Ein Vater in Nöten: Kinderärztin Dr. Martens Classic 9 – Arztroman
Von Britta Frey
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Über dieses E-Book
Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen liebenswerten Charme.
Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert!
Der noch junge, stämmige Mann mit dem wilden blonden Haarschopf sah unsicher auf seine Frau, der man ansah, daß sie in wenigen Wochen ein Kind zur Welt bringen würde. »Anna«, sagte Walter Wegener in überredendem Ton, »das geht nicht. Das können wir nicht machen.« »Sei doch nicht so zimperlich. Jeder alte Mensch geht in ein Altersheim, wenn er niemanden hat, der für ihn sorgen kann. Warum also nicht auch dein Vater?« »Das kann ich dir ganz genau sagen: Er hat jemanden, der für ihn sorgt. Oder solltest du vergessen haben, daß ich sein einziger Sohn bin? Außerdem hat er uns dieses Haus hier gegeben, weil er mit Recht erwartet, daß er bis an sein Lebensende hier leben kann. Und das soll er auch.« »Du tönst gut!« Anna sah ihren Mann giftig an und fuhr schon fort, ohne ihm Gelegenheit zu geben, noch mehr zu sagen: »Wer hat denn die ganze Arbeit mit ihm? Du doch nicht, oder? Ich bin es, ich, an der alles hängenbleibt. Und ich schaffe das nicht mehr, das will ich dir nur gleich sagen. Ich schaffe es einfach nicht mehr.« Walter Wegener war ein Mensch, der jedem Streit, auch dem allerkleinsten und unwichtigsten, am liebsten aus dem Wege ging. Das zeigte sich jetzt auch wieder ganz deutlich, als er die ärgerliche Anna beschwichtigend ansah und dann meinte: »Du meinst das jetzt nur, Anna, weil du schwerfällig geworden bist und dich nicht mehr so leicht und flink bewegen kannst wie früher. Aber das vergeht, sobald unser Kind da ist, Anna.
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Kinderärztin Dr. Martens Classic
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Buchvorschau
Ein Vater in Nöten - Britta Frey
Kinderärztin Dr. Martens Classic
– 9 –
Ein Vater in Nöten
Die Mutter fehlt
Britta Frey
Der noch junge, stämmige Mann mit dem wilden blonden Haarschopf sah unsicher auf seine Frau, der man ansah, daß sie in wenigen Wochen ein Kind zur Welt bringen würde.
»Anna«, sagte Walter Wegener in überredendem Ton, »das geht nicht. Das können wir nicht machen.«
»Sei doch nicht so zimperlich. Jeder alte Mensch geht in ein Altersheim, wenn er niemanden hat, der für ihn sorgen kann. Warum also nicht auch dein Vater?«
»Das kann ich dir ganz genau sagen: Er hat jemanden, der für ihn sorgt. Oder solltest du vergessen haben, daß ich sein einziger Sohn bin? Außerdem hat er uns dieses Haus hier gegeben, weil er mit Recht erwartet, daß er bis an sein Lebensende hier leben kann. Und das soll er auch.«
»Du tönst gut!« Anna sah ihren Mann giftig an und fuhr schon fort, ohne ihm Gelegenheit zu geben, noch mehr zu sagen: »Wer hat denn die ganze Arbeit mit ihm? Du doch nicht, oder? Ich bin es, ich, an der alles hängenbleibt. Und ich schaffe das nicht mehr, das will ich dir nur gleich sagen. Ich schaffe es einfach nicht mehr.«
Walter Wegener war ein Mensch, der jedem Streit, auch dem allerkleinsten und unwichtigsten, am liebsten aus dem Wege ging. Das zeigte sich jetzt auch wieder ganz deutlich, als er die ärgerliche Anna beschwichtigend ansah und dann meinte: »Du meinst das jetzt nur, Anna, weil du schwerfällig geworden bist und dich nicht mehr so leicht und flink bewegen kannst wie früher. Aber das vergeht, sobald unser Kind da ist, Anna. Dann bist du wieder schlank und gelenkig wie eh und je. Und dann lachst du über das, was du jetzt gesagt hast.«
Anna sah ihn an, als begreife sie nicht, daß er das, was sie sagte, nicht ernst genug nahm. Dann aber stemmte sie die Arme in die beachtlich gewordenen Hüften und funkelte ihn an. Sie beugte sich zu ihm, der sich am Küchentisch niedergelassen hatte und sagte leise und fast zischelnd: »Jetzt hör mir mal gut zu, mein Freund: Ich denke nicht daran, weiterhin für deinen Vater zu sorgen. Er ist ein alter Mann. Ich werde bald ein Kind haben, das mich voll und ganz in Anspruch nimmt. Ich kann nicht dauernd dastehen und darauf warten, deinem Vater alle Wünsche zu erfüllen, Walter. Das geht einfach nicht. Selbst du müßtest einsehen, daß es deinem Vater da in einem Altersheim viel besser geht als hier bei uns.«
»Siehst du denn nicht selbst ein, wie schrecklich das ist, was du da vorhast?« versuchte Walter es noch einmal. »Vater hat dieses Haus gebaut. Er kennt jeden einzelnen Stein davon. Er und Mutter haben jeden Cent, den sie übrig hatten, in dieses Haus gesteckt, damit es so schnell wie möglich schuldenfrei wurde. Du warst es doch, die Vater immer und immer wieder versprochen hat, ihn zu pflegen, auch dann, wenn er eines Tages mal nicht mehr selbst für sich sorgen kann. Hast du das getan oder nicht?«
»Ja doch, ja doch.« Man sah Anna unschwer an, wie wütend sie war, weil sie zustimmen mußte. »Aber das geschah doch unter ganz anderen Voraussetzungen. Damals wußten wir nicht, daß wir ein Kind haben würden. Bis vor ein paar Monaten hat doch kein Mensch mehr damit gerechnet, daß wir ein Kind haben würden.«
»Was meinst du, wie glücklich Vater sein wird, wenn das Kleine erst da ist. Er ist doch jetzt schon ungeheuer stolz. Er verwöhnt dich. Und da willst du ihn ganz einfach abschieben?« Walter Wegener schüttelte den Kopf. Er war viel schwerfälliger als Anna. Bisher war das nicht schlimm gewesen, aber jetzt, so fand er, sollte Anna sich ruhig einmal klarmachen, was es für seinen Vater bedeuten würde, wenn man ihm nahelegte, sich um einen Platz in einem Altersheim zu bemühen.
»Ich werde nicht mit Vater deswegen sprechen«, erklärte er abschließend, erhob sich vom Küchentisch, schob den Becher, aus dem er Tee getrunken hatte, zurück und ging hinaus.
Wütend blieb Anna Wegener zurück, und wütend starrte sie ihrem Mann nach, wie er mit schwerfälligen Schritten davonging. Jetzt ging er wahrscheinlich ins Gasthaus »Zur Post«, wo er sich häufig mit seinen Freunden und Kollegen traf, mit ihnen über langweilige Politik diskutierte oder auch nur zuhörte, wenn einer irgend etwas zu erzählen hatte. Walter war dafür bekannt, daß er fabelhaft zuhören konnte.
»Du bist ein Trottel, Walter Wegener«, murmelte Anna wütend, nahm sich auch einen Becher Tee und ließ sich schwerfällig am Küchentisch nieder. Aber bald schon hellte sich ihr frisches Gesicht wieder auf. Man durfte nur die Flinte nicht so schnell ins Korn werfen. Bisher hatte sie bei Walter immer noch alles erreicht, was sie wollte. Jetzt würde es nicht anders sein. Sie mußte nur Geduld haben. Dann würde sich wahrscheinlich alles wie von allein erledigen.
*
Fritz Wegener, der den Streit zwischen Anna und Walter ausgelöst hatte, ohne es zu wissen und zu ahnen, beugte sich voller Eifer über ein Beet mit bunten Blumen, die erst vor kurzem angefangen hatten zu blühen.
»Schneidest du ein paar Blumen ab?« fragte da Katys zartes Stimmchen. Wegener richtete sich aus der gebückten Haltung auf und sah auf das kleine, fünfjährige Mädchen.
»Katy«, sagte er fröhlich, »ich habe dich gar nicht kommen gehört.«
»Ich bin ja auch über das Gras gelaufen«, sagte Katy und ließ sich auf einem großen Stein nieder, der am Gartenweg neben dem Blumenbeet lag, den Katy oft als Sitzgelegenheit benutzte, besonders dann, wenn der große Stein, wie jetzt eben, noch warm von der Sonne war. »Schneidest du Blumen ab?« wiederholte Katy ihre Frage. »Ich könnte sie Vati auf den Schreibtisch stellen, damit er merkt, daß wir einen Garten haben.«
Katy sagte es nicht bitter, sondern so, wie es war – sie stellte eine Tatsache fest.
Katys Vater, Peter Büchner, war ein bekannter und erfolgreicher Krimiautor. Vielleicht lag sein Erfolg in der Tatsache, daß er immer aktuelle Themen wählte, die er dann spannend aufbaute. Fälle eben, die ungeheuer spannend waren und den Leser in den Bann schlugen, wie es hieß, von der ersten bis zur letzten Seite. Einige seiner Romane waren sogar verfilmt und im Fernsehen gebracht worden. Die Bürger Ögelas waren mit Recht stolz auf ihren prominenten Bürger, der sich vor einigen Jahren ein richtiges Traumhaus gebaut hatte und dort mit seiner wunderschönen Frau Daniela und Katy lebte und glücklich war.
»Kommst du mit ins Haus, Opa Fritz?« fragte Katy interessiert und fügte lockend hinzu: »Frau Rosen hat einen prima Schokoladenkuchen gebacken. Und Vati macht bestimmt gleich die Kaffeemaschine an. Ich habe mal an der Tür zum Arbeitszimmer gelauscht. Er diktiert nicht mehr. Das bedeutet, daß er für heute Schluß macht.«
»Na, wenn das so ist, gehen wir natürlich hinein. Aber komm, erst schneiden wir noch ein paar Blumen ab, damit du sie deinem Vati auf den Schreibtisch stellen kannst, was?«
Katy rutschte von ihrem warmen Stein und beugte sich neben Opa Fritz, den sie zu ihren besten Freunden zählte, nieder. Endlich hielt sie einen wunderschönen, herrlich duftenden Strauß in den kleinen Händen und sagte ernsthaft: »Das genügt. Die anderen Blumen lassen wir besser stehen, damit wir noch Freude an ihnen haben, wenn wir in den Garten gehen.«
Einträchtig strebten der alte Mann und das kleine Mädchen dem langgestreckten, großzügig angelegten, wunderschönen Haus zu, das in Ögela eigentlich nur »das Schwalbennest« genannt wurde, obgleich kein Mensch behaupten konnte, daß es klein und zierlich und an einen Berg angeklebt war. In Ögela gab es keine Berge, wie es in der ganzen Lüneburger Heide keine Berge gab. Trotzdem wußte jeder gleich Bescheid, wenn vom Schwalbennest die Rede war.
Fritz Wegener trat sich die Gartenerde von den Stiefeln, ehe er die Küche durch den Nebeneingang betrat. Hier stand schon Peter Büchner und gab eben gemahlenen Kaffee in die Kaffeemaschine. Er wandte sich um, als Katy mit Opa Fritz eintrat und sagte fröhlich über die Schulter: »Kaffee ist gleich fertig. Für dich Kakao, Elflein. Frau Rosen hat einen ganzen Topf voll gekocht. Ich muß ihn nur warm machen.«
Katy ging zum Spülbecken, ließ Wasser einlaufen und rannte dann ins Wohnzimmer, um eine passende Vase für ihre Blumen zu suchen. Es dauerte nicht lange, bis sie die Blumen geordnet und auf den Schreibtisch ihres Vaters gestellt hatte, der sie dafür anstrahlte, sie in seine Arme nahm und herzhaft küßte.
»Dank dir, Elflein«, sagte er und lachte ihr zu. »Morgen bin ich übrigens mit dem letzten Kapitel fertig. Was machen wir dann?«