Hänschen im Glück: Kinderärztin Dr. Martens Classic 20 – Arztroman
Von Britta Frey
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Über dieses E-Book
Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen liebenswerten Charme.
Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert!
Die junge Frau trat auf die Terrasse hinaus und blickte über hübsche Blumenbeete, die schnurgeraden Wege und den unablässig plätschernden Springbrunnen hinweg. Hinter der erst im März neu gesetzten und daher noch recht mickrigen Kiefernhecke dehnten sich unter einem weiten Himmel bis zum Horizont kupferbraune Heideflächen aus, nur hin und wieder unterbrochen von silbrig-schlanken Moorbirken und dunklen Wacholderbüschen. In dieser urwüchsigen Landschaft nahm sich der städtisch anmutende, akkurat gepflegte Garten schon seltsam aus. Noch auffallender, direkt exotisch wirkte vor dem schlichten Hintergrund der ebenfalls erst kürzlich fertiggestellte elegante Bungalow. Die heiße Luft zitterte und flimmerte. Still und staubig lag die Heidelandschaft im goldenen Sonnenschein da. Der unverwechselbare würzige Heideduft, eine Mischung aus Wacholder und Schafgarbe, Ginster und Besenheide, stieg in den Sommerhimmel. Eine seltsam mürrische Trägheit war über die junge Frau gekommen. Sonja Gelbrecht verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte. Ihr verdrossener Blick folgte einer Feldlerche, die in das Blaßblau des Himmels hinaufstieg und dabei ihr jubelndes Lied schmetterte. Sonjas Miene drückte aus, was sie empfand: Langeweile, unerträgliche, bitterböse, peinigende Langeweile. Es war windstill und schwül. Die Sonne stach durch den weißen Wolkenschleier auf die ausgetrockneten staubigen Wiesen und Felder nieder. Pausenlos riefen Ringeltauben aus den Büschen jenseits der Wiese, und die Feldgrillen schrillten unaufhörlich am Wegrain. Die junge Frau mit dem hübschen Gesicht, das jetzt allerdings große Ähnlichkeit mit dem eines verwöhnten, gesättigten Kindes hatte, gähnte ausgiebig und fragte sich gereizt, was, zum Teufel, die Leute an dieser Heidelandschaft fanden. Sie konnte jedenfalls nichts Aufregendes an der schwülen staubigen Stille finden. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so entsetzlich gelangweilt wie jetzt. Und das wohl Schlimmste war, daß alle Welt sie um ihr Glück beneidete, auf dem Land zu leben. Jawohl, dachte Sonja spöttisch und seufzte schon wieder, ich habe wahrhaftig das Große Los gezogen. Das ganz Große Los sogar.
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Kinderärztin Dr. Martens
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Buchvorschau
Hänschen im Glück - Britta Frey
Kinderärztin Dr. Martens Classic
– 20 –
Hänschen im Glück
Ein kleiner Junge nimmt sein Schicksal selbst in die Hand
Britta Frey
Die junge Frau trat auf die Terrasse hinaus und blickte über hübsche Blumenbeete, die schnurgeraden Wege und den unablässig plätschernden Springbrunnen hinweg. Hinter der erst im März neu gesetzten und daher noch recht mickrigen Kiefernhecke dehnten sich unter einem weiten Himmel bis zum Horizont kupferbraune Heideflächen aus, nur hin und wieder unterbrochen von silbrig-schlanken Moorbirken und dunklen Wacholderbüschen.
In dieser urwüchsigen Landschaft nahm sich der städtisch anmutende, akkurat gepflegte Garten schon seltsam aus. Noch auffallender, direkt exotisch wirkte vor dem schlichten Hintergrund der ebenfalls erst kürzlich fertiggestellte elegante Bungalow.
Die heiße Luft zitterte und flimmerte. Still und staubig lag die Heidelandschaft im goldenen Sonnenschein da. Der unverwechselbare würzige Heideduft, eine Mischung aus Wacholder und Schafgarbe, Ginster und Besenheide, stieg in den Sommerhimmel.
Eine seltsam mürrische Trägheit war über die junge Frau gekommen. Sonja Gelbrecht verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte. Ihr verdrossener Blick folgte einer Feldlerche, die in das Blaßblau des Himmels hinaufstieg und dabei ihr jubelndes Lied schmetterte.
Sonjas Miene drückte aus, was sie empfand: Langeweile, unerträgliche, bitterböse, peinigende Langeweile.
Es war windstill und schwül. Die Sonne stach durch den weißen Wolkenschleier auf die ausgetrockneten staubigen Wiesen und Felder nieder. Pausenlos riefen Ringeltauben aus den Büschen jenseits der Wiese, und die Feldgrillen schrillten unaufhörlich am Wegrain.
Die junge Frau mit dem hübschen Gesicht, das jetzt allerdings große Ähnlichkeit mit dem eines verwöhnten, gesättigten Kindes hatte, gähnte ausgiebig und fragte sich gereizt, was, zum Teufel, die Leute an dieser Heidelandschaft fanden.
Sie konnte jedenfalls nichts Aufregendes an der schwülen staubigen Stille finden. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so entsetzlich gelangweilt wie jetzt.
Und das wohl Schlimmste war, daß alle Welt sie um ihr Glück beneidete, auf dem Land zu leben.
Jawohl, dachte Sonja spöttisch und seufzte schon wieder, ich habe wahrhaftig das Große Los gezogen. Das ganz Große Los sogar. Du liebe Zeit, was gäbe ich darum, wieder zurück in die Stadt ziehen zu dürfen. Beim Gedanken an die herrlichen Boutiquen, die Cafés, die aufregenden Theaterpremieren und vor allem die Einladungen bei ihren Freundinnen wurde ihr das Herz noch schwerer.
Tja, der Mittsommer ist eine stille Zeit, hatte Frau Eschenbach vorgestern gesagt und dazu bedeutungsvoll genickt.
Sonja verzog abschätzig die Lippen. Wenn der Sommer schon so sterbenslangweilig war, wie trostlos mußten dann erst die Wintermonate in der Heide sein!
»Liebling? Bist du draußen im Garten?«
Sonja zuckte schuldbewußt zusammen. »Ja, Liebling«, antwortete sie mit der Stimme eines gehorsamen Schulmädchens. Und sie zwang sich, eine heitere unbefangene Miene aufzusetzen. Ihrem Mann zuliebe, der so gut zu ihr war. Er trug sie auf Händen und verwöhnte sie äußerst großzügig. Sie sah’s ja ein, sie hatte einen Bilderbuchmann. Unverdientermaßen?
Wie auch immer, Sonja fühlte sich ihrem Mann gegenüber stets zu Dankbarkeit verpflichtet. Weil er ein nobler Charakter war und ihr jeden Wunsch von den Augen ablas. Da wäre es doch undankbar und abgrundtief schlecht gewesen, ihm mit Unfreundlichkeit zu begegnen, nicht wahr?
Dr. Justus Gelbrecht trat aus dem Wohnzimmer auf die Terrasse hinaus, die von einer neuen weißen Markise beschattet wurde. Rechts und links von der Terrasse standen zwei Riesenkübel, in ihnen wuchsen, sehr extravagant, Fliederbüsche. Die Blätterschatten flirrten lautlos über die weißen Steine.
Dr. Gelbrecht war mit den graublauen Augen, den regelmäßigen Gesichtszügen und dem dunklen Haar ein gutaussehender Mann, eine gepflegte angenehme Erscheinung, immer tadellos und korrekt gekleidet, allzeit von bestechender Höflichkeit. Er konnte zufrieden mit sich sein. War er aber nicht. Ihn beherrschte eine nervöse Rastlosigkeit, die in seiner Umgebung zuverlässig für eine unruhige Stimmung sorgte.
Er war immer auf dem Sprung, beständig unterwegs zu neuen Ufern. Kaum hatte er eine Arbeit abgeschlossen, dachte er schon an die nächste. Ein Karrieremensch, bei dem die Zukunft fest verplant war. Spontaneität war seine Sache nicht.
»Ah«, rief er entzückt und strahlte, als er Sonja erblickte. Wie immer übrigens, denn er galt als aufmerksamer Ehemann. Außerdem bemühte er sich stets zu gefallen. Gab es mal niemanden, den er bezaubern konnte, war er ganz unglücklich. »Reizend siehst du aus, Schatz. Zum Anbeißen süß. Ist das Kleid neu?«
Aber nein, dachte sie und fühlte wieder diesen winzigen scharfen Stich im Herzen. Sein Kompliment ging ihr auf einmal entsetzlich gegen den Strich. Weil es so automatisch gekommen war. Du liebe Zeit, konnte er eigentlich nie spontan sein?
Im nächsten Atemzug schämte sie sich schon ihrer rebellischen Gedanken. Anstatt an Justus herumzumäkeln, sollte sie lieber froh sein, einen so guten Mann zu haben. Alle ihre Freundinnen beneideten sie um Justus, lobten seine Umgangsformen, seine Tüchtigkeit und seine energisch-entschlossene Art. Nun ja, fast alle…
Sonja schob ihre gereizte Stimmung auf das schwüle Wetter. Dank dieses kleinen Tricks fühlte sie sich entlastet und nicht mehr ganz so schuldbewußt. Zusätzlich nahm sie sich vor, besonders lieb zu ihm zu sein, quasi als Wiedergutmachung.
»Ja«, nickte sie lächelnd und kam auf ihn zu.
Etwas anderes wäre ihr gar nicht in den Sinn gekommen. Immer kam sie auf ihn zu, lief ihm nach, richtete sich nach seinen Wünschen. Ihr ganzes Leben drehte sich seit ihrer Hochzeit vor fünf Jahren um ihn…
Dr. Gelbrecht trat an Sonja heran, nahm ihren Kopf in beide Hände, bog ihn zurück und küßte sie auf den blassen Mund.
Sonja schloß ihre braven Schulmädchenaugen und nahm seinen Kuß gehorsam entgegen. Sein Kuß dauerte länger als sonst, war weniger flüchtig. Da schlug Sonjas Herz rascher, und auf einmal war ihre mürrische Trägheit wie weggeblasen, hatte einer prickelnden Erregung Platz gemacht.
Doch als sie die Hände hob und sie auf seine Schultern legte, schob er sie abrupt von sich und lächelte bedauernd.
»Tut mir leid, aber ich habe keine Zeit, Schatz«, murmelte er.
Sonja wurde sofort ruhig, schob die heißen Hände in die Rocktaschen. Jetzt erst fiel ihr auf, daß er den dunkelgrauen Anzug trug, seinen Reiseanzug. Den zog er immer an, mußte er für längere Zeit im Flugzeug sitzen, denn dieser Stoff knitterte nicht. So etwas liebte ihr Justus, der gern, auch nach Überseeflügen, wie aus dem Ei gepellt ausschaute.
»Ich habe eben einen Anruf bekommen, Liebling«, teilte er ihr sachlich mit, während er sich über die Rosen am Rande der Terrasse beugte. »Ich muß sofort nach Brüssel fliegen. Eine furchtbar wichtige, unaufschiebbare Geschichte. Du erinnerst dich doch, ich habe dir kürzlich von Jean Pierre Deschamps’ Problemen mit den Engländern erzählt, diese Textilfritzen aus Liverpool…«
»Hm«, nickte Sonja, machte ein interessiertes Gesicht – und erinnerte sich natürlich nicht. Wenn sie ganz ehrlich war, interessierten Jean Pierre Deschamps’ Probleme sie überhaupt nicht. Im Grunde war sie sogar furchtbar wütend auf diesen unbekannten Jean Pierre, wie tüchtig er auch immer sein mochte.
Dieser Mensch hatte schließlich ihren Sonntag auf dem Gewissen, der einzige Tag in der Woche, der nicht von grenzenloser Langeweile bestimmt war. Während der Woche fieberte sie dem Sonntag entgegen, weil der Ablenkung brachte und ein bißchen Abwechslung in ihren grauenvoll einförmigen Alltag…
»Die Rosen müßten mal gespritzt werden«, teilte Dr. Gelbrecht ihr mit. »Sprich doch mal mit Schilbert, er soll sich darum kümmern, ja?«
»Ja, Justus«, sagte Sonja. »Wie lange wirst du diesmal fortbleiben?«
Er seufzte. »Keine Ahnung. Es kann eine Woche dauern, Schatz.«
»Soll ich dir deinen Koffer packen?«
»Schon geschehen. Ich hatte ihn ja noch gar nicht richtig ausgepackt, bin ja erst vorgestern aus London zurückgekommen.«
»Wann mußt du fliegen?«
»In drei Stunden. Aber von Hamburg aus natürlich. Deshalb muß ich sofort starten.« Er verließ die Terrasse und ging ins Haus.
Sonja folgte ihm mit hängenden Schultern. Alle Jalousien waren heruntergelassen, die Räume des Bungalows lagen im Dämmerlicht, als schliefen sie noch. Aber die Eleganz der Einrichtung war natürlich selbst bei dieser Beleuchtung erkennbar und bemerkenswert.
Wofür nicht Sonja verantwortlich zeichnete, obwohl sie ihr Haus schon gern nach eigenen Vorstellungen eingerichtet hätte, sondern ein namhafter Hamburger Innenarchitekt.
Laß man, Schatz, hatte Justus gemeint, als sie schüchtern angedeutet hatte, wieviel Spaß es ihr machen würde, die Räume einzurichten, das überlassen wir einem Fachmann, der mehr davon versteht als wir. Das wird mich zwar eine Stange Geld kosten, doch ich gehe mal davon aus, daß es sich lohnt…
»An meinem Smokinghemd fehlt ein Knopf. Und einer hängt nur noch an einem Faden«, sagte Dr. Gelbrecht, ohne sich nach ihr umzudrehen. »Ich habe das Hemd ins Ankleidezimmer gelegt. Sei so lieb und gib es Frau Eschenbach, ja?«
»Ach, das mache ich schnell selbst«, meinte Sonja geknickt. »Ich habe ja so viel Zeit.«
»O nein, Liebling, du sollst dich ausruhen.«
Wovon denn, dachte sie und sagte bemüht höflich: »Das ist lieb von dir, aber ich nähe eigentlich ganz gern. Dann habe ich wenigstens etwas zu tun.«
»Trotzdem wünsche ich, daß die Eschenbach sich das Hemd vornimmt«, bestimmte er nachdrücklich, während er sich die seidene