MYRIAM LEROY
Rote Augen
Gelesen von Melika Foroutan
Eine Radiomoderatorin erhält auf Facebook eine Nachricht von einem Fremden. Denis gibt sich als begeisterter Hörer aus. In ihrem Blick, schreibt er, „sei so etwas wie ein Sprung, eine Bruchstelle“. Es sind die Worte eines Stalkers. Und als die Moderatorin seine Freundschaftsanfrage auf Facebook annimmt, erzählt er immer ausufernder, intimer von sich. Immer erbitterter fordert er eine Reaktion. Immer dreister stellt er ihr nach. So lange terrorisiert er sie, bis sie beschließt, sich zu wehren. Die belgische Journalistin Leroy wählt für ihren autobiografisch inspirierten Roman eine ungewöhnliche Form. Die namenlose Icherzählerin referiert ausschließlich aus Dokumenten, meist in indirekter Rede. Zunächst sind das vor allem die Nachrichten von Denis, ihre Antworten dagegen verschweigt sie. Foroutans lakonisch-sarkastische Lesung verstärkt das Gefühl des Ausgeliefertseins, das dadurch entsteht. Ein penetrierendes Geschwurbel aus Komplimenten, Tiraden, Sentimentalitäten, schmierigen Zweideutigkeiten und misogynen Beschimpfungen, überwürzt mit unzähligen (in Worten wiedergegebenen) Emojis, das einen kalt erschauern lässt.