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Kinderaugen voller Leid: Mami 2077 – Familienroman
Kinderaugen voller Leid: Mami 2077 – Familienroman
Kinderaugen voller Leid: Mami 2077 – Familienroman
eBook124 Seiten1 Stunde

Kinderaugen voller Leid: Mami 2077 – Familienroman

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Über dieses E-Book

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami.

Zügig und fast geräuschlos rollte ein unauffälliger grauer Wagen mit amerikanischer Zollnummer über die Hügel des Tessin der italienischen Grenze zu. Selten begegnete dem grauen Wagen ein anderer. Es war gegen Mitternacht, und auch in den wenigen, an der Straße liegenden Häusern waren die Lichter schon erloschen. Nervös zündete sich die Fahrerin des Wagens eine Zigarette an. Der Glühkopf des Anzünders beleuchtete ein schmales blasses Gesicht unter üppig schwarzem Haar. Die überdimensionale, leicht getönte Brille ließ die Augen nicht erkennen, die sich jetzt wieder konzentriert auf die schmale Straße richteten. In Fornasette kurbelte die Dame das Fenster herunter und blieb an der Zollschranke stehen. Müde nahm der Grenzbeamte die Papiere, ohne sie näher anzusehen. Er hatte zehn Stunden Dienst hinter sich, und das reichte ihm für heute. »Nichts zu verzollen, Miß?« fragte er dann in gebrochenem Englisch, da die Dame ihm einen amerikanischen Paß vorgewiesen hatte. »Nein, nur Reisegepäck«, sagte sie ebenso kurz und lächelte ihm zu. »Soll ich den Gepäckraum öffnen?« Ihre dunkle Stimme zitterte ein wenig bei dieser Frage, und sie atmete unhörbar auf, als der Grenzer abwinkte. »Nicht nötig, Miß. Gute Fahrt!« Er hatte wirklich keine Lust, sich jetzt mit den Koffern einer verrückten Amerikanerin abzugeben, in denen doch nur lauter unnötiges Zeug war. Sie sah nicht aus, als würde sie eine Ladung Zigaretten schmuggeln, was hier zwischen der Schweiz und Italien stets wieder vorkam. Die dunkelhaarige junge Frau startete, doch der Wagen sprang nicht an.
SpracheDeutsch
HerausgeberKelter Media
Erscheinungsdatum20. Juni 2023
ISBN9783987579363
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    Buchvorschau

    Kinderaugen voller Leid - Christiane von Torris

    Mami

    – 2077 –

    Kinderaugen voller Leid

    Wie kann Annagele das Lachen wieder lernen?

    Christiane von Torris

    Zügig und fast geräuschlos rollte ein unauffälliger grauer Wagen mit amerikanischer Zollnummer über die Hügel des Tessin der italienischen Grenze zu.

    Selten begegnete dem grauen Wagen ein anderer. Es war gegen Mitternacht, und auch in den wenigen, an der Straße liegenden Häusern waren die Lichter schon erloschen.

    Nervös zündete sich die Fahrerin des Wagens eine Zigarette an. Der Glühkopf des Anzünders beleuchtete ein schmales blasses Gesicht unter üppig schwarzem Haar. Die überdimensionale, leicht getönte Brille ließ die Augen nicht erkennen, die sich jetzt wieder konzentriert auf die schmale Straße richteten.

    In Fornasette kurbelte die Dame das Fenster herunter und blieb an der Zollschranke stehen. Müde nahm der Grenzbeamte die Papiere, ohne sie näher anzusehen. Er hatte zehn Stunden Dienst hinter sich, und das reichte ihm für heute.

    »Nichts zu verzollen, Miß?« fragte er dann in gebrochenem Englisch, da die Dame ihm einen amerikanischen Paß vorgewiesen hatte.

    »Nein, nur Reisegepäck«, sagte sie ebenso kurz und lächelte ihm zu. »Soll ich den Gepäckraum öffnen?« Ihre dunkle Stimme zitterte ein wenig bei dieser Frage, und sie atmete unhörbar auf, als der Grenzer abwinkte.

    »Nicht nötig, Miß. Gute Fahrt!«

    Er hatte wirklich keine Lust, sich jetzt mit den Koffern einer verrückten Amerikanerin abzugeben, in denen doch nur lauter unnötiges Zeug war. Sie sah nicht aus, als würde sie eine Ladung Zigaretten schmuggeln, was hier zwischen der Schweiz und Italien stets wieder vorkam.

    Die dunkelhaarige junge Frau startete, doch der Wagen sprang nicht an.

    Der Grenzer bemerkte, wie die Dame nervös die Lippen zusammenpreßte. Auch das leichte Zittern ihrer Hände am Steuer entging ihm nicht.

    »Haben Sie es denn so eilig?« fragte er, jetzt ein wenig mißtrauisch geworden.

    »Aber ganz und gar nicht«, versicherte die Dame, »ich kann ebensogut auch wieder umkehren. Ich wollte nur einmal diese herrliche Nachtstimmung auf mich einwirken lassen und ein Stück spazierenfahren.«

    Also doch eine verrückte Amerikanerin, die da mitten in einer so unwirklichen Nacht mutterseelenallein spazierenfährt, stellte der Grenzer fest.

    »Würden Sie wohl so nett sein und ein bißchen schieben, während ich den zweiten Gang einlege, damit das Ding wieder anspringt?«

    »Gern«, entgegnete er und stemmte sich schon mit beiden Händen gegen den Kofferraumdeckel. Da kam es ihm vor, als höre er einen leisen Ton. Einen zitternden Wimmerton, wie ihn junge Kätzchen oft jaulend ausstoßen oder kleine Kinder, die unruhig träumen.

    Aber noch ehe er sich Gedanken darüber machen konnte, was das wohl war, sprang der Wagen an, und mit einem kurzen Winken fuhr die Amerikanerin aus dem hellen Lichtkegel der Grenzstation weiter in die dunkle Nacht.

    Sie zwang sich, langsam zu fahren, um kein Aufsehen zu erregen.

    Nach etwa einem halben Kilometer lenkte sie den Wagen in einen schmalen Waldweg. Sie löschte die Scheinwerfer und blieb eine Minute in sich versunken sitzen, bevor sie ausstieg. Sie öffnete den Kofferraum und holte vorsichtig einen großen, halb geöffneten Karton heraus.

    Sanft und rosig lag da ein Baby, warm in weiche rosé Stricksachen gekleidet und mit einer feinen seidigen Daunendecke zugedeckt. Friedlich schlief es in seinem Körbchen, das in dem Karton stand. Ein winziges Fingerchen hatte es in den kleinen Mund geschoben. Tiefdunkel lagen dichte, geschwungene Wimpern wie kleine schattige Halbmonde auf den Wangen.

    »Gott sei Dank, es schläft! Soweit wäre alles überstanden«, murmelte die junge Frau vor sich hin. Dann nahm sie den Karton und stellte ihn auf den Rücksitz des Wagens.

    Nun würde niemand mehr kontrollieren, was sie da nachts über die Grenze befördert hatte. Es war ihr doch etwas mulmig zumute gewesen, daß das Baby eine Weile im Kofferraum hatte eingesperrt sein müssen.

    *

    Pünktlich um ein Uhr, wie verabredet, traf die junge Frau in Luino ein. Sie stellte ihren Wagen mitten auf dem Parkplatz neben dem Markt ab, nahm den Karton und stieg in einen großen, eleganten Straßenkreuzer um, der auf der anderen Seite mit abgeblendetem Licht parkte.

    »Da bist du ja, Glori«, sagte ihre Freundin, die Gräfin Sofija, die am Steuer des Wagens saß. »Wirklich unkenntlich mit der Perücke und der Brille! Hat alles geklappt?«

    »Tadellos, Sofija«, antwortete die dunkelhaarige Frau, nahm den Karton und stellte ihn wieder auf den Rücksitz. »Du hast alles gut vorbereitet. Den Wagen mit der Zollnummer, den falschen Paß...« Sie konnte nicht weiterreden, irgend etwas würgte sie im Hals.

    »Glori!« rief die Gräfin scharf. »Ich habe dich eindringlich gefragt, was du eigentlich willst! Ich habe dich immer wieder gewarnt und dir vorgehalten, daß dieser Schritt ein schwerer sein wird. Du hast mir versichert, daß nichts im Leben dir so viel bedeutet wie deine Karriere als Tänzerin. Du kannst es dir noch einmal überlegen, zum letztenmal: Willst du die Mutterrolle spielen oder deine Lebensaufgabe erfüllen?«

    Gloria del Monte, die Primaballerina, verschlang die feingliedrigen Hände ineinander.

    »Sofija, ich war nur etwas nervös. Diese ganze Maskerade, das Versteckspiel der letzten zehn Monate, alle Lügen und jetzt die Fahrt über die Grenze – meine Nerven sind eben etwas angegriffen.«

    Sie machte eine Pause, fuhr sich verstohlen über die feucht gewordenen Augen und warf dann den Kopf in den Nacken.

    »Aber ich habe von Anfang an gewußt, was ich will. Die Welt soll mir zu Füßen liegen, ich will die berühmteste Tänzerin aller Zeiten werden, ich will Millionärin werden, unabhängig von allem, von meinem verschrobenen Vater, allen Konventionen, ich will frei sein. Sofija, frei!«

    Die letzten Worte schrie sie beinahe heraus.

    »Sei still, du weckst das Baby! Wir können keine Scherereien brauchen!« erklärte die Gräfin barsch. »Jetzt sprechen wir nicht mehr davon. Abgemacht ist abgemacht. Wer A sagt, darf sich vor dem B nicht drücken. Hätte ich auch nur einen Moment lang angenommen, daß du dem Kind eine gute Mutter sein würdest, Glori, dann hätte ich dir diese Möglichkeit hier erst gar nicht angeboten. Aber ich glaube, dort, wo wir es hinbringen, wird es besser versorgt und aufgehoben sein als bei dir, die du ja selbst noch nicht so ganz richtig im Leben Bescheid weißt.«

    Sofija legte ihre schmale, knochige Hand auf Glorias Schulter.

    »Also, bist du bereit?«

    In diesem Augenblick drang ein schmatzendes Geräusch aus dem Karton, das Kindchen rekelte sich wohlig im Schlaf, ein süßer Seufzer folgte.

    Gloria del Monte wurde sich bewußt, daß es ihr Kind war, das da in dem Karton lag und nichtsahnend seinem Schicksal ausgeliefert wurde. Aber nichts regte sich in ihr.

    »Ja, Sofija, ich bin bereit«, sagte sie.

    Die Gräfin startete den Wagen, und schweigend fuhren die beiden Frauen die gewundene Küstenstraße des Lago Maggiore entlang bis Arolo. Von dort, der schmalsten unteren Stelle des großen Sees, wollten sie ans andere Ufer übersetzen.

    Cipollo, ein alter Fischer, der schon lange in Diensten der Gräfin Sofija stand, wartete mit seinem Boot an der Anlegestelle.

    In der Nähe von Stresa setzte er die beiden Damen an Land.

    Sofija schlug, solange Cipollo sie sehen konnte, den Weg in eine andere Richtung ein. Vorsicht war geboten.

    Die alte, aber ungeheuer rüstige und zähe Dame lief die steilen Hügel hinauf wie ein junges Mädchen. Schweigend folgte ihr Gloria.

    Bei einer Bank am Waldesrand blieb Sofija stehen. Sanft legte sie ihre Hand auf Glorias Arm und gab ihr den Karton.

    »Diese letzte Strecke mußt du allein gehen. Du sollst dir dabei alles noch einmal überlegen. Du kannst immer noch anders entscheiden; denn die letzte Entscheidung kann dir niemand abnehmen. Bis hierher konnte ich dir helfen und alles arrangieren, aber den letzten Schritt mußt du allein tun und allein verantworten. Für ein ganzes Leben. Ein Zurück gibt es dann nicht mehr.«

    Gloria del Monte nickte, sprechen konnte sie nicht. Ihr Hals war wie zugeschnürt.

    Dann nahm sie den Karton auf und ging festen Schrittes weiter.

    *

    Eilig segeln dunkle Wolken am Himmel, der dünne Mond hat keine Kraft, um zu leuchten. Alles ringsum sieht aus wie dunkelgraues Packpapier. Gloria muß vorsichtig Schritt vor Schritt setzen, um nicht zu stolpern.

    Aber als sie dann auf der letzten Anhöhe steht, reißt die Wolkendecke plötzlich auf, und ein paar Herzschläge lang sieht Gloria das Kloster San Paradiso, hell vom Mond beschienen, in seiner Mulde liegen. Friedlich liegt das Kloster da, das ein Waisenkaus beherbergt. Die bunten Glasfenster der Kirche und deren kupferne Kuppel glänzen im hellen Schein. Es ist Gloria del Monte, als wäre das der letzte Ansporn, das zu tun, was sie sich vorgenommen hat.

    Gloria hat sich die Skizze genau eingeprägt, die Sofija ihr von der Lage der Kirche gegeben hat. Und richtig, sie findet die Seitentür der Kirche

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