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Schicksalsnacht in Barton Park
Schicksalsnacht in Barton Park
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eBook234 Seiten3 Stunden

Schicksalsnacht in Barton Park

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Über dieses E-Book

Darf eine junge Witwe mit beschädigtem Ruf auf ein neues Glück hoffen? Unverzagt schmiegt sich Emma an Sir Davids breite Brust. Sie spürt, dass die Sehnsucht, die in seinen graublauen Augen glüht, ihr allein gilt - niemals würde David sie hintergehen, so wie ihr früherer Gatte. Doch ihre skandalöse Vergangenheit verfolgt Emma gnadenlos …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum25. Mai 2019
ISBN9783733746650
Schicksalsnacht in Barton Park
Autor

Amanda McCabe

Amanda McCabe schrieb ihren ersten romantischen Roman – ein gewaltiges Epos, in den Hauptrollen ihre Freunde – im Alter von sechzehn Jahren heimlich in den Mathematikstunden. Seitdem hatte sie mit Algebra nicht mehr viel am Hut, aber ihre Werke waren nominiert für zahlreiche Auszeichnungen unter anderem den RITA Award. Mit einer Menagerie von zwei Katzen, einem Mops und einem dickköpfigen Zwergpudel, lebt sie in Oklahoma. Sie nimmt Tanzunterricht, sammelt kitschige Reiseandenken und schaut sich gerne Kochsendungen an, obwohl sie gar nicht selber kocht.

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    Buchvorschau

    Schicksalsnacht in Barton Park - Amanda McCabe

    IMPRESSUM

    Schicksalsnacht in Barton Park erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © 2013 by Amanda McCabe

    Originaltitel: „Running From Scandal"

    erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL SAISON

    Band 30 - 2015 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

    Übersetzung: Corinna Wieja

    Umschlagsmotive: GettyImages_Nikita Kulchitskiy, shutterstock_Sandratsky Dmitriy

    Veröffentlicht im ePub Format in 05/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733746650

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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    PROLOG

    England, 1814

    Emma Bancroft war sehr geschickt darin, die Fassade aufrechtzuerhalten. Diese Fähigkeit konnte sie bei den – wenn auch seltenen – gesellschaftlichen Anlässen, an denen sie teilnahm, stets noch ein wenig verbessern, und an diesem Abend bekam sie reichlich Gelegenheit dazu.

    An ihrem Glas mit wässrigem Punsch nippend, lehnte sie an der Wand des Dorfsaales und ließ den Blick über die Menge schweifen. Trotz der kalten, feuchten Witterung waren überraschend viele Gäste gekommen. Emma hatte angenommen, dass die meisten Menschen es in einer solchen Nacht vorziehen würden, zu Hause zu bleiben, statt sich in Schale zu werfen und der Kälte zu trotzen, um Tanz und Konversation zu frönen. Der Raum war jedoch überfüllt mit lachenden Menschen in Festtagsgarderobe.

    Emma hingegen hätte nichts lieber getan, als es sich vor dem Kamin gemütlich zu machen, obwohl sie Gesellschaften nicht gänzlich abgeneigt war. Die Menschen faszinierten sie, und sie vertrieb sich gern die Zeit damit, sie unauffällig zu beobachten und ihren Unterhaltungen zu lauschen. Sich eigene Geschichten zu diesen Gesprächen auszudenken, geheime Leben, die sich hinter dem allgegenwärtigen Lächeln und beiläufigen Geplauder verbargen, empfand sie als beinahe ebenso fesselnd wie ein gutes Buch.

    An diesem Abend hatte sie jedoch die Lektüre eines ausgezeichneten Buchs über Botanik unterbrechen müssen. Die Pflanzenwelt war, nach der elisabethanischen Architektur und dem Anbau von Tee in Indien, ihre neueste Leidenschaft. Die verstaubten Werke in der Bibliothek ihres Vaters, die seit seinem Tod vor mehreren Jahren kaum jemand mehr betrat, boten eine Fülle von Themen, die Emma mit Begeisterung erforschte.

    Dieser regnerische, kalte Abend schien wie gemacht zu sein für gemütliche Lesestunden bei einer Tasse Tee, mit ihrem Hund Murray zu ihren Füßen. Ihre Schwester Jane hatte jedoch darauf bestanden, dass sie den Dorfball besuchten. Sie hatte sogar einige ihrer vornehmen Londoner Roben zu diesem Anlass herausgeholt.

    „Ich bin eine schreckliche Schwester, weil ich dich zu einem solchen Einsiedlerleben zwinge, Emma, hatte Jane gesagt und ihr eine hellblaue Seidenrobe hingehalten. „Du bist erst sechzehn und so hübsch. Du solltest tanzen, dich amüsieren und das tun, was hübsche junge Damen eben gerne tun.

    „Ich bleibe gern hier und lese", hatte Emma erwidert, obwohl ihr das Kleid gefiel. Es war sehr viel hübscher als die ausgeblichenen Röcke, Schürzen und festen Stiefel, die sie gewöhnlich trug, auch wenn es natürlich nicht zum Ausgraben von Pflanzen für ihre Studien geeignet war. Jane ließ sie an diesem Abend sogar den Perlenschmuck ihrer Mutter tragen. Und dennoch wäre sie lieber zu Hause geblieben und hätte gelesen.

    Oder nach dem verschollenen legendären Schatz von Barton Park gesucht, so wie ihr Vater zu Lebzeiten. Aber davon musste Jane nichts wissen. Ihre Schwester hatte bereits genug Sorgen.

    „Ich weiß, es wird dir gefallen, hatte Jane gesagt, als sie nach Nadel und Faden suchte, um das Kleid zu kürzen. „Du wirst erwachsen. Wir können uns nicht bis in alle Ewigkeit in Barton Park verkriechen.

    „Warum nicht?, hatte Emma gefragt. „Mir gefällt es hier, es ist unser Zuhause. Wir können tun und lassen, was wir wollen, und müssen uns keine Gedanken um …

    Um schreckliche Schulen machen, wo hochnäsige Mädchen über sie lachten und tratschten und der Musiklehrer ihr im Korridor zu nahe getreten war. Wo sie sich so einsam gefühlt hatte. Nach dem Tod ihrer Mutter war sie ins Internat geschickt worden, und Jane hatte Hayden geheiratet, den Earl of Ramsay. Emma hatte ihrer großherzigen Schwester jedoch nichts von den Vorfällen in der Schule erzählt. Niemand sollte je erfahren, dass ihr Musiklehrer, dieser Schuft, ihre närrische Schwärmerei ausgenutzt und sie im Dunkeln geküsst und noch Schlimmeres versucht hatte, bevor Emma es endlich gelungen war, ihm zu entkommen. Von Männern wollte sie seitdem nichts mehr wissen.

    Emma bemerkte den Ausdruck von Besorgnis, der in Janes haselnussbraune Augen getreten war, ehe sie den Kopf über die Nadel beugte. Rasch ergriff Emma ihre Hand. „Du hast recht, Jane, ein Abend unter anderen Leuten würde uns sicher guttun, sagte sie und zwang sich zu einem Lachen. „Dir ist sicherlich schon fürchterlich langweilig, so ganz allein mit mir und meinen Büchern, da du doch in London ein solch aufregendes Leben geführt hast. Wir sollten zum Ball gehen und uns amüsieren.

    Auch Jane lachte, aber Emma entging ihre Traurigkeit nicht. Diese Traurigkeit war Janes ständiger Begleiter, seit sie Emma vor beinahe drei Jahren nach Barton Park geholt hatte. Ihr Gatte hatte sie seitdem kein einziges Mal besucht. Emma wusste nicht, was zwischen den beiden vorgefallen war, und es ging sie auch nichts an, aber sie wollte ihrer Schwester nicht noch mehr Kummer bereiten.

    „Mein Leben in London war gar nicht so aufregend, erklärte Jane. „Und ich bin dankbar, dass es hinter mir liegt. Aber du wirst bald in die Welt hinausziehen, Emma. Das Landleben bietet nicht viele Gelegenheiten, sich in gesellschaftlicher Etikette zu üben, das ist wahr, aber der Dorfball ist zumindest ein Anfang.

    Insgeheim fürchtete Emma sich davor, in die Welt hinausziehen zu müssen. Sie war zu temperamentvoll veranlagt – eine Schwäche, um die sie zwar wusste, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie sie in den Griff kriegen konnte, und daher große Angst, schreckliche Fehler zu begehen.

    Nun also lehnte Emma an der Wand des Gemeindesaales, nippte an ihrem Punsch und versuchte, Janes hübsches Kleid nicht zu ruinieren. Beim Blick in den Spiegel hatte sie sich kaum selbst wiedererkannt. Jane hatte ihr die blonden lockigen Haare hochgesteckt und mit Bändern geschmückt. Zudem durfte sie das Perlencollier ihrer Mutter tragen. Selbst Emma musste zugeben, dass sie viel hübscher aussah als nur mit Zopf und Schürze.

    Den jungen Männern aus dem Dorf schien das auch aufgefallen zu sein. Einige standen vor dem Fenster zusammen – raue, herzliche, rotgesichtige Burschen vom Land in ihrer Festtagskleidung, die Emma beobachteten und miteinander tuschelten. Die Aufmerksamkeit verursachte ihr jedoch Unbehagen. Sie wandte sich ab und gab vor, etwas höchst Erbauliches auf der anderen Seite des Saales anzuschauen.

    Dort entdeckte sie Jane, die sich mit einem Gentleman in dunkelblauem Jackett neben dem Tisch mit den Erfrischungen unterhielt. Obwohl Emma sich nicht gerade prächtig amüsierte, machte das Lächeln auf dem Gesicht ihrer Schwester sie froh.

    Jane erwähnte ihren entfremdeten Gatten und die Zeit in London nur selten, aber Emma hatte das gesellschaftliche Leben ihrer Schwester in den Zeitungen verfolgen können und wusste, dass es sehr glamourös gewesen sein musste. Barton Park dagegen war überhaupt nicht glamourös, und obwohl Jane beharrlich behauptete, sie sei glücklich, machte sich Emma Sorgen, dass sie es nicht war.

    An diesem Abend jedoch lächelte Jane, lachte sogar. Ihr dunkles Haar schimmerte im Kerzenschein, und sie sah in ihrer lila Spitzenrobe bezaubernd aus. Sie schüttelte den Kopf über etwas, das der große Gentleman zu ihr sagte, und machte eine Geste in Emmas Richtung. Emma straffte unwillkürlich die Schultern, als die beiden zu ihr herüberblickten.

    „Verflixt", flüsterte sie und lächelte schnell, als eine ältere Dame ihr einen missbilligenden Blick zuwarf. Aber sie konnte sich das Fluchen nicht verkneifen, denn inzwischen hatte sie den Gentleman, der mit ihrer Schwester sprach, erkannt. Es war ausgerechnet Sir David Marton.

    Seit Kurzem machte er ihnen seine Aufwartung häufiger, als es Emma recht war. Er brachte schicklicherweise stets seine Schwester Miss Louisa mit, und da ihre Anwesen aneinandergrenzten und sie Nachbarn waren, sprach eigentlich auch nichts gegen seine Besuche. Aber dennoch. Jane war immerhin verheiratet, auch wenn sich Lord Ramsay in Barton Park nicht blicken ließ. Und Sir David war viel zu attraktiv. Und zu ernst. Emma bezweifelte, dass er jemals lachte.

    Sie musterte ihn und versuchte dabei, nicht die Stirn zu runzeln. Er nickte, nachdem Jane eine Bemerkung gemacht hatte, und sah hinter seiner Brille mit unbewegter Miene zu Emma herüber. Sie war froh, dass sie weit genug entfernt von ihm stand, sodass sie ihm nicht in die Augen sehen musste. Die hatten eine seltsame durchdringend graue Farbe, und immer wenn er Emma ansah, schien er ihr bis auf den Grund ihrer Seele zu blicken.

    Unbewusst strich sich Emma über den Rock. Plötzlich fühlte sie sich sehr zappelig und dumm. Wie ein Kleinkind. So wollte sie allerdings ganz gewiss nicht auf Sir David wirken. Er nickte Jane erneut zu und schenkte ihr ein freundliches Lächeln. Jane gegenüber verhielt er sich stets freundlich und respektvoll. Einen kurzen Augenblick lang blitzte sogar ein seltener Funke von Humor in seinen außergewöhnlichen Augen auf. Ein solch freundliches, amüsiertes Funkeln stand nie in seinen Augen, wenn er Emma ansah. Sie bedachte er stets mit einem strengen, ja sogar argwöhnischen Blick.

    Noch nie war Emma auf ihre Schwester eifersüchtig gewesen. Jane war ihr eine gute Schwester, obwohl sie selbst so unglücklich zu sein schien. Jedes Mal aber, wenn Sir David Jane seine Aufmerksamkeit zollte, stieg in Emma eine gewisse Verbitterung auf, die sie fast als Eifersucht bezeichnet hätte. Aber nur fast.

    Der Grund dafür blieb ihr ein Rätsel. Sir David war nun ganz gewiss nicht die Art von Mann, die sie bewundern könnte. Er war viel zu still, viel zu ernst. Viel zu … altmodisch, steif und konventionell. Emma wurde einfach nicht schlau aus ihm.

    Und jetzt – oh, verflixt! Jetzt kamen sie auch noch zu ihr herüber.

    Emma wusste nie, worüber sie sich mit Sir David unterhalten sollte. Sie fürchtete, er hielte sie für jung und dumm und lachte sie insgeheim aus.

    „Emma, Liebes, ich habe Sir David gerade von deinem Interesse an der Botanik erzählt", sagte Jane, als sie sich zu ihr gesellten.

    Emma sah zu Sir David, der sie mit undurchdringlichem, steinernem Blick betrachtete. Das Lächeln, das zuvor noch auf seinem Gesicht gelegen hatte, war verschwunden. Plötzlich hatte sie das Gefühl, einen Knoten in der Zunge zu haben, jegliche Worte schienen aus ihrem Gehirn wie weggeblasen zu sein. Seit dem Verlassen der Schule war sie nicht mehr so aufgeregt und unsicher gewesen – und das gefiel ihr gar nicht.

    „Ach ja?", brachte sie schließlich mit gesenktem Blick hervor.

    „Meine Schwester hat erwähnt, sie sei Ihnen vor ein paar Tagen begegnet, sagte Sir David. „Sie bot wohl an, Sie in der Kutsche mitzunehmen, allerdings hätten Sie abgelehnt, um Ihre Arbeit zu beenden. Da es ein verregneter Tag war und die Straße sehr schlammig, fand Louisa das ein wenig, nun ja … ungewöhnlich.

    Emma spürte, wie ein leiser Ärger in ihr hochkroch; zugleich fühlte sie sich gekränkt. Und es wurmte sie, dass sie sich darum scherte, was andere über sie dachten. Miss Louisa Marton war eine alberne Gans mit einer ausgeprägten Vorliebe für Klatschgeschichten. Es ließ sich nicht mit Gewissheit sagen, was sie ihrem Bruder über sie erzählt hatte und schon gar nicht, wie er nun über sie urteilte. Fand er ihr Interesse für Botanik lächerlich? Verachtete er sie gar, weil sie so undamenhaft im Matsch buddelte?

    „Ich habe gerade erst mit meinen Studien angefangen, erklärte Emma. „Mir geht es hauptsächlich darum, interessante Pflanzen zu finden und diese genauer zu untersuchen. Wenn die Erde feucht ist, kann man die Pflanzen nun mal viel leichter ausgraben. Es war jedoch sehr freundlich von Ihrer Schwester, dass sie meinetwegen gehalten hat.

    „Ich fürchte, seit ich sie aus der Schule geholt habe, kann Emma ihren Wissensdurst nur in sehr begrenztem Maße stillen, meinte Jane. „Leider bin ich keine Lehrerin.

    „Oh, nein, Jane! Der bedauernde Tonfall ihrer Schwester hatte Emmas Schüchternheit vertrieben. „Ich lebe gern in Barton Park, und Mr Lorne aus dem Buchladen sorgt dafür, dass mir der Lesestoff nicht ausgeht. Ich habe hier viel mehr gelernt als in der Schule. Obwohl Sir David meine Bemühungen womöglich als töricht erachtet.

    „Ganz und gar nicht, Miss Bancroft", erwiderte er, und zu ihrer Überraschung hörte sie ein Schmunzeln in seiner Stimme. Sie sah auf und stellte fest, dass tatsächlich der Anflug eines Lächelns um seine Mundwinkel herum zu erkennen war, das attraktive Grübchen in seinen Wangen erscheinen ließ.

    Im selben Augenblick wurde ihr bewusst, dass sie ihn besser nicht angeschaut hätte. Aus nächster Nähe sah er wirklich umwerfend aus, mit schmalem Gesicht und Zügen, die wie gemeißelt wirkten, einer klassischen Statue nicht unähnlich. Sein glänzendes kastanienbraunes Haar, das er normalerweise streng glatt gekämmt trug, wellte sich ein wenig in der feuchten Luft und lud förmlich zum Berühren ein. Unvermittelt fragte sie sich, ob er die Brille nur trug, um zu verhindern, dass die Damen ihm scharenweise zu Füßen lagen. Ein vergebliches Unterfangen, falls dem tatsächlich so war.

    „Sie halten meine Studien nicht für töricht, Sir David?", fragte Emma und kam sich wie eine Närrin vor, weil ihr keine schlagfertigere Bemerkung eingefallen war.

    „Überhaupt nicht. Alle Menschen, ganz egal, ob Mann oder Frau, sollten ihre Interessen pflegen, damit ihr Geist wach und ihr Verstand scharfsinnig bleibt, entgegnete er. „Ich hatte das Glück, in der Nähe eines Onkels aufzuwachsen, dessen Bibliothek mit über fünftausend Büchern reich gefüllt ist. Vielleicht haben Sie schon von ihm gehört? Mr Charles Sansom von Sansom House.

    „Fünftausend Bücher!, rief Emma lauter als beabsichtigt. „Das muss ein wahrhaft atemberaubender Anblick sein. Hat er besondere Interessen?

    „Griechische und römische Antiquitäten sind sein Steckenpferd, aber es gibt fast zu jedem Thema mindestens ein Buch in seiner Bibliothek. Ganz gewiss auch zur Botanik, antwortete er, und sein Lächeln wurde breiter. Noch nie hatte er einen so jungen und offenen Eindruck gemacht, und Emma trat unbewusst einen Schritt näher an ihn heran. „Er hat uns bei unseren Besuchen immer alles lesen lassen, wonach uns der Sinn stand. Meine Schwester hat von diesem Angebot leider kaum Gebrauch gemacht.

    Emmas Blick schweifte durch den Saal zu Miss Marton; in ihrem reich mit Federn geschmückten Turban war sie leicht auszumachen. Sie unterhielt sich mit ihrer Busenfreundin Miss Maude Cole, die wegen ihrer himmelblauen Augen, rotblonden Locken und edlen Roben als Dorfschönheit galt. Die Augen unverwandt auf Emma gerichtet, tuschelten die beiden Frauen hinter ihren Fächern miteinander.

    Wie all die albernen Mädchen in der Schule.

    „Das kann ich mir denken, murmelte Emma. Sie hatte weder Miss Marton noch Miss Cole je von etwas anderem sprechen hören als von Hüten, Mode oder dem Wetter. „Lebt Ihr Onkel immer noch in der Nähe, Sir David? Ich wünschte, ich könnte ihn einmal kennenlernen.

    „Ja, er lebt noch in der Nähe, Miss Bancroft. Bedauerlicherweise hat er sich jedoch wegen seines fortgeschrittenen Alters weitgehend aus der Gesellschaft zurückgezogen. Gelegentlich sucht er noch Mr Lornes Buchhandlung auf; vielleicht treffen Sie ihn ja eines Tages dort."

    Ehe Emma darauf antworten konnte, setzte das Orchester, eine Gruppe Musiker aus dem Dorf, die eher durch ihre Begeisterung denn ihr Talent auffielen, zu einer Mazurka an.

    „Oh, ich mag diesen fröhlichen Tanz, sagte Jane. Emma bemerkte, wie ihre Schwester mit wehmütigem Blick zu den Paaren auf der Tanzfläche schaute, die Aufstellung nahmen. „Die Mazurka war mein erster Tanz mit …

    Jane brach ab und gab ein seltsames Lachen von sich. Emma fragte sich, ob sie diesen Tanz in London oft mit ihrem Gatten getanzt hatte. Obwohl Jane nie über ihn sprach, dachte sie sicherlich oft an ihn.

    „Jane …", fing Emma an.

    Sir David wandte sich mit freundlichem Lächeln

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