Auf einmal sind wir Eltern: Mami 1993 – Familienroman
Von Susanne Svanberg
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»Er ist vierunddreißig, sieht gut aus und kommt aus einer sehr wohlhabenden Familie«, erklärte der Mann mit den silbergrauen Schläfen, jedes Wort betonend. »Von wem sprichst du, Daddy?« Cosima Alberti legte den Löffel weg und sah ihren Vater aufmerksam an. Er war kaum älter geworden in den vier Jahren, in denen sie sich nicht gesehen hatten. Auch seine würdevolle Strenge war noch genauso dominierend wie früher. »Von Jürgen Baalke, einem äußerst sympathischen jungen Mann. Sein Vater ist Immobilienhändler, und zwar einer der ganz großen. Er verkauft Hochhäuser, Fabrikgebäude und Wohnanlagen. In jeder größeren Stadt hat er Haus- und Grundbesitz. In Berlin gehören ihm einige gute Wohnbezirke.« Enno Alberti war ein Kavalier der alten Schule. Er wirkte gepflegt vom Scheitel bis zu den blankgeputzten Schuhspitzen. In seinem dunkelblauen Anzug war er die Verkörperung des seriösen Geschäftsmanns. Nicht mehr ganz jung war er mit seinen einundfünfzig Jahren, aber doch vital und unternehmungslustig. »Und warum erzählst du mir das?« fragte Cosima verwundert. Sie hatte nie ein herzliches Verhältnis zu ihrem Vater entwickeln können, dazu war er viel zu unnahbar. Die Haushälterin, die zu Cosimas Empfang ein besonders gutes Essen zubereitet hatte, nahm die Suppe weg, von der das Mädchen kaum etwas gegessen hatte. Nach dem langen Flug hatte Cosima absolut keinen Appetit.
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Buchvorschau
Auf einmal sind wir Eltern - Susanne Svanberg
Mami
– 1993 –
Auf einmal sind wir Eltern
Jenny soll nie mehr einsam sein
Susanne Svanberg
»Er ist vierunddreißig, sieht gut aus und kommt aus einer sehr wohlhabenden Familie«, erklärte der Mann mit den silbergrauen Schläfen, jedes Wort betonend.
»Von wem sprichst du, Daddy?« Cosima Alberti legte den Löffel weg und sah ihren Vater aufmerksam an. Er war kaum älter geworden in den vier Jahren, in denen sie sich nicht gesehen hatten. Auch seine würdevolle Strenge war noch genauso dominierend wie früher.
»Von Jürgen Baalke, einem äußerst sympathischen jungen Mann. Sein Vater ist Immobilienhändler, und zwar einer der ganz großen. Er verkauft Hochhäuser, Fabrikgebäude und Wohnanlagen. In jeder größeren Stadt hat er Haus- und Grundbesitz. In Berlin gehören ihm einige gute Wohnbezirke.« Enno Alberti war ein Kavalier der alten Schule. Er wirkte gepflegt vom Scheitel bis zu den blankgeputzten Schuhspitzen. In seinem dunkelblauen Anzug war er die Verkörperung des seriösen Geschäftsmanns. Nicht mehr ganz jung war er mit seinen einundfünfzig Jahren, aber doch vital und unternehmungslustig.
»Und warum erzählst du mir das?« fragte Cosima verwundert. Sie hatte nie ein herzliches Verhältnis zu ihrem Vater entwickeln können, dazu war er viel zu unnahbar.
Die Haushälterin, die zu Cosimas Empfang ein besonders gutes Essen zubereitet hatte, nahm die Suppe weg, von der das Mädchen kaum etwas gegessen hatte. Nach dem langen Flug hatte Cosima absolut keinen Appetit. Sie fühlte sich fremd im Haus ihres Vaters. Bei der Familie, in der sie im amerikanischen Utah gelebt hatte, war es viel herzlicher zugegangen.
»Weil Jürgen Baalke eine wichtige Rolle in deinem Leben spielen wird«, antwortete der Unternehmer ruhig. Seit mehr als zwanzig Jahren leitete er erfolgreich ein großes Textilunternehmen und war daran gewöhnt, daß seine Stimme Gewicht hatte. Niemand wagte ihm zu widersprechen. Was er anordnete, wurde gemacht. Genau das erwartete er auch von seiner Tochter.
»Wieso?« fragte Cosima mit schief gelegtem Kopf. Die stets zerzausten blonden Locken und die großen blauen Augen ließen sie fast kindlich wirken, auf jeden Fall wesentlich jünger als sie war.
Alberti lehnte sich etwas zurück, weil die Haushälterin gerade das appetitlich angerichtete Kalbsfilet servierte. Vor einer Stunde hatte er die Tochter persönlich am Flughafen abgeholt und dabei sofort bemerkt, daß sie drüben in Amerika noch hübscher geworden war. So hübsch, daß ihr jeder Mann nachschaute. Ein Umstand, den Enno für sehr beruhigend hielt. Er fürchtete sich vor der Verantwortung, die ihm dadurch auferlegt wurde. Schon lange vor Cosimas Rückkehr hatte er deshalb beschlossen, die Verantwortung an einen Jüngeren abzugeben. Ihm war es sicher eher möglich, das Mädchen vor den Nachstellungen der Männerwelt zu bewahren.
»Weil ich Jürgen Baalke als Ehemann für dich vorgesehen habe.«
Die junge Frau, die von ihren Freunden nur ›Cosi‹ genannt wurde, lachte hell auf. »Daddy, wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Hast du das vergessen?«
»Keineswegs. Du bist im heiratsfähigen Alter und hattest bisher keine Gelegenheit, dich unter Gleichaltrigen umzusehen. Also habe ich das für dich getan. Ich habe mehrmals mit Jürgen Baalke Golf gespielt und muß sagen, er ist ein sehr angenehmer Mensch. Klug, zurückhaltend und sehr vernünftig.« Letzteres hielt Enno für besonders wichtig, denn wenn Cosima ihrer Mama nachschlug, brauchte sie einen ruhenden Gegenpol.
»Du wirst doch nicht glauben, daß ich einen Typen heirate, den ich gar nicht kenne, Daddy.« Cosi schüttelte temperamentvoll den Wuschelkopf.
Enno genoß die Mahlzeit. Seine Haushälterin war eine ausgezeichnete Köchin, und heute hatte sie sich besondere Mühe gegeben. »Du wirst ihn schon morgen kennenlernen. Ich habe für dich ein Treffen auf dem Tennisplatz vereinbart.«
»Daddy«, antwortete die junge Frau amüsiert, »du meinst es sicher gut mit mir, aber meinen Mann suche ich mir selbst aus. Immerhin bin ich fast fünfundzwanzig und damit längst volljährig. Und überhaupt habe ich es gar nicht eilig. Vielleicht heirate ich überhaupt nicht. Bei dir und Mami ist es ja auch nicht gegangen.« Cosi rümpfte das kurze, ein klein wenig nach oben strebende Näschen. Das wirkte ausgesprochen nett.
Doch Enno sah es mit steigender Besorgnis, denn ihm wurde klar, daß Cosima den verführerischen Charme ihrer Mama geerbt hatte. »Unsere Ehe zerbrach an der Vergnügungssucht deiner Mutter. Sie wollte täglich ausgehen, ständig etwas Neues erleben und vor allen Dingen immer im Mittelpunkt stehen. Da ich mich damals stark für den Aufbau unseres Unternehmens engagierte, konnte ich ihre Forderungen nicht erfüllen. Sie vergnügte sich alleine auf vielen Parties und hatte eine Menge Freunde. Mit einem von ihnen hat sie mich dann verlassen und ist zwei Jahre später mit diesem Mann bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.«
Cosi kannte die traurige Geschichte und wußte, daß ihr Vater keiner Frau mehr vertraute. Auch für sie gab es keine Ausnahme. »Laß uns über etwas anderes reden, Daddy.« Jetzt beschäftigte sich auch Cosima mit den Leckerbissen auf ihrem Teller.
»Sag’ nicht ständig ›Daddy‹ zu mir«, reklamierte der Ältere. »Schließlich sind wir hier in Deutschland.« Enno war ein cleverer Geschäftsmann, der seine Produkte auf der ganzen Welt verkaufte. Doch Sprachen hatte er nie gelernt.
Erstaunt sah Cosi hoch. »Du hast mich zum Studium in die USA geschickt und störst dich daran, daß ich englische Ausdrücke mitbringe? Wie paßt denn das zusammen?«
»Wir können deine Sprachkenntnisse gut in der Verwaltung brauchen, denn mittlerweile haben wir reichlich englischen Schriftverkehr. Zu Hause aber höre ich lieber unsere Muttersprache. Ebenso wie ich es gerne sehen würde, wenn du so bald wie möglich Jürgen Baalke heiratest.« Unbeirrt kam Enno auf sein Thema zurück.
»Ich fürchte, daß ich dir diesen Wunsch nicht erfüllen kann«, beharrte Cosi auf ihrem Standpunkt. Für sie war dieses Thema indiskutabel.
»Und warum nicht? Gibt es bereits einen anderen?« Enno erschrak. Da hatte er für seine einzige Tochter eine streng gläubige Familie im Mormonenstaat Utah ausgesucht und hatte geglaubt, daß sie dort vor allen Gefahren sicher war. Sollte er sich getäuscht haben?
»Es gibt keinen anderen, weil ich gar keine Gelegenheit hatte, jemand kennenzulernen. An der Uni war Mary, die Tochter der Parkers, ständig dabei und sonst durften wir nirgendwo hingehen, außer natürlich zur Kirche. Gerade deshalb werde ich auf keinen Fall schnell heiraten.«
Ennos strenges Gesicht verzog sich unwillig. »Eben weil du keine Erfahrung hast, solltest du heiraten«, widersprach er heftig.
»Ich möchte nicht mehr darüber reden.« Cosi schob den Teller weg. »Entschuldige, Daddy, die Zeitumstellung macht mir zu schaffen. Ich bin müde. Kann ich in mein Zimmer?« In ihrem dunkelblauen Faltenrock und der weißen Bluse mit dem Stehkragen sah sie nicht nur wie ein kleines Mädchen aus, sie fühlte sich auch so. Ihr Vater benahm sich noch so autoritär wie zu der Zeit, da sie die Grundschule besuchte.
»Eigentlich hätten wir eine ganze Menge zu besprechen. Ich habe auch damit gerechnet, daß du mit in die Firma kommst, um dir deinen künftigen Arbeitsplatz anzusehen. Es hat sich viel verändert. Produktion und Umsatz haben sich vervielfacht, die Verwaltung ist schwieriger geworden, trotz moderner Computer. Wir können eine tüchtige Rechtsanwältin mit amerikanischem Staatsexamen sehr gut brauchen.«
»Morgen, Daddy.« Cosima ließ die Schultern hängen, denn sie fühlte sich viel zu schlapp, um ihrem Vater zu widersprechen.
»Dieses ständige ›Daddy‹ regt mich auf.« Bisher hatte Enno genußvoll weitergegessen. Jetzt legte er das Besteck weg.
»Entschuldige. Kann ich...?«
»Wenn es unbedingt sein muß«, brummte Enno unzufrieden. »Dein Zimmer ist unverändert. Sogar die Kleider, die du hier gelassen hast, hängen noch im Schrank.« Enno Alberti war ein reicher Mann. Trotzdem war er sparsam, und das erwartete er auch von seiner Tochter.
Cosima schnaubte entrüstet, enthielt sich aber weiterer Äußerungen. Schließlich wollte sie sich nicht schon am Tag ihrer Rückkehr mit dem Vater streiten.
Allerdings würde sie ihm so rasch wie möglich klarmachen, daß sie längst kein kleines Mädchen mehr war, das er bevormunden konnte.
Sie hatte ihre eigenen Pläne, und die würden Enno Alberti mit Sicherheit