeinsam mit einem anderen Arzt übernommen. Heute ist Danny Norden da«, erklärte Wendy bereitwillig.
»Ich wusste gar nicht, dass der Sohn von Dr. Norden auch Arzt ist.«
»Im Augenblick befindet er sich im Praxisjahr und hat aufgrund der besonderen Situation eine Sondererlaubnis für die Ausübung des ärztlichen Berufs erhalten.« Wendy wusste nicht, dass der Scheich seine Hände in dieser Angelegenheit maßgeblich im Spiel hatte.
»Interessant«, erwiderte Tatjana und hob den Kopf, als sie hörte, wie eine Tür am Ende des Gangs geöffnet wurde. »Ah, da kommt er ja schon«, stellte sie fest, und Wendy lächelte.
Immer wieder war sie von dieser blinden jungen Frau überrascht, die mit so vielen anderen Fähigkeiten ausgestattet war, dass die Sehbehinderung offenbar kein Handicap für sie darstellte.
»Danny, komm schnell. Frau Bohde hat sich verletzt«, rief sie ihrem jungen Chef zu.
Schnell entschuldigte und verabschiedete sich Danny Norden von seinem Patienten – dem letzten des Vormittags – und eilte zu Tatjana, die er an diesem Tag zum ersten Mal zu Gesicht bekam. Mit einem Blick erfasste er die Situation, sah den Blindenstock, der neben ihr an der Wand lehnte, die klaffenden Wunden an beiden Knien.
»Herrje, das sieht ja schlimm aus!«, entfuhr es ihm. Er war noch jung, und es fehlte ihm sichtlich an der Gelassenheit seines Vaters.
»Halb so wild.« Tatjana nahm ihm seine Unerfahrenheit nicht übel.
»Können Sie noch laufen? Oder soll ich Sie hier auf dem Stuhl behandeln?«, fragte Danny besorgt und sah sie unverwandt an. Er wusste, dass sich das nicht schickte, konnte aber genauso wenig den Blick von ihr wenden.