Emilys neue Mutter: Sophienlust Extra 25 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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Über dieses E-Book
In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
Denise und Alexander von Schoenecker rückten etwas näher aneinander. Auch sie konnten sich dem seltsamen Bann nicht entziehen, der alle Menschen überfiel, die hier vor dem Schulauer Fährhaus saßen, der Schiffsbegrüßungsanlage vor den Toren Hamburgs. Immer wieder lauschten Denise und Alexander der Stimme aus dem Lautsprecher, die jedes von draußen kommende Schiff begrüßte und jedes ausfahrende verabschiedete. »Willkommen in Hamburg! Wir freuen uns, Sie in Hamburg begrüßen zu können.« Das wiederholte Denise jetzt. Sie sah ihren Mann an. »Wie glücklich mögen manche Menschen sein, wenn sie nach Jahren nach Hause kommen und diese Stimme hören. Sicher denken sie daran, wie ihnen zumute war, als ihr Schiff auf der Elbe hinausfuhr und sie hörten: ›Hamburg wünscht Ihnen eine gute Reise. ‹ Oder sie hören in Gedanken noch einmal: ›Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus‹. Ist es nicht merkwürdig, Alexander, dass man hier bei diesem Abschiedslied sentimental wird?« Alexander von Schoenecker nickte. »Ja, ich gebe zu, dass ich mich dieser seltsamen Mischung aus Sehnsucht, Heimweh und Abschied ebenfalls nicht entziehen kann. Ich glaube, das kommt daher, dass ein ausfahrendes Schiff immer das Gefühl des Ungewissen erweckt. Unwillkürlich fragt man sich: Was kann auf hoher See, in der unendlichen Weite des Ozeans, alles passieren?« »Ja, und es mag darin auch etwas von den Gefühlen der Auswanderer enthalten sein, die wussten, dass sie die Heimat für immer verlassen.« Wieder lauschte Denise der Stimme, die aus dem Lautsprecher der Begrüßungsanlage kam. Jetzt erklang Musik – aus dem »Fliegenden Holländer«. Leise summte Denise mit: »… Steuermann, her zu uns …« Alexander legte den Arm um die Schultern seiner Frau.
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Buchvorschau
Emilys neue Mutter - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 25 –
Emilys neue Mutter
Ein kleines Mädchen hat großes Glück
Gert Rothberg
Denise und Alexander von Schoenecker rückten etwas näher aneinander. Auch sie konnten sich dem seltsamen Bann nicht entziehen, der alle Menschen überfiel, die hier vor dem Schulauer Fährhaus saßen, der Schiffsbegrüßungsanlage vor den Toren Hamburgs.
Immer wieder lauschten Denise und Alexander der Stimme aus dem Lautsprecher, die jedes von draußen kommende Schiff begrüßte und jedes ausfahrende verabschiedete.
»Willkommen in Hamburg! Wir freuen uns, Sie in Hamburg begrüßen zu können.« Das wiederholte Denise jetzt.
Sie sah ihren Mann an. »Wie glücklich mögen manche Menschen sein, wenn sie nach Jahren nach Hause kommen und diese Stimme hören. Sicher denken sie daran, wie ihnen zumute war, als ihr Schiff auf der Elbe hinausfuhr und sie hörten: ›Hamburg wünscht Ihnen eine gute Reise.‹ Oder sie hören in Gedanken noch einmal: ›Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus‹. Ist es nicht merkwürdig, Alexander, dass man hier bei diesem Abschiedslied sentimental wird?«
Alexander von Schoenecker nickte. »Ja, ich gebe zu, dass ich mich dieser seltsamen Mischung aus Sehnsucht, Heimweh und Abschied ebenfalls nicht entziehen kann. Ich glaube, das kommt daher, dass ein ausfahrendes Schiff immer das Gefühl des Ungewissen erweckt. Unwillkürlich fragt man sich: Was kann auf hoher See, in der unendlichen Weite des Ozeans, alles passieren?«
»Ja, und es mag darin auch etwas von den Gefühlen der Auswanderer enthalten sein, die wussten, dass sie die Heimat für immer verlassen.«
Wieder lauschte Denise der Stimme, die aus dem Lautsprecher der Begrüßungsanlage kam. Jetzt erklang Musik – aus dem »Fliegenden Holländer«. Leise summte Denise mit: »… Steuermann, her zu uns …«
Alexander legte den Arm um die Schultern seiner Frau. »Nun, unser Sascha wird nicht traurig sein. Er hat sich wie ein Schneekönig auf diese Reise gefreut. Vier Wochen Studienaufenthalt in den Vereinigten Staaten, das hätte ich mir als junger Mensch auch gewünscht. Und dazu noch eine herrliche Schiffsreise. Ich muss gestehen, ich beneide Sascha ein wenig darum. Zumal es um unsere Reisen so schlecht bestellt ist, Denise. Sophienlust lässt dich nicht mehr los. Ich bin überzeugt, dass es dich schon wieder zu deinen Schützlingen zurückzieht, obwohl du weißt, wie gut sie bei Frau Rennert und Schwester Regine aufgehoben sind.«
Denise strich sich über das schwarze Haar. Sie lächelte. »Ja, das stimmt, Alexander. Aber diese vier Tage mit dir sind ein herrliches Geschenk für mich. Sascha war dankbar, dass wir ihn in Heidelberg abgeholt und nach Hamburg gebracht haben. Wir selbst sind dadurch aber auch zu einem kleinen Urlaub gekommen. Wenn sich das Nützliche mit dem Schönen immer so verbinden lässt, muss man dankbar sein.«
Alexander von Schoenecker neigte den Kopf etwas und tuschelte seiner Frau zu: »Die beiden jungen Frauen, die auf uns zukommen, schau sie dir an! Nur an der Kleidung könnte man sie unterscheiden. Sonst sehen sie einander verblüffend ähnlich.«
Denise lachte. »Das soll bei Zwillingen so sein, Alexander. Und es gibt wohl keinen Zweifel daran, dass die beiden jungen Frauen Zwillinge sind. Du wirst mir vielleicht ein Schwerenöter! Verguckst dich gleich in zwei Frauen. Als ob eine nicht genügen würde, mich eifersüchtig zu machen.«
Erschrocken sah Alexander seine Frau an. »Aber Denise! Habe ich dir jemals Grund zur Eifersucht gegeben? Du bist und bleibst für mich immer die schönste Frau, auch wenn ich gelegentlich mal andere Frauen bewundere, so wie jetzt diese Zwillinge. Oh, sie steuern auf den Tisch neben uns zu.«
Denise stieß ihren Mann mit einem übermütigen Lachen an. »Das tun sie nur dir zuliebe, Alexander.«
Das Ehepaar konnte sich jetzt nicht mehr über die Zwillingsschwestern unterhalten, denn diese setzten sich tatsächlich an den Tisch nebenan. Denise sah die beiden Schwestern verstohlen an. Sie konnten kaum älter als fünfundzwanzig Jahre sein, waren groß, schlank, hatten braunes Haar und sehr dunkle Augen.
Jetzt löste sich Denises Blick von den Zwillingsschwestern. Etwas anderes interessierte sie mehr – ein kleines Mädchen, das sich durch die Tische drängte und nun etwas atemlos auf den Stuhl zwischen den beiden Frauen fiel. Es war ein kleines zartes Geschöpf von ganz besonderem Liebreiz. Es hatte ebenfalls sehr dunkle Augen, aber blondes Haar, das auf dem Hinterkopf zu einem langen Pferdeschwanz zusammengebunden war.
»Wo bist du denn so lange geblieben, Emily?«, fragte die eine der Frauen vorwurfsvoll.
»Ich habe mit einem sehr lieben netten Jungen am Wasser gespielt, Mutti. Schade, dass ihr nicht dort geblieben seid. Was machen wir jetzt?«
»Du bekommst ein großes Eis, Emily«, antwortete die junge Frau, die von dem Kind als Mutti angesprochen worden war. »Aber sei bitte still, Tante Viktoria und ich haben viel zu besprechen.«
Denise von Schoenecker konnte dem Gespräch am Nebentisch nicht länger folgen. Ihr Mann hatte eben die Rechnung bezahlt und erhob sich jetzt. »Komm, Denise, wir bummeln noch ein Stündchen an der Elbe entlang, bevor wir uns auf die Heimfahrt machen«, meinte er.
Während das Ehepaar von Schoenecker seinen Platz vor dem Schulauer Fährhaus verließ, rückte die kleine Emily unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Das wurde auch nicht anders, als sie ihr Eis vor sich stehen hatte. Endlich wagte sie die Frage: »Mutti, darf ich noch einmal zu dem lieben Jungen gehen? Ich habe ihm gesagt, dass ich vielleicht zurückkomme. Er bleibt mit seinen Eltern noch den ganzen Nachmittag hier. Er ist auch allein.«
Bettina Palmer, Emilys Mutter, sah verärgert aus. »Du bist ein Quälgeist, Emily. Du solltest froh sein, dass Tante Viktoria und ich dich mitgenommen haben. Musst du uns dauernd stören?«
Viktoria Delmenhorst sah ihre Zwillingsschwester Bettina vorwurfsvoll an. »Emily hat doch ein Recht darauf, die Freiheit hier draußen ein wenig zu genießen, Bettina. Ein Kind, das in der Großstadt leben muss …«
Bettina unterbrach ihre Schwester ungehalten. »Wir wohnen in Winterhude. Das ist ein Stadtteil, in dem einen die Großstadt Hamburg nicht zu erdrücken braucht.« Sie neigte sich zu dem kleinen Mädchen hinab. »Also, geh schon, Emily. Wir holen dich nachher ab.«
Glückstrahlend lief die Kleine wieder davon. Sie hatte nicht einmal ihr Eis aufgegessen.
Viktoria sah dem Kind mit sehnsüchtigen Blicken nach. »Wie glücklich musst du sein, Bettina. Emily ist in Wirklichkeit noch viel reizender als auf den Fotos. Schade, dass Mutter sie nicht mehr sehen konnte. Du hättest uns doch einmal mit Emily besuchen sollen.«
Bettina zuckte die Schultern. »Konnte ich wissen, dass Mutter ihre Krankheit nicht überstehen würde? Die Reise nach England kam mir immer etwas beschwerlich vor. Zumindest mit dem Kind. Emily ist oft sehr lebhaft. Sie lässt einen kaum verschnaufen. Dauernd stellt sie Fragen. Da müsste man ein Computer sein, um alle beantworten zu können. Emily wird zwar erst vier Jahre alt, aber sie ist wissbegierig wie eine Abc-Schützin. Was natürlich Daniel sehr stolz sein lässt. Aber er ist diesem quicklebendigen Naturell der Kinder ja auch nur an den Wochenenden ausgesetzt. Da ist es dann eine willkommene Abwechslung für ihn.«
»Daniel ist viel unterwegs?«, fragte Viktoria. Ihre Stimme klang gepresst.
»Ja. Aber daran ist er selbst schuld. Er könnte auch im Betrieb arbeiten, wie andere Ingenieure, aber ihn interessiert die Arbeit auf den Baustellen mehr.« Bettina lehnte sich zurück. »Ich bin ja schon sehr neugierig auf euer Wiedersehen. Ich habe Daniel am Telefon gesagt, dass du kommst.« Jetzt neigte sie sich vor. »Sag mal, Viktoria, du bist doch jetzt darüber hinweg, dass sich Daniel vor fünf Jahren für mich statt für dich entschied?«
In Viktorias Gesicht stieg verlegene Röte. »Müssen wir darüber sprechen, Bettina? Du sagst selbst – vor fünf Jahren. Das ist eine lange Zeit.«
»Aber du hast nicht geheiratet. Mit sechsundzwanzig Jahren bist du noch immer ledig. Ich habe immer darauf gewartet, dass eines Tages eine Heiratsanzeige von dir kommt. Schließlich gibt es auch in England interessante Männer. Und du fühltest dich da drüben ja wohl. Ganz im Gegensatz zu mir. Als sich unsere Mutter entschloss, in ihre Heimat zurückzukehren, hatte ich nur die eine Angst, mitgehen zu müssen.«
»Das hätte Mutter nie von dir verlangt, Bettina. Sie stellte ja auch mir frei, ob ich weiter in Hamburg bleiben oder sie nach Nottingham begleiten wolle. Seit Vaters Tod hat sich Mutter eben in Deutschland nicht mehr wohlgefühlt. Ich verstehe das. In ihrem Herzen ist unsere Mutter immer Engländerin geblieben. Nur aus Liebe zu Vater lebte sie in Hamburg. Aber sie hatte viele glückliche Erinnerungen an die Stadt und sprach immer wieder davon.«
Viktoria schien mit den Tränen zu kämpfen. Bettina dagegen blieb ungerührt. Sie lächelte jetzt. »Ach ja, du und Mutter, ihr seid immer Träumer gewesen – um nicht zu sagen Schwärmer. Ich konnte euch nie folgen. Niemand würde glauben, dass Zwillingsschwestern, die einander äußerlich so ähnlich sind, eine so entgegengesetzte Wesensart haben können. Aber ich muss sagen, dass ich froh darüber bin, nicht so sentimental veranlagt zu sein wie du. Und damit wäre ich wieder bei meiner Frage, ob du Daniel noch immer nachtrauerst. Ich weiß, es war damals nicht sehr rücksichtsvoll von mir, ihn dir auszuspannen. Aber mit zwanzig Jahren will man seine Macht über Männer noch erproben. Etwas anderes kann es nicht gewesen sein. Der Traum von der großen Liebe ist bald zerronnen. Wahrscheinlich, weil ich eben anders bin als du. Aber Daniel trägt auch sein Teil Schuld daran.«
»Ihr seid nicht glücklich?«, fragte Viktoria entsetzt.
Bettina lachte spöttisch. »Jetzt siehst du aus, als ob du den Weltuntergang befürchtest, Viktoria. Mein Gott, bist du ein Schäfchen. Glaubst du nicht, dass sich in fünf Jahren Ehe alles etwas abnutzt, was mit Liebe zu tun hat? Vor allem dann, wenn ein Mann so versessen auf seinen Beruf ist wie Daniel? Für ihn gibt es nur zwei Themen, über die er sich am liebsten immer mit mir unterhalten würde – sein Beruf und das Kind.«
Viktoria hatte ihre Hände zusammengepresst und starrte darauf. Es erregte sie zu hören, was aus der Ehe der Schwester