Eine sehr junge Mutter: Mami 2009 – Familienroman
Von Marina Borck
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Über dieses E-Book
Kathrin wartete, bis alle Lichter außer einem in dem großen Haus gelöscht waren. Sie beobachtete noch eine Weile die Nachbarhäuser, aber auch dort war inzwischen alles zur Ruhe gekommen. Dann drehte sie sich um und beugte sich über die Reisetasche, die neben ihr auf dem Boden stand. Jede Bewegung tat höllisch weh, und sie biß sich auf die Lippen, um nicht aufzustöhnen. Vorsichtig packte sie die Reisetasche und nahm mit der anderen Hand die Plastiktüte. Schließlich mußten sie Tina ja irgend etwas zu trinken geben können. Sie sah die Haustür aufgehen und den Mann mit dem Hund auf die Straße treten. Beide entfernten sich in die andere Richtung. Jetzt mußte sie sich beeilen, bevor sie wieder zurückkamen. Sie trat aus dem Schatten des Hauses und versuchte, schnell die Straße zu überqueren, doch jeder Schritt war eine Qual. Schließlich hatte sie es geschafft und machte das Gartentörchen auf. Sie trug die Reisetasche bis vor die Stufen zur Haustür und stellte sie dort ab. Die Plastiktüte legte sie daneben. Kurz blieb sie vor der Tasche stehen und sah hinein. Tränen liefen ihr über die Wangen und tropften auf die Tasche. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr das Herz aus dem Leib gerissen. Dann drehte sie sich abrupt um und entfernte sich so schnell sie konnte von dem Haus. Der Schmerz übermannte sie, doch sie biß die Zähne zusammen und blieb nicht stehen. Endlich, als sie an der Bushaltestelle angekommen war, lehnte sie sich kreidebleich und stöhnend an das Wartehäuschen. Als der Bus kam, wischte Kathrin sich die Tränen mit dem Ärmel ihrer Jacke ab und stieg so vorsichtig wie möglich ein.
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Rezensionen für Eine sehr junge Mutter
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Buchvorschau
Eine sehr junge Mutter - Marina Borck
Mami
– 2009 –
Eine sehr junge Mutter
Kathrin muss ihr Leben meistern
Marina Borck
Kathrin wartete, bis alle Lichter außer einem in dem großen Haus gelöscht waren. Sie beobachtete noch eine Weile die Nachbarhäuser, aber auch dort war inzwischen alles zur Ruhe gekommen. Dann drehte sie sich um und beugte sich über die Reisetasche, die neben ihr auf dem Boden stand. Jede Bewegung tat höllisch weh, und sie biß sich auf die Lippen, um nicht aufzustöhnen. Vorsichtig packte sie die Reisetasche und nahm mit der anderen Hand die Plastiktüte. Schließlich mußten sie Tina ja irgend etwas zu trinken geben können.
Sie sah die Haustür aufgehen und den Mann mit dem Hund auf die Straße treten. Beide entfernten sich in die andere Richtung. Jetzt mußte sie sich beeilen, bevor sie wieder zurückkamen. Sie trat aus dem Schatten des Hauses und versuchte, schnell die Straße zu überqueren, doch jeder Schritt war eine Qual. Schließlich hatte sie es geschafft und machte das Gartentörchen auf. Sie trug die Reisetasche bis vor die Stufen zur Haustür und stellte sie dort ab. Die Plastiktüte legte sie daneben.
Kurz blieb sie vor der Tasche stehen und sah hinein. Tränen liefen ihr über die Wangen und tropften auf die Tasche. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr das Herz aus dem Leib gerissen. Dann drehte sie sich abrupt um und entfernte sich so schnell sie konnte von dem Haus. Der Schmerz übermannte sie, doch sie biß die Zähne zusammen und blieb nicht stehen. Endlich, als sie an der Bushaltestelle angekommen war, lehnte sie sich kreidebleich und stöhnend an das Wartehäuschen.
Als der Bus kam, wischte Kathrin sich die Tränen mit dem Ärmel ihrer Jacke ab und stieg so vorsichtig wie möglich ein. Dann krümmte sie sich auf einer Sitzbank zusammen und zog einfach die Beine auf den Sitz. Es war ihr egal, was die anderen Leute von ihr dachten.
Sie hatte gerade ihr Kind fortgegeben und wünschte, sie wäre tot.
*
»Kinder, jetzt kommt endlich rein, es ist schon dunkel!« Bettina van Heyden fand es zwar wunderbar, daß ihr Schwager Ralph sich so gut mit ihren Söhnen verstand, aber manchmal benahm er sich selber wie ein Sechsjähriger.
»Moment«, rief er jetzt, »wir kommen sofort, ich muß nur noch Bobo einfangen!« Wie zur Bestätigung ertönte ein kurzes Gebell.
Fünf Minuten später standen alle drei erhitzt und außer Atem in der Küche. An der Terrassentür stand Bettina und wischte dem Hund die Pfoten mit einem alten Handtuch sauber, bevor sie ihn hineinließ. »Wir haben Verstecken gespielt«, erzählte der vierjährige Olaf immer noch ganz aufgeregt. »Ralph hat mich nicht gefunden.«
»Aber nur, weil du von einem Versteck zum anderen gelaufen bist.« Lukas, der sich mit seinen sechs Jahren schon sehr erwachsen fühlte, wußte genau, was sein Bruder falsch gemacht hatte. »Du darfst nicht aus deinem Versteck weglaufen und dir ein neues suchen.«
»Doch, ich darf das!« Der kleine Olaf wollte sich unbedingt gegen seinen Bruder behaupten. »Stimmt’s, Ralph?«
»Na ja, eigentlich darf man das nicht«, erwiderte sein Onkel mit einem Blick auf Lukas, der einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn hatte. »Aber wenn man der Kleinste ist und die kürzesten Beine hat, dann braucht man einen kleinen Vorteil.« Er zwinkerte erst Olaf und dann Lukas zu, und beide grinsten.
»So, genug diskutiert, jetzt geht ihr alle drei ins Bad und wascht euch die Hände!« Bettina scheuchte sie aus der Küche. »Gleich kommt Papa, und dann wird gegessen.«
Die Kinder liefen aus der Küche, dicht gefolgt von Bobo, dem Golden Retriever. Doch Ralph blieb da. »Haben sie sich vertragen?« fragte Bettina ihn besorgt. In der letzten Zeit stritten die Jungs sich viel zuviel für ihren Geschmack, denn Olaf wollte nicht einsehen, daß sein Bruder Lukas ihm durch sein Alter überlegen war, und Lukas ärgerte den Kleinen mit Wonne.
»Ja, es ging«, antwortete Ralph. »Aber es wird Zeit, daß Lukas in die Schule kommt. Er ist einfach schon zu schlau, daß er dringend gefordert werden muß.«
»Ja«, seufzte Bettina, »und Olaf ist noch ein richtiges kleines Murmeltier. Er möchte am liebsten überall dabeisein, aber nichts selber machen.«
Sie hörten die Haustür klappen, und Bettina lief hinaus, um ihren Mann Martin zu begrüßen. Die Jungen kamen mit Geheul aus dem Bad gerannt und sprangen ihrem Vater um den Hals. Der Hund umkreiste alle begeistert und wedelte heftig mit dem Schwanz. Martin küßte seine Söhne, streichelte Bobo, dann stand er wieder auf und nahm seine Frau in die Arme.
»Na, mein Liebling, ihr macht ja alle so einen munteren Eindruck«, lachte er, nachdem er sie zärtlich geküßt hatte.
»Kein Wunder«, lachte Bettina zurück, »Ralph ist ja auch schon seit einer Stunde da und hat mit den Jungs draußen herumgetobt.«
Ralph kam gerade aus dem Bad und begrüßte Martin. »Hallo, Alter«, sagte er salopp und klopfte Martin auf die Schulter. »Ich muß doch regelmäßig nachsehen, wie es meinen Lieblingsneffen geht.«
Martin van Heyden lächelte seinen jüngeren Bruder an. In der Tat kam Ralph mindestens einmal in der Woche, spielte mit den Kindern und verbrachte den Abend mit ihnen. Obwohl sein Bruder zwölf Jahre jünger war als er selbst und gerade sein Medizinstudium begonnen hatte, verstanden sie sich prächtig.
»Wenn das so ist, sind Lukas und Olaf wahrscheinlich schon sehr müde, was?« fragte ihr Vater augenzwinkernd.
»Nö, kein bißchen«, kam die prompte Antwort von Lukas, und Olaf echote: »Wir sind noch ganz wach!« Dann rieb er sich die Augen und gähnte.
Nachdem Martin den Hund gefüttert hatte, gingen alle ins Eßzimmer der kleinen Jugendstilvilla, die Bettina vor zwei Jahren für sie gefunden hatte. Bettina holte den Salat, und Ralph trug das Abendessen herein. Während des Essens mußten die Kinder immer wieder gähnen und bekamen ganz rote Wangen.
Sobald sie fertig waren, sagte Ralph: »So, ihr zwei, Abmarsch zum Zähneputzen. Wenn ihr in zehn Minuten im Bett liegt, lese ich euch eure Lieblingsgeschichte vor.«
Wie der Blitz war Lukas vom Tisch verschwunden. Olaf sah seine Mutter an: »Sagst du mir auch noch gute Nacht?«
»Natürlich, Schatz!« Bettina nahm den kleinen Kerl in den Arm. »Wenn ihr im Bett liegt, komme ich zu euch und gebe euch einen Gutenachtkuß.« Olaf trollte sich auch ins Bad, und alle wußten, daß zehn Minuten bei ihm nicht reichen würden.
Schließlich lagen die Kinder im Bett, und Martin und Bettina hatten ein wenig Zeit für sich. »Ich würde gern wieder arbeiten«, sagte Bettina, als sie an Martin gekuschelt auf dem Sofa saß. Bevor sie schwanger wurde, war sie Immobilienmaklerin gewesen, und der abwechslungsreiche und interessante Beruf fehlte ihr.
»Das habe ich mir schon gedacht«, erwiderte ihr Mann. »Lukas kommt dieses Jahr in die Schule, und Olaf wird auch allmählich selbständiger.«
»Nicht, daß ich mich langweilen würde«, beteuerte Bettina. »Die Jungs halten mich auf Trab, und das Haus macht auch genug Arbeit. Aber langsam vermisse ich es, wieder anders gefordert zu werden. Verstehst du das?«
»Natürlich, Liebling«, sagte Martin und küßte sie aufs Haar. »Ich habe sowieso nicht damit gerechnet, daß du den ganzen Tag den Hund spazieren führst, während die Kinder immer unabhängiger werden. Die Frage ist nur, wie und wann. Und wir müssen es organisieren.«
Ralph kam ins Wohnzimmer, und Bettina stand auf. »Ich gebe den beiden jetzt einen Gutenachtkuß und komme dann wieder«,