Mami 1788 – Familienroman: Immer Ärger mit den Nachbarn
Von Mier Edna
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Ein warmer Wind wirbelte den Sand auf, so daß ein geheimnisvolles Rascheln in der Luft schwebte, das vom Strandhafer herrührte, dessen Halme aneinanderrieben. Die kleine Truppe stapfte tapfer den Weg zwischen den Dünen entlang. Roberta kam sich vor wie eine Entenmutter, die ihre Jungen ausführte. Nur, daß eine Entenmama nicht so beladen war wie sie. Angefangen von der Liegedecke, Sonnenschirm und Sandspielzeug hatte sie sich alles aufgeladen, während ihr die Zwillinge Willy und Julchen mit hängenden Armen folgten. Die beiden waren hundemüde. Auch die Schäferhündin, die hinter ihnen her trabte, ließ die Ohren hängen. Kein Wunder, den ganzen Tag über hatten die drei am Strand und im Wasser herumgetobt. Anni, die Hündin, war so richtig in ihrem Element gewesen. Immer hinein ins Wasser, Bällchen holen und wieder raus. Momentan sah sie aus wie ein paniertes Kotelett, naß bis auf die Haut und sand-salzverkrustetem Fell "Tante Robbi, trägst du mich?" Julchen war stehengeblieben und schickte einen bittenden Blick zu ihrer Tante. "Meine Füße mögen überhaupt nicht mehr laufen." "Meine auch nich'", schloß sich ihr Bruder sofort an. "Guck mal, sie sind schon ganz flach vom vielen Laufen." Roberta stieß einen resignierten Seufzer aus.
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Mami -1788-
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Mier Edna
Mami -1788- Immer Ärger mit den Nachbarn
Ein warmer Wind wirbelte den Sand auf, so daß ein geheimnisvolles Rascheln in der Luft schwebte, das vom Strandhafer herrührte, dessen Halme aneinanderrieben.
Die kleine Truppe stapfte tapfer den Weg zwischen den Dünen entlang. Roberta kam sich vor wie eine Entenmutter, die ihre Jungen ausführte. Nur, daß eine Entenmama nicht so beladen war wie sie. Angefangen von der Liegedecke, Sonnenschirm und Sandspielzeug hatte sie sich alles aufgeladen, während ihr die Zwillinge Willy und Julchen mit hängenden Armen folgten.
Die beiden waren hundemüde. Auch die Schäferhündin, die hinter ihnen her trabte, ließ die Ohren hängen.
Kein Wunder, den ganzen Tag über hatten die drei am Strand und im Wasser herumgetobt. Anni, die Hündin, war so richtig in ihrem Element gewesen. Immer hinein ins Wasser, Bällchen holen und wieder raus. Momentan sah sie aus wie ein paniertes Kotelett, naß bis auf die Haut und sand-salzverkrustetem Fell
»Tante Robbi, trägst du mich?« Julchen war stehengeblieben und schickte einen bittenden Blick zu ihrer Tante. »Meine Füße mögen überhaupt nicht mehr laufen.«
»Meine auch nich’«, schloß sich ihr Bruder sofort an. »Guck mal, sie sind schon ganz flach vom vielen Laufen.«
Roberta stieß einen resignierten Seufzer aus.
»Wie soll ich euch denn tragen?« fragte sie gutmütig. »Ich habe doch schon die Hände voll. Nun kommt, es ist ja nicht mehr weit. Ich sehe schon das Dach von unserem Häus-chen.«
»Siehste gar nich’«, murrte Wil-ly, setzte sich aber wieder in Be-
wegung. »Es dauert bestimmt
noch Stunden, bis wir zu Hause sind.«
»Es dauert höchstens noch fünf Minuten, und das weißt du auch«, erwiderte Roberta geduldig. »Wißt ihr was? Morgen besorge ich uns einen von diesen Bollerwagen, ja? Dann könnt ihr euch hineinsetzen, und ich ziehe euch. Würde euch das Spaß machen?«
»Kannst du nicht schon heute so einen Wagen besorgen?« erkundigte sich Julchen hoffnungsvoll. »Wir warten hier auf dich.«
Sie machte Anstalten, sich im warmen Sand niederzulassen, aber Roberta schüttelte rasch den
Kopf.
»Bis ich in die Stadt komme, haben die meisten Geschäfte zu. Es ist ja schon gleich acht Uhr, wißt ihr? Aber ich verspreche euch, daß wir gleich morgen früh nach dem Frühstück in den ›Windjammer‹ gehen und nach einem Bollerwagen schauen. Ihr dürft euch auch den schönsten aussuchen.«
»Ich will einen mit roten Rädern!« verkündete Julchen freudig. Die Aussicht auf das praktische Strandgefährt, mit dem hier viele Eltern ihre Kinder und deren Spielzeug durch die Gegend transportierten, ließ Julia ihre Müdigkeit vergessen. »Mit roten Rädern und einem roten Griff. Das sieht so
hübsch aus.«
»Und er muß so groß sein, daß wir beide reinpassen«, orderte Willy, der praktische Teil des Zwillingspärchens. »Julchen, ich und Anni…«
»Und Herr Schröder!« krähte Julchen dazwischen, worauf Willy taldend den Kopf schüttelte.
»Herr Schröder geht doch nicht an den Strand«, wies er seine Schwester zurecht. »Der bleibt zu Hause und paßt auf den Garten auf.«
»Aber vielleicht möchte er mal das Meer sehen?« Julchen gab nicht so schnell auf. »Vielleicht gefällt es ihm, und er geht auch schwimmen.«
Willy schüttelte nur den Kopf und warf seiner Tante einen Blick zu, der soviel sagen sollte, tut mir leid, meine Schwester ist zwar niedlich aber leider ein bißchen dumm.
Roberta verkniff sich ein belustigtes Lächeln, weil sie wußte, daß es Kinder sehr verletzte, wenn man sie nicht ernst nahm.
»Ich glaube nicht, daß Herr Schröder unbedingt schwimmen gehen möchte«, sagte sie deshalb ernsthaft. »Aber das Meer können wir ihm irgendwann ruhig mal zeigen. Ich meine, wer weiß, ob er noch einmal an die Nordsee kommt.«
»Und auf eine Insel!« bemerkte Julchen wichtig.
Die Tatsache, daß sie auf einer Insel wohnten, war für die Zwillinge immer noch die Sensation. Zuerst hatten sie sich überhaupt nicht vorstellen können, wie das funktionierte. Willy hatte geglaubt, eine Insel schwimme wie ein Boot auf dem Wasser und liege mal vor Bremen, mal vor New York. Und Julchen war felsenfest davon überzeugt gewesen, daß irgend jemand die Inseln mit einem ganz dicken Seil auf dem Grund des Meeres festgebunden hatte und fürchtete, daß das Seil reißen und sie alle mitsamt der Insel davontreiben könnten.
Daß auf Noderney richtige Häuser standen, es Straßen, Parks und sogar kleine Teiche gab, war für die Kinder eine riesige Überraschung. Die Zwillinge waren tagelang nicht aus dem Staunen herausgekommen. Selbst jetzt, nach immerhin einer ganzen Woche Inselleben, erschien ihnen dieser Urlaub irgendwie noch wie ein schöner, ungewöhnlicher Traum.
Alles war neu für die beiden. Zu Hause in Frankfurt mußten sie meistens in der Wohnung spielen. Die Familie lebte mitten im Herzen der Stadt an einer belebten Hauptverkehrsstraße, wo Tag und Nacht Busse, Straßenbahnen und Autos am Haus vorbeifuhren.
Da war es für die Kinder viel zu gefährlich, draußen zu spielen. Wenn es Cynthia, ihre Mutter,
einrichten konnte, ging sie mit
den Kindern in den Stadtwald, wo sie wenigstens ein bißchen her-
umtoben konnten, aber das war nichts im Vergleich zu der Frei-
heit, die sie auf Noderney genossen.
Schon morgens, gleich nach dem Frühstück, packten sie ihre Bade-sachen. Dann ging es an den Strand, an dem sie den ganzen Tag herumtoben durften. Manchmal radelten sie auch zu dritt in die Stadt, um Einkäufe zu ledigen. Daß auf der gesamten Insel kaum Autos fuhren und sie nicht auf den Verkehr achten mußten, war für die Zwillinge ebenso aufregend wie die Tatsache, daß der größte Teil der Insel den Pflanzen und Tieren vorbehalten war.
Die beiden fühlten sich hier also rundherum wohl. Wenn Roberta in ihre sonnengebräunten glücklichen Gesichter blickte, freute sie sich jedesmal, daß sie sich zu dieser Reie entschlossen hatte.
Am Anfang hatte sie sich ein bißchen vor dieser Aufgabe gefürchtet. Ja, sie liebte ihre Nichte und ihren Neffen, aber sie hatte bisher nie mehr als ein paar Stunden mit ihnen verbracht. Die beiden ganze sechs Wochen um sich zu haben, für sie verantwortlich zu sein, diese Aussicht hatte ihr schon ein wenig Angst gemacht.
Aber es waren unnötige Sorgen gewesen. Die Zwillinge waren äu-ßerst umgängliche, vor allem aber freundliche und fröhliche Kinder, die sich jeden Tag von neuem über diese Reise freuten und es ihrer Tante leicht machten, sie zu mögen.
Jetzt waren sie allerdings müde und daher ein bißchen quengelig. Aber das hielt sich in Grenzen. Die Aussicht auf den Erwerb eines Bollerwagens regte die Phantasie der beiden an und ließ sie die Müdigkeit beinahe vergessen.
Endlich tauchte tatsächlich das niedrige Fischerhäuschen auf, das Roberta für sie alle gemietet hatte. Es lag außerhalb der Stadtgrenze, fast schon in den Dünen, die sich teilweise in beachtlichem Ausmaß dahinter erhoben.
Der Besitzer hatte mit viel Mühe einen mageren Rasen drumherum gezüchtet, der jedoch regelmäßig von den Schafen abgefressen wurde, wenn der Schäfer sie vom Nord- zum Süddeich trieb. Vor den kleinen Sprossenfenstern blühten Geranien, und neben der grünlackierten Holztür stand eine Palme, die so gar nicht in die Umgebung passen wollte.
Ein Stück entfernt stand ein weiteres Haus, etwas größer als das, in dem Roberta mit den Zwillingen lebte. Seine roten Fensterläden waren schon bei ihrer Ankunft fest verschlossen gewesen und seitdem nicht ein einziges Mal geöffnet worden. Daher fiel Roberta sofort die Veränderung auf, als sie die nunmehr weit geöffneten Fenster sah.
Vor dem Grundstück parkte eine Luxuskarosse, deren Kofferraumdeckel aufgeklappt gen Himmel deutete. Keine Frage, da waren Urlauber eingezogen!
»Eh, da sind ja Leute!« schrie Willy, der das Auto inzwischen ebenfalls entdeckt hatte. »Du, Tante Robbi, meinst du, die haben Kinder?«
»Woher soll ich das denn wissen?« seufzte Roberta lächelnd.