Die blinde Zeugin: Gaslicht 58
Von Barbara Branch
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Über dieses E-Book
»Nein!«, schrie Vivian gellend. »Hier hört Sie doch niemand«, lachte der Mann, und es klang so schaurig, dass Vivian beide Hände an die Ohren presste. Sie fühlte, dass jeder Widerstand sinnlos geworden war. »Was haben Sie mit Karen gemacht?«, fragte sie tonlos. »Karen? Sie ist mir weggelaufen. Ich weiß nicht, wo sie steckt.« »Aber sie weiß alles.« »Nein, sie weiß nichts. Einen anderen Zeugen als Sie gibt es nicht.« Er packte sie ganz fest am Arm und zog sie zu sich herüber. Vivian spürte ein Tuch um ihren Hals und dachte, er wolle sie erdrosseln. Sie wehrte sich nicht. Sie war vor Angst wie gelähmt – und gegen einen starken Mann würde sie ja ohnehin nicht ankommen ... »Eine schöne Aussicht«, stellte Edward Gardner fest und sah über die steil abfallenden Klippen hinab auf das blaue, jetzt nur leicht bewegte Meer. »Aber ich verstehe nicht, dass du hier bauen willst.
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Buchvorschau
Die blinde Zeugin - Barbara Branch
Gaslicht
– 58 –
Die blinde Zeugin
Unveröffentlichter Roman
Barbara Branch
»Nein!«, schrie Vivian gellend. »Hier hört Sie doch niemand«, lachte der Mann, und es klang so schaurig, dass Vivian beide Hände an die Ohren presste. Sie fühlte, dass jeder Widerstand sinnlos geworden war. »Was haben Sie mit Karen gemacht?«, fragte sie tonlos. »Karen? Sie ist mir weggelaufen. Ich weiß nicht, wo sie steckt.« »Aber sie weiß alles.« »Nein, sie weiß nichts. Einen anderen Zeugen als Sie gibt es nicht.« Er packte sie ganz fest am Arm und zog sie zu sich herüber. Vivian spürte ein Tuch um ihren Hals und dachte, er wolle sie erdrosseln. Sie wehrte sich nicht. Sie war vor Angst wie gelähmt – und gegen einen starken Mann würde sie ja ohnehin nicht ankommen ...
»Eine schöne Aussicht«, stellte Edward Gardner fest und sah über die steil abfallenden Klippen hinab auf das blaue, jetzt nur leicht bewegte Meer. »Aber ich verstehe nicht, dass du hier bauen willst. Das liegt doch viel zu weit ab. Diese Häuser würde niemand kaufen.«
»Eigentlich wollte ich ja mit dir auch nur noch einmal in aller Ruhe sprechen«, erwiderte Paul Jennings. »Kannst du nicht alles vergessen und die Anzeige zurückziehen?«
»Nein, und das weißt du ganz genau«, erwiderte der Freund hart.
»Ja …, dann …«
Paul trat wie zufällig neben den Kollegen und ehemaligen Partner. Plötzlich gab er ihm einen Stoß. Edward Gardner stürzte mit einem gurgelnden Schrei in die Tiefe.
Zufrieden drehte sich Paul Jennings um. Da sah er etwa fünfzig Meter weiter oben auf einer Wiese ein junges Mädchen sitzen!
Ein eisiger Schock durchzuckte ihn! Das Mädchen musste alles gesehen haben! Die Fremde schaute genau zu ihm herüber …
Vor Angst war Paul Jennings wie gelähmt. Es dauerte eine Weile, ehe er sich hinter einen Felsblock kauerte.
Aber natürlich war es dafür viel zu spät! Die Fremde hatte ihn beobachtet. Sie musste bemerkt haben, dass Edward nicht zufällig gestolpert und gefallen war.
Was nun? Was sollte er tun?
Er hatte geglaubt, einen perfekten Mord geplant zu haben. Seit einer halben Stunde war ihnen kein Mensch in dieser Einsamkeit begegnet.
Wie kam das Mädchen hierher?
Aber für solche Überlegungen hatte er keine Zeit mehr! Er musste handeln und zwar schnell. Es tat ihm leid, auch eine unschuldige Fremde töten zu müssen. Aber es ging nicht anders. Sie musste wie Edward sterben.
Vielleicht war es sogar vorteilhaft, wenn man später zwei Leichen fand. Ein heimliches Stelldichein würde Edwards Aufenthalt an dieser einsamen Küste auch besser erklären …
Paul Jennings richtete sich auf und ging auf die Fremde zu, die noch immer völlig reglos dasaß und zu ihm heruntersah, als sei er auch nur ein Stück der grandiosen Landschaft.
Er wusste noch nicht, was er ihr sagen würde, oder was er tun sollte. Sie sah sehr jung und zart aus. Im schlimmsten Falle würde er Gewalt anwenden müssen …
In diesem Augenblick hörte er die Männerstimme!
Er konnte niemanden sehen und verstand nicht, was man rief. Aber das junge Mädchen drehte sich um und antwortete etwas. Genau konnte er es auch nicht verstehen, aber es klang für ihn so ähnlich wie: »Charles? Ja, ich komme gleich!«
Während sich Paul Jennings hinter einen Ginsterstrauch duckte, stand die Fremde oben auf dem Hügel auf. Nach ein paar Sekunden verschwand sie aus seinem Blickfeld.
Er hockte zitternd hinter dem Ginsterbusch und fühlte sich so elend wie noch nie in seinem Leben.
Fetzen eines Gesprächs drangen an sein Ohr. Aber er verstand kein Wort. Er hörte nur verschwommen die Stimmen durch den heftigen Wind.
Jeden Moment erwartete er, die Fremde und der unbekannte Mann könnten zurückkommen, und er hatte entsetzliche Angst. Mit einem jungen Mädchen wäre er fertig geworden. Aber zwei Menschen, und dazu offenbar noch ein Mann …, das war zu viel!
Während er schweißgebadet in der dürftigen Deckung des Ginsters hockte, gingen ihm die schrecklichsten Gedanken durch den Kopf. Man würde ihn des Mordes beschuldigen!
Dann hörte er irgendwo den Motor eines Wagens aufheulen – und danach nichts mehr!
Erst nach einer halben Stunde, die ihm vorgekommen war wie eine Ewigkeit, stand er mit weichen Knien auf und entfernte sich in die andere Richtung.
Er musste weg! Möglichst schnell! Es konnte nicht mehr lange dauern, bis es hier von Polizisten wimmelte!
Die einzige Erklärung für ihn war, dass das Mädchen und der Mann sich nicht allein mit ihm einlassen und Verstärkung holen wollten.
Paul Jennings war froh, dass er wenigstens seinen Wagen so hinter einem Felsenvorsprung geparkt hatte, dass ihn wohl niemand gesehen hatte!
Aber er war sich der Tatsache bewusst, dass das Mädchen ihn beobachtet hatte. Und er verfluchte sich selbst, dass er ausgerechnet heute das leuchtend blaue Hemd angezogen hatte. Sein dunkles Haar und der kleine Backenbart waren wohl auch so, dass sie sich schnell einprägten!
Er war ein Idiot – und kein perfekter Verbrecher, wie er gestern noch stolz geglaubt hatte!
Aber gestern war er wenigstens nur ein Betrüger gewesen – heute war er auch noch ein Mörder.
Während er, immer noch halb geduckt, um nicht gesehen zu werden, zu seinem Wagen schlich, gingen ihm die schrecklichsten Gedanken durch den Kopf. Und sie kreisten fast alle um dieses junge, zierliche Mädchen mit dem blonden langen Haar.
Erst als er schon ein paar Kilometer von den Klippen entfernt war, atmete Paul Jennings auf und fühlte sich einigermaßen in Sicherheit.
Den furchtbaren Augenblick, als ihm ein Polizeifahrzeug mit Blaulicht und Sirene entgegengekommen war, hatte er auch am Abend noch nicht vergessen, als er sich wieder in der Sicherheit seiner Londoner Wohnung befand.
Erst als er nach einer halben Flasche Whisky endlich zu Bett gehen wollte, dachte er wieder an die Pläne …
Bei seiner überstürzten Flucht hatte er die gefälschten Grundstückspläne vergessen! Und sie trugen die volle Anschrift seiner Firma!
Er musste noch einmal nach Linfolk zurück!
*
In der Villa Virginia, die einsam zwischen den Klippen und dem einzigen Wäldchen stand, das es hier weit und breit gab, saß man beim Abendessen.
Sir Ernest Stanford hielt darauf, dass sich die Familie wenigstens einmal am Tag am Tisch versammelte.
Das war auch ganz im Sinne seiner alten Tante, die seit dem Tod von Lady Stanford den Haushalt leitete. Seinen beiden Töchtern Vivian und Karen kam es nicht so wichtig vor. Und der Nachkömmling Patrick mit seinen zehn Jahren empfand diese Mahlzeiten sowieso als lästig.
»Würdest du mir bitte den Salat reichen?«, bat Vivian mit ihrer melodischen Stimme. Dabei hielt sie die Hände unsicher etwas vorgestreckt.
Vivian war von Geburt an blind, aber ein unbefangener Beobachter der Tischszene hätte es wahrscheinlich kaum bemerkt. Sie hantierte genauso geschickt wie die anderen mit Messer und Gabel und legte sich auch selbst vor.
»Soll ich dir das Fleisch schneiden?«, fragte Tante Anne. Sie hatte sich noch immer nicht daran gewöhnen können, dass die Großnichte diese freundliche Fürsorge eher als Belastung empfand, sie meinte es gut und konnte manchmal nicht verstehen, dass die anderen Vivian nicht mehr beschützen wollten.
»Nein!«, antwortete denn auch Karen hastig, die nicht gemeint gewesen war. Aber sie hatte den Schatten auf dem Gesicht der Schwester gesehen. »So zäh ist ja nun das Fleisch bestimmt nicht, dass wir das große Tranchiermesser benutzen müssen.«
»Ich dachte ja auch …«, begann die alte Dame.
»Lass doch die Vivian in Ruhe!«, sagte Patrick. »Die schneidet doch besser als du mit deinen zittrigen Händen.«
»Patrick!«, tadelte ihn der Vater scharf.
»Na, wenn’s doch wahr ist!«, maulte der Junge. »Vivian will ja gar nicht, dass man ihr hilft. Heute ist sie sogar allein spazieren gegangen.«
»Aber das solltest du nun wirklich nicht tun«, meinte auch Sir Ernest mit leichtem Vorwurf. »Ich hätte dich begleitet. Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt?«
»Weil ich dich nicht stören wollte, Vater. Ich weiß doch, wenn du bei deiner Arbeit sitzt, denkst du doch nur noch an deine alten Griechen und weißt nicht einmal, dass du in Cornwall lebst.«
Der alte Herr lächelte. Aber Lady Anne fragte erschrocken: »Du warst doch nicht etwa wieder oben an den Klippen?«
»Ganz vorn natürlich nicht«, sagte Vivian verträumt. »Aber bei den Zwillingsfelsen. Man hört da das Meer so schön rauschen.«
»Das ist viel zu weit für dich!«, rief die Tante.
»Ich kenne hier doch Weg und Steg, Tante Anne. Aber ich bin gar nicht allein