Es brach ein Herz entzwei: Karin Bucha Classic 55 – Liebesroman
Von Karin Bucha
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Karin Bucha Classic ist eine spannende, einfühlsame geschilderte Liebesromanserie, die in dieser Art ihresgleichen sucht.
Eröffnung der Wintersaison in der Pariser Opéra. Die Place de l'Opéra scheint zu klein für die chromblitzenden Wagen, die in endloser Kolonne über die Boulevards heranrollen, vor dem Portal der Opéra halten, ihre Gäste aussteigen lassen und sich dann auf die Parkplätze verteilen. Obgleich der sich seinem Ende zuneigende Tag ein Herbsttag war, ist die Luft flirrend weich und süß – wie im Frühling. Sie ist so verlockend, dazu das große gesellschaftliche Ereignis, der Wiedereröffnung der Opéra, daß ein nicht endenwollender Strom Neugieriger am Haus der Musen vorüberzieht. Wenigstens die Auffahrt der eleganten Wagen will man gesehen haben. Der heutige Abend steht ganz im Zeichen des Balletts. An den Litfaßsäulen, auf den Programmen prangt in großen Lettern der Name des weltbekannten und berühmten Geschwisterpaares Cary. Sie sind bezaubernd, diese beiden talentierten Geschöpfe, die sich äußerlich wie ein Ei dem anderen gleichen, nur die Farbe des Haares ist von einem geradezu faszinierenden Kontrast: die eine tiefschwarz – die andere silberblond. Barbara und Bettina Cary! Auch der Großindustrielle Alexander Kostan findet die beiden Tänzerinnen allerliebst. Vor allem Barbara, die mit den dunklen Locken, verehrt er ganz besonders. Er hat sich an ihre Fersen geheftet, nachdem er auf einem Schiff nach den USA Gelegenheit hatte, sie bei einer Wohltätigkeits-Veranstaltung zu bewundern. Aber sie führten auf allen Reisen ein sehr zurückgezogenes Leben, die beiden Tänzerinnen, von ihrem Vater und zwei Bediensteten behütet und betreut. Alexander Kostan ist es nicht gelungen, sich Barbara irgendwie zu nähern, obgleich er nichts unversucht ließ. Wie vernarrt in dieses zarte Geschöpf, hat er ihr folgen müssen, über vier Erdteile hinweg. Fast täglicher Gast war er bei ihren Auftritten, und täglich wanderten die kostbarsten Blumenarrangements in die Garderobe Barbaras. Die Blumen wurden angenommen, die teuren, äußerst wertvollen Angebinde dagegen beharrlich zurückgesandt. Nun ist er dem berühmten Geschwisterpaar auch nach Paris gefolgt, um zugleich einen für ihn sehr wichtigen Verkauf zu tätigen, nämlich ein Haus in der Rue de Rivoli, das ihm durch ein Erbe mütterlicherseits zugefallen ist und das er überhaupt noch nicht kennt. Augenblicklich wohnt er im Ritz. Er hätte zu dieser Eröffnungsvorstellung auch zu Fuß in die Opéra gehen können.
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Buchvorschau
Es brach ein Herz entzwei - Karin Bucha
Karin Bucha Classic
– 55 –
Es brach ein Herz entzwei
Karin Bucha
Eröffnung der Wintersaison in der Pariser Opéra.
Die Place de l’Opéra scheint zu klein für die chromblitzenden Wagen, die in endloser Kolonne über die Boulevards heranrollen, vor dem Portal der Opéra halten, ihre Gäste aussteigen lassen und sich dann auf die Parkplätze verteilen.
Obgleich der sich seinem Ende zuneigende Tag ein Herbsttag war, ist die Luft flirrend weich und süß – wie im Frühling.
Sie ist so verlockend, dazu das große gesellschaftliche Ereignis, der Wiedereröffnung der Opéra, daß ein nicht endenwollender Strom Neugieriger am Haus der Musen vorüberzieht. Wenigstens die Auffahrt der eleganten Wagen will man gesehen haben.
Der heutige Abend steht ganz im Zeichen des Balletts. An den Litfaßsäulen, auf den Programmen prangt in großen Lettern der Name des weltbekannten und berühmten Geschwisterpaares Cary.
Sie sind bezaubernd, diese beiden talentierten Geschöpfe, die sich äußerlich wie ein Ei dem anderen gleichen, nur die Farbe des Haares ist von einem geradezu faszinierenden Kontrast: die eine tiefschwarz – die andere silberblond.
Barbara und Bettina Cary!
Auch der Großindustrielle Alexander Kostan findet die beiden Tänzerinnen allerliebst. Vor allem Barbara, die mit den dunklen Locken, verehrt er ganz besonders. Er hat sich an ihre Fersen geheftet, nachdem er auf einem Schiff nach den USA Gelegenheit hatte, sie bei einer Wohltätigkeits-Veranstaltung zu bewundern.
Aber sie führten auf allen Reisen ein sehr zurückgezogenes Leben, die beiden Tänzerinnen, von ihrem Vater und zwei Bediensteten behütet und betreut.
Alexander Kostan ist es nicht gelungen, sich Barbara irgendwie zu nähern, obgleich er nichts unversucht ließ. Wie vernarrt in dieses zarte Geschöpf, hat er ihr folgen müssen, über vier Erdteile hinweg.
Fast täglicher Gast war er bei ihren Auftritten, und täglich wanderten die kostbarsten Blumenarrangements in die Garderobe Barbaras. Die Blumen wurden angenommen, die teuren, äußerst wertvollen Angebinde dagegen beharrlich zurückgesandt.
Nun ist er dem berühmten Geschwisterpaar auch nach Paris gefolgt, um zugleich einen für ihn sehr wichtigen Verkauf zu tätigen, nämlich ein Haus in der Rue de Rivoli, das ihm durch ein Erbe mütterlicherseits zugefallen ist und das er überhaupt noch nicht kennt.
Augenblicklich wohnt er im Ritz. Er hätte zu dieser Eröffnungsvorstellung auch zu Fuß in die Opéra gehen können. Aber er läßt sich doch von seinem Chauffeur hinfahren und gibt diesem den Auftrag, ihn nach Schluß vor dem Seiteneingang zu erwarten.
»Die Blumen schaffen Sie in die Garderobe – wie üblich«, trägt er Friedrich auf, der schon jahrelang in seinen Diensten steht und die Gewohnheiten seines Herrn genau kennt.
Dann steigt Kostan langsam die Stufen zur Oper empor. Eine hochgewachsene, imponierende Erscheinung, mit knappen, eleganten Bewegungen und einem scharfgeschnittenen Gesicht, von dem man nur sehr schwer die Empfindungen ablesen kann.
Alexander Kostan ist das, was man einen interessanten Mann nennt, dem die Frauenherzen nur so zufliegen. Aber daraus macht er sich nichts.
Ihn interessiert nur Barbara Cary, um die er mit unerschütterlicher Gleichmut wirbt. Dabei ist er sich nicht einmal klar darüber, ob er sie überhaupt noch liebt. So jedenfalls, wie er sich einstmals die große, himmelstürmende Liebe vorgestellt hat.
Diese Illusion hat man ihm längst geraubt. Es war eine wunderschöne Frau, die ihn fast in den seelischen Ruin getrieben hatte. Gerade noch rechtzeitig hatte er das Verlöbnis lösen und sich von ihr trennen können.
Er weiß auch nicht, ob in Barbara Carys schönem Körper eine ebenso schöne Seele wohnt. Er weiß nur, daß sie wie keine andere zu ihm paßt, in sein prachtvolles Heim, dem nichts als die liebenswürdige Frau fehlt.
Halt! Während er seinen Abendmantel ablegt und den seidenen Schal der Garderobiere zuwirft, stoppt er seine Gedanken. Der bodentiefe Spiegel gibt seine elegante Erscheinung wider. Er ist damit zufrieden.
Der Brillant auf der tadellos weißen Hemdbrust blitzt und flimmert.
Stop! Wer denkt an eine Heirat! Sucht er nicht nur ein Abenteuer und ist er nicht nur deshalb so zäh, weil sie sich ihm immer wieder zu entwinden versteht? Reizt ihn nicht dieser heimliche Kampf allein?
Aber bald muß es zu einer Entscheidung kommen. Er muß heim. Seine Direktoren warten auf seine Befehle.
Paris!
Die letzte Station seiner Weltreise. Dann geht es per Wagen heim. Nur noch den Verkauf regeln. Morgen gleich wird er sich das Haus ansehen, das augenblicklich von einem vertrauenswürdigen Ehepaar verwaltet wird. Er wird es einfach einem Makler übergeben, und damit hat sich der Fall erledigt.
Mit diesen Gedanken hat er seine Loge erreicht. Um ihn ist unterdrücktes Stimmengewirr; zwischen hellen duftigen Abendkleidern der Damen der Frack der Herren. Es herrscht Hochstimmung, wie stets vor Eröffnung der Saison.
Ein paar Minuten lehnt Kostan an der Brüstung und nimmt das glanzvolle Bild kühl lächelnd in sich auf. Er kennt diesen Rummel zur Genüge. Er fiebert nur dem Auftritt der Geschwister entgegen.
Ein Griff in seine Brusttasche, ein zweiter nach seiner Karte.
»Alexander Kostan bittet, in der ersten Pause empfangen zu werden«, schreibt er darauf, winkt den Diener zu sich und läßt beides mit einem Trinkgeld in dessen Hand verschwinden.
»Für Mademoiselle Barbara Cary!« sagt er kurz und nimmt seinen Logenplatz ein.
Das letzte Klingelzeichen ertönt! Mit über der Brust verschränkten Armen lehnt sich Kostan in seinem Sessel zurück.
In ihm ist Erwartung – nichts als Erwartung!
*
»Widerlich finde ich das – einfach widerlich«, sprudelt Barbara Cary hervor und läßt sich die Ballettschuhe binden. »Kann man dem Herrn nicht einmal klarmachen, daß er endlich damit aufhören soll? Ich nehme nichts an. Hörst du nicht, Bettina?«
Über den Kopf der Zofe Mia hinweg, die ihr zu Füßen kniet, schaut sie ärgerlich zu der Schwester hinüber, die letzte Hand an ihr zartes Gesicht legt. In Bettinas Miene ist weder Ärger noch Neugierde zu lesen. Ohne daß ein Name gefallen ist, weiß sie, von wem die Schwester spricht.
»Ich verstehe Papa nicht«, schmollt Barbara weiter. »Kann er denn nicht mal eingreifen? Ich verbitte mir diese Geschenke.«
Bettina Cary tupft behutsam mit der Puderquaste über Nase, Stirn und Augenlider.
»Vielleicht hält er deine Zurechtweisung für nicht ernst gemeint?«
Mia hat ihre Arbeit beendet, und Barbara springt von ihrem Platz auf, schwingt sich auf die Lehne von Bettinas Sessel.
»Und was sagst du dazu? Regt dich das kein bißchen auf?«
Bettina hebt gleichmütig die Schultern.
»Diese Aufmerksamkeiten gelten doch nicht mir – sondern dir!«
»Bah!« Barbara schnippt mit den Fingern. »Würde man dich so lächerlich von Stadt zu Stadt verfolgen, würde ich mich mit aufregen.«
Bettina begegnet lächelnd den blitzenden Augen der Schwester im Spiegel.
»Mich verfolgt leider keiner! Leider –«
Barbara gleitet von ihrem Sitz herab und stemmt die Hände in die Hüften.
»Du sagst das so – eigenartig, Betty!« sagt sie und deutete Mia dabei mit einer Gebärde an, daß sie nicht mehr gebraucht wird, worauf diese leise die Tür hinter sich ins Schloß drückt.
Die Schwestern sind die wenigen Minuten vor dem letzten Klingelzeichen allein in der Garderobe.
Blumenduft durchzieht den Raum.
Barbara Cary steht sekundenlang bewegungslos, einen sinnenden Ausdruck auf dem schönen, gleichmäßigen Gesicht.
»Hast du überhaupt schon einmal über den Mann richtig nachgedacht und weshalb er dir so hartnäckig folgt?«
Hinter diesen Worten Bettinas sinnt sie her.
O ja! Sie hat sehr oft darüber nachgedacht, hat sehr oft den Mann aus der Ferne beobachtet, und alles an ihm gefiel ihr. Aber das wollte sie sich nicht eingestehen. Sie wollte nicht abgelenkt sein von ihrer Kunst. Sie wollte ihr nicht untreu werden – und auch der geliebten Schwester nicht.
Es ist eine innige Liebe, die sie mit Bettina verbindet, seit Mama tot ist und nur bezahlte Kräfte um sie sind. Und Papa!
Ja, der behütet und betreut sie gut, führt die Verhandlungen mit den Managern und nimmt ihnen alles Unangenehme ab. Aber es ist doch merkwürdig. Man kann Papa nicht alles sagen, wie einst der zärtlichen Mama. Es ist da etwas um ihn, das man nicht zu durchstoßen vermag.
Er ist Respektsperson, gewiß, und sie fügten sich seinen Anordnungen, weil sie überzeugt sind, daß alles richtig sei. Aber ist denn alles richtig?
»Vielleicht – liebt er dich, Barb?« hört Barbara die Stimme der Schwester.
Da ist er wieder, dieser Trotz.
»Das will ich aber nicht!«
Bettina lacht hellauf.
»Er wird sich wenig daraus machen.«
Erstaunt musterte Barb die Schwester. »So genau glaubst du, Kostan zu kennen?«
Bettina neigt sich tief über die Sessellehne herab und betrachtet mit kritischem Blick ihre glänzenden Schuhe. Als sie aus der Versenkung auftaucht, erglüht das Antlitz in glühender Röte.
»Weshalb liebt er mich?« flüstert Barbara und drückt beide Hände auf das heftig klopfende Herz. »Du
meinst –«, stammelt sie errötend, »ich sollte ihn mir einmal ansehen und – anhören?«
Bettina springt ruckartig aus ihrem Sessel, wirft den Frisierumhang von sich und betrachtet sich im Spiegel. Es scheint, als sei sie tiefblaß. Barbaras fragende Augen fühlt sie im Rücken. Sie schüttelt sich ein wenig und ist wieder die alte.
»Alsdann, laß ihn ruhig anmarschieren, deinen eifrigsten Verehrer«, spöttelt sie gutmütig und legt ihren Arm um die Schulter der Schwester.
Nebeneinandergestellt sind sie ein herzerfrischender Anblick. Die schönen, gleichmäßigen Gesichtszüge mit den feinen, zartrückigen Nasen, den tiefroten Lippen und der überraschenden Helligkeit der blauen Augen, die bei Bettina zu dem Silberblond der Haarpracht paßt, während sie bei Barbara einen seltsamen Kontrast schafft.
Nur ihre Vertraute und Papa wissen, daß Bettinas Silberblond eine kunstvoll gearbeitete Perücke ist, daß sich darunter dasselbe schwarzglänzende Haar wie bei Barbara verbirgt.
Das gibt eine enorme Wirkung – hatte Papa seinerzeit vorgeschlagen, als sie das erste Mai vor die Öffentlichkeit traten. Die eine silberblond, die andere tiefschwarz. Und so war es geblieben, bis zum heutigen Tag.
Und so war es geschehen, daß selbst Bettina sich immer fremd vorkommt.
Nur des Nachts befreit sie sich von der geliehenen Blondheit und läßt ihr blauschwarzes Haar über das Kissen rieseln.
Ein Klingelzeichen schrillt durch den Raum. Gleichzeitig wird die Tür aufgerissen.
»Ihr Auftritt – Mesdemoiselles!« schreit eine Stimme, und schon fliegt die Tür wieder zu.
Arm in Arm verlassen die Schwestern ihre Garderobe. Jetzt gelten alle Gedanken nur noch der Kunst.
*
Der Beifall prasselt wie Trommelfeuer durch das Haus, und immer wieder verneigen sich die beiden Künstlerinnen.
Alexander Kostan lehnt an der Logenbrüstung und läßt keinen Blick von dem schwarzen Lockenkopf, der anmutig und voll Liebreiz nach allen Seiten dankt. Jetzt taucht ihr Blick mitten hinein in seine hellen Augen. Dann fällt der Vorhang zusammen.
»Monsieur – Monsieur!« raunt der Logendiener und tritt hinter Kostan. Ruhig wendet sich dieser um.
»Nun?«
»Mademoiselle Cary erwartet Sie in der Pause in ihrer Garderobe!«
»Danke!« Abermals verschwindet ein Geldstück in die Hand des Dieners. Flüchtige Röte tritt auf Kostans Stirn. Unbewegt sind seine Züge, als er die Loge verläßt.
Seine Pulse hämmern. Gleich wird er ihr gegenüberstehen, der Frau, die sein Denken seit Monaten gefangenhält.
Betäubender Blumenduft erfüllt die Garderobe.
Überall stehen Blumen in Vasen, so daß sich Kostan einen Weg zwischen ihnen hindurch zu Barbara Cary bahnen muß, die ihn hochaufgerichtet empfängt.